(Dr. Robert Orth [FDP]: Ich habe mir vier Mi- nuten für die Erwiderung auf Ihren Beitrag aufgehoben!)
Herr Dr. Orth, mit Weglassen kann man auch etwas Falsches sagen. Sie haben bei Ihrer Analyse, wer das bessere Beamtenrecht macht, weggelassen, dass in unserer Zeit das Beamtenrecht noch Bundesrecht war und wir erst durch die Föderalismusreform, die in Ihrer Amtszeit in Kraft getreten ist, Besoldung und Versorgung auf Landesebene zu regeln haben.
Ich finde diese Zersplitterung des Dienstrechts übrigens falsch, weil ich glaube, dass sie niemanden weiterbringt. Im Übrigen finde ich auch andere Entscheidungen der Föderalismuskommission nicht richtig. Aber nichtsdestotrotz haben wir auch eine Chance, nämlich ein vernünftiges, modernes, flexibles Dienstrecht auf die Beine zu stellen.
Andere Länder sind längst in die Debatte eingestiegen. Sie hingegen schweigen es einfach tot und vertagen alles in die nächste Legislaturperiode, machen dafür aber an kleinen Baustellen ein paar Reförmchen, die zum großen Teil – nicht an dieser Stelle; das will ich ganz klar sagen – zulasten der Betroffenen gehen. Aber das, was das Dienstrecht gerechter macht und nach vorne bringt, lassen Sie weg.
Unter Ihrer Regierung haben die Beamtinnen und Beamten in unserem Land im Schnitt wirklich nicht allzu viel zu lachen.
Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu. Nichtsdestotrotz möchte ich in einigen Sätzen sagen, wo meine Bedenken liegen; denn so einhellig, Herr Möbius, war es nicht.
Natürlich kann man den Sozialdienst von der Ausbildung und von den Aufgaben her nicht einfach mit dem Vollzugsdienst vergleichen; das wissen Sie auch. Ich finde, Sie stellen hier ein Zweiklassenleistungsprinzip auf: Im allgemeinen Vollzugsdienst und im Werkdienst sollen die Leute, wenn sie Führungsaufgaben haben, anständig besoldet werden. Das alles machen wir mit. Aber für Führungsaufgaben im Bereich der Sozialdienste halte ich A 13 für nicht angemessen. Aus meiner Sicht könnte A 14 hierfür eine angemessene Besoldung sein. Sie vollziehen den einen Schritt und lassen einen bestimmten Bereich des Vollzugs – aus meiner Sicht ist das nicht gerechtfertigt – außen vor.
Leistung muss sich lohnen – jawohl. Aber dann bitte auch für alle. Daher stimmen wir dem Gesetzentwurf zu, würden aber gern eine Aufwertung des Sozialdienstes haben, weil ich glaube, dass die Menschen da unsere Unterstützung verdient haben. Sie wissen genau, wie es hinter Gittern aussieht – wir haben das Thema wirklich ständig im Rechtsausschuss – und welche Probleme es da gibt: eine hohe Quote Drogenabhängiger und eine hohe Quote psychisch kranker, psychisch auffälliger Menschen. Im Jugendstrafvollzug werden hohe Anforderungen gestellt.
Das sind Menschen, die eine verdammt wichtige Arbeit für unsere Gesellschaft leisten. Die können wir auch anständig besolden: im Vollzugsdienst und im Sozialdienst. Deswegen stimmen wir zu, möch
Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Müller-Piepenkötter das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht in die Debatte über die Dienstrechtsreform einsteigen. Auch in die Debatte über den Sozialdienst möchte ich nicht einsteigen – obwohl mir ein Hinweis dazu gestattet sei: Diesen Teil des Beamtenrechtes hätte das Land auch schon früher ändern können. Insofern hat Herr Dr. Orth nichts weggelassen, was er nicht hätte weglassen dürfen.
Ich möchte mich darauf beschränken, mich bei den beteiligten Ausschüssen für die zügige und kompetente Beratung dieses Gesetzentwurfs zu bedanken, der es uns ermöglicht, den Führungskräften im allgemeinen Vollzugsdienst die Anerkennung zu geben, die sie angesichts ihrer immer anspruchsvoller gewordenen Aufgaben und ihrer komplexen Aufgabenstellungen verdienen.
Wir kommen zügig zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 14/10032, den Gesetzentwurf Drucksache 14/9508 unverändert anzunehmen. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Enthält sich jemand? – Bei Enthaltung des fraktionslosen Kollegen Sagel ist dies einstimmig so beschlossen. In zweiter Lesung ist damit der Gesetzentwurf Drucksache 14/9508 verabschiedet.
