Doch wir wissen aus leidiger Erfahrung: Je cooler Sie auftreten, umso ernster ist die Situation der öffentlichen Kassen in Nordrhein-Westfalen. Das ist eine traurige Wahrheit.
Und so cool wie am Sonntag waren Sie noch nie. Herr Dr. Linssen, Ihre Lässigkeit ist Fahrlässigkeit.
Sie machen einfach neue Schulden. Schwarz-Gelb wird zum Ende Ihrer Amtszeit die meisten Schulden aller Zeiten aufnehmen – Rekordneuverschuldung durch selbsternannte Haushaltssanierer.
Ich bin wirklich gespannt, ob Sie vor der Wahl ehrlich sind oder ob Sie bis Mai das knapp milliardengroße Haushaltsloch verschweigen oder verschleiern wollen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, das zu erfahren. Darum geht es heute in dieser Debatte, meine Damen und Herren.
Sie von der CDU, die Sie gerade lauthals dazwischenrufen, haben sich über Dortmund aufgeregt – zu Recht. Dort wurden 100 Millionen € vor der Wahl verschwiegen. Wollen Sie das Gleiche mit einer mehrfachen Summe mit Blick auf den Landeshaushalt von Nordrhein-Westfalen tun? Heißt Ihre Devise „Von Langemeyer lernen heißt siegen lernen“? – Ich hoffe, dass das mit Respekt vor dem Parlament und Respekt vor den Menschen hier in NordrheinWestfalen nicht der Fall ist.
2011 sollen weitere Steuergeschenke für Besserverdienende folgen, die den Haushalt weiter ruinieren. „Möglichst“ heißt es jetzt immer so schön. Alles stehe unter Haushaltsvorbehalt. Frau Homburger von der FDP behauptet, alles sei genau ausgerechnet. Deswegen, Herr Ministerpräsident, nehmen Sie sich beim Wort: Schaffen Sie Klarheit über das, was auf die Landeshaushalte und die Kommunalhaushalte zukommt!
Die kommunalen Spitzenverbände sprechen von der größten kommunalen Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Und die Kommunen sind die, die die öffentliche Daseinsvorsorge vor Ort gewährleisten – da, wo die Menschen die Politik hautnah erleben und erfahren. Ihre Politik wird dazu führen, dass Schulen, Bibliotheken, Musikschulen, Schwimmbäder verlottern und geschlossen werden müssen.
Herr Ministerpräsident, wenn Sie Ihre Politik so weitermachen, dann wird Ihr verdoppelter Kulturetat – ich sage das ausdrücklich – ein kleines Feigenblatt sein und von der Kulturlandschaft dieses Landes wenig übrig bleiben. Dann reicht es auch nicht mehr, salbungsvolle Reden zu halten und Landespreise zu verleihen. Nichts wird mehr davon übrig bleiben. Woher sollen die Kommunen das Geld denn nehmen? Die können doch jetzt schon nicht mehr.
Meine Damen und Herren, Sie sprechen von Entlastungen. Das ist bewusste Wählertäuschung, denn diese Politik ist eine einzige Belastung. Sie
stellt alles auf den Kopf, was seriöse, verantwortliche Haushaltspolitik ausmacht. Sie machen ungedeckte Schecks zulasten der Zukunft. Das ist verantwortungslos und grob fahrlässig für das Land und die Kommunen.
Herr Linssen, Sie tun das als Aufregung der Opposition ab. Dazu will ich Ihnen einmal ein paar Aussagen von Oppositionspolitikern nennen. CDU-Ministerpräsident Tillich aus Sachsen sagt im „Spiegel“: Steuersenkungen auf Pump halte ich für unverantwortlich. – Recht hat der Mann. CDU-Ministerpräsident Böhmer aus Sachsen-Anhalt – auch so ein Oppositionspolitiker – äußert im „Hamburger Abendblatt“ verfassungsrechtliche Zweifel.
Jedem war damals klar, dass das auch zu Einnahmeausfällen bei den Ländern führt. Deshalb könne jetzt niemand so tun, als sei das eine Überraschung.
Herr Rüttgers, wenn das jedem klar war, dann frage ich Sie: Warum haben Sie diesen Wahnsinn für den Landeshaushalt und die kommunalen Haushalte nicht gestoppt? Warum haben Sie das nicht gestoppt, Herr Ministerpräsident?
Auch Minister Pinkwart hat in der ersten Reihe mit verhandelt. Ich komme einmal zu dessen Kollegen. FDP-Chef Kubicki aus Schleswig-Holstein etwa meint: Es ist nicht tragbar, dass die Länder dauerhaft Steuerausfälle in dreistelliger Millionenhöhe erleiden. – Und der stellvertretende hessische Ministerpräsident Jörg-Uwe Hahn äußert im „Tagesspiegel“: Ich habe den Amtseid auf die hessische Verfassung abgelegt. Damit ist das Land Hessen mein Arbeitgeber und nicht die FDP. – Respekt, Herr Hahn, kann ich nur sagen. Respekt!
Für Herrn Pinkwart scheint das nicht zu gelten. Sein Ziel war allein – und das ist doch der entscheidende Punkt – die Gesichtswahrung der FDP. Aus unverantwortlichen Steuerversprechungen müssen jetzt unverantwortliche Steuersenkungen zugunsten von Gut- und Besserverdienenden werden. Das ist die Frage, meine Damen und Herren. Deswegen ist es auch eine soziale Frage, die hier berührt ist.
Und hören Sie doch bitte auf mit der Mär, dass sich das durch Wachstum refinanziert! Das hat schon bei Maggie Thatcher nicht geklappt, und das hat auch bei Ronald Reagan nicht geklappt. Deswegen weisen namhafte Ökonomen genau darauf hin.
