Meine Damen und Herren, die Länderstellungnahmen zur Strukturpolitik und zur Kohäsionspolitik der EU tragen in weiten Teilen nordrhein-westfälische Handschrift. Zudem hat die Landesregierung ein Netzwerk europäischer Regionen initiiert, das sich
mit der Zukunft der Kohäsionspolitik nach 2013 befasst. In Kürze wird eine von der Landesregierung beauftragte Studie zu den Anforderungen an die künftige EU-Strukturpolitik vorliegen. Natürlich dienen auch diverse Veranstaltungen und Gespräche mit der EU-Kommission dem Ziel, die Strukturförderung zu erhalten.
Hier macht die Landesregierung aus unserer Sicht einen hervorragenden Job für die Interessen Nordrhein-Westfalens. Das kann man von der SPD nun leider nicht behaupten. Insofern kommt Ihr Antrag heute mal wieder einige Jahre zu spät. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Löhrmann das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über die Frage, ob etwas zu früh oder zu spät kommt, kann man trefflich streiten. Ich denke, es ist sinnvoll, die Frage der EU-Strukturfondsmittel und den Antrag der SPD für die Frage zu nutzen: Wo stehen wir, und wie geht es weiter?
Wir haben dazu eine differenzierte Haltung. An welcher Stelle und in welcher Rolle auch immer wir diese Debatte fortsetzen werden – das wird man dann sehen –, besteht, glaube ich, ein Konsens in diesem Hause, dass wir sie fortsetzen werden.
Es gibt auch einen zweiten Aspekt, zu dem ein Konsens besteht, nämlich dass NRW auch nach 2013 Strukturfondsfördermittel braucht.
Darüber sind wir uns zumindest einig. Es ist klug, sich so aufzustellen, dass wir viele dieser Strukturfördermittel abziehen und sie in eine ökologischsoziale Weiterentwicklung unseres Landes einbringen.
Bei Ihren Jubelarien, wie gut alles ist, ist mir ein Aspekt zu kurz gekommen, Herr Brockes und Frau von Boeselager, nämlich die Frage, wie und unter welchen Rahmenbedingungen denn unsere Kommunen von diesen Strukturmitteln partizipieren können
und ob sie das angesichts ihrer Schwäche und angesichts der Situation, in der sich viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen befinden, adäquat tun können.
Das versprechen Sie immer wieder. Sie haben nämlich auch sehr viel Enttäuschung produziert. Es ist bisher nicht gelungen, das systematisch durch eine Beteiligung der strukturschwachen und insbesondere der 19 Nothaushaltskommunen, die sich in einem Bündnis zusammengefunden haben, zu tun. Darauf weist der Antrag aus meiner Sicht zu Recht hin.
Es gibt aber auch Punkte, die wir an dem Antrag nicht gut finden; die will ich auch nennen. Ich glaube, die gefühlte Wahrnehmung, welche Gelder wohin fließen, entspricht nicht immer den Summen und Tatsachen. Frau Ministerin hat heute Morgen schon angekündigt, dass sie das noch einmal darstellen will. Man muss sich wirklich davon lösen, dass es bestimmte Regionen gibt, in die die Mittel automatisch gehen müssen.
Wir müssen uns vielmehr davon freimachen und auch hier der Devise folgen, wie wir es auch beim Solidarpakt tun: Es geht nicht um Himmelsrichtungen, sondern um wirkliche Förderbedarfe und um Kriterien, die eben sauber definiert werden müssen.
Zweiter Punkt. Wir halten es für falsch, ein 50%iges Förderfenster allein für Infrastrukturmaßnahmen vorzusehen und zu schaffen. Wir Grüne sind gegen eine Fokussierung auf Infrastrukturprojekte. Auch ein grünes Technologiezentrum ist kein adäquater Weg zur Organisation des Technologietransfers. Und weitere Projekte im Sinne des Dortmunder U brauchen wir erst recht nicht.
