Protokoll der Sitzung vom 09.03.2010

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Als nächster Redner hat nun für die Landesregierung Herr Minister Laschet das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Debatte und der Vorbemerkung der sozialdemokratischen Fraktion ist deutlich geworden, dass die Grundrichtung dessen, was die Landesregierung mit ihren Leitlinien formuliert hat und was die Ministerpräsidenten formuliert haben, auf Konsens stößt. Das ist sicherlich ein Anerkennen der entwicklungspolitischen Arbeit der Landesregierung.

Ich freue mich, dass wir hier über diese Grundausrichtung, dass wir da tätig sein sollen, inzwischen auch einen Konsens haben. Ich freue mich über die Rede des Kollegen Brockes, der für die FDP ausführlich, detailliert und sehr profund geschildert hat, warum Entwicklungspolitik eines Landes wichtig ist. Ich erinnere mich: Am Anfang der Wahlperiode hat mich mancher aus Ihren Reihen beschimpft, dass mit dem Geld nur peruanische Musiker, die „El cóndor pasa“ in der Fußgängerzone spielen, unterstützt werden. Wir haben heute einen großen Konsens in diesen Fragen, den Kollege Brockes auch sehr präzise beschrieben hat. Das ist meiner Ansicht nach eine ganz wichtige Frage, wenn man auf diesem Feld arbeitet.

Sie üben dann als Opposition in einem zweiten Teil Kritik, manchmal etwas profund, manchmal wie Frau Kollegin Hendricks wegen Personalien. Ob ein Vertrag zwei-, drei- oder viermal verlängert wird, ist nicht die große politische Frage, die Menschen in der Entwicklungspolitik interessiert. Wenn Sie da zufällig einen Mitarbeiter des Landes getroffen haben, der einen befristeten Vertrag hat, kann man sicher solche Probleme besprechen. Aber das Debattenforum des Landtags von Nordrhein-Westfalen zu nutzen, um solche Banalitäten vorzutragen, zeigt, dass ansonsten wenig Kritik an der Politik der Landesregierung spürbar ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Es war diese Landesregierung, die die Entwicklungszusammenarbeit deutlich ausgebaut hat. Sie war bis zum Regierungswechsel nicht in der Form sichtbar, wie es heute der Fall ist. Man hat mit Leitlinien gearbeitet, die völlig überaltert waren; es waren 15 Jahre alte Leitlinien. Unser Ministerpräsident hat das Thema zurück auf die Konferenz der Ministerpräsidenten gebracht. Das hat kein sozialdemokratischer Ministerpräsident zuvor überhaupt im Blick gehabt.

Das ist ein Punkt, den das Land Nordrhein-Westfalen als Standort der großen entwicklungspolitischen

Institutionen auch thematisieren soll. Sie haben mit Leitlinien aus dem Jahr 1988 gearbeitet. Das war noch vor der Wende, vor dem Zusammenbruch Osteuropas, völlig überaltert. Jürgen Rüttgers hat einen Beschluss der deutschen Ministerpräsidenten erreicht, der heute bei vielen anderen ebenfalls umgesetzt wird.

Mit fast 40 % der rund 17 Millionen € erbringt Nordrhein-Westfalen den weitaus größten Teil der von den deutschen Ländern erbrachten Leistungen. Das ist übrigens das Kriterium, Frau Kollegin Asch, und nicht, ob andere Landtage irgendeine Resolution einmal verabschiedet haben, die dieser Landtag nicht verabschiedet hat, sondern wie viel Geld man bereit ist, für diese Aufgabe in die Hand zu nehmen. Da unterscheiden wir uns. Wir geben profund Geld für Entwicklungszusammenarbeit. Andere Landtage beschließen Resolutionen. Und ich hoffe, dass wir in der nächsten Wahlperiode nicht die Rollen tauschen, Frau Asch, und demnächst Resolutionen machen und nicht mehr unsere finanziell großen Leistungen erbringen.

(Beifall von der CDU)

Den Ausgangspunkt unserer Arbeit bilden die Milleniumsentwicklungsziele der Vereinten Nationen: Armutsbekämpfung, Verbesserung der Bildungschancen, Gleichstellung der Geschlechter, Bekämpfung der Kindersterblichkeit und der Pandemien, Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Müttern, Umweltschutz und der Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft stehen hier im Zentrum.

