Das ist deshalb katastrophal, weil sich in diesem Bereich in den letzten Jahrzehnten besonders viel getan hat. Das, was früher einmal die „nicht professionelle freie Szene“ hieß, hat sich längst in eine hoch professionelle freie Szene verwandelt. Im Bereich von Off-Theatern gibt es Crossing-overProgramme. Da gibt es Mischformen von Musik, Performance und Musiktheater. Die besonders innovativen Dinge entstehen im Moment tatsächlich in der freien Szene. Und die hat in NordrheinWestfalen seit vielen Jahrzehnten eine ganz besondere Heimat. In Nordrhein-Westfalen gibt es eine besonders reiche freie Szene. Diese freie Szene möchten wir stützen. Dem dient unser Antrag.
Eine solche Produktions- und Konzeptionsförderung mit einem Spielstättenangebot und einem intendantengeführten Überblick über die internationale Szene gibt es in Nordrhein-Westfalen schon an einigen Orten. In meiner Heimatstadt Münster ist das vor 15 Jahren am Pumpenhaus auf eine Idee der kulturpolitischen Gesellschaft hin entwickelt worden. Das ist damals von der CDUgeführten Stadt – ich durfte mitmachen – erfolgreich umgesetzt worden. Dort gibt es allerdings eine rein kommunale Förderung.
Ähnlich wird es jetzt am Ringlokschuppen in Mülheim entwickelt. Darin stecken unter anderem EUGelder, die allerdings auslaufen. Wie kann man das da machen? Die Stadt Mülheim kann die Sache unmöglich vollständig kommunal in die Hand nehmen. Man könnte als Beispiel auch Düsseldorf nennen. Wie kann man solche Einrichtungen so fördern, dass sie weiter möglich sind und beispielgebend für weitere Einrichtungen ähnlicher Art in unserem Land werden können? Denn es hat sich gezeigt: Eine solche Verbindung aus Produktionsförderung und einer etwas langfristigeren, meist dreijährigen Konzeptionsförderung zum Unterhalt einer Spielstätte ist eine sehr, sehr gute Methode, solche Ensembles angemessen und richtig zu fördern.
Dem dient dieser Antrag, dem dient auch das Projekt. Wir haben dazu keinen Haushaltsantrag gestellt, weil wir sicher sind, dass der Kulturstaatssekretär das im Plafond des Kulturetats, den wir im letzten Schritt verdoppelt haben, leisten wird. Wir werden die Neustrukturierung der Förderung mit einer Pilotfunktion übernehmen und damit die Erneuerung der Kulturförderung in diesem Land erfolgreich fortsetzen. – Schönen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was haben NordrheinWestfalen und Berlin gemeinsam? Wir haben die größte freie Theater- und Tanzszene in der gesamten Bundesrepublik. Nicht nur quantitativ ist Nordrhein-Westfalen an der Spitze anzutreffen, sondern in besonderer Weise auch qualitativ sind die vielen Produktionsstandorte in NordrheinWestfalen beispielhaft und bundesweit Spitze.
Die freie Theater- und Tanzszene hat sich seit ihren Anfängen in den 70er-Jahren bis heute zu einem kulturellen Aushängeschild unseres Landes Nordrhein-Westfalen entwickelt. Gerade uns Liberale freut es in besonderer Weise, wenn man mit Fug und Recht behaupten kann: Die freie Szene bestimmt heute mehr denn je das kulturelle Profil unseres Landes.
Wie sehr wir die freie Kulturszene schätzen, zeigt die von uns unterstützte Landesregierung, das zeigen aber auch unsere flankierenden Maßnahmen als Fraktion, zum Beispiel im Haushalt. Da gibt es enge Kooperationen etwa beim Landesprogramm „Kultur und Schule“, das sowohl von den Schulen als auch von den Künstlerinnen und Künstlern, die größtenteils der freien Szene entstammen, wirklich großartig angenommen wird.
