Protokoll der Sitzung vom 04.02.2010

Wir haben uns seitdem darum bemüht, bei RotGrün wie bei der Großen Koalition eine Verbesserung zu erreichen.

(Widerspruch von der SPD)

Sowohl die Grünen als auch die SPD haben das über Jahre verhindert. Jetzt, wo Sie in der Opposition sind, machen Sie eine programmatische Erneuerung bei Hartz IV!

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Das hätten wir uns vor fünf Jahren gewünscht.

(Beifall von Ilka von Boeselager [CDU])

Finden Sie doch mal die Kraft zur Korrektur dort, wo Sie in der Verantwortung sind! Wir finden die. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Pinkwart. – Für die SPD-Fraktion erhält noch mal der Abgeordnete Eiskirch das Wort.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine verehrten Damen und Herren! Ich bin mir sicher: Nivellierung der Mehrwertsteuersätze heißt bei Herrn Pinkwart an dieser Stelle Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes auch für das Frühstück und andere gastronomische Leistungen.

(Gisela Walsken [SPD]: Exakt!)

In diese Richtung wird es gehen und in keine andere.

(Gisela Walsken [SPD]: So ist das!)

Insofern wäre ich mal ein bisschen vorsichtig mit dem, was Sie dazu dazugelernt haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich habe vorhin angekündigt – die Kritik war ja groß, ich hätte so polemisch reagiert –, ich würde das, was die wirtschaftlichen Auswirkungen angeht, noch genauer betrachten. Da muss ich den Kollegen Brockes leider enttäuschen: Ich werde mich auch weiterhin hier mit großem Recht zum Thema Mittelstand äußern.

Welche Auswirkungen hat dieser Regierungsmurks ganz praktisch für die Menschen in NRW? Das wollen wir doch noch einmal aus einer ande

ren Sicht beleuchten, als Sie dies gerade getan haben.

Hierzu hat es eine Untersuchung der Verbraucherzentrale gegeben. Sie hat belegt, dass Hotelübernachtungen von Mitte Dezember 2009 bis Mitte Januar 2010 eher teurer als günstiger geworden sind.

(Gisela Walsken [SPD]: Fakt eins!)

Lediglich 7 % der untersuchten Angebote wurden im Preis gesenkt; hingegen wurden 14 % sogar teurer.

Auf einen gerade für mich als wirtschaftspolitischen Sprecher wichtigen Aspekt hat der Präsident der Geschäftsreiseverbände, Dirk Gerdom, im Hauptberuf Travel Manager bei SAP, also keiner kleinen Klitsche, sondern eines wirklich großen Unternehmens, hingewiesen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Sie kennen ja nur die großen! – Zuruf von Hendrik Wüst [CDU])

Das ist ein Sachverhalt, meine Damen und Herren, der für Menschen, die sich mit Wirtschaft auseinandersetzen, eigentlich trivial sein müsste, ein Sachverhalt, der doch die Wirtschaftsministerin hätte auf den Plan rufen müssen, um diesen Unfug zu verhindern. Trotzdem noch einmal zum Mitschreiben – Herr Linssen hat vorhin schon von der Vorsteuer geredet –: Unternehmen können die Umsatzsteuer bei Geschäftsreisen absetzen, und das gilt unabhängig vom Umsatzsteuersatz: die Vorsteuer. Maßgeblich für Unternehmen, die auf Geschäftsreisen angewiesen sind, ist deshalb der Nettopreis der Übernachtung, Kollege Brockes, der Nettopreis.

(Gisela Walsken [SPD]: Genau!)

Vom Netto, sagen Sie doch immer, hätten Sie Ahnung. Hören Sie doch einen Moment zu.

(Dietmar Brockes [FDP]: Sie hätten dem Fi- nanzminister zuhören sollen!)

Es geht um den Nettopreis der Übernachtung.