7 Bundesregierung plant in der Gesundheitspolitik den Einstieg in die Kopfpauschale und den Ausstieg aus der solidarischen Krankenversicherung
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir können in diesem Tagesordnungspunkt die Diskussion von heute Morgen ein Stück weit konkreter fortsetzen. Das will ich auch tun. Ich will hier keine Kaffeesatzleserei betreiben, sondern mich ganz konkret Wort für Wort an Ihrem Koalitionsvertrag, den Sie in Berlin geschlossen haben, entlang hangeln.
Die soziale Krankenversicherung in Deutschland bietet 90 Prozent der Bevölkerung einen umfassenden Krankenversicherungsschutz. Dieser auf Solidarität basierende Schutz ist ein entscheidender Standortfaktor und hat maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands beigetragen. Das deutsche Krankenversicherungssystem ist ein Garant für die Stabilität unserer Gesellschaft. Kapitalgedeckte Schutzsysteme, das zeigt die derzeitige Finanzkrise, unterliegen dagegen den Risiken der Finanz- und Kapitalmärkte.
Das deutsche Gesundheitssystem hat sich bewährt und dient anderen Ländern als Vorbild. … Ein Systemwechsel wäre schädlich.
Dieses Zitat entstammt nicht etwa den gesundheitspolitischen Grundsätzen der Sozialdemokratie, obwohl es da auch hinpasst, es ist auch kein Zitat der großen Versorgerkassen, sondern es stammt aus den gesundheitspolitischen Positionen der Ersatzkassen, die diese vor der Bundestagswahl so veröffentlicht haben.
Was sagen Sie nun zu diesen Punkten, zu diesen Anforderungen in Ihrem Koalitionsvertrag? Da heißt es:
Die Versicherten sollen auf der Basis des bestehenden Leistungskatalogs so weit wie möglich ihren Krankenversicherungsschutz selbst gestalten können.
Das heißt doch wohl, dass der gesamte Leistungskatalog nicht für jeden automatisch gesichert ist, sondern dass es von der individuellen Wahl seines Versicherungsschutzes abhängt. Sollen hier etwa Tarife mit Selbstbeteiligung, Teilkasko und Vollkasko etabliert werden? Verraten Sie doch dann bitte einmal den Menschen, wie sie ihre Krankheit dem selbstgestalteten Versicherungsschutz anpassen sollen! Das Kunststück wird man, glaube ich, nicht schaffen.
Kommen wir zum nächsten Punkt im Koalitionsvertrag. Dort heißt es: Das bestehende System wird in eine Ordnung mit „einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen“ überführt. – Da wird die Katze aus dem Sack gelassen. Einkommensunabhängige Beiträge sind bekanntlich nur für Besserverdienende interessant. Das heißt, sie sind für den jeweiligen Chef, nicht aber für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Vorteil. Diese Art von Gleichmacherei, eine solche Kopfpauschale, zerstört den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
Damit – die Idee ist ja nicht neu – knüpfen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, nahtlos an Ihren Leipziger Parteitag von 2003 an. Die damalige Reaktion haben Sie sicherlich noch in schmerzhafter Erinnerung. Das hat Sie wohl auch veranlasst, dieser die Gesellschaft verletzenden Kopfpauschale ein bisschen weiße, schmerzstillende Salbe hinzuzufügen, die da heißt: Sozialausgleich.
Doch warum, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ein soziales System zerstören, um ein neues, unsoziales System dann sozial ausgleichen zu müssen? – So fragt meines Erachtens völlig zu Recht der Mediziner Dr. Bernd Hontschik am letzten Wochenende in der „Frankfurter Rundschau“.
Eigentlich müssten wir doch alles daransetzen, unser System so weiterzuentwickeln, dass alle Versicherten, egal ob gesetzlich oder privat versichert, den gleichen Zugang zur medizinischen Versorgung erhalten. Oder, um es mit den Worten des bayrischen Hausärzteverbandes zu sagen: Jede Erkrankung eines Patienten muss unabhängig von dessen wirtschaftlichem Status angemessen behandelt werden. – Da gibt es schon jetzt Verbesserungsbedarf, beispielsweise, wenn gesetzlich Krankenversicherte länger auf einen Termin beim Facharzt warten müssen als Privatversicherte.
Doch die von CDU/CSU und FDP unterzeichnete Vereinbarung führt nicht nur zu einer Zwei-, sondern zu einer Mehrklassenmedizin. 90 % unserer Bevölkerung – ich sagte es schon – sind gesetzlich versichert. Die Grundlagen für die Krankenkassen verschlechtern Sie mit den Absichten, die Sie im Koalitionsvertrag verankert haben, dramatisch.
