Protokoll der Sitzung vom 16.12.2009

Die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen haben heute 600 Millionen € mehr zur Verfügung als 2005.

(Karl Schultheis [SPD]: Und 750 Millionen € Studiengebühren!)

Ja, das ist ein Unterschied von 25 %.

(Karl Schultheis [SPD]: Ja, das ist das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die zusätzlich zahlen! – Dr. Anna Mazulewitsch- Boos [SPD]: Genau!)

Herr Schultheis, wenn Sie auf der einen Seite gegen Studienbeiträge polemisieren

(Dr. Ruth Seidl [GRÜNE]: Bildungsungerech- tigkeit, ganz klar!)

und andererseits wieder nach zusätzlichen Mitteln rufen, dann zeigt das Ihre ganze Doppelmoral, die Sie an den Tag legen. Dann müssen Sie am Ende auch sagen, woher das Geld kommt. Das wollen Sie natürlich nicht. Das haben Sie bisher in keiner Haushaltsdebatte, ja nirgendwo gemacht.

Sie fordern darüber hinaus auch noch eine Zweckbindung von den zu erwartenden Bundesgeldern, damit davon in Nordrhein-Westfalen keine Haushaltslöcher gestopft werden. Das ist für uns selbstverständlich. Für Sie allerdings nicht: Wer hat denn seinerzeit Haushaltslöcher mit Langzeitstudiengebühren gestopft? Wer war das denn?

(Ralf Witzel [FDP]: Rot-Grün war das!)

Und wer hat es jahrelang nicht geschafft, den Hochschulen zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen? Und Sie fordern jetzt, dass sie nun kommen sollen. Sie beklagen, die Lehre wäre so schlecht. Wer hat es denn versäumt, etwas zu unternehmen, als Frau Kraft noch Ministerin war,

(Beifall von der CDU – Karl Schultheis [SPD]: Wir haben jetzt nicht regiert!)

damit eine gute Lehre den gleichen Stellenwert wie die Forschung bekommt?

Herr Schultheis, Sie zeigen jetzt ein großes Interesse dafür,

(Karl Schultheis [SPD]: Das habe ich schon immer gezeigt! – Dr. Anna Mazulewitsch- Boos [SPD]: Ja, das hat Herr Schultheis wirk- lich!)

dass die „miserablen Studienbedingungen in Nordrhein-Westfalen“ – das geht aus einer Pressemitteilung von Frau Kraft hervor – verbessert werden sollen. Als Frau Kraft Wissenschaftsministerin war, hat sie sich für die Implementierung des BolognaProzesses

(Karl Schultheis [SPD]: Herr Pinkwart ist Wis- senschaftsminister!)

das liegt aber schon eine Zeit zurück –

(Lachen von der SPD)

nicht sonderlich interessiert. Laut Plenarprotokoll vom 23. September 2004 wurde Frau Kraft gefragt, welche Konsequenzen und Schlüsse sie denn aus der Umstellung auf Masterstudiengänge ziehe. Die Antwort war – Sie können das Plenarprotokoll gerne noch einmal nachlesen –: „Nein, wir werden keine Schlüsse daraus ziehen“.

Wir brauchen eine konstruktive und zielführende Auseinandersetzung mit allen Beteiligten; das ist wohl richtig. Es ist auch gut, dass die nordrheinwestfälischen Universitäten eine Überprüfung der bisherigen Umsetzungen des Bologna-Prozesses unter den Fragestellungen verabreden, ob Studiengänge stofflich überladen sind, ob auf Prüfungselemente verzichtet werden kann und ob die nationale und internationale Mobilität in angemessener Weise gewährleistet ist. All das ist ja richtig, und das sind auch die zentralen Punkte, von denen der Erfolg eines Studiums abhängt. Alles das hätte schon im Jahre 2004 geprüft und auf den richtigen Weg gebracht werden können.

Ein letzter Punkt, Herr Schultheis! Ich spreche im Gegensatz zu Ihnen einmal zu Ihrem Antrag; Sie haben darüber ja gar nicht gesprochen. Die Forderung, den Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt auf 10 % zu erhöhen, ist schön. Das wollen wir alle. Einer solchen Forderung kann sich niemand verschließen. Das kann man aber nur erreichen, indem man nicht nur öffentliches Geld hinzuzieht, sondern indem auch die Wirtschaft durch Forschungsausgaben ihren Teil dazu beiträgt.

