Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

Deshalb freut es uns, dass in Zeiten, in denen es nicht mehr so viele Kinder gibt, trotzdem die Zahl derer, die Kindertagesstätten besuchen, steigt. Gerade diejenigen, die nicht traditionell von ihrem Elternhaus Stabilität verliehen bekommen, sind darauf angewiesen, hier zusätzlich Bildung, Erziehung und Betreuung zu erfahren.

Das Ganze geschieht mit einem Beratungskonzept und -modell, in der Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu Familienzentren. Allein in diesem Jahr liegen wir bei 2.000 Einrichtungen, verbunden mit der Zielmarke, im Jahr 2012 bei 3.000 angekommen zu sein. Auch das war für Sie unvorstellbar. Für uns ist es ein Quantensprung. Wir entwickeln die Unterstützungs- und Beratungsinfrastruktur nah am Menschen, nah im Stadtteil, dort, wo es ohnehin den Bezug zu den Kindern gibt, und zwar über die Generationen hinaus. Das führt insgesamt zur Stabilisierung der Familien und Milieus, gerade in sozial schwierigen Quartieren.

An dieser Stelle will ich ausdrücklich sagen, dass wir vieles im Bereich der Bildungspolitik erreicht haben, um der Armut entgegenzuwirken; denn auch die Bildungspolitik ist ein ganz wesentlicher Schlüssel zur Armutsbekämpfung. Es ist ja nachgerade grotesk, was die Grünen hier wieder zum Thema Schulbezirksgrenzen vorgetragen haben, weil sie einfach noch nicht in der Schulwirklichkeit angekommen sind.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Ich habe Kinder in der Schule, Sie nicht!)

Frau Steffens, gerade weil es unser Anliegen ist, dass derjenige, der im sozialen Brennpunkt geboren wird, nicht durch den Staat, nicht par ordre de mufti gezwungen ist, all die nächsten Jahre seiner Bildungsentwicklung nur in diesem Brennpunkt zu verbringen, haben wir Schulbezirksgrenzen eingerissen. Hier sind Mauern gefallen. Es gibt keinen „Schutzwall“ mehr für gut situierte Quartiere, aus denen heraus die Schulbezirksgrenzen vorher entwickelt wurden.

(Frank Sichau [SPD]: Das ist Quatsch, was Sie da sagen!)

Jeder kann sich an jeder Schule anmelden. Genau das stellt soziale Durchmischung sicher, aber nicht, indem Sie diejenigen, die im Brennpunkt geboren worden sind, in Schulbezirksgrenzen einsperren.

(Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

Das war Ihre Politik in den letzten Jahren, die wir auch aus sozialen Gründen ganz bewusst geändert haben. Rot-Grün hat in der letzten Legislaturperiode unsere Anträge abgelehnt, einen Teil der Stellen nach Sozialindex zu vergeben, damit Kinder in einem schwierigen sozialen Umfeld bessere Chancen bekommen. Sie haben das damals abgelehnt. Wir haben das in dieser Legislaturperiode eingeführt.

(Beifall von der FDP – Zurufe von Barbara Steffens und Sigrid Beer [GRÜNE])

Sie haben dem zugestimmt: Sie haben es in der Kinderkommission des Landtags gefordert; dort fanden Sie das auf einmal toll. Als Sie selber in der Verantwortung standen, haben Sie es abgelehnt.

Wir machen es in allen Bereichen: Wir geben einen Teil der zusätzlichen Lehrerstellen für die Schulen nach Sozialindex weiter.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Wir haben bis zu 15.000 € zusätzlich an Förderung nach KiBiz für die Kindertagesstätten in sozial schwierigem Umfeld bereitgestellt. Wir handeln und nehmen mehr Ressourcen in die Hand, weil wir fördern und fordern wollen, um den Kindern bessere Chancen zu geben, die sie bislang von Ihnen nicht bekommen haben.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Heuchelei! Das ist heuchlerisch!)

Wir sagen ganz klar: Man kann keinem Kind vorwerfen, wenn es aufgrund seines Elternhauses mit einer benachteiligten Situation umgehen muss. Deshalb müssen wir den Kindern helfen und sie unterstützen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Wir müssen dann, wenn sie bessere Voraussetzungen geboten bekommen, auch Leistung einfordern. Und diese Voraussetzungen für Chancengerechtigkeit müssen wir schaffen. An diesem Ziel haben wir mit vielen Maßnahmen gearbeitet und werden dies weiterhin tun, auch über den 9. Mai hinaus.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für Bündnis 90/Die Grünen erhält Frau Kollegin Asch das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde auf diesen letzten Redebeitrag des Kollegen nicht nur deshalb nicht eingehen, da er sich selbst disqualifiziert hat,

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Zuruf: Bra- vo! –Ralf Witzel [FDP]: Ihnen sind die Argu- mente ausgegangen!)

