Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

Meine Damen und Herren, es geht aber nicht nur um Quantität, sondern es geht vor allen Dingen um Qualität – darum, dass Kinder so viel Zuwendung wie möglich erfahren, darum, dass ihre Talente so früh wie möglich entdeckt und gefördert werden, und auch darum, dass sie vor Armut, Missbrauch und Verwahrlosung geschützt werden. Nur wenn einer Gesellschaft das gelingt, hat sie Zukunft.

(Beifall von CDU und FDP)

Mit unserem neuen Kinderbildungsgesetz haben wir die frühkindliche Bildung deutlich verbessert.

(Lachen von der SPD)

Vor allem die vorschulische Sprachförderung ist ein großer Erfolg, und wir werden sie weiter ausbauen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir haben die Anzahl der Betreuungsplätze für unter Dreijährige seit Mai 2005 verachtfacht. Bis 2013 werden wir sie auf 144.000 Plätze ausbauen.

(Beifall von CDU und FDP – Frank Sichau [SPD]: Und wer bezahlt das?)

Wir arbeiten mit den Familienzentren daran, dass die Betreuung von Kindern und Eltern noch besser wird. Am 1. August 2010 werden wir 2.818 Familienzentren eingerichtet haben. Bis 2012 sollen es mindestens 3.000 sein.

Besonders am Herzen liegt mir der Schutz von Kindern. Wir kämpfen entschlossen gegen Kinderarmut. Deswegen setzen wir uns für die Ausweitung der Hartz IV-Regelsätze für Kinder ein.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir haben den Landesfonds „Kein Kind ohne Mahlzeit“ eingerichtet. Er kommt in diesem Schuljahr schon mehr als 80.000 Kindern zugute.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir haben die sozialen Frühwarnsysteme flächendeckend ausgebaut, um Kinder besser vor Verwahrlosung zu schützen. Auch in Zukunft werden wir daran arbeiten, dass jedes Kind in unserem Land eine Zukunft hat. Denn jedes Kind in Armut oder Verwahrlosung ist eines zu viel.

(Beifall von CDU und FDP)

Der Satz „Kein Kind darf zurückbleiben“ gilt auch für Jugendliche. 7 % Schulabbrecher sind 7 % zu viel. Auch dagegen gehen wir mit dem Ausbau des Ganztagsunterrichts vor. Wir liegen schon im Schuljahr 2009/2010 bei insgesamt rund 550.000 Plätzen. Im nächsten Schuljahr kommen noch einmal mehr als 56.000 Plätze hinzu. Bis 2015 sollen mindestens 43 % aller Kinder einen Ganztagsplatz nutzen können. Bis 2025 soll das Angebot noch weiter ausgebaut werden.

Wir wollen, dass in Zukunft die Klassen kleiner werden.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das haben Sie schon beim letzten Mal versprochen und nicht gehalten!)

So stärken wir die individuelle Förderung, die der Schlüssel zum schulischen Erfolg ist. Wir wollen maximale Klassengrößen von 25 Schülern in Grund- und Hauptschulen sowie 28 Schülern in Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien erreichen. Das ist zu schaffen, wenn wir den demografischen Wandel nutzen.

Wir sind optimistisch, dass wir dieses Ziel bei den Eingangsklassen der Grund- und Hauptschulen bis 2015 erreichen können. Denn gerade in den Grund- und Hauptschulen sind kleine Klassen besonders wichtig.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir wollen den Schulerfolg aller Kinder und Jugendlichen in unserem Land. Dafür haben wir – seit Mai 2005 gerechnet – mit dem Haushalt 2010 8.124 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen. Das hat den Unterrichtsausfall halbiert. Außerdem reformieren wir die Lehrerausbildung und stärken wir die Hauptschulen mit einer Qualitätsoffensive.

(Beifall von CDU und FDP)

Diese Investitionen und Reformen haben schon erste Früchte getragen: 2009 haben wir den niedrigsten Stand an Sitzenbleibern seit Beginn der Erhebung erzielt.

(Beifall von CDU und FDP)

Auch beim Abitur haben wir das beste Ergebnis seit Beginn der Aufzeichnungen erreicht. Darauf können wir stolz sein, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Noch etwas hat uns die Zukunftskommission eindringlich mit auf den Weg gegeben: Wir müssen die Leistungen unserer Lehrerinnen und Lehrer stärker fördern und vor allen Dingen auch anerkennen.