Dritter Punkt. Der Antrag fordert ein schnelleres und unbürokratischeres Förderverfahren. Das ist natürlich richtig; dem stimmt abstrakt jeder zu. Zugleich schlagen Sie aber vor, das jetzt in weiten Teilen zweistufige System durch ein dreistufiges System, bestehend aus Ideenskizze, Antragstellung und Antragsabwicklung mit der EU, zu ersetzen. Das überzeugt uns nicht. Es bleibt auch unklar, welche Rolle die EU bei der Auftragsabwicklung bekommen soll; ihre Einbeziehung würde die Abläufe möglicherweise nicht beschleunigen. Außerdem schlagen Sie vor, eine Clearingstelle einzurichten, wobei nicht ganz klar wird, wie diese funktionieren soll.
Es gibt da also Dinge, die wir richtig finden. Die Position von uns Grünen ist, dass EU-Fördermittel in die sozialökologische Entwicklung unseres Landes und in den Umbau unserer Wirtschaft fließen sollen. Das ist unser Kernanliegen, das wir unter dem Begriff des Green New Deal in der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht haben. Dafür brauchen wir die Fördermittel.
Dafür brauchen wir aber auch handlungsfähige Städte und Gemeinden. Sie wissen selber, wie Sie unsere Städte und Gemeinden verraten haben und wie schlecht Sie sie nicht nur durch Ihre Politik, sondern insbesondere durch die Bundessteuerpolitik, die Sie zu verantworten haben, ausstatten.
Wir halten es für richtig, Wettbewerbsverfahren vorzusehen. Aber die CDU/FDP-Landesregierung hat es unseres Erachtens bisher nicht verstanden, diese richtige Grundsatzentscheidung handwerklich solide umzusetzen.
So ist der Zeitraum zwischen Projekteinreichung und Bewilligungsbescheid zu lang. Außerdem erhalten jene, deren Projekte nicht berücksichtigt werden, keine qualifizierte Rückmeldung, mit der Folge, dass sie mit Blick auf zukünftige Projekteinreichungen nicht aus ihren Fehlern lernen können. – Das kann ich mit Blick auf meine Region nur bestätigen. Wir haben mit der Bergischen Entwicklungsagentur eine Stelle, die sich sehr bemüht; da ist viel gelaufen. Trotzdem sind die Antragsteller hinterher frustriert, wenn sie nicht genau einschätzen können, warum was nicht funktioniert hat. Da gibt es deutlichen Verbesserungsbedarf.
Ich möchte abschließend noch etwas zum Ruhrgebiet sagen; Sie wissen, dass ich aus dieser Region stamme. Wir halten eine alleinige Orientierung dahin, dass das Ruhrgebiet mehr Geld bekommen muss, für falsch, und zwar nicht, weil wir einen Gartenzaun um das Ruhrgebiet ziehen wollen, sondern weil wir überzeugt sind, dass das Ruhrgebiet inzwischen so stark ist, dass es sich im Wettbewerb mit anderen Regionen behaupten kann. Diese Stärke des Ruhrgebiets müssen wir betonen, damit aus der Stärke neue, zusätzliche Kraft erwächst und das Revier sich weiterentwickeln kann.
Unser Ziel für das Ruhrgebiet ist, es zu einer ökologischen Vorzeigeregion in Europa weiterzuentwickeln. Das vorhandene Know-how in den Bildungs- und Forschungseinrichtungen und den Unternehmen des Ruhrgebiets, etwa für gesunde, lebenswerte Stadtregionen mit einem guten öffentlichen Nahverkehr, mit umweltfreundlichen dezentralen und mit erneuerbaren Energiesystemen, wollen wir Grüne zur Schaffung einer grünen Metropole Ruhr nutzbar machen. Wir sollten das Potenzial für eine grüne Region Ruhr nutzen, weiterentwickeln und stärken.
Ich muss mich jetzt verabschieden, weil ich leider telefonieren muss; dafür entschuldige ich mich und bitte um Ihr Verständnis. Ich freue mich, dass Sie mir zugehört haben. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Löhrmann. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Thoben das Wort. Bitte schön, Frau Ministerin.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion macht sich Gedanken über die Förderperiode der europäischen Strukturpolitik ab 2014. Sie fordert die Landesregierung auf, diese frühzeitig vorzubereiten. Es wird Sie vielleicht überraschen: Die Forderung ist grundsätzlich richtig. Nur: Wir sind längst tätig.
