Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

(Norbert Post [CDU]: Ganze zwei!)

Ich habe ja auch nicht für das Amt des Oberbürgermeisters kandidiert.

(Norbert Post [CDU]: Ich will Ihnen gerne hel- fen! Und deshalb lassen Sie dieses unsinnige Gerede vom technischen Bereich!)

Nein, ich lasse dieses Gerede nicht, weil Sie allgemein für das Land Nordrhein-Westfalen unterstellt haben, dass technische Ausbildungsberufe in öffentlichen Verwaltungen nicht möglich sind. Das ist unsinnig und falsch.

Wenn es in Mönchengladbach so ist – ich kann die Zahlen im Einzelnen nicht wissen; nicht ich wollte dort Oberbürgermeister werden, sondern Sie –, wenn die Zahlen also so sind, wie Sie es sagen – ich habe keinen Zweifel daran, Ihnen das zu glauben –, dann wäre es an Ihnen als Landespolitiker

gewesen, auch in der öffentlichen Verwaltung Ihrer Heimatstadt etwas für den Ausbildungsmarkt zu tun, statt hier etwas zu behaupten, was nicht stimmt.

(Beifall von der SPD)

Ich komme jetzt zum eigentlichen Antrag. Es ist richtig und wichtig, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den Antrag heute direkt zur Abstimmung gestellt hat. Denn wir haben auch mit der Beratung unseres Antrags aus dem Mai schon genug Zeit vergeudet, wo sich die Koalition hier überhaupt nicht um die Interessen der jungen Menschen kümmern will. Diese Koalition will schließlich nicht auf Wasserstandsmeldungen reagieren, sondern einfach erst einmal abwarten, wie viele tatsächlich unversorgt sind. Das ist eine Unverschämtheit.

Die Fachleute – die Kollegin Steffens hat es gesagt – prognostizieren zum Ende des Jahres – und wohl auch zum Anfang nächsten Jahres; das befürchte ich – eine steigende Anzahl von Insolvenzen. Diese Zunahme der Insolvenzen bringt es zwangsläufig mit sich, dass auch der eine oder andere Auszubildende aus einem Insolvenzbetrieb auf einmal seine Ausbildung abbrechen muss, gekündigt wird oder – wie auch immer – auf der Straße steht und unversorgt bleibt.

Da frage ich mich allen Ernstes: Wollen wir an dieser Stelle wieder Monate abwarten, bis diese jungen Menschen auf der Straße stehen und nicht wissen, wie es weitergeht? Oder wollen wir diesmal tatsächlich mit diesen vier wirklich einfachen Punkten, die hier zur Abstimmung stehen, präventiv tätig werden?

Ich unterstelle jeder einzelnen Kammer im Lande Nordrhein-Westfalen – die aus meinem Beritt kenne ich alle persönlich –, dass sie sehr bemüht sind, bei diesen Insolvenzlehrlingen tätig zu werden, und dass sie sehr bemüht sind, diese zu versorgen. Ich glaube allerdings – ähnlich wie die Kollegin Steffens –, dass dies nicht immer von Erfolg gekrönt sein wird, und insofern muss man letztendlich unterstellen, dass in diesem Bereich etwas getan werden muss.

Ohne Einbindung in einen Ausbildungsbetrieb bei der Übernahme nach einer Insolvenz, wie es auch in dem Antrag dargestellt wurde, ist eine Ausbildungsbeendigung nur dann möglich, wenn der Auszubildende sehr kurz vor Abschluss seiner Ausbildung steht. Aber wie oft tritt dieser Fall ein? Wie oft ist es denn so, dass ein Auszubildender von der Insolvenz betroffen ist, der insgesamt höchstens 10 % der Ausbildungszeit verpasst hat und keinen Ausbildungsbetrieb mehr braucht? Was ist denn mit den anderen? Was ist denn mit denen im ersten und zweiten Ausbildungsjahr? Das sind doch die, um die wir uns kümmern müssen.

