Protokoll der Sitzung vom 20.01.2010

Vielen Dank, Herr Kollege Antoni. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Dr. Berger das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Antoni, zunächst einmal will ich Ihnen gar nicht widersprechen: Bildung ist sicher die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit. Darüber sind wir uns in diesem Haus wahrscheinlich alle einig. Über die Bedeutung von Durchlässigkeit in unserem Bildungssystem brauchen wir auch nicht zu streiten. Unbestritten ist es ein Anliegen aller Fraktionen dieses Hauses, den Fachkräften in unserem Land gute Qualifizierungs- und Bildungsmöglichkeiten zu bieten.

(Beifall von der CDU)

Sie versuchen jetzt, mit einem solchen Antrag zu punkten, obwohl erstens die Bedeutung der Durchlässigkeit der Bildungslandschaft von unserer Seite gar nicht infrage gestellt wird und zweitens vonseiten der Landesregierung auch längst zielführend und planvoll gehandelt wurde.

Ich will einmal damit beginnen, dass genau aus den von Ihnen angeführten Gründen die Landesregierung den Ausbau der nordrhein-westfälischen Fachhochschullandschaft nachdrücklich und erfolgreich vorangetrieben hat. Die 11.000 neuen Studienplätze durch Neugründungen und den Ausbau der FH-Standorte bringen den Studierenden – auch im Sinne Ihres Anliegens – wirklich etwas Konkretes.

Übrigens hat die SPD diesen Einsatz im Plenum, in den Ausschüssen und in den Anhörungen massiv behindert und diskreditiert. Wir erinnern uns alle noch an die Debatten darüber, an welchem Standort es denn besser wäre bzw. richtig wäre und warum man die Fachhochschulen ausbaue, anstatt mehr Studienplätze an den Universitäten zu schaffen. Wenn Sie dieses Anliegen vertreten, hätten Sie sich im Vorfeld schon auf eine schlüssige Strategie einigen können.

Bei genauer Betrachtung Ihres Antrags stellt man auch fest, dass einige Forderungen einer belastbaren Grundlage entbehren. Tatsache ist, dass die Hochschulen bereits jetzt für beruflich Qualifizierte offen sind. Wer nach einer Ausbildung eine Berufstätigkeit ausgeübt hat und wer ein Kind erzogen hat, kann nach einer Zugangsprüfung fast jedes Studium aufnehmen.

Zudem wird zurzeit an einer Reform gearbeitet, die ein echter Fortschritt wäre. Geplant ist – das konnte man den Presseveröffentlichungen der letzten Wochen entnehmen –, dass ab dem kommenden Wintersemester Inhaber eines Meisterbriefes einen allgemeinen und fachungebundenen Hochschulzugang sowohl zu Universitäten als auch zu Fachhochschulen besitzen und dass Studieninteressierte mit Berufsausbildung und mindestens dreijähriger Berufserfahrung einen fachgebundenen Hochschulzugang haben, ohne wie bisher einen Eignungstest für den angestrebten Studiengang ablegen zu müssen.

Auch die Anrechnung beruflicher Kompetenzen ist bereits möglich. Das war übrigens schon der Fall, als ich studiert habe; meine Studienzeit ist jetzt leider auch schon etwas her. Studieninteressierte mit beruflicher Vorbildung können sich ihre Kenntnisse anrechnen lassen. Das konnten sie früher, das können sie jetzt, und das werden sie auch zukünftig können.

Die Frage ist natürlich, wie dieser Prozess weitergeht. Übrigens werden bei den Kammern im Rahmen der sogenannten ANKOM-Projekte Debatten darüber geführt, wie man so etwas besser standardisieren kann. Vielleicht fällt der Anteil der Anrechnungen auch etwas zu gering aus. An dieser Stelle muss man aber auch sagen – das gehört zur Ehrlichkeit in der Debatte dazu –, dass jemand, der einen ordentlichen Hochschulabschluss anstrebt, sich auch den Anforderungen in voller Breite stellen muss.

Herr Antoni, letztlich thematisieren Sie hier zum wiederholten Male die Studienbeiträge. Das tun Sie in nahezu allen Ihren Anträgen zum Politikfeld Wissenschaft. Sie thematisieren sie im Plenum, in den Ausschüssen und in allen Ihren Anträgen. Wider besseres Wissen behaupten Sie, dass eine der größten Hürden für die Aufnahme eines Studiums die Belastungen durch Studienbeiträge seien. Dabei wissen Sie doch ganz genau, dass die Studienan

fängerzahlen Jahr für Jahr signifikant in die Höhe gehen.

(Beifall von der CDU)

Ich weiß nicht, wie oft wir Ihnen das in diesem Plenarsaal schon vorgerechnet haben. Tatsache ist und bleibt: Die angebliche Abschreckungswirkung der Studienbeiträge ist und bleibt ein Märchen.