Wir haben aber darüber hinaus gesagt: Es muss gelingen, dass dieser UN-Standort Bonn wahrgenommen wird. Schon in Köln weiß man ja nicht, dass wir die Vereinten Nationen haben. Wir haben heute mit der bayerischen Staatsregierung bei einer gemeinsamen Kabinettsitzung zusammengesessen. Wenn die so etwas hätten, wüssten die auch, wie Sie das vermarkten können. Wir haben in den fünf Jahren Bonn wirklich zum Thema in der internationalen Zusammenarbeit gemacht. Und das ist etwas, was vorher in dieser Form nicht stattgefunden hat.

Wir wollen einen partnerschaftlichen Dialog, Kooperation mit Entwicklungsorganisationen, Kirchen, Hilfswerken und Nichtregierungsorganisationen und auch mit der Wirtschaft. Mit den Eine-Welt-Gruppen im Land hat das schon sehr gut funktioniert. Wir haben am Beispiel Haiti gesehen, wie das gelingen kann: in einem Moment einer Krise zehn Institutionen zusammenzubringen, die sich zum ersten Mal auf eine einzige Kontonummer verständigt haben und gemeinsam mit dem Land geworben haben, in dieser Notlage zu helfen.

Was die Wirtschaft anlangt: Erst in der letzten Woche hat in Dortmund auf Initiative des Landes mit großem Erfolg das erste deutsch-afrikanische Wirtschaftsforum stattgefunden. Die Auslandsgesell

schaft Nordrhein-Westfalen, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, die deutschen Auslandshandelskammern, die Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen, die IHK Dortmund und die Landesregierung haben sich zu einem breit angelegten interdisziplinären Bündnis aus Wirtschaft und Politik zusammengeschlossen und diese Konferenz gemeinsam durchgeführt.

Wenn es uns gelingen soll, dass etwas in der Bevölkerung stärker wahrgenommen wird – nicht nur bei denen, die sich beruflich damit beschäftigen –, ist das in der Tat – da stimme ich Ihnen zu, Frau Kollegin Asch – die entwicklungspolitische Bildungsarbeit. Ich weiß gar nicht, was Sie da zitiert haben, was ich am Anfang gesagt habe und welcher Organisation ich angehören soll; aber das können Sie mir vielleicht noch einmal irgendwann erklären. Jedenfalls ist klar: Die Aufgabe des Landes ist entwicklungspolitische Bildungsarbeit. Die unterstützen wir durch die Förderung des Eine-WeltNetzwerkes der über 3.000 ehrenamtlichen Gruppen.

Mit dem Koordinatorenprogramm haben wir eine Straffung vorgenommen, die es auch vorher nicht gab. Zum ersten Mal ist das Koordinatorenprogramm landesweit tätig. Wir haben alle Regionen des Landes abgedeckt. Nicht nur die, wo zufällig früher ein Promoter saß, sondern das ganze Land wird heute mit dieser Arbeit erreicht.

Ich habe Bonn erwähnt. Es reicht nicht, dass man es hier im Landtag immer sagt. Man muss auch Leben in diesen Standort bringen. Man muss dieses einzigartige Potenzial aller großen entwicklungspolitischen Institutionen nutzen. Wir haben sowohl mit der Metropolis-Konferenz, die 2008 zum allerersten Mal überhaupt in Deutschland getagt hat, als auch mit der Bonner Konferenz für Entwicklungszusammenarbeit, die in diesem Jahr der Bundespräsident besucht hat, erreicht, dass Bonn als Kompetenzzentrum des internationalen Dialogs der Entwicklungs-, Umwelt-, Friedens- und Integrationspolitik gestärkt wird.