In diesem Zusammenhang möchte ich einmal mehr allen Künstlerinnen und Künstlern für ihr Engagement und die besondere Verantwortung Dank sagen, die sie bei dem Programm „Kultur und Schule“ übernehmen. Es ist eine wichtige Arbeit, die sie mit und für die Kinder und Jugendlichen leisten. Ohne dieses Engagement wäre unser Konzept ganz ohne Zweifel nicht umsetzbar. Nur durch ihr Engagement können unsere Kinder und Jugendlichen auf vielfältige Art und Weise auch praxisbezogen an Kunst und Kultur herangeführt werden. Mit den Haushalten der vergangenen viereinhalb Jahre haben wir die Wertstellung von Kunst und Kultur erhalten und ausgebaut. Das gilt auch für den Haushalt, den wir gerade in dritter Lesung verabschiedet haben. Damit haben wir das Ziel, das wir im Jahre 2005 in Aussicht gestellt haben, erreicht: Wir haben den Kulturförderetat des Landes Nordrhein-Westfalen mehr als verdoppelt. – Wir haben mit dem Haushalt 2010 mehr als Wort gehalten.
Gerade bei einer solchen Schwerpunktsetzung sind wir aber aufgefordert, neue Wege der Kulturpräsentation zu finden, spannende Impulse zu setzen und neue Einblicke zu gewähren. Auch der kulturellen Bildung – da liegt die Zukunft für unsere Kinder und Jugendlichen, mit denen wir eine Perspektive für das Kulturland Nordrhein-Westfalen schaffen wollen – haben wir zu Recht Priorität gegeben.
Meine Damen und Herren, alleine kann Politik das sicherlich nicht leisten. Politik kann aber Rahmenbedingungen setzen, und Politik muss auch Rahmenbedingungen setzen. Wir haben die Künstlerinnen und Künstler beim Programm „Kultur und Schule“ für die kulturelle Bildung unserer Kinder und Jugendlichen mit einem „neuen Anstrich“ versehen. Das klingt jetzt so, als ginge es nur um einen Pott Farbe. Es geht aber tatsächlich um eine andere Konzeption, eine andere Herangehensweise. Wir erleben dort eine veränderte Herangehensweise und müssen natürlich dementsprechend auch neue Wege gehen und neue Perspektiven und Förderstrukturen aufzeigen.
Kollege Sternberg hat gerade schon darauf hingewiesen, dass wir Förderstrukturen, die wir haben, erhalten, optimieren und ausbauen müssen. Und wir müssen stärker auf die Bedürfnisse der freien Szene eingehen.
Deswegen begrüßt unsere Fraktion die Initiative, die wir als Kulturpolitiker mit dem vorliegenden Antrag – CDU und FDP gemeinsam – zur grundsätzlichen Neukonzeption der Förderung in der freien Theater- und Tanzszene erreichen wollen. Gerade die freie Theater- und Tanzszene zeichnet sich in besonderer Weise dadurch aus, dass ihre Ensembles keine feste Spielstätte aufzuweisen haben. Man muss den Fokus bei einer Neukonzeption daher auch auf die Sicherung der Infrastruktur lenken: Wo können sie überhaupt auftreten? Wo können sie sich präsentieren? Wo können sie mit dem Publikum in Kontakt treten?
Meine Damen und Herren, einzig das „nötige Kleingeld“ zur Verfügung zu stellen, ist sicherlich zu kurz gegriffen. Wir kommen in Ansehung der vielen unterschiedlichen Strukturen innerhalb der freien Theater- und Tanzszene allein damit nicht aus. Einzelne Förderbereiche müssen intensiver aufeinander abgestimmt werden.
Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Antrag bitten wir die Landesregierung, dafür Sorge zu tragen
und diese Diskussion und Weiterentwicklung aktiv zu unterstützen, weil wir die freie Theater- und Tanzszene in Nordrhein-Westfalen lebendig und impulsiv erhalten wollen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die SPD-Fraktion erhält Frau Abgeordnete Scheler das Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Theaterszene in NordrheinWestfalen ist ohne Zweifel ein wichtiges Thema.