Herr Minister Laumann hat in einer Pressemitteilung am 15. April dieses Jahres die Lösung parat gehabt. Diese Lösung hat im Übrigen auch der Kollege Brakelmann am 7. Mai hier im Parlament dargelegt.

Man muss sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, was dort auf den Weg gebracht wurde: Als Erstes kümmern sich die Kammern, die Innungen oder die Verbände oder alle drei zusammen unabhängig voneinander um den Auszubildenden, der nach einer Insolvenz seinen Ausbildungsbetrieb verloren hat und „nackt“ auf der Straße steht. Da stellt sich zunächst die Frage, wer das überhaupt koordiniert. Koordinieren dies die Kammern, oder tut es letztendlich sogar der Auszubildende? – Hoffentlich haben sie in diesem ersten Schritt Erfolg. Für jeden jungen Menschen würde ich mir das wünschen.

Dann schlägt Kollege Laumann den Einbezug des Ausbildungsbonus vor; Sie haben das gerade erwähnt, Herr Kollege Post. Dies sei schon abgestimmt. Was er dabei vergessen hat, ist Folgendes: Als er im April vorgeschlagen hat, dass der Ausbildungsbonus umgesetzt werden soll, sah der Ausbildungsbonus diese Möglichkeit überhaupt noch nicht vor. Dies scheiterte nämlich an genau den Punkten, Herr Post, die Sie gerade genannt haben. Der Ausbildungsbonus wird nämlich nur bei zusätzlichen Ausbildungsplätzen und bei besonderen Vermittlungserschwernissen gewährt.

Unser damaliger Antrag beinhaltete das im Übrigen. Dem wurde nicht Folge geleistet. Hier hat es Kollege Laumann ad absurdum geführt, und wir haben es dann mit Bundesarbeitsminister Olaf Scholz auf den Weg gebracht. Wir haben ein nettes Schreiben von Ihrem Kollegen Brauksiepe, der dem Bundesarbeitsministerium noch einmal deutlich macht, dass das ein sehr guter Vorschlag ist, und deswegen ist es auch am 19.06. dank unserer Initiative so schnell umgesetzt worden. Da Herr Laumann dies nicht hörte und auch nicht initiativ wurde, nutzten wir früher unsere guten Kontakte zum Bundesarbeitsministerium.

Dann sagte der Laumann’sche Katalog im April – das musste auch eintreffen, weil der Ausbildungsbonus noch gar nicht greifen konnte und durfte –, dass der junge Mensch in einer aufgestockten Maßnahme der Bundesagentur in eine außerbetriebliche Ausbildung solle. Hoffentlich ist bei der außerbetrieblichen Ausbildung der Bundesagentur genau an dem Ort, wo sich der Auszubildende befindet, für eben diesen Beruf, für den ja kein Herr Laumann voraussagen konnte, dass der in einer außerbetrieblichen Maßnahme benötigt würde, ein Platz frei.

Aber wenn auch das dann nicht so ist, helfen der Notnagel und die Geheimwaffe der Landesregierung: Frau Sommer. Frau Sommer wird im nächsten Schritt die notwendigen Kapazitäten für eine vollzeitschulische Ausbildung anbieten – so der Vorschlag von Herrn Minister Laumann.

Die Berufskollegs freuen sich ohnehin auf jede Neuerung von Frau Sommer. Warum sollte man dann nicht für einzelne alleingelassene gekündigte

Auszubildende, die aufgrund einer Insolvenz auf der Straße stehen, eben mal in einem Berufskolleg passgenaue Angebote unterbreiten – wenn auch nur für Einzelfälle?

Die Berufskollegs schaffen das sowieso, wie sie auch in der Vergangenheit alles andere schaffen mussten. Das kostet ja nichts, und die Lehrerkapazitäten – das haben die vielen Kleinen Anfragen der jüngsten Vergangenheit gezeigt – sind gerade bei den Berufskollegs vorhanden. Oder doch nicht? – Nein, ich glaube, gerade bei den Berufskollegs war es so, dass eben diese Kapazitäten nicht vorhanden waren. Gerade die Berufskollegs haben deutlich zu wenige Lehrer. Aber Stellen haben sie ja. Das wird bei der Sache sicherlich deutlich helfen.