Nordrhein-Westfalen ist auch das erste Land, das die Themen Migration und Entwicklung miteinander verbunden hat. Es war die Idee des Ministerpräsidenten, genau das Thema Entwicklungszusammenarbeit mit dem Thema Integration zu verbinden. Wir haben das im Konkreten dadurch gemacht, dass wir das Potenzial beispielsweise der afrikanischen Diaspora-Gemeinden heute für unsere Entwicklungszusammenarbeit nutzen. Die DiasporaGemeinden sind Brückenbauer. Die schicken mehr Geld in ihre Heimat zurück als die gesamte öffentliche Entwicklungszusammenarbeit. Man hat sie aber bisher nie richtig im Blick gehabt. Wir fördern inzwischen die Selbsthilfeorganisationen und -vereine der Diaspora-Gemeinden und haben da inzwischen auch sehr gute Ergebnisse. Man sieht, welches Potenzial die Menschen hier haben.

Die Diaspora engagiert sich zum Beispiel für die Wiederaufforstungsprogramme in Ghana, für den Bau von Krankenhäusern in Somalia, für erneuerbare Energien in Äthiopien oder für Schulen in der Demokratischen Republik Kongo. Genau dies ist der richtige Ansatz, Migration und Entwicklung zusammenzudenken. Ich meine, dass das sicher noch die entwicklungspolitische Diskussion vielleicht auch auf der Bundesebene irgendwann beeinflussen wird.

Über die Entwicklungspartnerschaften ist gesprochen worden. Mpumalanga ist eine gewachsene, gut funktionierende Partnerschaft. Die ghanaische ist eine neue, die unser Ministerpräsident 2007 begründet hat.

Jetzt gibt es eine Grunddifferenz, wie man eine solche Partnerschaft zum Leben bringt. Frau Kollegin Hendricks hat gesagt: Sie als Land tun so, als wäre das ein Selbstläufer. Sie tun gar nicht genug dafür. – Nach ihrem Verständnis ist eine Partnerschaft nur gut, wenn der Staat wieder agiert.

(Britta Altenkamp [SPD]: Es wäre schon gut, wenn die Partner agieren würden!)

Frau Kollegin Asch hat gesagt, wir brauchen die Zivilgesellschaft. Ich muss Ihnen sagen, Frau Kollegin Altenkamp: In der Frage bin ich näher bei Frau Asch als bei Frau Hendricks.

(Lachen bei den Grünen – Johannes Remmel [GRÜNE]: Die Begründung einer neuen Freundschaft! – Weitere Zurufe)

Das mag Sie überraschen. Der Ansatz ist eben nicht, dass der Staat das machen soll. Ich bin froh, dass die Stadt Bonn eine Städtepartnerschaft mit Cape Coast gegründet hat. Ich bin froh, dass die Universität Dortmund mit Kumasi arbeitet. Ich bin froh, dass die Wirtschaft da arbeitet. Je mehr ohne uns arbeiten, je mehr ohne die schwarz-gelbe Landesregierung von sich aus dort tätig werden, desto besser für die Partnerschaft. Je mehr das Ganze zum Selbstläufer wird, umso besser ist das. Je mehr wir uns als Staat zurückziehen können, während die Menschen sich begegnen und Programme voranbringen, umso besser ist das für die Partnerschaft.

(Britta Altenkamp [SPD]: Oder man zieht sich zurück ohne Partnerschaft! Ist das Ihr Prin- zip?)

Das ist ein fundamentaler Unterschied, Frau Kollegin Hendricks, liebe SPD-Fraktion, zu dem, was Sie an entwicklungspolitischen Vorstellungen haben. Das wird sich auch nicht überbrücken lassen, weil der Zivilgesellschaft etwas zuzutrauen etwas ist, was wir als Qualitätsmerkmal und nicht als Nachteil ansehen.

Lassen Sie mich, wo ich gerade bei Ihnen bin, Frau Hendricks, noch eine Bemerkung machen. Ich war lange in einem Stadtrat. Früher gab es dort diese Mittel für entwicklungspolitische Maßnahmen, die

die rot-grüne Regierung immer weiter gekürzt hat. Irgendwann war es dann eine Mark für Entwicklungspolitik, dann 50 Pfennig, und schließlich waren es nur noch 10 Cent, als wir es aufgelöst haben. Wir saßen im Stadtrat zusammen und haben überlegt, wie wir die Mittel eigentlich noch unterbringen konnten, bis bei den Stadtwerken irgendetwas für Nachhaltigkeit erfunden wurde. So haben viele mit dem Geld gearbeitet.

(Britta Altenkamp [SPD]: Nein, Sie haben so mit dem Geld gearbeitet!)

