Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

Nun rufe ich die

Mündliche Anfrage 368

der Abgeordneten Sigrid Beer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf:

Fakten schaffen, bevor in London die Würfel zum Abzug der britischen Streitkräfte fallen?

Auch der Förderverein Nationalpark Senne-Eggegebirge e. V. hat immer wieder betont, dass die Briten bisher einen großen Anteil daran hatten, dass die Senne ein einzigartiges Juwel in unserer zersiedelten Landschaft ist. Der Verein unterstreicht, dass es über viele Jahre ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen militärischer Nutzung und Naturschutz gegeben hat. Er zieht aber jetzt das Fazit, dass dieses Gleichgewicht zu Ungunsten der Natur, der Bürger und der Regionalentwicklung gekippt ist.

Das Vorhaben, auf dem Truppenübungsplatz Senne Kampfdörfer zu errichten, ist in der Region OWL äußerst umstritten.

80 % der Bevölkerung lehnen laut einer EMNIDUmfrage den Bau von Kampfdörfern ab. In kurzer Zeit kamen mehr als 10 000 Protestunterschriften zusammen.

Auch deshalb scheint es eine leicht durchschaubare Strategie zu sein, dass der Genehmigungsbescheid nun ausgerechnet vom Kreis Gütersloh erteilt worden ist. Die Genehmigungsbehörde ist weit entfernt von den Kommunen und Bürgerinnen und Bürgern, die besonders von den Plänen der Briten tangiert sind.

Während der 30-tägigen Widerspruchsfrist gegen den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid hat das britische Militär bereits mit vorbereitenden Baumaßnahmen für die

Kampfdörfer begonnen. Offensichtlich soll das Projekt weiter vorangetrieben werden, bevor sich in Großbritannien der Kampfdörferbau aus finanziellen Gründen ganz erledigt hat.

Der Förderverein Nationalpark Senne-Eggegebirge e. V. weist darauf hin, dass Gehölze gerodet und geschützte Biotope zerstört und somit Tatsachen geschaffen werden, die die gesetzliche Widerspruchsfrist ad absurdum führen.

Es ist unverständlich, dass der Kreis Gütersloh, der auch die Aufgabe als Landschaftsschutzbehörde wahrzunehmen hat, diesen vorgezogenen Maßnahmenbeginn genehmigt hat.

Hat der Kreis Gütersloh als Naturschutzbehörde mit der vorzeitigen Genehmigung von Maßnahmen zur Vorbereitung des Kampfdörferbaus während der Widerspruchsfrist naturschutzfachlich und rechtlich einwandfrei gehandelt?

Ich darf Herrn Minister Uhlenberg um Beantwortung bitten. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Kreis Gütersloh hat mit Bescheid vom 18. Februar 2010 die wesentliche Änderung und den geänderten Betrieb eines Schießplatzes auf dem Truppenübungsplatz Senne immissionsschutzrechtlich genehmigt. Die Genehmigung umfasst im Wesentlichen die Neuerrichtung von drei Übungsdörfern, Änderungen am vorhandenen Übungsdorf, die Errichtung eines Schießhauses und Änderungen an drei bereits vorhandenen Stützpunkten.

Am 24. Februar 2010 hat der Kreis Gütersloh auf Antrag des Genehmigungsinhabers die sofortige Vollziehung des Genehmigungsbescheides angeordnet. Mit den vorbereiteten Maßnahmen ist dann umgehend begonnen worden.

Meine Damen und Herren, es handelt sich insgesamt um 5 ha. Das ist ein Anteil von 0,01 % der Fläche, die uns in der Senne insgesamt zur Verfügung steht.

Erstens. Der Ausbau des Truppenübungsplatzes befindet sich in der räumlichen Zuständigkeit von drei Kreisen, nämlich den Kreisen Gütersloh, Lippe und Paderborn. Für den Fall, dass sich eine Anlage räumlich über die Zuständigkeitsbereiche mehrerer Behörden erstreckt, ist nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz von der vorgesetzten Behörde die zuständige Behörde zu bestimmen.

Die Bezirksregierung Detmold hat den Landrat des Kreises Gütersloh als zuständige Genehmigungsbehörde bestimmt und diesen gebeten, über den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag auch für die Kreise Lippe und Paderborn zu entscheiden. Der Grund hierfür war, dass im Zuge der Kommunalisierung von Aufgaben des Umweltrechts

im Jahre 2008 einschlägig erfahrene Mitarbeiter der Bezirksregierung zum Kreis Gütersloh versetzt wurden, deren fachliche Kompetenz in dem Verfahren als notwendig angesehen wurde.

Im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren wurden neben den immissionsschutzrechtlichen auch die naturschutzrechtlichen Aspekte des Ausbaus des Truppenübungsplatzes behandelt.