Sie wollen den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich zurückfahren. Das heißt: Den finanziellen Ausgleich gerade für die hier bei uns in Nordrhein-Westfalen großen Versorgerkassen wie AOK und Knappschaft, die wegen ihrer Versicherten und ihrer Morbiditätsstruktur für ihre Versicherten mehr Kosten aufwenden müssen als andere, treffen Sie damit. Sie schicken die Kassen wieder in einen Wettbewerb um junge, gesunde Singles, den wir gerade dabei waren zu überwinden. Wer wie ich regelmäßig Auto fährt und dabei gezwungenermaßen auch Radiowerbung zur Kenntnis nimmt, kann
sich regelmäßig anhören, wie schon jetzt die privaten Versicherungen genau diesen Personenkreis umwerben. Bald müssen es die gesetzlichen Krankenkassen wohl auch tun.
Gleichzeitig schließen Sie aber die gesetzlichen Krankenversicherungen von den beabsichtigten Zusatzversicherungen aus, indem Sie den Privaten dieses Recht exklusiv verleihen. Ich weise noch mal darauf hin – Herr Henke, Sie haben heute Morgen gerufen: Lesen bildet! –: Ja, wir haben den Koalitionsvertrag wortwörtlich gelesen. Das steht genau so darin, aber nicht unter einem Kommissionsvorbehalt, also nicht in einer Regelung, die noch auszuhandeln ist, sondern das ist bereits verankert. Es heißt also nicht „kann“, „wird geprüft“ oder „soll“, sondern es ist so.
Eigentlich hat man an dieser Stelle als gesetzlich Krankenversicherter längst genug von Ihrer Vereinbarung. Aber Sie legen noch eine Schüppe drauf, und die Menschen hier in Nordrhein-Westfalen und überall in Deutschland müssen es möglichst schnell erfahren. Den Arbeitgebern sagen Sie nämlich auch nicht als Prüfauftrag, sondern definitiv zu: Der Beitrag der Arbeitgeber bleibt fest – auf dem heutigen Stand. Hier haben Sie offenbar auch keinen Beratungsbedarf mehr.
Das heißt für die Versicherten: Jede Kostensteigerung im Gesundheitssystem, sei es dank medizinischen Fortschritts, sei es durch höhere Mobilität, sei es durch höhere Personal- und Sachkosten, wird zukünftig ausschließlich von den Versicherten getragen. Damit schwinden auch die Verantwortung der Arbeitgeber für ein effizientes Versorgungssystem und der Anreiz – das ist ganz wichtig; wir sind in einem Ausschuss nicht nur für Gesundheit, sondern auch für Arbeit –, Arbeitsplätze so zu gestalten, dass sie nicht krank machen. Und obwohl Sie die Verantwortung der Arbeitgeber reduzieren, schreiben Sie ihnen gleichzeitig noch mehr Mitwirkungsrechte im Bereich der Selbstverwaltung der Krankenkassen zu.
Wie man den Medien entnehmen konnte, gab es in den Reihen der CDU auf ihrem Kleinen Parteitag durchaus Kritik. So soll beispielsweise die ehemalige saarländische Sozialministerin Regina Görner – von Herrn Tillich und Herrn Müller hört man Ähnliches – gefordert haben, dass die Krankenversicherung umlagefinanziert bleiben soll und bei der Pflegeversicherung nicht auf die Kapitaldeckung gesetzt werden soll.
Doch wo war Ihr Protest, Herr Laumann? Herr Linssen hat heute Morgen gesagt, wir sollten ein bisschen Ordnung in den Laden bringen. Die Vielstimmigkeit, die ich aus CDU-Reihen zu dieser Geschichte gehört habe, schreit in der Tat auch nach Ordnung, aber nach einer Ordnung im Sinne der Versicherten und nicht im Sinne nur eines Teils der Versicherten.
Als Zweites möchte ich noch anmerken: Wo bleiben Sie eigentlich mit den Positionen, die Sie uns im letzten Jahr mit schöner Regelmäßigkeit vorgetragen haben, ob bei Podiumsdiskussionen, bei Demonstrationen oder in diesem Hohen Hause, Herr Minister? Sie haben angeprangert, dass Berlin, dass das Gesundheitsministerium dafür sorgen soll, dass wir in der Krankenhausfinanzierung einen Bundesbasisfallwert bekommen. Herr Minister, in der Tat beschreiten wir seit Jahren den Weg von der Einzelfallfestlegung eines einzelnen Krankenhauses hin zu der Festlegung eines Landesbasisfallwertes. Und daraus hätte sich jetzt der nächste Schritt entwickeln können. Es war angedacht, zu einem Bundesbasisfallwert zu kommen.