Protokoll der Sitzung vom 02.12.2009

Wir haben nichts davon, wenn wir uns gegenseitig zu der Verdoppelung des Kulturförderetats beglückwünschen, den wir gerne mitbeklatschen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, bleiben wir doch einmal auf dem Teppich. Dieser Jubel bleibt einem doch im Halse stecken, wenn man sich die Dimensionen vor Augen führt.

(Beifall von der SPD)

Wir reden über 140 Millionen €. Das ist so viel, wie die Stadt Düsseldorf als Landeshauptstadt und auch die Stadt Köln für ihren kommunalen Kulturhaushalt ausgeben. Das ist die Dimension, über die wir in der Kulturpolitik für das gesamte Land reden. Sie steht in keinem Verhältnis zu dem, was die Kommunen leisten.

(Beifall von der SPD)

Das müssen und sollen die Kommunen in Zukunft leisten. Denn wir haben keinen zentralistisch ange

legten Staatskulturpolitikansatz. Wir sind schon der Meinung, Kultur ist kommunale Aufgabe und sie soll es auch bleiben. Deswegen brauchen wir einen Stärkungspakt für die Kommunen, um die kulturellen Einrichtungen und die kulturelle Infrastruktur in unserem Land zu halten. Ich hoffe, dass die öffentliche Debatte, die jetzt zu diesem Thema begonnen hat – und sie wird, meine ich, in den kommenden Monaten sehr viel stärker geführt –, zu einem Umdenken führt und dass wir zu neuen Lösungsansätzen kommen. Wir müssen über alle Fraktionen hinweg Ansätze zur Frage der Freiwilligkeit von Kulturausgaben finden.

(Beifall von der SPD)

Kultur ist Pflichtaufgabe. Daher muss sie ordentlich finanziert werden – und zwar über solide und gesunde Kommunalfinanzen. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Scheler. – Herr Dr. Sternberg redet nun für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wenn man in die Runde blickt, könnte man meinen, Kultur sei kein so richtig wichtiges Thema. Man stellt sich aber doch die Frage: Ist eigentlich Kultur wirklich so unwichtig, wie es scheint?

Ich habe den Eindruck: Kultur ist ein außerordentlich wichtiges Thema. Es wird zwar gelegentlich unter Reise und Erholung verbucht, aber es gehört zu den wichtigen Fragen, denn in Kunst und Kultur geht es nicht nur um ein Freizeitvergnügen eines kleinen Anteils unserer Gesellschaft, dessen Interessen wie diejenigen anderer Gruppen zu bedienen wären, sondern es geht um mehr.

Es geht darum, dass wir in der Kultur und in kulturellen Formen unsere Selbstvergewisserung haben. Übrigens: Was von uns bleibt, sind hauptsächlich die Dinge, die in Kultur festgestellt und festgehalten sind.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Sehr richtig!)

Außerdem: Wenn über 70 % der Bundesbürger nach Umfragen gelegentlich oder häufig ins Museum gehen und Theaterveranstaltungen in Deutschland genauso viele Menschen besuchen wie Sportveranstaltungen, zeigt das, dass das längst nicht Sache einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht ist.

Frau Scheler, Sie haben es schon gesagt: Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine besondere Dichte kultureller Einrichtungen. – Ja, und wir haben politisch die Kultur auch wieder zu einem wichtigen

Thema gemacht. Wir haben den Kahlschlag der früheren Regierung beendet.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU] – Syl- via Löhrmann [GRÜNE]: Die Triennale haben wir ins Leben gerufen!)

Und wir haben die Kultur wieder in die Landespolitik zurückgeholt. Man hatte bei der vorigen Regierung manchmal den Eindruck, sie wolle die Kultur über den extrem hohen Kommunalisierungsgrad von 78 % in Nordrhein-Westfalen hinaus ganz zu einer kommunalen Angelegenheit machen und sagen: Bezahlt das doch ganz alleine. – Das Land schien sich völlig aus der Kulturfinanzierung herausziehen zu wollen. Damit haben wir Schluss gemacht, und wir haben das nachgewiesen.

(Beifall von der CDU)

Aber ich greife gern die Fragen auf, die mit den Kommunen zu tun haben. Natürlich stehen die Kommunen vor erheblichen Problemen. Das ist sowohl bei den kommunalen Haushalten als auch beim Landes- und beim Bundeshaushalt der Fall. Die Kommunen können ihre Kulturaufgaben nur noch mit großen Anstrengungen durchführen, obwohl man natürlich mit Kulturetats keinen Haushalt sanieren kann.