Und wenn der junge Mensch dann immer noch nichts hat – wir sind mittlerweile im vierten oder fünften Schritt des Katalogs von Herrn Ministern Laumann; über die verstrichene Zeit, die bis dahin über das Land gerannt ist, spricht eh kein Mensch –, dann gibt es eine Verabredung zwischen Herrn Laumann und der Regionaldirektion für besondere Lösungen im Einzelfall.

Bis heute ist noch keinem Menschen bewusst geworden, wie sich Herr Laumann und Frau Schönefeld über besondere Lösungen im Einzelfall für Fritzchen Müller und Lieschen Meier irgendwo im Land Nordrhein-Westfalen Gedanken machen würden. Das ist blanke Illusion. Das ist blanke Polemik. Deswegen sind die Schritte, die die Grünen auf den Weg gebracht und in ihren Antrag geschrieben haben, richtige Schritte, mit denen man arbeiten kann.

Was hat der junge Mensch denn in dieser Zeit gelernt, nachdem mittlerweile Monate ins Land gegangen sind? Er ist sportlich geworden, denn er hat den reinsten Marathonlauf hinter sich, schlimmstenfalls noch immer keinen Ausbildungsplatz und, was das Allerschlimmste ist, ohne Ausbildungsplatz auch keine Perspektive auf eine Prüfung und keine Perspektive auf einen zukünftigen Berufsweg.

Diesen von mir skizzierten Weg hat im Übrigen auch schon Kollege Brakelmann am 7. Mai 2009 dargestellt, ohne sich über diese Konsequenzen Gedanken zu machen. Mit unserem Antrag im Mai haben wir auch für die Insolvenzlehrlinge gezielte Landesprogramme gefordert. Das geht in die Richtung dessen, was die Grünen heute vorgelegt haben.

Hat Kollege Brakelmann damals noch hier im Plenum bei der Umsetzung des Ausbildungsbonus auch nicht erkannt, dass dies zum damaligen Zeitpunkt rechtlich überhaupt nicht möglich war, so hat er doch zumindest erkannt, dass der Betrag, der im Raum stand, wohl eher zu niedrig ist. Mit Genehmigung der Präsidentin zitiere ich ihn:

Man muss vielleicht noch einmal darüber nachdenken, diesen Beitrag zu erhöhen, damit das lukrativer wird.

Jetzt ist er leider nicht da. Aber Herr Post, Sie sind der Sprecher dieses Arbeitskreises. Der Haushalt ist eingebracht. Auch Sie könnten Änderungsanträge stellen, vorausgesetzt Sie definieren aus dem Zitat von Herrn Brakelmann, auch Sie als Politiker könnten ihren Worten Taten folgen lassen. Dann wäre schon der erste Schritt dessen getan, was wir heute debattieren.

Ich hoffe, das wird nicht wieder aus ESF-Mitteln finanziert. Nehmen Sie doch einmal eigenes Geld in die Hand. Andere Ausschüsse und Ministerien können Ihnen sagen: Man darf auch eigenes und muss nicht nur europäisches Geld nehmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Antrag ist sinnvoll. Er zielt auf präventive Maßnahmen und fordert: nicht aussitzen, wohlfeile Reden halten und Pressemitteilungen schreiben, sondern endlich einmal handeln. Auffangmöglichkeiten dürfen nicht nur in nachgeordneten Behörden, vielmehr müssen auch Hilfestellungen zum Auffangen in den Kommunen ermöglicht werden. Es gibt die technischen Berufe. Unabhängig davon, Herr Kollege Post, könnte es theoretisch auch einmal der Fall sein, dass ein kaufmännischer Beruf von einer Insolvenz betroffen ist. Auch das soll nicht ausgeschlossen sein.

