Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Warum wird das in dieser Legislaturperiode nichts?)

Wir waren bisher davon ausgegangen, dass hier die erst vor eineinhalb Jahren vom Landtag getroffene gesetzliche Regelung 1:1 übernommen werden kann. Außerdem liegt uns seit dem vergangenen Monat ein umfänglicher Fachbeitrag der Wirtschaft zum LEP vor,

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Da haben Sie ein Vorwort geschrieben!)

der ebenfalls sorgfältig ausgewertet werden muss. Das betrifft neben dem Einzelhandel weite Bereiche der Rohstoffversorgung, der Bereitstellung von Flächen für Gewerbe, Industrie und Infrastruktur.

Nun ist es natürlich nicht so, dass man – auch bei guten Prognosen – sicher wissen kann, ob sich Datteln mit einer Revisionsbeschwerde in der Revision vor Gericht durchsetzen wird. Ich will mir den üblichen nautischen Vergleich ersparen. Wir müssen in mehreren Fällen inzwischen feststellen, dass Verwaltung und Gesetzgeber derzeit aus der Sicht oberster Gerichte nur wenig richtig machen. Deshalb wird es wenig Sinn machen, bereits seit Längerem laufende politische Neuordnungsprozesse nun auszusetzen, bis wir hier Klarheit haben. Das kann Monate dauern.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Was heißt das denn an Zeit?)

Lassen Sie mich doch ausreden! – Ich hatte im März des vergangenen Jahres im Zusammenhang mit dem geplanten neuen Entwicklungsplan angekündigt, dass wir insbesondere im Bereich der Energieversorgung zu wesentlichen Neuregelungen kommen wollen. Dazu gehört, dass wir die seit Jahrzehnten ungenutzten Reserveflächen für Kraftwerke aufgeben. Außerdem wollen wir moderne Regelungen für notwendige Flächenausweisungen für die Erzeugung regenerativer Energie in unserem Land.

Der Entwurf des Energieabschnitts für den neuen LEP ist fast fertig. Vor dem Hintergrund der aktuellen Urteile und möglicher Weiterungen an anderen Standorten wird deshalb geprüft, ob wir die neuen landesplanerischen Regelungen zur Energie vorziehen. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin Thoben. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Hovenjürgen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Ministerin, seitens der Koalitionsfraktionen haben Sie natürlich die volle Unterstützung. Wir hoffen, dass Sie zusammen mit der Stadt Datteln eine Lösung für die Problematik in Datteln finden können, damit wir dort weiterkommen und energiepolitisch einen Weg finden, der die Energieversorgung in unserem Land sicherstellen kann.

Lieber Kollege Römer, lieber Kollege Priggen, es war wiederum das Vermeiden eines Bekenntnisses – insbesondere von Herrn Römer; das war von Herrn Priggen nicht zu erwarten, aber von Herrn Römer – zum Standort, nämlich einfach zu sagen: Ja, wir wollen einen Kraftwerksbau in Datteln. Wir wollen ihn

an dieser Stelle. Wir wollen mithelfen, dass er realisiert wird.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Sind wir hier in der Kirche? – Weitere Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Sie haben im Bundestagswahlkampf Plakate geklebt: Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz, auch um Ihren. – Können die Menschen in Datteln, können die Menschen im Kreis Recklinghausen eigentlich sicher sein, dass Sie das ernst meinen? Ich glaube nicht.

(Beifall von CDU und FDP)

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen seitens der SPD, Sie sind nicht ohne Verantwortung in dieser Frage. Die Ministerin hat das gerade noch einmal deutlich dargestellt. Sie sprachen davon, Herr Römer: Wer lesen kann, ist im Vorteil. – Wer lesen und zuhören kann, hat noch größere Vorteile. Wir können beides. Wir haben gehört, dass Sie mit in dieser Standortverantwortung stehen. Sie sollten sich dieser Verantwortung stellen und dabei mithelfen, dass wir zu Lösungen kommen,

(Beifall von der CDU)

und nicht Häme darüber verbreiten, dass ein Gericht einen Kraftwerksstandort gestoppt hat, den Sie mit verantwortet haben, meine Damen und Herren!

(Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD)

Eines muss zur Wahrheitsfindung auch noch hinzukommen, lieber Kollege: Das muss eine Partei auch vor Ort wollen. Aber dieses Urteil wird von der SPDBürgermeisterin in Waltrop als überraschend schön bezeichnet, und dieses Urteil wird vom Fraktionsvorsitzenden der SPD in Waltrop mit den Worten kommentiert, jetzt müssten auch noch die Masten abgerissen und die Kabel aufgerollt werden. – Wie weit sind Sie eigentlich von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Land entfernt, meine Damen und Herren?

(Beifall von CDU und FDP)

Dann kommt noch hinzu, dass es einen Bundestagsabgeordneten in Ihren Reihen gibt, der gegen die Erschließung des newParks ist, den wir im Ostvest, aber auch im gesamten Kreis Recklinghausen brauchen, und dass dort Straßenbau verhindert wird, den wir dringend brauchen, um industrielle Fläche zu entwickeln. Es wäre hilfreich, Herr Römer, wenn Sie das Urteil lesen würden. Denn das Urteil sagt etwas über die Abstände aus. Und wenn diese Abstände Maßstab für zukünftige Entscheidungen über Industrieansiedlungen sein sollten, dann werden wir erleben, dass wir altindustrielle Standorte für Industrieansiedlungen nicht mehr nutzen können, weil dort immer Wohnbebauung in einer Nähe liegt, die nicht den Abstand hergibt, dass wir dort industriell agieren können.