(Karl Schultheis [SPD]: Deswegen das Gast- stätten- und Hotelgewerbe!)

Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine sehr forschungsarme Wirtschaftsstruktur; das wissen Sie ganz genau. Im Jahr 2005 – das haben verschiedene Studien uns belegt – haben lediglich 41.000 Menschen im Bereich von Forschung und Entwicklung gearbeitet. Im viel kleineren Baden-Württemberg waren es 76.000 Menschen. Da müssen Sie mir einmal erklären, welche Unternehmen welche FuE-Investitionen vornehmen.

Unser Weg muss es doch sein, hier in NordrheinWestfalen endgültig eine innovationsorientierte Wirtschaft zu implementieren, die ihrerseits dazu beiträgt, dass der Anteil an den Forschungsausgaben relativ steigt. Dazu brauchen Sie ein Hochschulfreiheitsgesetz, das ein neues Zusammenspiel zwischen Wissenschaft, Politik und Hochschulen kreiert. Nur so kann sich eine neue Wirtschaftsstruktur herausbilden. Ich weiß, dass das Ihrer Denkweise nicht entspricht.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Das ist aber der Weg, den wir gehen wollen. Darüber werden wir uns auch im Wahlkampf auseinandersetzen.

(Beifall von CDU und FDP)

Herzlichen Dank, Herr Dr. Berger. – Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Witzel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir nehmen berechtigte Anregungen aus der Studentenschaft gerne für die Weiterentwicklung unserer Hochschulpolitik auf. Wir haben das in früheren Debatten und auch heute diskutiert. Uns ist der Hinweis sehr wichtig, dass es jetzt ein sehr vielversprechendes Memorandum gibt, in dem die Hochschulen sich überraschend schnell verpflichtet haben, konkret zu analysieren, wo Korrekturen in den einzelnen Fachbereichen bei der Einführung der neuen Studienstruktur notwendig sind und wo Verbesserungsbedarf besteht.

(Karl Schultheis [SPD]: Das ist es ja! Das ist wieder nur ein Versprechen!)

Wir werden die weitere Entwicklung im Blick behalten und alles, was an berechtigten Anliegen der Studentenschaft vorliegt, sicherlich auch sinnvoll nachvollziehen.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wer entscheidet denn, was berechtigt ist?)

Insofern ist dieses Memorandum eine Art TÜVVereinbarung, der die Hochschulen nun unterstellt sind und die wir im Blick behalten. Auch die Kultusministerkonferenz hat reagiert und am 10. Dezember 2009 Eckpunkte zur Korrektur der „Ländergemeinsamen Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen“ und der „Rahmenvorgaben für die Einführung von Leistungspunktsystemen und die Modularisierung …“ beschlossen.

Unter anderem soll dadurch die Studierfähigkeit verbessert werden, sollen Mobilitätsfenster integriert werden. Der Masterzugang wird flexibilisiert und Prüfungsleistungen werden reduziert. Das Signal ist deutlich: Es wird etwas getan, um für mehr Kompatibilität zu sorgen. Wir sind uns alle darüber einig, dass ein Studiengang studierbar sein muss; das ist selbstverständlich. Verantwortlich sind dafür aber in erster Linie selbstständige Hochschulen, die miteinander im Wettbewerb stehen, und die Akkreditierungsagenturen. Das ist auch die Philosophie unseres Hochschulfreiheitsgesetzes.

Die Politik muss dafür die passenden Rahmenbedingungen schaffen: gute Gesetze, genügend Geld für die Betreuungsrelationen und eine insgesamt gute Ausstattung der Hochschulen. Unsere Landespolitik sieht sich diesen eindeutigen Schwerpunktsetzungen im Bereich von Bildung und Wis

senschaft verpflichtet. Deshalb sind die Ausgaben in diesem Feld auch stets gestiegen und betragen im nächsten Jahr insgesamt 5,8 Milliarden €; das ist ein Zuwachs von fast 4 %. Insgesamt gilt für die Legislaturperiode, dass die Hochschulen mit Beschluss des neuen Haushalts 25 % mehr Mittel zur Verfügung haben als bei der Abwahl von Rot-Grün im Jahre 2005.

