Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

Außerdem haben Sie nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ziemlich lange die Hände in den Schoß gelegt.

(Frank Sichau [SPD]: Nein! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Dann müssen Sie einmal richtig recherchieren, bevor Sie mit falschen Tatsachen kommen!)

Es war doch das SPD-geführte Bundesarbeitsministerium, das es nicht geschafft hat, rechtzeitig einen brauchbaren Vorschlag zur Neuordnung der Jobcenter zu entwickeln.

(Gerda Kieninger [SPD]: Herr Rüttgers und Herr Laumann haben doch die Verhandlun- gen geführt! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist doch unwahr, was Sie da sagen! Somit haben Sie auch Herrn Rüttgers und Herrn Laumann Versagen vorgeworfen!)

Dass es ein Problem in der Großen Koalition gab, ist ja in Ordnung. Aber der Bundesarbeitsminister hat es nicht geschafft, sondern das Problem verschoben.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Erzählen Sie doch keinen Tinnef! Schauen Sie einmal in die Pro- tokolle! Das ist unwahr, Herr Romberg!)

Damit hat die SPD in dem Punkt doppelt versagt und könnte hier jetzt ein bisschen leiser sein.

(Zurufe von Rainer Schmeltzer [SPD] und Gerda Kieninger [SPD] – Weitere Zurufe von der SPD)

Den Grünen müssen wir vorhalten, dass sie in ihrem Antrag, der auf jeden Fall brauchbarer ist als das, was die SPD vor 14 Tagen vorgelegt hat, dennoch sehr pauschal auf eine mögliche Ausgrenzung der Kommunen im Eckpunktepapier hinweisen, ohne konkret zu sagen, worauf sie sich genau bezieht. Darüber hinaus hat sich die von den Grünen geforderte Grundgesetzänderung von vornherein zu sehr auf den Erhalt des Status quo bezogen, der auch Probleme macht.

(Frank Sichau [SPD]: Welche?)

Sie gehen mit einem solchen Schritt nach unserem Geschmack ein bisschen zu leichtfertig um.

(Zustimmung von Ralf Witzel [FDP])

Die FDP-Fraktion in Nordrhein-Westfalen wird die weitere Entwicklung im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens im Bund bezogen auf die Folgen für langzeitarbeitslose Menschen selbstverständlich aufmerksam und konstruktiv-kritisch begleiten. Natürlich muss auch geprüft werden, ob die Veränderung, nämlich die Entfristung der Optionskommunen, wirklich verfassungsfest ist. Wenn sie das nicht ist – dazu gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen –, dann muss man das selbstverständlich anpassen. In Berlin wird doch jetzt pragmatische Politik gemacht, das Problem angepackt und nicht verschoben, wie es in den letzten Monaten der Großen Koalition passiert ist.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Hören Sie auf, ei- nen solchen Quatsch zu erzählen! Sie wis- sen, dass das, was Sie sagen, unwahr ist!)

Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Romberg. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

(Norbert Killewald [SPD]: Da haben Sie einen tollen Koalitionspartner, Herr Minister!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal vorweg: Wenn die Tickermeldungen stimmen, dass sich Herr Weise heute dahin gehend geäußert hat, dass er von den Optionskommunen nichts hält und sie abgeschafft gehören, trägt Herr Weise zurzeit nicht dazu bei, dass wir in dieser Frage zu einem Kompromiss und zu einer Lösung kommen.

(Beifall von der CDU)

Da zeigt sich wieder die Fratze der Bundesagentur für Arbeit, die alles bestimmen will. Ich kann nur sagen: Die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland wird, solange sie zentral aus Nürnberg gestaltet wird, niemals eine effektive Arbeitsmarktpolitik werden.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das teile ich auch!)

Das ist meine feste Überzeugung.