Deswegen, meine Damen und Herren: Wer Industrie will, muss Industrie zulassen. Die SPD fordere ich auf, endlich zu einer industrieverantwortlichen Politik zurückzukommen,

(Beifall von CDU und FDP)

die ökologische Berücksichtigungen nicht außer Acht lässt, sondern beides miteinander vereint. Aber machen Sie endlich mit bei neuer Arbeit in Nordrhein-Westfalen! Machen Sie endlich mit dabei, dass wir den Menschen in Nordrhein-Westfalen Sicherheit geben! Sonst würde nämlich irgendwann aus Ihrem Wahlkampfslogan zur Bundestagswahl „Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz, auch um Ihren“ eine Umkehrung werden: Wir bekämpfen jeden Arbeitsplatz, auch Ihren. – Das wäre das, was hier nicht passieren darf, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Stinka?

Nein, ich gestatte leider keine Zwischenfragen, weil ich im Gesamtzusammenhang vortragen möchte.

Meine Damen und Herren, das Land NordrheinWestfalen braucht industrielle Arbeit. Das haben wir schon unter dem ersten Tagesordnungspunkt festgestellt.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Da brau- chen Sie uns nicht katholisch zu machen!)

Es gilt schon, Widersprüche aufzuklären, Herr Bollermann. Diesen Widersprüchen müssen Sie sich stellen. Und das ist Ihr Problem.

(Beifall von der CDU)

Das ist auch Ihr Problem im Ruhrgebiet.

(Zurufe von der SPD)

Ich sage Ihnen: Sie haben sich auf einen Weg begeben, der es möglich macht, auch unter 20 % zu kommen. Ich traue Ihnen allerdings zu, das auch zu schaffen, meine Damen und Herren. Sie werden das schaffen.

(Beifall von der CDU)

Insofern sage ich noch einmal: Lassen Sie uns doch gemeinsam daran arbeiten, dass wir die industriellen Projekte bekommen, die wir brauchen. Wir brauchen Energiesicherheit im Land. Man muss über Alternativen und regenerative Energien nachdenken. Wir müssen auch sehen, wie wir sie nutzbarer machen, wie wir sie stärker auch für die Grundlast einsetzbar machen. Aber solange das technisch noch nicht möglich ist, müssen wir die Grundlast anders sicherstellen. Und für die Sicherstellung der Grundlast brauchen wir berechenbare Kraftwerkskapazität.

Wenn wir dafür Altstandorte aufgeben können, die ökologisch bedenklicher sind, dann ist das gut. Herr Priggen beklagt, dass das bisher nicht geschehen ist. Lieber Reiner Priggen, wir wissen, dass es ein Versäumnis einer rot-grünen Landesregierung war, das bei den Unternehmen einzuklagen.

(Beifall von der CDU)

Auch das gehört zur Wahrheit, der man sich stellen muss. Machen wir es uns doch hier im Hause nicht zu leicht: Da ist schwarz, da ist weiß. – Nein! Schwarz und weiß ist hier nichts.

Es geht um eine gemeinsame Industriepolitik. Zu der laden wir Sie herzlich ein. Aber kommen Sie bitte wieder auf die Interessenlagen der Menschen in unserem Land zurück und sorgen Sie mit dafür, dass die Menschen, die Arbeit suchen, hier auch Arbeit finden können! Dafür brauchen wir Arbeitsplätze. Sie sind herzlich eingeladen. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hovenjürgen. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Ellerbrock.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will es noch einmal versuchen zu erklären: Ich habe eben den Begriff Rechtsfortbildung benutzt. Kollege Priggen, wenn ein Gericht die Spielregeln für die Exekutive ändert, dann ist das eine Rechtsfortbildung, der wir uns stellen müssen. Das haben wir gar nicht in Frage gestellt.

Zweitens. Kollege Römer, Sie haben eben gesagt: Lesen bildet. Kollege Hovenjürgen führte aus: Lesen und Zuhören ist eine gute Sache. Ich sage Ihnen: Lesen, Zuhören und ein Gesetz verstehen, das wäre eine tolle Sache; das wäre etwas ganz Neues für Sie.

(Beifall von FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, die Ministerin hat es mehrfach klarzustellen versucht: Der LEP ist eine Angebotsplanung. Das bedeutet nicht ein Darstellungsprivileg – nur hier und nicht woanders –, sondern bedeutet eine Flächensicherung vor konkurrierender Nutzung, nicht mehr und nicht weniger. Das haben Sie immer noch nicht verstanden. Ich kann es Ihnen vielleicht gleich im Detail aufschreiben – das haben wir oft genug gemacht –, damit Sie es lesen können. Ob Sie allerdings den Sinn erfassen, das weiß ich nicht.

Meine Damen und Herren, sehr wichtig ist doch, heute festzustellen: Es gibt in diesem Hause eine Mehrheit, die eindeutig Ja zum Standort Deutschland, zum Exportland NRW sagt. Es gibt hier eine Mehrheit, die Ja zum Industriestandort sagt und auch sagt: Ja, wir brauchen langfristig sozialversicherungspflichtige gewerbliche Beschäftigte. Es gibt

in diesem Hause eine Mehrheit, die eindeutig Ja zur Standortsicherung sagt – Standortsicherung verstanden als Erweiterung, als Neubau, als Ersatz.

Es gibt in diesem Hause eine eindeutige Mehrheit, nämlich von CDU und FDP, die Ja sagt zu moderner Kraftwerkstechnik, zu modernen Kraftwerken bei uns in Nordrhein-Westfalen. Und es gibt eine Minderheit, die eindeutig sagt: Wir wollen damit nichts mehr zu tun haben. Das sind SPD und Grüne, die sich dem Industriestandort NordrheinWestfalen verweigern. – Danke schön.