Wer die gestellt hat? – Das werden Sie wahrscheinlich im Landtagsarchiv … Das ist keine Frage der Landesregierung. Dafür geht man an seinen Computer und guckt das nach. Also ich weiß das nicht.
Die Frage kann nicht beantwortet werden. – Im Augenblick habe ich eine letzte Frage von Herrn Schemmer von der CDUFraktion.
Wir haben gerade gehört, dass die Gründe für Suizide bei Jugendlichen sehr vielfältig sind und regelmäßig Monokausalitäten, wie Frau Kraft sie festgestellt hat, nicht vorliegen. Wie beurteilt die Landesregierung eigentlich die Feststellung von Frau Kraft, dass zwischen der Schulstruktur, das heißt der Verfasstheit des Schulwesens, und den Selbstmorden bzw. Selbst
Ich hatte versucht deutlich zu machen, dass es da keinen Zusammenhang gibt und dass ich das negativ beurteile. Der Philologenverband hat sich dazu übrigens in gleicher Weise artikuliert und gesagt, das sei an Geschmacklosigkeit nicht mehr zu überbieten.
Ich habe Frau Kraft einen persönlichen Brief geschrieben und sie gebeten, das einfach aus der Welt zu räumen und zuzusagen, dass sie das im Wahlkampf nicht mehr nutzt.
Wir haben eine vergleichbare Situation im sächsischen Landtag. Damals hat die SPD eigentlich mitgeholfen. Die NPD hatte im sächsischen Landtag behauptet, die Hoffnungslosigkeit in Sachsen sei Grund für die steigende Zahl von Selbstmorden. – Alle demokratischen Parteien haben damals gesagt: Wir lassen nicht zu, dass irgendjemand solche Analogien zieht und diese in den Landtag hineinträgt.
Es wäre schön, wenn es gelingen könnte, dass Frau Kraft zusagt, dass wir das Thema während der nächsten zehn Wochen einfach aus der Debatte heraushalten.
Herr Minister, können Sie uns bei dieser Gelegenheit einmal darlegen, mit welchen Maßnahmen die Landesregierung versucht, verzweifelte Kinder und Jugendliche, die an so etwas Schlimmes denken, aufzufangen?
Diese Frage ist in der Tat ganz wichtig. Wir haben unterschiedliche Maßnahmen der Prävention. Das Wichtigste sind die Stärkung der Persönlichkeit, der Selbstständigkeit, der Konfliktfähigkeit und die Förderung der sozialen Kompetenz von Kindern. Es gibt sicher eine Prävention, die sehr breit angelegt ist. Alles, was wir zum Beispiel in der Kinder- und Jugendarbeit machen, erreicht die Kinder, die da sind. Die bilden persönliche Netze, die finden eigene Bestätigung und sind davor vielleicht gefeiter, obwohl es auch unter ihnen solche Fälle gibt.
Schlimm ist es ja, wenn ein Kind vereinsamt, wenn die Elternbeziehung nicht mehr stimmt und es keinen Ausweg mehr weiß. Insofern sind die Stärkung der Persönlichkeit, der Selbstständigkeit, der Konfliktfähigkeit und die Förderung der sozialen Kompetenz ganz wichtig. Hier sind in erster Linie die Eltern gefordert. Maßnahem sind unter anderem die Förderung der Erziehungskompetenz in den Kindergärten und Schulen – verbunden mit Suchtprävention. Das ist weitgehend im Bereich des Kollegen Laumann angesiedelt. Im Bereich der offenen Jugendarbeit finden Aufklärungsaktionen in Jugendheimen und Jugendzentren statt. Beteiligt sind auch Einrichtungen der offenen Jugendarbeit, Erziehungsberatungsstellen, Ehe- und Lebensberatungsstellen, untere Gesundheitsbehörden und psychosoziale Beratungsstellen. Das ist das, was Ministerin Sommer eben auf die Frage der Frau Abgeordneten Hendricks geantwortet hat.
Es gibt also ein breites Netz. Nur: Bei den wenigen Fällen, die es überhaupt gibt – 30, 40 oder 50 Kinder, die in diese Situation geraten –, könnte niemand eine Garantie geben, dass sie durch diese Prävention erfasst worden wären. Solche Fälle wird es leider, leider immer geben. Man muss alles tun, um Kinder so stark zu machen, dass sie nicht in diese Situation kommen.
Das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen ist mit Hochdruck dabei, die Kapazitäten für den Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie auszuweiten. Ich habe es hier gestern schon gesagt: Wir haben da Probleme. Wartezeiten bei stationären Behandlungen von drei bis vier Monaten in manchen Regionen unseres Landes sind nicht in Ordnung.
Man muss allerdings sehen, dass die Kliniken die Wartezeiten unterschiedlich berechnen. Manche Kliniken rechnen ab dem Tag, an dem der erste Kontakt da ist. Ich finde, richtig ist es, ab dem Tag zu rechnen, an dem man die Diagnose hat. Aber dennoch: Da gibt es Probleme.
Ziel der Landesregierung ist es, die stationären und die teilstationären Angebote in diesem Bereich mit Hochdruck auszubauen. Mir schwebt im stationären Bereich ein Ausbau um rund 10 % und im teilstationären Bereich um rund 25 % vor.