Lassen Sie mich zum Ende noch Folgendes feststellen: Gerade im Hinblick auf die aufgrund der demografischen Entwicklung langfristig sinkenden Studierendenzahlen – das wissen wir alle – liegt es im ureigenen Interesse unserer Hochschulen, sich als hochwertige Bildungseinrichtungen für beruflich Qualifizierte aufzustellen. Dazu bieten die mit unserem Hochschulfreiheitsgesetz gesetzten Rahmenbedingungen viele gute Möglichkeiten. Wir werden weiterhin zielführend mit den Hochschulen und natürlich auch mit der Wirtschaft zusammenarbeiten, damit diesem Grundsatzanliegen, das wir alle teilen, in Zukunft in noch höherem Umfang Rechnung getragen wird. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Berger. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Witzel das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Witzel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Neues Jahr, neues Gewand, aber kein neues Glück für die SPDLandtagsfraktion – das ist die Überschrift für den Antrag, den Sie heute vorgelegt haben. Einen sehr ähnlichen Antrag haben Sie vor zehn Monaten, im März 2009, eingebracht. Es ist schon bemerkenswert, wie Ihr Antragsgenerator hier funktioniert. Ansonsten kennen wir das nur von den inhaltsleeren Grünen, die dieselben Themen nur leicht umformuliert zum fünften Mal dem Landtag vorlegen. Diesmal haben Sie das getan.

Im März 2009 hieß Ihr Antrag: „Hochschulzugang öffnen – Mehr Chancen für Studierende ohne Abitur“. Heute trägt er die Überschrift: „Hochschulzugang öffnen – Neue Perspektiven für Studierende ohne Abitur“. Ansonsten hat sich inhaltlich nicht viel getan.

Wir haben bei diesem Thema aber überhaupt nichts zu verbergen und debattieren es natürlich gerne erneut mit Ihnen; denn unser Motto lautet: kein Abschluss ohne Anschluss. Jeder braucht die Möglichkeit, lebenslang weiter lernen zu können. Schließlich wollen wir Aufstiegsprozesse für möglichst viele Menschen in Nordrhein-Westfalen organisieren und sie weiterqualifizieren. Wir freuen uns natürlich, wenn das auch die Unterstützung dieses Hohen Hauses findet.

Das bedeutet: Wir empfinden Anerkennung für alle Schulformen und für die vor einem Studium absolvierten Bildungswege. Das wird natürlich auch im Bereich der Wissenschaft fortgesetzt.

Die Möglichkeiten für Berufstätige, nach der Ausbildung oder einer längeren Berufsphase ebenfalls eine hochschulische Ausbildung absolvieren zu können, gewinnen in einer zunehmend wissensorientierten Gesellschaft – gerade unter dem Gesichtspunkt des lebenslangen Lernens – stetig an Bedeutung.

Das nordrhein-westfälische Bildungssystem ermöglicht bereits heute den Zugang zu hochschulischer Bildung in vielfältiger Weise. Neben dem klassischen Abitur haben in der beruflichen Bildung Qualifizierte auch ohne Abitur verschiedenste Möglichkeiten zu einem Hochschulstudium, und das nicht erst seit heute. In den entsprechenden Fachhochschulstudiengängen sind beispielsweise Meister im Sinne des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung, Absolventen zweijähriger Fachschulausbildung und Fachwirte sowie Fachkaufleute bereits jetzt schon zugangsberechtigt.

In diesem Zusammenhang freue ich mich, Ihnen heute für die Koalition ausdrücklich bestätigen zu können, dass wir dafür sorgen werden, dass Handwerksmeister in Nordrhein-Westfalen zukünftig auch an allen Universitäten – an Fachhochschulen ohnehin – studieren können. Das ist ein ganz wichtiger Schritt nach vorne. Deshalb werden wir weiter an der Reform der Zugangsregelungen arbeiten, damit wir eine Ausweitung der prüfungsfreien Zugangsmöglichkeiten schaffen, noch bestehende Beschränkungen abbauen und mehr Menschen eine Einstiegs- und Aufstiegsperspektive in Nordrhein-Westfalen geben. Das ist für Sie nicht neu, da das Ziel von uns schon vor längerer Zeit angekündigt worden ist und jetzt von der Koalition der Erneuerung beherzt umgesetzt wird.

Bereits im März 2009 hatte die Landesregierung auf ihren Austausch mit der KMK, ihren Dialog mit den anderen Bundesländern hingewiesen und sich in dem Beschluss „Hochschulzugang für beruflich qualifizierte Bewerber ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung“ wiedergefunden, der auf KMK-Ebene neu vereinbart wurde, verbunden mit einheitlichen Standards im Hochschulzugang.

Alles in allem spricht die SPD mit ihrem Antrag im Kern inhaltlich richtige und wichtige Punkte an. In der Tat: Die verstärkte Öffnung der Hochschulen für Nichtabiturienten mit hinreichender Berufserfahrung ist auch ein wichtiges Ziel der Koalition. Sie müssen im Bildungsbereich nur einmal mehr die Frage beantworten: Warum ist all das, was Sie so häufig, so zahlreich und so selbstverständlich im Landtag vortragen, zu Zeiten Ihrer Regierungsverantwortung früher nicht denkbar gewesen? Erkennen Sie an, wie sich das Land in den letzten viereinhalb Jahren unter Schwarz-Gelb zum Posi

tiven verändert hat. Wenn Sie ehrlich bilanzieren, was Sie 2005 hinterlassen haben, müssten Sie mit vielen Reformen sehr zufrieden sein.