Wir als schwarz-gelbe Koalition der Erneuerung geben den Hochschulen eine verlässliche Finanzierungsgrundlage. Wir haben den Ausbau der Fachhochschulen vorangetrieben, sanieren die Hochschulen mit dem Hochschulmodernisierungsprogramm und fördern zudem Exzellenz.

Durch die von Ihnen immer wieder angesprochenen Studienbeiträge steht den Hochschulen ferner mehr Geld zur Verfügung, auch zur Verbesserung der Lehre. Eine Reihe von Hochschulen nutzt dieses Geld effizient und weist dies auch transparent nach. Trotz der Studienbeiträge haben wir in diesem Wintersemester mit insgesamt über 77.000 mehr Studienanfänger als jemals zuvor. Die Gesamtzahl der Studenten erhöhte sich damit um fast 23.000 auf über eine halbe Million. Dieser Zuwachs bei den Studienanfängerzahlen dokumentiert ganz eindrucksvoll, dass es die von Ihnen behauptete abschreckende Wirkung für die Breite der Studentenschaft nicht gibt.

Mit der Forderung in Ihrem Antrag, dass die Landesregierung sich auch auf Bundesebene für eine Erhöhung der Bildungsausgaben einsetzen soll, hinken Sie uns weit hinterher. Bereits im Koalitionsvertrag der Koalition der Erneuerung von FDP und CDU/CSU im Bund ist klar geregelt, dass Bildung und Forschung Vorrang haben und man sich an dem Benchmark von 10 % des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung orientiert; dies wird das zukünftige Ziel hinsichtlich der Ausgaben sein. Insofern wurde jetzt völlig zu Recht und konsequent eine Ausgabenerhöhung bis zum Jahr 2013 um 12 Milliarden € im Bundeshaushalt verabredet.

Diese Politik wird vonseiten des Landes NordrheinWestfalen ganz ausdrücklich unterstützt. Es ist Aufgabe der öffentlichen Hand, mehr Geld für einen großen Sprung nach vorne in die Hand zu nehmen. Es ist aber nicht nur Aufgabe der öffentlichen Hand. Ergänzend wollen wir Geld über Studienbeiträge generieren und freuen uns über jeden Euro an Drittmitteln, der zur Gesamtfinanzierung der Bildung eingeworben wird.

Im Konzert der verschiedenen Faktoren ist die öffentliche Hand, ist die Politik gefordert. Das, was wir vom Bund erwarten, müssen wir natürlich auch selbst tun. Wir verschieben deshalb keine Verantwortlichkeiten auf die Bundesebene. Wir haben das Ziel insgesamt bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt. Wir müssen aber auch in Nordrhein-Westfalen zu unserer Verantwortung stehen. Vieles von dem, was die Politik der neuen Koalition im Bund …

Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! – … auf den Weg bringt, hat seinen Ursprung auch in der nordrhein-westfälischen Wissenschaftspolitik. Deshalb sind wir an beiden Stellen auf einem guten Weg, den wir auch in Nordrhein-Westfalen weiter fortsetzen werden. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Witzel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält Frau Dr. Seidl das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Witzel, wissen Sie eigentlich, was die „TAZ“ gestern zum Thema Bildungsgipfel getitelt hat?

(Ralf Witzel [FDP]: Was?)

Ich frage Sie. – „Kreatives kompensieren“ hat sie es genannt. Anders kann man das auch gar nicht nennen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn trotz allen guten Willens und aller wohlklingenden Absichtserklärungen über das, was man in den Kindertagesstätten, den Schulen und Hochschulen alles tun müsste, könnte oder wollte, zeichnet sich doch eines ab: Wenn es Konkret wird und sobald es ums Bezahlen und darum geht, woher das Geld kommen soll, schlägt bei Ihnen von Schwarz-Gelb die Stunde der Trickser, Täuscher und Taschenspieler.

(Beifall von den GRÜNEN – Johannes Rem- mel [GRÜNE]: Genau so ist es!)