Das in Rede stehende Genehmigungsverfahren wurde bezüglich der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege durch die höhere Landschaftsbehörde bei der Bezirksregierung Detmold sowie durch das LANUV intensiv begleitet. Hinweise auf materielle Verstöße gegen Natur- und Artenstoß liegen nicht vor.

Die Genehmigung umfasst eine FFH-Verträglichkeitsprüfung, einen landschaftspflegerischen Begleitplan und eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung. Entsprechende Nebenbestimmungen sind formuliert.

Eine Ausnahme vom gesetzlichen Biotopschutz nach § 62 Abs. 2 Landschaftsgesetz NordrheinWestfalen ist erteilt und im Rahmen der Konzentrationswirkung im immissionsschutzrechtlichen Bescheid enthalten.

Eine zusätzliche Lärmbelastung der Anwohner wird durch die Nutzung der Übungseinrichtungen jetzt nicht eintreten, da an den Tagen, an denen die Einrichtungen genutzt werden, auf dem Truppenübungsplatz kein Großkaliberschießen und keine Hubschrauberflüge zulässig sind.

Zweitens. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung und die spezielle Artenschutzprüfung sind nicht zu beanstanden. Das methodische Vorgehen bei den Kartierungen, die Bewertungsmethoden sowie die Schadensbegrenzungsmaßnahmen und das Risikomanagement entsprechen dem heutigen Standard. Auf dieser Grundlage wird sichergestellt, dass eine Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des FFH- und Vogelschutzgebietes nicht gegeben ist und nicht gegen artenschutzrechtliche Verbote verstoßen wird.

Bezüglich der Eingriffsregelung sind die Minderungs-, Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen geeignet, die Beeinträchtigungen durch den Eingriff auf ein unvermeidbares Maß zu reduzieren. Durch Auflagen zur Pflege und Umsetzung der Maßnahmen und zum Monitoring ist gewährleistet, dass der Antragsteller den rechtlichen Verpflichtungen nachkommt.

Im Übrigen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Flächenverluste von gesetzlich geschützten Biotopen ausgeglichen werden. Die Zielerreichung wird im Rahmen eines Monitorings überprüft. Darüber hinaus wird die dauerhafte Pflege durch den Antragsteller gewährleistet.

Drittens. Die weiterhin erforderliche Waldumwandlungsgenehmigung nach § 39 Landesforstgesetz NRW liegt mit dem Bescheid des Landesbetriebes Wald und Holz vom 3. März 2010 vor. Darin wird zur Umsetzung der im Landschaftspflegerischen Begleitplan vorgesehenen Anlage eines Offenlandhabitats für Schwarzkehlchen und Ziegenmelker die Umwandlung einer Waldfläche mit der Auflage einer Erstaufforstung und ökologischen Aufwertung vorhandener Waldflächen genehmigt. Soweit zur Vorbereitung des Offenlandhabitats – ehemalige – Waldflächen gerodet werden, geschieht dies auf Grundlage der erteilten Umwandlungsgenehmigung und ist forstrechtlich unbedenklich.

Von dem Verbot des Fällens von Bäumen nach § 39 Abs. 5 Bundesnaturschutzgesetz in der Zeit vom 1. März bis 30. September hat der Kreis am 26. Februar 2010 eine Ausnahme zugelassen. Diese ist auf den 7. März 2010 begrenzt und mit der witterungsbedingt verzögerten Brutzeit plausibel und nachvollziehbar begründet.

Viertens. Die Übungseinrichtungen sollen bereits ab dem 1. Oktober 2010 zur Ausbildung und Vorbereitung der Soldaten auf Auslandseinsätze genutzt werden. Die speziell ausgebildeten Soldaten sollen noch Ende des Jahres 2010 nach Afghanistan gesandt werden. Angesichts der bestehenden äußerst angespannten Sicherheitslage im Einsatzgebiet der britischen Streitkräfte ist es dringend notwendig, die Soldatinnen und Soldaten auf die zu erwartenden militärischen Kontakte mit Taliban-Kämpfern vorzubereiten, um Gefahren für Leben und Gesundheit der Einsatzkräfte so weit wie möglich zu begrenzen.

(Minister Karl-Josef Laumann: So ist es!)

Auch müssen aus naturschutzrechtlichen Gründen die vorbereitenden Maßnahmen für den Bau der Übungseinrichtungen vor Beginn der Brutzeit abgeschlossen sein. Andernfalls wäre eine Errichtung der Übungseinrichtungen in diesem Jahr nicht mehr möglich, und die lebensnotwendige zeitgemäße Ausbildung der Soldaten wäre gefährdet.

Das war die Antwort der Landesregierung, Frau Abgeordnete Beer.

Vielen Dank, Herr Minister Uhlenberg. – Als Erster hat sich Herr Kollege Priggen mit einer Frage gemeldet. Bitte schön, Herr Priggen.

