Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

Nordrhein-Westfalen fällt im Vergleich bei gleichen Ausgangsbedingungen zurück. Beim Dynamikranking fällt Nordrhein-Westfalen im Vergleich von 2002 zu 2004 von Platz 11 auf Platz 15 zurück. Damit sind wir die Zweitschlechtesten. Beim Bestandsranking fällt Nordrhein-Westfalen vom fünften auf den achten Platz zurück.

Meine Damen und Herren, Vergleiche der Bundesländer sind der richtige Maßstab, an dem man die Politik dieses Landes messen sollte. Ich sage Ihnen: Das Absinken in den Rankings findet nicht statt, weil es eine Krise gab und gibt, sondern weil Sie dieses Land schlecht regiert haben. Das ist der Grund dafür.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Auch in der Energiepolitik sind wir beim Vergleich der Bundesländer zu erneuerbaren Energien in der Gruppe der Schlusslichter. Uns überrascht das nicht. Wir haben unter Rot-Grün massiv Politik für erneuerbare Energien betrieben. Wir stehen auch weiter dazu, dass das die Zukunft dieses Landes ist. Wir stehen zum Energieland, und wir stehen zum Industrieland.

(Zurufe von CDU und FDP: Oh!)

Wir stehen auch zu großen Infrastrukturprojekten wie dem Kohlekraftwerk in Datteln. Aber wir werden nicht dabei zuschauen, wie Sie den Vorrang für Umwelt aus den Landesplanungsgesetzen herausschreiben. Das ist nicht unsere Politik.

(Beifall von der SPD)

Wir wollen das Kraftwerk. Wenn Sie es verwaltungstechnisch nicht sauber hinstellen können, müssen Sie das verwaltungstechnisch bereinigen, aber nicht auf diesem Weg. Das ist der kleine, aber feine Unterschied.

Für uns ist klar: Der Klimaschutz ist keine Bedrohung, sondern ein Fortschrittsmotor. Für uns sind Ökonomie und Ökologie, Wirtschaft und Umwelt

keine Gegensätze. Sie konstruieren künstlich Gegensätze, und das schadet der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes.

(Beifall von der SPD)

Kommen wir zur Bilanz unseres Arbeitsministers – der auch nicht da ist; gut –, Herrn Laumann. Reden und Handeln sollten bei ihm sozusagen ineinander übergehen – so war die Ankündigung –: sagen, was man tut, und tun, was man sagt. In Ankündigungen ist der Arbeitsminister ganz groß. Getan hat er wenig. Jetzt, unter Schwarz-Gelb, hat er den bundespolitischen Gestaltungsanspruch schon an der Garderobe des Bundesrates abgegeben.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Es war ein jämmerliches Bild, das Herr Laumann und die CDU-Fraktion im letzten Plenum bei der Frage der Organisation der Argen abgegeben haben. Der zuständige Minister und drei andere haben sich bei der Abstimmung über einen Antrag enthalten, der deckungs- und wortgleich mit dem Antrag ist, den Herr Minister Laumann in der Arbeits- und Sozialministerkonferenz mit erarbeitet hat. Das ist ein Stück aus dem Tollhaus! Das zeigt, wie hier Reden und Handeln auseinandergehen!

(Beifall von der SPD)

Jetzt, Herr Ministerpräsident, mussten Sie vollends einknicken. Frau von der Leyen diktiert, Minister Laumann und Ministerpräsident Rüttgers sind blamiert. Der Versuch von Herrn Laumann, dieses Desaster jetzt der SPD anzuhängen, kann nur mit partieller Amnesie zu tun haben. Mit Verlaub, das kann nur damit zu tun haben.

(Beifall von der SPD)

Herr Ministerpräsident, wir erinnern uns daran: Sie haben mit Kurt Beck den Kompromiss ausgehandelt, und die Kanzlerin und ihr Parteifreund Kauder haben Sie wie einen dummen Jungen in die Ecke gestellt oder auf die stille Treppe gesetzt. Das würde ich an Ihrer Stelle auch gerne vergessen. Deshalb kann ich die partielle Amnesie des zuständigen Ministers an dieser Stelle verstehen.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der CDU: Kommen Sie zur Sache!)

Herr Innenminister, Ihr Bereich ist das Schlimmste überhaupt. Ich finde, das wird von nichts getoppt.

(Gisela Walsken [SPD]: Ja, das stimmt! – Zu- rufe von der CDU)

Die Kommunen laufen Sturm. Ihre Bilanz für Stadt und Land ist unterirdisch. Sie laufen auch wegen der Argen Sturm. Auch für die Kommunen ist das ein wichtiges Thema. Wir reden hier über 6.300 Kommunalbeschäftigte in den Jobcentern, und wir reden – das sollte man an dieser Stelle nicht vergessen – über 1,6 Millionen Leistungsempfänger,

die demnächst keine Hilfe mehr aus einer Hand erhalten werden.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ja!)