Für uns ist klar, dass wir diesen Weg der weiteren Qualifizierung fortschreiten, dass wir für mehr Durchlässigkeit an den Stellen sorgen, wo es noch Nachjustierungsbedarf gibt. Das gilt sowohl für die schulische als auch die berufliche und die hochschulische Bildung entsprechend. Wer seine Meisterprüfung gemacht hat, ist einen schwierigen und langen Weg gegangen und hat eine hohe Ausbildungsqualifikation erworben. Diese muss ihn bei entsprechender Leistung auch dazu berechtigen, seinen Weg im Hochschulbereich erfolgreich fortzusetzen.

Zudem stellen wir mit den Ressourcen sicher, dass tatsächlich genügend Studienkapazitäten vorhanden sind. Sie kennen unser umfangreiches Programm, das in der Dimensionierung mit dem Ausbau der nordrhein-westfälischen Fachhochschullandschaft bundesweit einmalig ist. Gerade das sind Angebote, die berufliche Praktiker sehr stark ansprechen. In diesen Studiengängen in enger Kooperation mit der Wirtschaft weiten wir die Studienkapazitäten aus, liebe Kollegen von der Opposition. Wir sorgen für 11.000 neue Studienplätze in den MINT-Fächern, gerade in dem Bereich, in dem die Abwerbung der Fachkräfte von zentraler Bedeutung ist. Wir investieren ansonsten auch in die Studienkapazitäten im universitären Bereich und verbinden das Ganze mit den notwendigen qualitativen Standards, die für uns im Hochschulbereich selbstverständlich sind, damit wir gute Perspektiven für junge Menschen schaffen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Insofern sind wir der festen Überzeugung, dass wir gerade in Nordrhein-Westfalen auch in den nächsten Jahren gute Angebote haben, mehr als in anderen Bundesländern. Wir erweitern den Kreis derer, die studienberechtigt sind, schaffen mehr Perspektiven für die Menschen in unserem Land.

(Das Ende der Redezeit wird erneut signali- siert.)

Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Diesen setzen wir bis zum 9. Mai und darüber hinaus konsequent fort. – Vielen Dank.

(Beifall bei FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Dr. Seidl das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich noch auf einen wichtigen Punkt im Zusammenhang mit

dem Hochschulzugang und dessen Öffnung eingehen, nämlich den Fachkräftemangel. Wir alle wissen, dass Wirtschaft und Verwaltung in vielen Bereichen über den Fachkräftemangel klagen. Wir haben im Landtag und an verschiedenen Stellen auch immer wieder davon gesprochen. Herr Witzel, Sie tun gerade so, als ob das ein Märchen ist, das sich SPD und Grüne ausgedacht haben.

(Christian Weisbrich [CDU]: Ja, ein endloses Märchen!)

Schon jetzt klafft an vielen Stellen eine Lücke, was den akademischen Nachwuchs angeht. Spätestens Ende dieses Jahrzehnts, wenn die Studierenden des doppelten Abiturjahrgangs 2013 die Hochschulen wieder verlassen haben, wird aus der Lücke ein riesengroßes Loch werden. Es wird schlimmer werden, wenn wir nicht jetzt anfangen,

(Beifall von den GRÜNEN)

wirklich etwas für eine Öffnung der Hochschulen jenseits ihrer klassischen Klientel zu tun. Das muss man schon ernst nehmen und kann es auch in diesem Parlament nicht oft genug sagen.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie haben doch nichts ge- tan all die Jahre!)

Herr Witzel, seit 2006 stellen wir Anträge dazu, und Sie reagieren nicht. Wir haben 2006 schon auf den doppelten Abiturjahrgang hingewiesen, und nichts ist erfolgt.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie haben zehn Jahre vorher nichts gemacht!)

Wenn man auf die letzten viereinhalb Jahre schwarz-gelber Hochschulpolitik zurückblickt – das wollen wir jetzt einmal tun –, dann muss man feststellen, dass Sie herzlich wenig getan haben, um dem Problem zu begegnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Im Gegenteil: Anstatt die Hochschulen zu öffnen und Hürden abzubauen, haben Sie sich eifrig bemüht, weitere Hürden für diejenigen aufzubauen, die Sie offensichtlich nicht an unseren Hochschulen haben wollen.

(Ralf Witzel [FDP]: Wen denn?)

Bei allem, was Sie in den letzten viereinhalb Jahren getan haben, lag Ihr Schwerpunkt immer auf der Förderung der Elite, allen Sonntagsreden von Ihnen, Herr Pinkwart, und allem Sozialgeschwätz von Herrn Rüttgers zum Trotz. Das muss man einmal nachvollziehen. Alle, die diesem elitären Anspruch nicht genügen, sollten nach Ihrer Meinung doch am besten draußen bleiben. – Sie können sich gerne aufregen, gucken Sie sich doch die Tatsachen an.

Beim Ausländerstudium zum Beispiel haben Sie Stipendien für Elitestudierende aus Afrika eingeführt.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])