Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

letztendlich auch den Arbeitnehmerinnen und den Arbeitnehmern nicht hilft.

Denen, die zur ordnungsgemäßen Umsetzung ihrer Aufträge, zum Beispiel des Pflegeauftrags, Leiharbeitnehmer einsetzen, die gemäß DGB-Tarifvertrag vergütet werden, dazu noch außertarifliche Zulagen bekommen und Vermittlungsquoten von bis zu 60 % in den ersten Arbeitsmarkt haben, und zwar Vermittlungsquoten ohne Abschlussgebühr, wie es in der Zeitarbeitsbranche – leider Gottes – üblich ist, wiederum die Unterstützung des Landes vorenthalten zu wollen, ist ein Verhalten, das eines Sozialministers absolut nicht würdig ist.

(Beifall von Gabriele Sikora [SPD])

Im Umkehrschluss Ihrer Wahrnehmung zu dem Sachstand, den Sie hier ausgeführt haben, wäre der nächste Schritt sicherlich die Durchleuchtung der kirchlichen Tarifverträge, um sich auch einmal genau die Löhne im Niedriglohnbereich anzusehen und ihnen anschließend die Landesunterstützung zu entziehen. Ehrenamt und Wohlfahrt in Sonntagsreden hervorzuheben und dann mit Füßen zu treten, ist blanker Zynismus. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Kollege Brakelmann das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schmeltzer, ich kann nur sagen: Im Westen nichts Neues – draufhauen.

Was das Thema Arbeiterwohlfahrt betrifft, scheinen wir einen wunden Punkt getroffen zu haben. Ich kann den Arbeitsminister nur unterstützen. Ich werde gleich einige Zitate vorbringen, damit man merkt, dass das, was der Minister gesagt, stimmt und sehr kritisch ist. Wenn Sie vom Mindestlohn bei der iGZ reden, dann sind das 7,13 € plus 0,80 € Fahrtkostenpauschale, die man geben, aber auch immer wieder direkt streichen kann. Das weiß jeder Betriebsrat. Zulagen sind immer streichbar. Dass man da von super Tarifverträgen reden kann, verstehe ich persönlich gar nicht, Herr Schmeltzer. Sie als Gewerkschaftssekretär müssten das eigentlich wissen. Als Betriebsrat sage ich Ihnen: Vielleicht sind Sie auch zu lange heraus; das kann natürlich sein.

(Frank Sichau [SPD]: Es gibt aber Tarifver- träge! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Im Zitieren sind Sie sehr schlecht!)

Herr Schmeltzer, im Draufhauen sind Sie sehr gut. Das muss man Ihnen lassen. Sie werden auch immer sehr laut. Man hat immer das Gefühl, Sie können mit ganzen Herzen dabei sein. Nur kommt lei

der meistens heiße Luft heraus und sonst gar nichts.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Warten wir es ab!)

Den gesetzlichen Mindestlohn bei Leih- und Zeitarbeit halten wir für falsch. Das haben wir wiederholt hier im Plenum dargestellt. Bereits gestern stand das Thema Mindestlohn zu Recht auf der Tagesordnung. Denn die Vorgänge bei der Firma Schlecker sind wirklich skandalös. Wir müssen in der Tat verhindern, dass Unternehmen wie dieses durch Trickserei und den Einsatz von Leih- und Zeitarbeit wesentlich geringere Löhne zahlen, anstatt ihre Mitarbeiter nach den durch ver.di ausgehandelten Tarifverträgen zu bezahlen.

(Minister Karl-Josef Laumann und zwei Ab- geordnete der SPD diskutieren miteinander.)

Meine Herrschaften von der SPD, möchten Sie hier vorne reden? Ich habe damit kein Problem. Dann mache ich solange Pause. Das müsste aber bei meiner Redezeit berücksichtigt werden, Frau Präsidentin. Die Diskussion stört bei meiner Rede ungemein.

(Zurufe von der SPD)

Ja, Herr Garbrecht ist auch da. Ich habe es gehört. Möchte noch jemand herkommen und einen Beitrag leisten? Das ist kein Problem.

Zum Thema: Von Kündigungsschutz und sozialen Leistungen wollen wir hier erst gar nicht reden. Übrigens gibt es solches Gebaren auch in anderen Branchen, in denen man so etwas gar nicht vermutet. Zahlreiche Zeitungsverlage in Deutschland, auch in Nordrhein-Westfalen, haben ihren nach Tarif bezahlten Lokalredakteuren gekündigt und komplette Redaktionen mit Leuten neu besetzt, die aus Leiharbeitsfirmen kommen und deutlich weniger verdienen. Welche Verlage das sind, kann man im Internet nachlesen. Mit der angespannten Lage auf dem Tageszeitungsmarkt ist so etwas nicht zu entschuldigen.