Schönen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, in der letzten Legislaturperiode hat die vorige Landesregierung den Nationalpark Eifel hinbekommen. Wir hatten immer das Bestreben, in der Senne einen zweiten Nationalpark zu schaffen, weil dieses Gebiet – das muss man ehrlich sagen – noch wertvoller ist. Wir hätten es sogar als Nationalpark unter britischer Militärverwaltung gemacht, um die dort übenden

britischen Einheiten zu halten; das ist auch der Wunsch in Paderborn.

Jetzt höre ich, dass der designierte konservative Verteidigungsminister ankündigt, nach einem Sieg der Konservativen alle britischen Truppen aus Deutschland – inklusive der Senne – abzuziehen. Meine Frage an Sie ist: Welcher Erkenntnisstand liegt Ihnen darüber vor, und wie gedenken Sie damit umzugehen?

Herr Minister, bitte schön.

Herr Abgeordneter, Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich mich an einer solchen Spekulation nicht beteiligen werde. Es gibt Hinweise eines möglichen designierten konservativen Verteidigungsministers, aber das hat natürlich für unsere derzeitigen Planungen in Nordrhein-Westfalen überhaupt keine Konsequenzen, weil es sich schlicht und einfach um Spekulationen handelt.

Es ist richtig – das kann ich bestätigen, Herr Abgeordneter –, dass es der früheren Landesregierung nicht gelungen ist, einen Nationalpark in der Senne einzurichten. Der Hauptgrund liegen darin, dass die Bevölkerung in der Region dies vorübergehend nicht wollte.

(Helga Gießelmann [SPD]: Das stimmt nicht!)

Das mag in Bielefeld etwas anders aussehen, aber es hat damals trotz allen Drucks, den die Landesregierung ausgeübt hat, nicht geklappt.

Ich darf noch einmal sagen, dass es nicht im Interesse der Landesregierung liegt, dass sich die britischen Streitkräfte möglichst schnell aus der Senne zurückziehen; denn davon hängen gerade in der Region des Paderborner Landes Tausende von Arbeitsplätzen insbesondere im zivilen Bereich ab.

Vielen Dank, Herr Minister. – Frau Beer hat eine Frage. Bitte schön, Frau Beer.

Herr Minister Uhlenberg, anschließend an Ihre letzten Ausführungen ist sicherlich richtigzustellen, dass nicht insgesamt die Bevölkerung gegen den Nationalpark Senne ist, sondern vor allen Dingen Interessengruppen, angeführt von der regionalen CDU, dagegen gewettert haben. Mittlerweile wissen wir allerdings durch die Emnid-Umfrage, dass 80 % der Bevölkerung die Kampfdörfer ablehnen. Das ist eine hoch sensible Angelegenheit. Es gibt mehr als 10.000 Protestunterschriften.

Wie bewerten Sie es vor diesem Hintergrund, dass die Genehmigungen in der rechtlichen Widerspruchsfrist erteilt und damit die Rechte der Bevölkerung und der Verbände eindeutig beschnitten worden sind? Hier wird versucht, Fakten zu schaffen.

Herr Minister.

Frau Abgeordnete, ich habe gerade in der Beantwortung Ihrer Anfrage deutlich gemacht, dass das Genehmigungsverfahren – deswegen habe ich mir so viel Zeit genommen und Ihnen zugemutet, sich das Ganze noch einmal anzuhören – in der gesamten Breite der Palette auf einer rechtlich klaren und verbindlichen Grundlage abgelaufen ist. Es gibt überhaupt keinen Zweifel, dass dies rechtlich in Ordnung ist, es ist über jeden Zweifel erhaben. – Das ist das Erste.

Das Zweite: Ich bin der Auffassung, dass die Entscheidung der Einrichtung der Übungsdörfer richtig und sehr verantwortlich getroffen worden ist. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, wenn man junge Soldatinnen und Soldaten in einen Krieg nach Afghanistan schicken will, der anders geführt wird als in anderen Regionen der Welt, ohne dass sie eine entsprechende Ausbildung bekommen. Die Übungsmöglichkeiten in der Senne bestehen heute schon. Das muss jetzt entsprechend angepasst und ausgebaut werden, insbesondere nachdem – darum geht es mir als Umwelt- und Naturschutzminister – alle naturschutzfachlichen, immissionsschutzrechtlichen und umweltpolitischen Auflagen erfüllt worden sind.

Ich darf es noch einmal sagen: Es handelt sich um 0,01 % der Fläche in der Senne. Es gibt offensichtlich Politiker, die es jungen Menschen zumuten wollen, nach Afghanistan zu gehen, ohne dass sie entsprechend ausgebildet wurden. Wenn die Landesregierung diese Position einnehmen würde, wäre das zutiefst unverantwortlich.