Sie ist hier von allen als vielfältig, als innovativ, als breit aufgestellt, als eine Bereicherung unserer Kulturlandschaft in Nordrhein-Westfalen und vor allem als Bereicherung des kulturellen Lebens in den Kommunen beschrieben worden. Ganz wunderbar! Aber der Antrag kommt völlig zur Unzeit.
Wir haben jetzt mehrere Monate Haushaltsberatungen hinter uns. Wir haben heute Morgen fünf Stunden finanzpolitische Debatte geführt.
Und Sie kommen jetzt mit einem Thema, bei dem Sie sich selbst für Ihre hervorragende Leistung, nämlich den Kulturhaushalt zu verdoppeln, sozusagen beglückwünschen. Das haben wir heute, glaube ich, das zehnte Mal gehört. Jetzt können wir das noch einmal wiederholen.
Ich muss auch sagen, Herr Sternberg: Es hat mich sehr gewundert, dass Sie auf die Inhalte des Antrags fast gar nicht eingegangen sind, sondern sich in drei Vierteln Ihrer Rede auf die finanzpolitische Situation in Nordrhein-Westfalen bezogen haben. Das hätten Sie in den letzten fünf Stunden auch tun können.
Ich frage mich, wo Sie in dieser Frage als kulturpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion stehen. Sie widersprechen sich. Sie sprechen von Herrn Bolwin, der sagt, das alles sei gar nicht so schlimm, um dann im gleichen Atemzug zu sagen, der Städtetag habe das aber ganz anders gesehen und mit seinem Aufruf deutlich gemacht, dass es in der kommunalen Familie in der Tat sehr große Sorgen gibt, dass unter den finanzpolitischen Problemen in den Kommunen insbesondere die Kultur leidet. Sie sprechen auf der einen Seite von Skandalisierung und kulturpolitischer Ausschlachtung, auf der anderen Seite aber attestieren Sie die katastrophale Situation und sagen: Wir müssen da etwas tun.
Wir haben immer eindeutig erklärt: Wir stehen auf der Seite der Kulturschaffenden und der Kultureinrichtungen in diesem Land, die im Moment unter dem Druck der Finanzlage der Kommunen leiden. Punkt. So ist es. So ist die Lage.
Wir sehen sehr wohl, dass hier insbesondere die kleinen Theatergruppen, die Off-Theater, die innovativen jungen Theater betroffen sind. Die städtischen Theater stehen doch noch unter einem gewissen Schutz, insbesondere weil es kommunale Trägerschaften sind und weil damit auch Personal verbunden ist. Man kürzt sehr viel schneller und sehr viel einfacher bei Projektkostenzuschüssen oder Betriebskostenzuschüssen an kleine Theater. Von daher bedürfen sie eines besonderen Schutzes. Das möchten wir mittragen und unterstützen.
Wir sehen auch Punkte, bei denen wir sehr wohl in Übereinstimmung mit Ihnen stehen, wie etwa bei der Frage, ob man nicht bei der Konzeption der Förderpolitik mehr tun müsste, zum Beispiel bei Honoraren im Rahmen von Gastspielen, bei der Bezuschussung von Reisekosten, durch Überlegungen, wo Theater auftreten können, wo Spielstätten sind, die von den Kommunen möglicherweise nicht angeboten werden können.
Was wir aber ganz und gar nicht so sehen wie Sie – darüber werden wir uns im Kulturausschuss sehr kritisch miteinander unterhalten müssen –, ist die Frage der Konzentration. Ich glaube, freie Theater leben davon, dass sie angebunden sind an die Kommune, in der sie existieren, wo sie auftreten. Ich glaube auch, dass sie einen Wert haben, indem sie Gastspiele machen.
Ich halte nichts davon, drei Zentren in NordrheinWestfalen zu schaffen. Ich glaube auch, dass sich die freien Theater in der Frage entscheidend von der Tanzszene differenzieren. Das ist eine ganz andere Klientel, eine ganz andere Gruppe, die sehr viel stärker die Konzentration braucht.