(Beifall von CDU und FDP)

Ein zweiter Punkt, den ich vorab noch sagen will: Wenn die Tickermeldungen stimmen, dass sich auch Mitglieder der CDU und der FDP im Deutschen Bundestag heute Nachmittag in einer arbeitsmarktpolitischen Debatte in der Richtung geäußert haben, dass man sich auch eine Verfassungsänderung unter bestimmten Voraussetzungen vorstellen kann, dann halte ich dies für eine richtige Entwicklung.

(Beifall von CDU und GRÜNEN)

Weil man nun einmal die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland nur ändern kann, wenn es dafür im Deutschen Bundestag

(Norbert Killewald [SPD]: An der SPD wird es nicht scheitern!)

und auch im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit gibt, muss man diese Situation einmal so zur Kenntnis nehmen, wie sie ist.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Die Große Koaliti- on hätte die Mehrheit gehabt!)

Wir Länder können die Verfassung der Bundesrepublik nicht einseitig ändern, genauso wie es aus guten Gründen der Deutsche Bundestag auch nicht kann.

Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass es noch keine Mehrheit im Deutschen Bundestag gibt, die Verfassung zu ändern. Vielleicht entwickelt sich das ja in der Diskussion um die Organisationsreform von SGB II in diese Richtung.

Ich stelle aber ganz ausdrücklich fest, dass auf der ASMK – auch auf meine Bitte hin – alle Länder klar und deutlich gemacht haben, dass wir Länder bereit sind, in diesem Punkt die Verfassung so zu ändern, dass eine Mischverwaltung möglich ist.

Ich möchte noch einmal ganz klar sagen, dass alle unionsgeführten Länder dieses so sehen. Auch Baden-Württemberg hat an diesem Punkt so gestimmt, wie wir gestimmt haben. Die SPD-Länder haben diesem Antrag nicht zugestimmt. Aber in dem Punkt sind sie auch der Meinung, dass man die Verfassung für eine Mischverwaltung ändern sollte.

Ich erkläre hier ganz klar für die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, dass die Stimmen, die Nordrhein-Westfalen im Bundesrat hat, selbstverständlich zur Verfügung stehen, um eine Mischverwaltung im SGB-II-Bereich möglich zu machen.

(Beifall von CDU, SPD und GRÜNEN)

Aber es gibt ja auch die andere Seite. Jetzt will ich einmal erklären, wie es zu dem Beschluss gekommen ist. Natürlich ist eine Koalitionsvereinbarung von zwei Parteien, die in Berlin die Verantwortung zusammen für die nächsten Jahre übernommen haben, ein politischer Fakt. Wie man das einstuft? Ich würde das nicht auf die Stufe des Grundgesetzes stellen. Aber es ist ein politischer Fakt, auch deswegen entstanden, weil aus ganz anderen Gründen – ich habe das hier oft ausgeführt – viele meiner ehemaligen Bundestagskollegen der Meinung sind: Man passt die Verfassung dieser Situation nicht an, weil wir gerade bei den Föderalismuskommissionen die Mischverwaltungen nicht mehr wollten.

Entschuldigung, das hat auch nicht nur eine Partei beschlossen. Die Föderalismusreform war ja ein ganz großer Konsens. Deswegen muss ich auch zur Kenntnis nehmen, wie die Realität ist.

Jetzt muss ich als Arbeitsminister eine weitere Sache im Auge behalten. Ich sage ganz klar: Mein Ziel ist nach wie vor eine Verfassungsänderung. Mein Ziel ist nach wie vor eine Ausweitung der Optionskommunen. Und beides steht in diesem Beschluss. Gut, wenn ich das alleine gemacht hätte, hätte ich das ein wenig anders formuliert haben wollen. Man muss aber auch immer sehen, dass man die Dinge zusammenhält.