Auf diese Wirkung wies Dirk Gerdom hin: Wenn die Hoteliers künftig die Mehrwertsteuerersparnis nicht vollständig an ihre Kunden weitergeben, erhöhen sich die echten Kosten für die Unternehmen genau um diesen Betrag.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch logisch!)

Ich sage Ihnen ganz klar: Das ist eine Interpretation von „Mehr Netto vom Brutto“, die den Unternehmen schadet, Kolleginnen und Kollegen, und nicht nutzt!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das führt für den Travel Manager bei SAP zu der Konsequenz, dass der durch die Wirtschaftskrise ohnehin eingeschränkte Spielraum bei der Genehmigung von Dienstreisen durch das Steuerge

schenk an die Hoteliers noch erheblich verkleinert wird.

Auf ein ähnliches Ergebnis kommt AirPlus, ein Unternehmen, mit dem in Deutschland jährlich etwa 2 Millionen Hotelübernachtungen bezahlt werden, auch viele von Mittelständlern. AirPlus hat auf der Basis von abgerechneten Hoteltransaktionen – also nicht aufgrund von Prognosen – für den Zeitraum 1. bis 20. Januar im Durchschnitt Kosten von jetzt 171 € ermittelt; vor einem Jahr waren es 167 €. AirPlus kommt zu dem Ergebnis, dass sich die seit dem 1. Januar dieses Jahres von 19 % auf 7 % gesunkene Mehrwertsteuer auf Übernachtungen nicht auf die Preise bei geschäftlichen Hotelaufenthalten ausgewirkt hat.

Das ist, wie gesagt, mehr Netto vom Brutto, wie Unternehmen es nicht gebrauchen können.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Nach Einschätzung des Präsidenten der Geschäftsreiseverbände können die Firmenkunden aufgrund der Steuersenkungen in Summe mit Mehrbelastungen von 400 Millionen € im Jahr rechnen. In einer Phase, in der die Unternehmen mehr Akquisition betreiben müssen, um gut durch die Krise zu kommen, belasten die Steuergeschenke an Hoteliers die Wirtschaft und gefährden den Aufschwung. Mit dieser Klientelpolitik wird der Wirtschaft in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen geschadet.

(Beifall von der SPD)

Besonders absurd sind die Auswirkungen im Detail. Große Unternehmen üben massiv Druck auf die Hotels aus; wir wissen das aus Briefen. Sie wollen die großen Hotels, die Ketten, dazu zwingen, die Kostensenkungen im Rahmen von Großkundenvereinbarungen 1:1 weiterzugeben; das ist nachvollziehbar. Klar ist, wer hierbei die Leidtragenden sein werden: die Mittelständler und die Privatreisenden, die nicht über eine solche Nachfragemacht verfügen. Der Montagearbeiter, der im Mittelklassehotel übernachtet, finanziert dann aus seiner Tagespauschale die Steuergeschenke.

(Gisela Walsken [SPD]: Ja, genau!)

Das ist die Realität. Die Klientelpartei FDP macht Politik gegen den Mittelstand und wieder einmal gegen den kleinen Mann.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Der bezahlt die Steuergeschenke an Hoteliers gleich doppelt, zum einen über sein Steueraufkommen und zum anderen über eine weiterhin hohe Hotelrechnung.

Ich bleibe dabei: Diese Steuergeschenke der Klientelpartei FDP sind eine Schande für NordrheinWestfalen. Dies fügt dem Wirtschaftsstandort Deutschland schweren Schaden zu, und dies gefährdet die Glaubwürdigkeit von Politik, die sich nicht zum Büttel von Klientelinteressen machen

darf. Die FDP finanziert Hotelzimmer statt Klassenzimmer, sie reduziert die Übernachtungskosten statt der Studiengebühren, meine Damen und Herren. So sieht die Wirklichkeit aus.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Eiskirch. – Ich schaue einmal in die Runde: Gibt es noch eine Wortmeldung? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aktuelle Stunde.

Ich rufe auf:

2 Auch geringfügig Beschäftigte haben Arbeitnehmerrechte!