Auch wenn er in meiner Heimatstadt Münster bei über 5 % liegt, beträgt der Schnitt – Sie haben Recht; die Große Anfrage zeigt es – selbst bei den Städten mit über 200.000 Einwohnern magere 3 %. Das ist übrigens auch im Bundesdurchschnitt nicht besonders gut. Deshalb muss man auch den Kommunen sagen, dass sie in Ihrer Politik nicht die Kultur zu einem Sparfeld ausbauen können.

Aber eine Bestandsgarantie kann es natürlich auch nicht geben. Auch im Kulturbereich muss man diskutieren und argumentieren. Wir werden auch im Kulturbereich in einigen Städten mit Schrumpfungen die Infrastruktur und auch die kulturelle Infrastruktur neuen Gegebenheiten anpassen. Dabei wird man lernen müssen.

Nicht jede Schließung einer Spielstätte bedeutet gleich die Kapitulation der Kulturpolitik, wie das von der Stadt Wuppertal, Frau Scheler, behauptet wird, wo man in der Presse insinuiert hat, nach dem Tod von Pina Bausch würde ihre Spielstätte geschlossen. Nichts davon ist wahr. Auch in Wuppertal wird weiter gute Kultur gemacht, und auch in Wuppertal kann man Theater sehen. Aber wir müssen das Thema natürlich angehen.

Kultur ist ein Staatsziel. Das ist sie, obwohl die Diskussion um die Verankerung des Staatsziels Kultur im Grundgesetz als einigermaßen gescheitert angesehen werden darf. Aber Kultur ist Staatsziel, weil sie bei uns der Landesverfassung in Art. 18 niedergelegt ist, wo es heißt:

Kultur, Kunst und Wissenschaft sind durch Land und Gemeinden zu pflegen und zu fördern.

Das heißt, wir haben dieses Staatsziel in der Landesverfassung. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, was das vor allen Dingen bei Haushaltssicherungskommunen und in der Prüfungspraxis der Regierungspräsidenten bedeutet. Dabei gibt es meiner Ansicht nach noch einiges, bei dem man argumentieren und zeigen kann: Das sind nicht irgendwelche freiwilligen Ausgaben, die die Städte aus Jux und Tollerei machen, sondern das gehört in den Kernbestand kommunaler Verpflichtungen. Das sind keine Subventionierungen, sondern es handelt sich um öffentliche Aufgaben, die nicht ins Belieben gestellt sind.

Meine Damen und Herren, wir haben in NordrheinWestfalen die Verdopplung des Kulturförderetats angekündigt, und wir haben sie umgesetzt. Frau Scheler, Sie werden sich nicht wundern: Mir bleibt der Jubel nicht im Halse stecken; ich bejuble das auch in dieser Runde.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von der Regierungsbank: Das ist Grund zum Jubeln!)

Denn wir haben den Beschluss dazu in der CDU bereits 2004 gefasst, als die Krise nun wirklich massiv da war und als die Haushalte ganz schlecht aussahen. Damals ist bereits dieser Beschluss gefasst worden.

Wir haben ihn auch im neuen Etat 2010 durchgehalten. Das wird auch im Jahr der Krise durchgehalten. Ja, wir stehen dazu: jedes Jahr 20 %. Fünfmal 20 % sind 100 %. Das ist eine Verdopplung des Etats von 70,6 Millionen € auf 141,2 Millionen €. Das ist nachzulesen im Haushaltsentwurf.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Tolle Leistung!)

Meine Damen und Herren, es geht um Erhalt, Sicherung und Weiterentwicklung der kulturellen Infrastruktur des Landes. Eine der großen Aufgaben, die wir uns vorgenommen hatten, war die Substanzsicherung. Das betraf nicht nur die Substanzsicherung der Akten und Unterlagen – wir haben ein Substanzsicherungsprogramm für Archive aufgelegt –, sondern das gilt auch ganz praktisch für Gebäude.

Wir haben die Leuchttürme geputzt, sanieren die Mauern und unterstützen spektakuläre Neubauprojekte – vor allem natürlich im Bereich der Kulturhauptstadt 2010. Dabei bin ich davon überzeugt: Dieses und ein Projekt, auf das ich gleich noch eingehe, werden vielleicht die wichtigsten, dauerhaftesten und nachhaltigsten Dinge der Kulturhauptstadt 2010 sein. Das gilt für die Städte Dortmund, Duisburg, Essen, aber auch für Köln und Münster, wo wir Projekte fördern.

