Wie ist die rechtliche Situation? – Unser aktuelles Kennzeichnungsrecht fordert eine umfassende Nährwertkennzeichnung nur dann, wenn für ein Lebensmittel mit Angaben zu einem bestimmten Nährstoff oder zum Kaloriengehalt geworben wird. Steht zum Beispiel bei einer Süßware die Angabe „0 % Fett“, so müssen sich zumindest auf der Rückseite der Verpackung die Angaben zu allen Nährstoffen und zum Energiegehalt wiederfinden.
Für alle Produkte, die nicht entsprechend beworben werden, ist eine Nährwertkennzeichnung freiwillig. Insofern überrascht es nicht, wenn die Verbraucherzentralen feststellen, dass viele Lebensmittel keine solche Kennzeichnung tragen. Die rechtliche Situation wird sich allerdings ändern, und ich betone: Es ist auch höchste Zeit!
Die Arbeiten an der europäischen Verordnung zur Verbraucherinformation über Lebensmittel sind schon weit vorangeschritten. Es ist davon auszugehen, dass die EU-Verordnung im Frühjahr des nächsten Jahres in Kraft tritt. Dann werden wir eine verpflichtende Nährwertkennzeichnung auf allen verpackten Lebensmitteln bekommen, also auch auf dem Schokoriegel, der mit knusperleichtem Geschmack wirbt. Ich denke, das ist ein deutlicher Fortschritt für den Verbraucher.
Ich strebe außerdem noch eine Änderung der Verordnung an und werde auf der kommenden Verbraucherschutzministerkonferenz, die in der nächsten Woche in Berlin stattfindet, den Antrag stellen, dass die europäische Verordnung zusätzlich die Angabe des Energiegehaltes des Lebensmittels direkt vorne auf der Schauseite jeder Lebensmittelverpackung vorgibt. Eine solche, leicht erkennbare Information erleichtert dem Verbraucher die bewusste und rasche Kaufentscheidung. Diese Information gibt ihm auch die Hilfestellung für eine aus
gewogene Ernährung und unterstützt ihn bei dem Wunsch, schlank zu bleiben oder möglicherweise zu werden.
Übergewicht, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist ein wichtiges Thema für die Landesregierung, genau so wie falsche und einseitige Ernährung. Denn Fehlernährung – das wissen wir alle – führt langfristig gesehen zu Krankheiten.
Im vergangenen Jahr war die farblich unterlegte Codierung der Nährwertkennzeichnung, das sogenannte Ampelmodell, als geeignetes Mittel in der Diskussion, um das Ernährungsverhalten der Verbraucher positiv zu beeinflussen. Auch mit Unterstützung von Nordrhein-Westfalen ist die Diskussion um die Ampel auf europäische Ebene getragen worden. Es muss allerdings festgestellt werden, dass es bisher kaum Befürworter unter den Mitgliedstaaten gibt.
Auch die Europäische Kommission hat abgelehnt, eine verpflichtende Ampelkennzeichnung in der Informationsverordnung festzuschreiben. Von daher – Herr Abgeordneter Remmel, Frau Abgeordnete Schulze, das möchte ich ganz deutlich sagen – gibt es jetzt eine Positionsänderung der Landesregierung, weil wir uns nämlich mit dieser realen Situation auseinandersetzen müssen.
Mit anderen Worten: Wenn ich mir die Lage auf europäischer Ebene ansehe, ist festzustellen, dass die Ampel nicht durchsetzbar ist. Einzelstaatliche Lösungen würden aber in letzter Konsequenz dazu führen, dass die Hersteller bis zu 27 verschiedene farbige Kennzeichnungsmodelle auf ihre Verpackung drucken. Das dürfte den Verbraucher – ich denke, da sind wir uns einig – völlig ratlos machen.
Die Diskussion und die Arbeit in den vergangenen zwölf Monaten haben gezeigt, dass es schwerwiegende fachliche Argumente gegen eine farbliche Codierung und Nährwertkennzeichnung gibt. Es wäre unverantwortlich, diese Argumente nicht zur Kenntnis zu nehmen.