Meine Damen und Herren, wenn man heute Schulden macht zulasten zukünftiger Generationen, dann ist das nur zu rechtfertigen, wenn diese Generationen auch die Zukunftsrendite haben und sich diese
oder ob man aus unlauteren Motiven heraus einfach Schulden macht. Wer aber ohne Sinn und Verstand den Staat in die Pleite treibt, der treibt die Gesellschaft in den Ruin.
Herr Ministerpräsident, wir erwarten heute von Ihnen, dass sie Klarheit schaffen, dass Sie sich selbst beim Wort nehmen und dass Sie bitte darlegen, wie die Finanzperspektive in unserem Bundesland, in unseren Kommunen sein wird.
Verlassen Sie sich darauf – das verspreche ich Ihnen –: Wir werden Sie hier nicht nur mit der Aktuellen Stunde, sondern wir werden Sie mit konkreten Anträgen, die das Verhalten des Landes im Bundesrat betreffen, konfrontieren. Sie haben den Eid auf die Verfassung geschworen. Schaden vom Land Nordrhein-Westfalen abzuwenden, das ist Ihr Auftrag. Und dazu möchten wir heute von Ihnen etwas hören. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte kurz etwas zu der aktuellen Opel-Entwicklung sagen. Ich denke, wir sind alle zutiefst verärgert darüber, dass GM diesen Poker auf dem Rücken der Beschäftigen und ihrer Familien in ganz Europa veranstaltet hat. Monatelang gezielte Zeitverzögerungen, Taktiererei und eine bewusste Hinhaltetaktik aus Detroit – dazu sage ich hier ganz deutlich: So geht man nicht mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und so geht man auch nicht mit politischen Entscheidungsträgern um, meine Damen und Herren.
Jetzt geht diese unerträgliche Zitterpartie offensichtlich weiter. Mir und uns macht das große Sorgen.
Eines sage ich auch: Das Verhalten von GM ist erst einmal kein guter Auftakt für eine weiterhin vertrauensvolle Zusammenarbeit. Es stellt sich aber auch die Frage – und die muss man heute stellen –, warum das Bundeswirtschaftsministerium diese Entwicklung in den vergangenen Monaten hat laufen lassen. Wir hätten den Sack zubinden müssen, als es ging.
Das war das Problem. Stattdessen wurde unverantwortlich über Insolvenz geredet. Das ist die Wahrheit über den Opel-Prozess in NordrheinWestfalen und in Deutschland.
Es hilft jetzt nichts, über vergossene Milch zu klagen. Ziel ist für uns in Nordrhein-Westfalen, dass es am Standort Bochum weitergeht. GM muss jetzt endlich offen darlegen, welche konkreten Pläne es für die Zukunft von Opel gibt. Wir müssen jetzt Gewissheit haben; daran geht kein Weg vorbei. Ich sage deutlich: Wer darüber nachdenkt, finanzielle Unterstützung zu erhalten, der muss erst einmal die Pläne auf den Tisch legen und deutlich sagen, ob die Standorte erhalten bleiben. Das ist unsere Politik für Opel. Hier gilt es jetzt, klare Kante zu zeigen.
Kommen wir zum Thema der Aktuellen Stunde! Was ist das für ein Koalitionsvertrag? Ein Koalitionsvertrag, in dem eine Umverteilung von den unteren Einkommen auf die oberen Einkommen angelegt ist! Sie haben den Menschen mehr Netto vom Brutto versprochen. Aber was ist davon übrig geblieben?
Gucken wir uns einmal die Details an! Steuerliche Entlastungen erhalten im nächsten Jahr Unternehmen und große Erbschaften. Das bringt den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern keinen Cents mehr in die Tasche. Die hohen Einkommen werden vom erhöhten Kinderfreibetrag deutlich mehr profitieren als die kleinen und mittleren von der Erhöhung des Kindergeldes. Der ab 2011 geplante Stufentarif begünstigt ebenfalls, wie jeder weiß, überproportional die höheren Einkommen.
Eines ist auch klar: Die Hälfte der Haushalte in Deutschland zahlt entweder keine oder sehr geringe Steuern. Dort kommt von diesen Entlastungen, die Sie planen, überhaupt nichts an.
Auf der anderen Seite frieren Sie die Arbeitgeberanteile bei der Krankenversicherung ein. Das heißt, alle Kostensteigerungen im Gesundheitswesen, von denen wir wissen, dass sie aus Gründen von Demografie und technischem Fortschritt kommen werden, werden demnächst einseitig den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugewiesen. Die werden das aus ihrer Tasche zahlen müssen. Das ist die Belastung, die in Ihrem Koalitionsvertrag angelegt ist.
Dann gibt es eine verbindliche private Pflegezusatzversicherung. Auch die bezahlt einseitig der Versicherte. Auch hier werden die zukünftigen Mehrkosten einseitig zugeordnet.
Dann kommt die Einbeziehung der Stadtwerke und kommunalen Unternehmen in die Mehrwertsteuerpflicht. Was heißt denn das? Das klingt so lapidar, wenn man das im Koalitionsvertrag nachliest. Das bedeutet Kostensteigerung; alles wird teurer werden: Strom, Abwasser, Gas, Busse und Bahnen. Die zweite Miete steigt – das ist Ihre Politik –, und Mobilität wird teurer.
Ich sage deutlich, in diesem Koalitionsvertrag ist angelegt: Die kleinen Einkommen zahlen drauf, die in der Mitte kriegen, wenn es gut läuft, „rechte Tasche, linke Tasche“, und die oben werden entlastet. Das ist die Politik von CDU und FDP in diesem Land.