Auf europäischer Ebene hat die Debatte über die zukünftige Strukturpolitik begonnen. Eine Fortführung unseres Ziel-2-Programms nach 2013 ist bisher in keiner Weise gesichert. Es lohnt sich also, darüber zu diskutieren, wie wir Einfluss auf diese europäische Debatte nehmen. Das Problem dieses Antrags ist allerdings, dass er einen an sich sinnvollen Gedanken – nämlich die frühzeitige Vorbereitung einer neuen Förderperiode – wieder mal mit uralten, nach meiner Einschätzung unsinnigen und längst widerlegten Behauptungen zum Ziel-2Programm verknüpft.
Erstens. Sie behaupten, dass die Ausweitung der Förderperiode auf ganz Nordrhein-Westfalen dazu geführt hat, dass sich das Land aus eigenständiger landesweiter Wirtschaftsförderung zurückgezogen hat. Das Gegenteil ist aber der Fall.
Die Förderung im Ziel-2-Programm wurde zum ersten Mal überhaupt landesweit ausgedehnt. Viele Regionen außerhalb des Ruhrgebiets können sich jetzt auch um diese Mittel bewerben. Zum ersten Mal überhaupt haben alle Regionen in den Wettbewerbsverfahren die Chance, sich mit innovativen Ideen und Projekten durchzusetzen. Wir haben diese Fördermittel auf Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und eine wissensorientierte Wirtschaft konzentriert. Genau das verstehen wir unter einer landesweiten, zukunftsorientierten Wirtschaftsförderung in Nordrhein-Westfalen.
Nein. – Zweites Beispiel. Sie behaupten, bei den Wettbewerbsverfahren wären zu wenige Förderanträge eingereicht und zu viele abgelehnt worden. Auch diese Behauptung entbehrt
jeglicher Grundlage. Bis Ende letzten Jahres haben sich insgesamt 2.114 Projektkonsortien mit 7.000 Kooperationspartnern an den Wettbewerben beteiligt. Eine größere Mobilisierung aller regionalen Akteure ist bisher bei keiner anderen wirtschaftspolitischen Initiative einer Landesregierung erreicht worden. Über 7.000 Interessenten haben sich auf den Informationsveranstaltungen über die Wettbewerbe informiert. Circa 6.500 Beratungsgespräche wurden in der Einreichungsfrist der Wettbewerbe geführt. Kurzum: Wir haben mit diesem Verfahren landesweit eine Beteiligung und ein Interesse an der Landeswirtschaftsförderung erreicht, die es so vorher noch nicht gegeben hat.
Im Ergebnis sind bisher landesweit fast 700 Einzelbewilligungen aus diesen Wettbewerben hervorgegangen. Wir haben also bisher schon eine riesige Breitenwirkung für mehr Innovationen und für mehr Forschung und Entwicklung erreicht. Man könnte heute fast schon das Bergfest feiern. Diese Förderperiode dauert bis 2013. Gut 50 % der Mittel sind bewilligt.
Ein letztes Beispiel: Sie behaupten, dass sich eine zu große Zahl an Clustern und Wettbewerben als problematisch erwiesen hätte. Auch hier liegen Sie falsch. Mit unseren 16 branchen- und technologieorientierten Landesclustern wurde die bisher unübersichtliche Landschaft aus Netzwerken, Initiativen und Programmen klar sortiert und strukturiert.
Mit unseren bisher über 30 Wettbewerbsverfahren ist es uns gelungen, die unterschiedlichen Stärken und Innovationsprofile in allen Regionen des Landes anzusprechen. Es ist uns einerseits gelungen, das riesige Forschungspotenzial der großen Hochschulen dieses Landes, zum Beispiel Aachen, Köln, Dortmund, Münster oder Bielefeld, für die Unterstützung von Hochtechnologien in unserer Wirtschaft zu nutzen. Es ist uns gleichzeitig aber auch gelungen, die spezifischen Innovationspotenziale unserer mittelständischen Wirtschaft in eher ländlichen Regionen zu aktivieren. – Frau Sikora, Sie müssen mal sehen, was im Münsterland los ist,