(Zuruf von Norbert Post [CDU] – Gegenruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Im Antrag geht es um eigene Landesinitiativen und darum, dass berufliche Perspektiven junger Menschen nicht kaputt gemacht werden, sondern für diese beruflichen Perspektiven junger Menschen endlich einmal gehandelt wird.

Frau Sommer, Sie könnten tatsächlich in Kooperation mit den Berufskollegs Informationen für Auszubildende erstellen. Herr Kollege Post, es ist lebensfremd, dass bei jungen Menschen die Informationen von Kammern und DGB gelesen werden. Es geht um die Landesverantwortlichkeit den jungen Menschen, den Mitbürgerinnen und Mitbürgern Nordrhein-Westfalens gegenüber.

(Beifall von den GRÜNEN)

Seit wann wollen Sie denn etwas auf die Gewerkschaften abwälzen? Sie haben doch jetzt in Berlin Koalitionspartner, die sie am liebsten in die Wüste schicken wollten. Das ist schon hanebüchen.

(Beifall von der SPD)

Ich glaube, dass es darauf ankommt, sehr schnell tätig zu werden und nicht wieder etwas auszusitzen. Denken Sie immer daran: Die Leidtragenden Ihrer Aussitzpolitik sind junge Menschen und demnächst – auch am 9. Mai 2010 – Wählerinnen und Wähler. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schmeltzer. – Als nächster Redner hat für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Dr. Romberg das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schmeltzer, Ihre hämischen Äußerungen zum Kollegen Post über dessen Sachkenntnis und seine Kandidatur zur Kommunalwahl fand ich absolut unpassend. Sie haben in dieser Debatte wirklich nichts zu suchen.

(Beifall von der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Dann darf er nicht etwas behaupten, was er besser wissen müsste!)

Sonst war Ihr Debattenbeitrag dadurch geprägt, dass Sie eigentlich vieles von dem, was Sie im Mai hier und im Ausschuss eingebracht haben, wiederholt haben.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie sollten die Rede mal lesen, wenn Sie schon nicht zuhö- ren, Herr Kollege Romberg!)

Ich kann Ihnen sagen: Der SPD-Vorstoß im Mai zu subventionierten Ausbildungsplätzen in diesem Land war nicht hilfreich – ganz im Gegenteil. Das sagen heute auch viele Experten, die damit beschäftigt sind, für Ausbildung in diesem Land zu werben.

Die Sorge um Jugendliche, die ihre Ausbildung in Unternehmen absolvieren, die von der Insolvenz bedroht oder sogar betroffen sind, ist berechtigt. Obwohl die neuesten Arbeitsmarktzahlen weniger dramatisch sind, als befürchtet, gibt es dennoch keinen Anlass zur Sorglosigkeit.

Die Aktivitäten der Landesregierung, um einen Beitrag zur Schaffung von Ausbildungsplätzen zu leisten, sollten hinlänglich bekannt sein. Zu nennen ist hier natürlich die traditionelle Ausbildungstour von Minister Laumann. Der Minister wiederholt dabei immer wieder seine Appelle, auf keinen Fall bei den Ausbildungsaktivitäten nachzulassen.

(Zuruf von Carina Gödecke [SPD])

Denn was nützt den Unternehmen irgendwann ein Konjunkturaufschwung, wenn sie die Nachfrage in Ermangelung qualifizierten Personals gar nicht erfüllen können oder wenn man feststellen muss, dass die Konkurrenz im Vorteil ist, weil sie die besseren Ideen hat? Solche Ideen fallen nicht vom Himmel, sondern entstehen durch die Arbeit von gut qualifizierten Mitarbeitern, die ungeachtet der wirtschaftlichen Katerstimmung ihre Ausbildungsquote sogar gesteigert haben.

Herr Kollege Romberg, entschuldigen Sie.

Ich möchte gerne fortsetzen.