So hält die Deutsche Gesellschaft für Ernährung wissenschaftlich korrekte Zahlenwerte oder Bezugsgrößen für eine trennscharfe Bewertung von Lebensmitteln für nicht seriös ermittelbar. Zum Beispiel: Bei welchem Fettgehalt springt die Ampel von Grün auf Gelb, bei welchem von Gelb auf Rot? – Genau das ist nicht seriös ermittelbar. Das heißt im Klartext, dass in vielen Grenzfällen willkürliche Zuordnungen vorgenommen würden, deren Informationswert für Verbraucher fraglich ist.
Meine Damen und Herren, weil das jetzt nicht aus der Ecke irgendeines Industrieverbandes oder der Ernährungswirtschaft kommt, sondern von ÖKOTEST – daraus hat Abgeordneter Ellerbrock eben schon zitiert –, möchte ich darauf noch einmal eingehen. Ich meine, das sollten wir alle ernst nehmen.
Selbst ÖKO-TEST stellt aktuell fest, dass die Ampel mehr Verwirrung als Nutzen stiftet. Ich zitiere aus dem aktuellen Heft von „ÖKO-TEST“:
Demgegenüber dümpelt eines der gesündesten Lebensmittel, die Muttermilch, mit einem Gelb für Fett und, wenn man es streng auslegt und den Milchzucker einrechnet, mit einem Rot für Zucker dahin. Doch keine Panik! Wir raten trotzdem davon ab, mit Cola Light zu stillen.
Übrigens: Auch gesundes Vollkornbrot bekäme ein Rot, und zwar beim Salz, genauso wie Olivenöl und gesunde Walnüsse beim Fett.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, weil ich mich für die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher stark mache, …
Ich setze vielmehr darauf, den Verbrauchern durch die Angabe des Energiegehaltes bezogen auf 100 ml bzw. 100 g des Lebensmittels einen knappen, aber dafür genauen Hinweis für eine Kaufentscheidung zu geben. Ich appelliere an alle, genauso wie ich eine verbraucherfreundliche und verständliche Lebensmittelkennzeichnung zu fordern. Vermeiden wir, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ideologische Debatten für und wider die Ampel! Nehmen wir offenkundig gewichtige Argumente ernst! Sorgen wir dafür, dass die Verbraucher die Informationen bekommen, die ihnen nützlich sind, statt sie zu verwirren und zu verunsichern!
Deswegen, meine Damen und Herren, auch mein Vorstoß in der nächsten Woche auf der Verbraucherschutzministerkonferenz! Es geht da um die verpflichtende Nährwertkennzeichnung. Ich möchte Sie von SPD und Grünen sehr herzlich bitten, sich
Vielen Dank, Herr Minister Uhlenberg. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat ihre Redezeit um fast zweieinhalb Minuten überzogen. Vor diesem Hintergrund frage ich, ob es weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung zum Tagesordnungspunkt 3.
Ich komme zur Abstimmung über die Empfehlung des Ältestenrates, den Antrag Drucksache 14/9913 an den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend – sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu überweisen. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dann im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Darf ich hierfür die Zustimmung des Hauses feststellen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist das mit Zustimmung aller Fraktionen so festgestellt und die Überweisungsempfehlung angenommen.
Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Steffens das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, ich glaube, mittlerweile ist bei allen angekommen, dass wir nicht nur einen leichten Anstieg von Unternehmensinsolvenzen haben, sondern dass sich gerade auch die Art der Unternehmen, die Insolvenz anmelden, massiv verändert hat. Wenn man sich nämlich die Zahlen anschaut, wird man erkennen: 2008 war noch der größte Teil, nämlich über 5.400 Unternehmen, sehr kleine Unternehmen ohne Beschäftigte. Jetzt befinden wir uns in der Situation, dass die Unternehmen,
die in die Insolvenz gehen, immer größer werden, immer mehr Beschäftigte haben und damit auch die Problematik der Auszubildenden in den Unternehmen mehr aufschlägt als in der Vergangenheit.
Das heißt, wir verzeichnen eine Zunahme der Auszubildenden, deren Ausbildungsbetrieb die Insolvenz beantragt und damit die Situation verschärft, dass Jugendliche mitten in ihrer Ausbildung, zum Teil kurz vor ihrem Abschluss, sozusagen ihr Unternehmen verlieren und dringendst ein neues Unternehmen brauchen.