(Beifall von CDU und FDP)

Kaum ein Beruf ist so wichtig für unsere Zukunft, und er muss die öffentliche Anerkennung bekommen, die er verdient. Ich möchte, dass jede Lehrerin und jeder Lehrer in diesem Land sagen kann: Ich bin stolz, in Nordrhein-Westfalen die Verantwortung für die Bildung unserer Kinder zu tragen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich will, dass er oder sie dafür auch die entsprechende Anerkennung bekommt. Ich meine, das muss unser aller Ziel sein.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, Lord Dahrendorf und die Kommission haben uns auch die Modernisierung der dualen Ausbildung und die Stärkung der Weiterbildung empfohlen. So sollen Flexibilität und Sicherheit in Zukunft auf den Arbeitsmärkten möglich sein. Wir wollen den Menschen Mut machen und ihnen Chancen geben, sich den Veränderungen auf den Arbeitsmärkten zu stellen. Mut haben Menschen aber nur, wenn sie wissen, dass es gerecht zugeht, dass jeder eine Chance hat.

Lord Dahrendorf hat für die Herausforderungen der Zukunft eine, wie ich finde, einprägsame Formel gefunden: Es geht um Beschäftigungssicherheit für alle, statt um Bestandssicherheit für wenige, wie er formuliert hat.

(Beifall von CDU und FDP)

Um zumindest Beschäftigungssicherheit für die meisten zu erreichen, müssen wir bei den jungen Menschen beginnen. Mit unseren Partnern im Ausbildungskonsens Nordrhein-Westfalen haben wir 2007 ein umfassendes Konzept zur Berufsorientierung geschaffen. Mit dem 3. Weg in der Berufsausbildung und dem Werkstattjahr geben wir allen Jugendlichen eine berufliche Perspektive. Seit zehn Jahren hatten wir keinen so niedrigen Stand an Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz mehr. Das ist ein großer Erfolg.

(Beifall von CDU und FDP)

Der Erfolg war möglich, weil Arbeitgeber, Handwerker, freie Berufe und Gewerkschaften sowie Politik an einem Strang ziehen. Das wird auch in Zukunft so sein. Kein Jugendlicher darf zurückbleiben!

In der kommenden Legislaturperiode werden wir dafür die gezielte individuelle berufliche Förderung aller Jugendlichen ab der 8. Klasse weiter vorantreiben. Wir haben mit „ILJA“ ein Projekt zur Integration lernbehinderter Jugendlicher in Ausbildung

entwickelt, damit auch junge Menschen mit Behinderungen besonders gefördert werden.

(Beifall von der CDU)

Wir wollen damit alle lernbehinderten Jugendlichen ab der Klasse 8 jeweils individuell fördern.

Meine Damen und Herren, Beschäftigungssicherheit für die meisten heißt aber auch, dafür zu kämpfen, dass junge Menschen nach der Ausbildung eine echte berufliche Perspektive haben. Deshalb haben wir mit unserem Projekt „Jugend in Arbeit plus“ seit 2006 rund 20.000 schwer vermittelbaren arbeitslosen Jugendlichen eine Chance gegeben. Rund 9.000 Jugendliche haben dadurch bisher eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bekommen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir werden dieses Programm, das die Vorgängerregierung abschaffen wollte, im Sinne der Zukunftskommission fortführen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir werden aber auch über den Ausbau von Berufsschulen und Berufskollegs zu regionalen Kompetenzzentren weiter nachdenken. Auch das hat die Zukunftskommission in ihrem Bericht ausdrücklich gefordert. Denn sie sieht ein Problem in der oft nur losen Kooperation zwischen Betrieben und Berufsschulen.

In diesen regionalen Kompetenzzentren sollen alle Bildungsbereiche von der Ausbildungsvorbereitung über die Erstausbildung bis hin zur Weiterbildung vertreten sein. Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Vertreter der Berufsschulen und der Arbeitsverwaltung sollen diese regionalen Kompetenzzentren gemeinsam betreiben. Ich appelliere an alle Verantwortlichen, diesen innovativen Weg mit uns gemeinsam einzuschlagen.

Ganz wichtig ist mir, dass wir auch den Alleinerziehenden bessere Berufsperspektiven ermöglichen. Sie leben mit einem besonderen Armutsrisiko. Viele Single-Mütter oder Single-Väter haben es schwer, Beruf und Familie zu verbinden. Viele haben Teilzeitjobs. Ein Unterhaltsvorschuss wird nur sechs Jahre und nur für bis zu 14 Jahre alte Kinder bezahlt.

Wir müssen die Alleinerziehenden langfristig stärken mit mehr Plätzen für unter Dreijährige, mit mehr Ganztagsplätzen in den Schulen. Wir werden sie gezielt in der Teilzeitausbildung und beim Wiedereinstieg ins Berufsleben unterstützen, gemeinsam mit den Unternehmen, den Berufsschulen und den Weiterbildungsträgern. Wir setzen uns auch für eine Verlängerung des Unterhaltsvorschusses bis zum 18. Lebensjahr analog zur Kindergeldregelung ein.