Jetzt geht es aber darum: Wenn man diese Verfassungsänderung aus irgendeinem Grund nicht erreichen kann, dann muss jemand, der verantwortliches Regierungshandeln macht, dafür sorgen, dass es dann am 1. Januar 2011 nicht eine Situation in Deutschland gibt, wo wir in diesem Bereich der Versorgung der Menschen, die vom SGB II abhängig sind, gar nichts mehr haben. Auch das muss man bedenken. Deswegen haben wir B-Länder, wie man so sagt, einige Punkte, die Ihnen bekannt sind, im ASMK-Beschluss formuliert, die – wenn es eine Änderung unterhalb der Verfassungsebene gibt – Punkt für Punkt umgesetzt werden müssen, weil wir uns ansonsten diese Änderungen nicht vorstellen können.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke. – Das sind die Punkte, die wir in diesem ASMK-Beschluss ganz klar formuliert haben.

Eins muss man ja sehen: Auch wenn man am Ende dieses Prozesses zu dem Ergebnis kommt, dass man keine gescheite Lösung für dieses Problem finden kann, ohne eine Mischverwaltung zuzulassen, ist es ja immer noch eine Erkenntnis, die dann früh genug ist, weil wir in diesem Punkt am wenigsten ändern müssen. Aber eine verantwortliche Administration muss sich meiner Meinung nach auch sagen: Lasst uns doch einmal abklopfen, wie ein Gesetzesentwurf aussehen müsste, wenn es unterhalb der Verfassungsänderung geht.

Und jetzt noch etwas zur historischen Wahrheit über die Zeitentwicklung, die seit dem Urteil passiert ist: Am Anfang hat der damalige Bundesarbeitsminister, Herr Scholz, geglaubt, er könne das Verfassungsgerichtsurteil sogar in ein zustimmungsfreies Gesetz ohne Beteiligung des Bundesrates umsetzen. Ich habe ihm damals immer gesagt: Herr Scholz, da bin ich sehr gespannt, wie Sie das machen wollen, ohne den Bundesrat zu beteiligen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wir auch!)

Dann hat es im BMA einen Lernprozess gegeben, dass man zumindest gesagt hat: Es geht nicht ohne euch Länder.

Dann kam der zweite Punkt, über den wir uns Abende lang unterhalten haben: Ich mache das nur mit dem Bundesrat, wenn die Länder eine Formulierung vorlegen. Ich bin nicht bereit, mit den Ländern zu verhandeln, weil ihr dann ja immer eins mehr drauflegt. – Wir wissen, dass zum damaligen Zeitpunkt der Bundesarbeitsminister Scholz die Ausweitung der Optionskommunen gefürchtet hat wie der Teufel das Weihwasser. Das ist ja auch ein Stück Wahrheit; er wollte gar nicht, dass die ausgedehnt werden. Da hat man gesehen, das geht nicht. Schließlich haben wir die Sache mit dem ZAG und mit der Grundgesetzänderung gemacht.

Jetzt müssen wir beim ZAG aber auch eins ehrlich zugeben: Das ist ja im Wesentlichen im MAGS und im rheinland-pfälzischen Arbeitsministerium geschrieben worden. Wir haben am Ende auch im MAGS und im rheinland-pfälzischen Arbeitsministerium ein relativ kompliziertes Konstrukt gebaut, um immer dann, wenn es zwischen Kommune und BA eine – wie soll ich sagen? – Konfliktlinie gibt, eine Lösung zu finden.

Das war schließlich auch kein einfaches, sondern ein in sich etwas kompliziertes System geworden. Deswegen gab es auch Leute, die gesagt haben: Na ja, auch das ZAG ist von der Verwaltungsseite gar nicht so ohne. – Aber gut. Das zeigt mir nur, dass es wahrscheinlich in diesem Bereich die alles umfassende tolle Lösung gar nicht gibt.

Ich sage aber auch ganz deutlich: Ich bin jetzt sehr darauf gespannt – ob man uns einen Gesetzesentwurf vorlegt, mit dem man wirklich ohne eine Verfassungsänderung die Probleme rechtssicher löst. Ich bleibe dabei, dass ein paar Punkte für uns unverzichtbar wichtig sind.

Herr Minister, gestatten Sie …