Wir brauchen auch mehr niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiater. Hier besteht allerdings das Problem, dass jedes Jahr nur sehr, sehr wenige die Ausbildung abschließen, sodass sich die Zahl der Niederlassungen leider im unteren zweistelligen Bereich bewegt. Das heißt, hier müssen die
Ausbildungszahlen erhöht werden. Nur: Die Ausbildungen dauern bis zu zehn Jahre. Das sind relativ lange Ausbildungen. Es geht auch um Weiterbildungsplätze. Gott sei Dank sieht es im Bereich der nichtärztlichen Psychiater besser aus. Aber, wie gesagt, wir sind mit Hochdruck dabei, die Kapazitäten für schwere Behandlungen auszubauen, damit wir die Wartezeiten – das ist mein Ziel – auf etwa vier Wochen herunterdrücken können.
Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Die nächste Frage stellt der Kollege Hovenjürgen. Bitte schön, Herr Hovenjürgen.
Herr Minister, wie muss eigentlich solch eine Debatte, wie Frau Kraft sie angestoßen hat, auf Eltern wirken, die ihr Kind bei einem Suizid verloren haben bzw. einen Suizidversuch ihres Kindes miterleben mussten?
Ich kenne sogar einen solchen Fall aus meiner Nachbarschaft. Das ist für Eltern eine sehr schwierige Situation. Das beginnt natürlich mit der Trauer um den Verlust dieses Kindes. Das ist an sich schon ausreichend genug, um in einer ganz besonders schwierigen Lage zu sein. Dann kommen aber sehr schnell noch Schuldgefühle und Selbstzweifel hinzu. Man stellt sich die Frage: Hättest du das verhindern können? Wenn das nur mit einer Schulfrage verbunden gewesen wäre, wäre es für die Eltern ja ganz simpel gewesen, dem Kind zu helfen. Insofern glaube ich, dass eine solche Debatte auf die Eltern verheerend wirkt.
Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Kollege Hegemann hat noch eine Frage. Bitte schön, Herr Hegemann.
Herr Minister, ich bin der Letzte, der nicht damit leben könnte, dass jemand mal einen flotten Spruch loslässt. Aber kennen Sie irgendeinen Sozialdemokraten, der diesen Ausspruch bedauert hat, oder eine Presse, die für diese Äußerung Verständnis gezeigt hat?
Ich habe am Anfang eher zustimmende Zwischenrufe gehört. Frau Kraft selbst hat bedauert, dass sie „Selbstmord“ gesagt hat, bleibt aber bei der These, dass die Zahl der Selbsttötungen zunimmt.
Herr Minister, teilen Sie meine Meinung, dass es für Frau Kraft besser gewesen wäre, heute hier zu sein, ihre Entgleisungen schlicht und einfach zu bedauern und das mal richtigzustellen, anstatt mit dem abgewählten ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gabriel heute auf Wahlkampftour zu gehen?
Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Kollege Jörg von der SPD hat eine Frage. Das ist Ihre zweite und somit letzte Frage, Herr Jörg. Bitte schön.
Herr Minister, erst einmal will ich hier feststellen – Sie haben es ja selber gesagt –: Frau Kraft hat klargestellt, dass es sich um Versuche handelt. Sie haben vorhin erklärt, ob es mehr Selbstmordversuche gibt, ist nicht nachzuweisen. Es gibt also keinerlei Zahlen darüber. Daher ist diese Diskussion auf jeden Fall virulent.
Meine Frage: Haben Sie persönlich den Eindruck, dass Leistungsdruck, Konkurrenz und Versagensangst bei Jugendlichen auch etwas mit dem gesellschaftlichen Druck, der entwickelt wird, zu tun haben? Glauben Sie, dass ein solches Klima die persönliche Stabilität von Jugendlichen eher stärker oder eher schwächt?
Kollege Jörg, Ihre Frage enthält drei Unterstellungen. Die erste Unterstellung ist: Es gibt immer mehr Leistungsdruck. – Ja, es gibt jetzt eine verkürzte Schulzeit.
Seit 2005, als wir hier angefangen haben, ist die Arbeitslosigkeit gesunken, und auch die Selbstmordzahl sinkt. Aber selbst wenn sich die Selbstmordzahl verdoppelt hätte – was Gott bewahre! –, dürfte man solche Schlüsse nicht ziehen. Aber schon die Fakten sind falsch; das ist das Problem. Die Arbeitslosigkeit sinkt, die individuelle Förderung steigt, die Zahl der Selbsttötungen sinkt. – Diese Zahlen gibt es. Ich glaube, wir kommen nicht weiter mit einer Debatte, die vier, fünf, sechs oder sieben Facetten hat, die bei Jugendlichen zu Suizid führen; Sie haben einige genannt.
Wir könnten ja auch einmal über die Frage diskutieren, wieso es eigentlich bei älteren Menschen so viele Selbstmorde gibt. Warum steigt die Zahl an Selbstmorden mit zunehmendem Alter? Ist der demografische Wandel für die Menschen eine Belastung? Oder fühlen sie sich nicht mehr gebraucht in unserer Gesellschaft? – Es gibt Tausende Gründe, die da eine Rolle spielen. Deshalb lautet mein Appell, dieses Thema aus Wahlkämpfen und Einzelaussagen zu politischen Fragen herauszuhalten.
Herr Minister, ich möchte noch einmal auf die betroffenen Eltern zurückkommen. Welche Hilfsangebote gibt es für Eltern, deren Kinder Suizid begangen haben?