Wir haben darüber im Rahmen eines anderen Antrags, der umfassend auch andere Aspekte der Wirtschaftskrise und der Ausbildung beinhaltet, schon einmal im Mai diskutiert. Seitdem ist das eine oder andere passiert, etwa auf Bundesebene die Erweiterung des Ausbildungsbonus auch für die Insolvenzunternehmen, sodass man also für die betroffenen Jugendlichen versuchen kann, ein neues Ausbildungsunternehmen zu finden, das dann mit einem Zuschuss von 4.000 bis 6.000 € einen Anreiz erhält, um auch die Ausbildung der betroffenen Jugendlichen abzuschließen.
Aber: Dieses Geld nutzt derzeit überhaupt nicht viel, weil wir gegenwärtig immer weniger Ausbildungsplätze haben. Die DGB-Jugend hat zuletzt im September noch einmal deutlich darauf hingewiesen, dass zum einen die Jugendarbeitslosigkeit, also die Zahl der jungen Beschäftigten, die in Arbeitslosigkeit fallen, massiv gestiegen ist, nämlich um 21,1 %, und zum anderen die Anzahl der Ausbildungsbetriebe – Stand September dieses Jahres – auch noch einmal um 6.700 gesunken ist. Das heißt, wir haben weniger Ausbildungsbetriebe, die bereit sind, die Jugendlichen, die in diese Notsituation fallen, aufzunehmen.
Deswegen sind wir der Meinung, dass wir an dieser Stelle mehr machen müssen, als einen Ausbildungskonsens zu schließen und einen Ausbildungsbonus anzubieten.
Minister Laumann hat sich auch im Mai dieses Jahres hier hingestellt und gesagt, man versuche da sehr viel, ihm sei das Thema wichtig. – Darüber waren wir sehr froh. Auch im Juni dieses Jahres hat er sich noch einmal in diese Richtung geäußert und klar gesagt: Wir werden mit dem Ausbildungskonsens versuchen, Betriebe zu finden, aber an erster Stelle tun dies die Kammern und die Innungen.
Wenn man sich jetzt anschaut, was seitdem gelaufen ist – das ist alles wunderbar –, und die Frage stellt, was das dem oder der einzelnen Auszubildenden nützt, dann kommt man zu folgendem Ergebnis:
Der junge Mensch stellt fest, dass sein Unternehmen in die Insolvenz geht, und wendet sich an die Kammer. Bei der Kammer wird ihm gesagt, dass
das ein Problem ist und er abwarten soll, bis das Unternehmen wirklich im Insolvenzverfahren ist, denn allein der Insolvenzantrag ist kein Kündigungsgrund. Wenn es aber soweit ist, dann muss er sich ein neues Unternehmen suchen. Genau da fängt das Problem an. Die Jugendlichen finden zu einem hohen Anteil kein neues Unternehmen.
Wir müssen sehen, was das Land, was die politisch verantwortliche Instanz tun kann, um diesen Jugendlichen zu helfen, wieder einen neuen Ausbildungsplatz zu finden. Wir finden, dass das Land in der Pflicht ist, Ausbildungsplätze für genau diese Zielgruppe von Jugendlichen zur Verfügung zu stellen, damit kein Jugendlicher seinen Abschluss nicht bekommt, bloß weil ein entsprechender Ausbildungsplatz fehlt.
Außerdem finden wir es ganz wichtig, dass die Jugendlichen in einer solchen Situation nicht verunsichert werden. Natürlich ist es ein Problem, wenn man im Mai eines Jahres seine Abschlussprüfung hat und im September des vorherigen Jahres erfährt, dass das Unternehmen insolvent ist. In einer solchen Situation brauchen die Jugendlichen Sicherheit. Diese Sicherheit bekommen sie aber in vielen Fällen weder von der Kammer noch von der Innung.
Deshalb finden wir, dass es wichtig ist, dass es einen Automatismus dergestalt gibt, dass jeder jugendliche Auszubildende in einem Unternehmen, für das ein Insolvenzantrag gestellt wird, Informationen über seine Rechte und Möglichkeiten und darüber bekommt, wer ihm wirklich hilft. Wir brauchen so etwas wie eine Garantie für die Jugendlichen, dass keiner seine Ausbildung nicht beenden kann, bloß weil das Unternehmen insolvent wird.