Das war kein Haushaltszwang – so steht es auch in der Anfrage –, sondern es war pure Absicht, dieses Programm zu beenden.

Wir müssen zielgerichteter helfen. Wir können heute die Kommunen über die Stiftung Umwelt und Entwicklung unterstützen, die wir ganz bewusst für Kleinprojekte wieder geöffnet haben. Wir haben vorbildliche Kommunen, die das tun. Wir geben aber nicht für jeden Einwohner Geld, selbst in die Kommune, die nichts damit anzufangen weiß. Das ist ein anderer Ansatz, den CDU und FDP nicht aus Kostengründen, sondern einfach aus Effizienzgründen gewählt haben.

Abschließend möchte ich mit dem Thema „fairer Handel“ noch auf einen dritten Schwerpunkt unserer Politik eingehen. In konsequenter Umsetzung unserer entwicklungspolitischen Leitlinien haben wir mit einer Ko-Finanzierung des Landes in Höhe von rund 440.000 € ein auf dreieinhalb Jahre Laufzeit angelegtes Projekt zur Förderung des fairen Handels gestartet, wobei ein Volumen von 2,5 Millionen € zustande gekommen ist. Das Eine-Welt-Netzwerk, der Einzelhandelsverband, die Messe Westfalenhallen Dortmund sowie die Stadt Dortmund haben dieses Projekt in enger Kooperation entwickelt.

Im September dieses Jahres werden wir in den Westfalenhallen zu einer großen Messe für fairen Handel einladen; denn das Ziel des fairen Handels ist heute, nicht nur in Eine-Welt-Läden präsent zu sein, sondern – das ist eine ganz wichtige Sache – mit qualitätsorientierten Produkten in die Breite des Einzelhandels hineinzukommen.

Diesen Weg zu begleiten hat sich dieses Projekt zum Ziel gesetzt. Ich glaube, dies zeigt auch, dass wirtschaftliche Kompetenz kein Gegensatz zur Entwicklungszusammenarbeit darstellen muss, sondern dass man diese beiden Dinge sehr gut zusammenbringen kann.

Zieht man heute Bilanz, kann man sagen, dass Nordrhein-Westfalen unter den deutschen Ländern eine Vorreiterrolle in der Entwicklungszusammenarbeit gespielt hat.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert)

Auch das gehört zum Profil unseres Landes: Es zeichnet sich eben nicht nur durch Kohle, Stahl und moderne Technologien aus,

(Britta Altenkamp [SPD]: Das sagen Sie bei der RUHR.2010!)

sondern auch durch genau diese Nord-SüdKompetenz mit all den Experten, die wir hier im Lande haben. Das haben wir in den letzten fünf Jahren sehr stark profilieren können.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es hat sich noch einmal Frau Kollegin Hendricks für die SPDFraktion gemeldet. Sie haben das Wort, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Laschet, lassen Sie mich zunächst einmal feststellen – das richte ich auch an die FDP –, dass die Große Anfrage der SPD offensichtlich dazu geführt hat, dass es nun eine Einigung der Koalitionäre von Schwarz und Gelb in puncto Entwicklungspolitik gibt. Das haben wir am Anfang dieser Legislaturperiode nicht glauben mögen. Herr Brockes macht es möglich.

(Britta Altenkamp [SPD]: Herr Niebel macht es möglich!)

Herr Laschet, eine kurze Anmerkung zu zwei, drei Dingen, die Sie gesagt haben:

Erstens. Wir haben nichts gegen zivilgesellschaftliches Engagement. Ganz im Gegenteil: Wir wollen es befördern, und wir wissen, dass wir es brauchen. Aber die Rahmenbedingungen müssen dafür stimmen.

Wenn Sie für jedes Projekt in der Kommune einen Antrag an die Stiftung Umwelt und Entwicklung stellen müssen, ist das etwas anderes, als wenn Sie damit rechnen können, dieses Geld dauerhaft zu Verfügung gestellt zu bekommen.

(Minister Armin Laschet: Da geht es um Qua- lität!)

Nein, das ist keine Qualität, Herr Laschet. Das ist Ihre Politik eines Paradigmenwechsels, und der hat sozusagen etwas mit Ihrer Ausrichtung zu tun.