Jetzt kommen wir noch einmal zu dem Punkt von gestern. Die Arbeiterwohlfahrt, eine der SPD durchaus zugeneigte soziale Organisation, hat Zeitarbeitsfirmen gegründet und aus diesen Firmen Mitarbeiter rekrutiert. Das hat der Kollege Tenhumberg gestern noch einmal erwähnt. Ich habe Ihre Aufregung heute mitbekommen. Ich habe dazu noch einige Fragen an die SPD-Kollegen Große Brömer, Körfges, Hack, Howe und alle die, die bei der AWO in Vorständen sitzen. Werden die so entliehenen Mitarbeiter tarifgemäß bezahlt? Wie sieht es mit Hire und Fire aus? Man hört ziemlich unglaubliche Dinge darüber, wie die AWO mit Mitarbeitern umgeht.

Ich führe einige Zitate an. Mit Erlaubnis der Präsidentin möchte ich vorlesen, was der Konzernbetriebsratsvorsitzende Detlev Beyer-Peters sagt. Es

ist eine Abschrift aus der Lokalzeit Dortmund von Mittwoch, den 5. Dezember 2007:

Wir kritisieren als Konzernbetriebsrat, dass innerhalb kürzester Zeit Beschäftigte einen Leistungs- und Lohnverlust von über 30 % erleben, ohne dass sich ihre Tätigkeit, ohne dass sich der Ort ihrer Tätigkeit, ohne dass sich die Kolleginnen und Kolleginnen verändern. Es verändert sich nichts – außer der Lohn.

(Zuruf von der CDU: Aha!)

Ich muss zugeben, im Pflegebereich trifft das nicht zu. Da wird nicht outgesourct. Aber im Bereich der Dienstleistungen wird outgesourct. Ich lese einmal vor, was eine Haushaltswirtschaftshilfe der AWO bekommt:

Statt 12 € die Stunde haben sie noch 7,80 € bezahlt, das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld gestrichen, keine Zuschläge mehr. Ich war schockiert; denn ich war immer flexibel, nie krank. Ich habe sogar Weihnachten und Ostern gearbeitet. Nun soll ich am gleichen Ort die gleiche Tätigkeit für weniger Geld machen.

Das läuft bei der AWO eben auch so ab.

(Bernhard Tenhumberg [CDU]: So ist das!)

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, als Betriebsrat traue ich meinen Betriebsratskollegen bei der AWO mehr als den Geschäftsführern, um das ganz klar zu sagen.

(Beifall bei der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist das erste Mal, dass Sie den Betriebsräten glauben!)

Das ist nicht das erste Mal. Das ist so, Herr Schmeltzer. Der Unterschied zwischen uns beiden ist, dass Sie Theoretiker sind. Sie sind viele Jahre raus und Gewerkschaftssekretär. Ich bin Betriebsrat, und zwar heute noch.

(Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])

Gestern wussten Sie das nicht mehr. Ich sage Ihnen. Ich bin heute Betriebsrat und stehe wieder zur Wahl an. Die Kollegen haben Vertrauen zu mir und werden mich wieder wählen. Ich bin jeden Tag in der Praxis und weiß, was bei den Kollegen los ist.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ich meine, Sie hätten ein Mandat?)

Ich muss kein Praktikum machen, um zu wissen, was die Menschen draußen denken, wie es mittlerweile bei der SPD üblich ist.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Schlecker und die Zeitungsverlage sind Beispiele für einen eklatanten Missbrauch des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes.

Herr Kollege Brakelmann, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Der Kollege …

Nein, ich möchte meine Rede beenden. Es ist sehr schwierig, dass Sozialdemokraten auch anderen zuhören. Wenn ich dort sitze, höre ich den sozialdemokratischen Kollegen immer zu. Dann hören Sie keine Zwischenrufe. Ich finde, das gehört sich auch so.

(Zuruf von der SPD)

Dem müssen wir einen Riegel vorschieben.

(Zuruf von Wolfram Kuschke [SPD])

Auch Sie können zuhören, Herr Kuschke.

(Zuruf von der SPD)

Sie können gleich in die Bütt gehen und sagen es einfach. Dann stellen Sie sich hier ans Pult und sagen, was Sie möchten. Das ist kein Problem.

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

Auch Sie, Herr Sichau.

Ich scheine irgendwie den Nerv bei der SPD getroffen zu haben. Das muss ich Ihnen sagen. Das ist sehr interessant.

(Beifall von der CDU – Wolfram Kuschke [SPD]: Sie sind ein feines Sensibelchen! – Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])

Die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hat bereits angekündigt, dass sie mögliche Schlupflöcher im Gesetz so schnell wie möglich stopfen will.

Grundsätzlich ist Zeitarbeit ein gutes und sinnvolles Instrument. Zeitarbeit kann Brücken in Arbeit für Menschen bauen, die sonst schlechte Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt hätten. Im Elften Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, der Anfang Januar vorgestellt wurde, heißt es:

Insbesondere für Langzeitarbeitslose ist die Zeitarbeit eine Chance auf den Zugang zur Arbeit. In über 10 % der neu geschlossenen Zeitarbeitsverhältnisse waren die Zeitarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer zuvor zwölf Monate und länger ohne Beschäftigung und sie haben in der Regel voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.