Freie Theater haben wir in Köln, in Düsseldorf und in Essen. Ich glaube, die freie Theaterszene ist viel zu breit, viel zu bunt, viel zu sehr auch kommunal gebunden, als dass wir sie in drei Zentren pressen könnten.
Ich sage das für eine Stadt, die davon betroffen ist. Wir haben ja ein solches Zentrum, wie Sie es sich wahrscheinlich vorstellen, mit dem Forum Freies Theater, dem FFT in Düsseldorf: mit Personal, mit einem eigenen Haus, mit einer Intendanz, mit einer breit aufgestellten Wirkung in die Region, in Nordrhein-Westfalen und auch international. Aber das ist eben ein Spezifikum hier in Düsseldorf; dieses Zentrum ist hier entstanden und gewachsen. Es ist auch gut so. Aber ich glaube nicht, dass damit den vielen freien Theatergruppen gedient ist, die wir in Köln, in Essen, in Duisburg, in Dortmund, in Münster, in Detmold und in Bielefeld und anderswo haben.
Ansonsten kommt der Antrag, wie gesagt, ein bisschen zur Unzeit. Wir hätten einiges im Rahmen der Haushaltsberatung umsetzen können. Sie verweisen hier auf 2011 – das ist noch lange hin. Ich glaube nicht, dass wir eine richtige Neukonzeption brauchen; aber wir sind immer bereit für eine Justierung bei Fragen, wo wir mehr helfen oder unterstützen können, vor allem innerhalb der
Vielen Dank, Frau Kollegin Scheler. – Für die Fraktion der Grünen erhält der Abgeordnete Keymis das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Erst einmal möchte ich festhalten: Ich habe mit Freude beobachtet und tue dies immer noch – Sie auch; wir sind Zeugen eines sicher historischen Augenblicks –, wie der Finanzminister und der Kulturstaatssekretär freundschaftlich miteinander sprechen und bisweilen sogar lachen. Das lässt darauf schließen, dass unser Beratungsgegenstand durchgearbeitet wurde – auch vor dem Hintergrund, dass wir für diesen Antrag, den die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktion hier gestellt haben, natürlich mehr Geld brauchen.
Das ist jedenfalls aus meiner Sicht ein guter und diskussionswürdiger Antrag, über den wir uns sehr konstruktiv unterhalten können. Natürlich ist es interessant und gut, dass Sie offenbar immer wieder mal in den Konkurrenzprogrammen blättern – denn unser Landtagswahlprogramm für 2005 wies bereits den Vorschlag für die Einrichtung von Kompetenzzentren aus, in diesem Fall für Kinder- und Jugendtheater in Nordrhein-Westfalen.
Sie wollen also genau diesen Bereich stärken; das will ich ganz konstruktiv aufnehmen. Vom Grundsatz her finde ich es nicht schlecht, Kompetenztheaterzentren zu errichten, sonst hätten wir das ja auch nicht in unser Programm geschrieben. Im Moment regieren aber Sie, möglicherweise auch noch 2011; das wird sich im kommenden Mai herausstellen. Vor diesem Hintergrund ist es sicher sinnvoll, das in Ruhe zu diskutieren, wie wir es Kulturausschuss auch gemeinsam tun werden.
Die freie Szene ist natürlich immer auf der Suche nach einem Weg, sich einerseits ihre Freiheit zu bewahren und andererseits doch stärker an technische Möglichkeiten binden zu können und sie in ihrem Tun auszuprobieren. Deswegen guckt sie immer ein bisschen neidisch auf die großen und etablierten Häuser. Das kennen wir alle aus den größeren Städten, wo sich die freie Szene um die städtischen Institutionen herum angesiedelt hat. Interessanterweise gibt es immer dort, wo schon ein Theater von der Stadt unterhalten wird, eine rege freie Szene. Das hängt also zusammen. Das ist wichtig für die Debatten, die wir auf kommunaler Ebene und auch hier im Landtag im Hinblick auf die