Meine Herren von der Regierung, das ist ein Bürokratieaufbau, den Sie hier praktizieren.

(Beifall von der SPD)

Und das alles angesichts der Lage, in der sich die Kommunen nun einmal befinden. Seit vielen Monaten weisen wir Sie auf die schwierige Lage hin. Wir haben Lösungsvorschläge gemacht.

(Zuruf von der CDU: Welche denn?)

Den „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ sollten Sie sich noch einmal in Ruhe durchlesen. Wir haben dazu eine Broschüre aufgelegt; die ist einfach, verständlich und hilft auch Ihnen weiter.

(Zurufe von CDU und FDP)

Doch, definitiv. – Sie haben den Kommunen 3,1 Milliarden € weggenommen und sie zusätzlich mit Aufgaben belastet. Die Liste kann ich Ihnen gerne herüberreichen.

(Horst Engel [FDP]: Die ist falsch!)

Nein, Herr Engel, die ist nicht falsch.

(Zuruf von Horst Engel [FDP])

Ich bin nicht Frau Flach; das ist Ihre Kollegin. Ich bin Frau Kraft. Frau Flach ist von der FDP, das müssten Sie eigentlich wissen. Ein kleiner Fauxpas, Herr Kollege.

(Horst Engel [FDP]: Aber die Rede ist flach! – Weitere Zurufe von der FDP)

1,3 Milliarden € haben Sie den Kommunen weggenommen. Denen geht es absolut dreckig. Der Städtetag hat die bedrohliche Lage im Gemeindefinanzbericht 2009 wie folgt beschrieben – ich zitiere –:

Und in vielen kommunalen Haushalten droht trotz enormer Kraftanstrengungen eine sich zunehmend schneller drehende Abwärtsspirale. Das berührt die Entwicklungschancen des gesamten Landes!

Darum fordert der Städtetag im Gemeindefinanzbericht einen Konsolidierungspakt. Wir nennen das „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ – inhaltlich übrigens dasselbe; aber Sie lehnen das ab.

Herr Ministerpräsident, heute Morgen habe ich in einem Interview gelesen, dass Sie stattdessen Einzelhilfen in Richtung Wuppertal und Oberhausen geben. Ich wüsste gerne, was dahintersteht. Die Kollegen vor Ort – zumindest derjenige, den ich in Oberhausen kenne – wissen nichts davon, außer dass an kleinen Schräubchen im Haushalt gedreht wird. Das Problem der Stadt Oberhausen haben Sie aber nicht einmal ansatzweise ins Visier

genommen. Sonst würden die nämlich morgen nicht zusammen mit Vertretern der anderen Städte, die diesen Pakt unterschrieben haben, vor dem Landtag stehen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Nein, Herr Ministerpräsident und Herr Innenminister, Sie lassen die Kommunen im Stich. Und schlimmer noch, Herr Ministerpräsident: In Berlin unterschreiben Sie auch noch Verabredungen zulasten Dritter, und das sind in diesem Fall die Kommunen. Das setzt dem Ganzen sozusagen die Krone auf.

(Beifall von der SPD)

Koalitionsvertrag und Schuldenbeschleunigungsgesetz: Das gesamte Steuerpaket der Koalition bedeutet ab 2011 ein Minus von 12 Milliarden € für die Länder, Jahr für Jahr, ein Minus von 2,4 Milliarden € für NRW. Und das betrifft Land und Kommunen.

Sie sind dafür verantwortlich, dass es mit den Kommunen noch weiter bergab gehen wird. Das ist eine der größten Problembaustellen in diesem Land. Dazu werden wir den Menschen in diesem Wahlkampf einiges sagen. Darauf können Sie sich verlassen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Und das alles nur, weil Sie glauben, dass die Wirtschaft angekurbelt wird, wenn Sie jetzt Steuergeschenke machen! Ich zitiere dazu – mit Erlaubnis des Präsidenten –: Eine typisch neoliberale Doktrin ist die Vorstellung von den Steuersenkungen, die automatisch zu mehr Arbeitsplätzen führen. – Ein bisschen weiter: Die Wirklichkeit sieht anders aus. – Ein bisschen weiter: Es gibt eben keine eindimensionalen Wirkmechanismen. – Wer das geschrieben hat?

(Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: Ein kluger Mann!)

Ein kluger Mann, ja. Das hat Jürgen Rüttgers 2007 in seinem Buch „Die Marktwirtschaft muss sozial bleiben“ geschrieben. Dem ist nichts hinzuzufügen, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall von SPD und GRÜ- NEN)