Aber es gibt auch Sanierungsstaus in ganz konkretem Sinne. Da stellen wir über das Konjunkturpaket II Sanierungsmittel zur Verfügung, die wir in diesem Land zu dem außerordentlich hohen Prozentsatz von 84 % an die Kommunen weiterreichen,

sodass die Kommunen in die Lage versetzt werden, Kultureinrichtungen zu sanieren.

Meine Damen und Herren, Grundlage aller kulturellen Aktivität ist kulturelle Bildung in allen Altersstufen. Wir sind in Nordrhein-Westfalen „Modell-Land Kulturelle Bildung“. In den Kindergärten und Grundschulen wird gemeinsames Singen wieder eine Selbstverständlichkeit werden. Die Partizipation an der Kunst geht quer durch alle gesellschaftlichen Schichten und ist damit auch ein wichtiger Faktor der Integration von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte.

Gerade um die Aufgabe der kulturellen Integration haben wir uns mit Projekten und Förderungen gestellt. Das große Projekt JeKI, „Jedem Kind ein Instrument“, ist das bedeutendste Projekt der Kulturhauptstadt 2010. Das ist hier besonders zu nennen. Wir werden am 8. und 9. Januar in Essen die Kulturhauptstadt 2010 „Essen für das Ruhrgebiet“ eröffnen. Wenn man das Programmbuch oder die Programmveröffentlichung liest, die in der letzten Woche der Zeitung beilag, bin ich ganz sicher: Es wird ein großes und bedeutendes Jahr und zeigt, welche wunderbaren kulturellen Aktivitäten im Ruhrgebiet zu sehen sind.

(Beifall von der CDU)

Aber auch die sehr erfolgreichen Maßnahmen von Kultur und Schule, in denen Künstler mit den Fachlehrern der Schulen in Verbindung gebracht werden, sind ein Schritt in die Richtung einer neuen kulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Wir haben vorhin mit dem Bibliotheksverband zusammengesessen und konnten bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dass wir die Bibliotheksförderung wieder auf den Stand gebracht haben, den es vor den Kürzungswellen gab. Das wird uns auch gedankt. Die Förderung war immerhin reduziert worden, bis sie fast nicht mehr sichtbar war. Mit dem Etat 2010 haben wir fast eine Verdreifachung vorgelegt. Das heißt, wir haben wieder einen Stand erreicht, bei dem man überhaupt von einer Landesförderung sprechen kann.

Wir haben Landestheater und Landesorchester wieder so ausgestattet, dass sie arbeiten können und nicht an die Existenzgrenze geführt werden.

Wir haben trotzdem Innovationen realisiert. Wir haben uns nicht allein auf Leuchttürme und TopEvents beschränkt, sondern unsere Kulturförderung berücksichtigt sowohl die Spitzen – als auch die Breitenkultur. Das kann man im Etat ablesen. Es ist nun einmal so, dass man ergänzend zu den Spitzenleistungen die breite künstlerische Tätigkeit, den Nichtprofessionellen und den professionellen Freien braucht, ob man das nun als Soziokultur, Laienkultur oder Freie Szene bezeichnet. Sie sind Teil einer

modernen Bürgergesellschaft, deren Unterstützung durch gute Rahmenbedingungen notwendig ist.

Meine Damen und Herren, das alles kann man im Kulturbericht nachlesen. Dieser Kulturbericht Nordrhein-Westfalen der Landeskulturförderung liegt nun für das zweite Jahr vor. Mein ausdrücklicher Dank und mein Kompliment gehen an die Staatskanzlei und an den Staatssekretär für die Vorlage dieses Berichtes.

(Beifall von der CDU)

Er gibt zum ersten Mal die Möglichkeit, wirklich nachzuschlagen und anhand konkreter Zahlen nachzulesen, was auf dem Feld alles getan und gemacht worden ist.

Es ist auch über den Bürokratieabbau, eines der wichtigsten Ziele der neuen Landesregierung, zu reden. Wir haben das Zuwendungsrecht vereinfacht. Wir haben alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um Einrichtungen und Verbänden Planungssicherheit geben zu können; Festbetragsförderung und Optionsförderung über mehrere Jahre. Das alles hat der Szene gezeigt, wie Kulturpolitik neu und besser gemacht wird. Dabei werden wir von der CDUFraktion den Staatssekretär für Kultur mit ganzer Kraft unterstützen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir unterstützen die Landesregierung und damit die Künstlerinnen und Künstler, alle im Kulturbereich Tätigen und die kulturell Engagierten, um mit ihnen den Spitzenplatz Nordrhein-Westfalens im kulturellen Leben Deutschlands behaupten und ausbauen zu können. – Wir danken für diesen Etat und werden ihm selbstverständlich zustimmen.