sondern ich werde auch deshalb nicht darauf eingehen, weil diese FDP, ihr Vorsitzender und wiederholt auch Sie in Person, Herr Witzel, Hartz-IVEmpfänger – und damit auch die Kinder von HartzIV-Empfängern, arme Kinder in diesem Land – in einer unerträglichen Art und Weise disqualifizieren.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Satellitenschüs- sel, Alkohol! – Widerspruch von der FDP)

Sie haben sich mit diesen Äußerungen außerhalb jeder sozialpolitischen Debatte gestellt. Mit Ihnen diskutiere ich über diese Fragen nicht mehr.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat bereits im ersten Halbjahr 2007 mit der Drucksache 14/4473 – damit Sie es nachlesen können – einen Antrag gestellt, in dem sie ein umfassendes Konzept gegen Kinderarmut gefordert hat. Wir haben die Landesregierung aufgefordert, diese bedrückenden Zahlen ernst zu nehmen. Nehmen Sie diese bedrückende Kinderarmut, die in unserem Land wächst, ernst, und machen Sie sich an die Arbeit!

Wir haben sogar – das ist im Antrag nachzulesen – Eckpunkte und Dimensionen formuliert, anhand derer Sie dieses Konzept hätten verfassen können. Sie haben diesen Antrag wie alle unsere Anträge hier im Plenum abgelehnt. Sie haben gesagt: Wir machen das schon, wir sind schon dabei, Herr Laumann regelt das schon mit seinem runden Tisch usw.

Was stellen wir heute fest? Wir stellen erstens fest, dass die Kinderarmut in Ihrer Regierungszeit, in der Regierungszeit von Schwarz-Gelb, weiter angestiegen ist.

(Minister Karl-Josef Laumann: Nein!)

Zweitens. Wir haben kein umfassendes Konzept dieser Landesregierung, wie Sie diesem bedrückenden Phänomen entgegentreten wollen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Was Sie hier vorgelegt haben, ist lediglich ein Bericht. Berichte aber, mit Verlaub, lieber Herr Laumann, ersetzen keine Handlungskonzepte und keine konkreten Schritte.

Sehen wir uns an, was der Bund macht. Der Bund gibt den Rahmen vor, insbesondere was die materielle Ausstattung der Familien angeht. Die schwarzgelbe Koalition im Bund hat mal eben das Kindergeld angehoben. In diese Kindergelderhöhung fließt viel Geld hinein. Wer aber profitiert davon? – Es profitieren vor allen Dingen die sehr Reichen, die Mittelschicht ein bisschen weniger. Und wer bekommt überhaupt nichts? – Die armen Familien,

Herr Laumann, sehen keinen Cent von dieser teuren Kindergelderhöhung.

Dieser verfehlten Politik haben Sie und Herr Rüttgers im Bundesrat zugestimmt. Von NordrheinWestfalen kam kein Wort zu dieser sozialen Ungleichheit.

Anfang der Woche habe ich von Herrn Carstensen einen großen Artikel in der „Welt“ gelesen. Der CDU-Kollege hat gesagt:

Ich glaube, da haben wir was falsch gemacht. Es kann doch nicht sein, dass wir den reichen Familien, die das Geld nicht brauchen, noch eins oben drauf geben mit dem Kindergeld, während die armen Familien, die das Geld dringend nötig hätte, keinen Cent dieses Kindergeldes sehen.

Das ist eine richtige Einsicht, sie kommt nur ein bisschen spät, weil Herr Carstensen, genauso wie Herr Rüttgers, die Möglichkeit gehabt hätte, diese verfehlte Politik im Bundesrat aufzuhalten. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt betrifft das Betreuungsgeld. Auch hier ist Ihre Politik verfehlt. Sie bauen auf ein Konzept, von dem alle wissen, dass es eine Bildungsverhinderungsprämie ist,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

weil die armen Familien Geld dafür bekommen, dass sie ihre Kinder nicht in den Kindergarten schicken und dass ihren Kindern Bildung vorenthalten wird. Dieses Konzept tragen Sie als nordrhein-westfälische Landesregierung und trägt Ministerpräsident Rüttgers mit.

Meine Damen und Herren, da wir Geld verschleudert; das sind 2 Milliarden €.

(Minister Armin Laschet: Wo wird denn da etwas verschleudert? Welches Geld bitte?)

Was wir dringend für die Bildung, für die Qualitätssteigerung in unseren Einrichtungen bräuchten, wird verschleudert. Das wissen Sie ganz genau. Wenn Sie ehrlich sind, Herr Laschet, lehnen Sie das genauso ab.

(Minister Armin Laschet: Das stimmt doch gar nicht!)

Sie haben dem zugestimmt. Das steht im Koalitionsvertrag; vielleicht sollten Sie das einmal nachlesen und sich ein bisschen intensiver mit dieser Thematik beschäftigen.

(Minister Armin Laschet: Da wird nichts ver- schleudert!)

Weil Sie mich gerade unterbrechen, Herr Laschet: Es ist eine Geschichtsklitterung sondergleichen zu sagen, wir hätten Hartz IV beschlossen, während Sie hier sozusagen das Unschuldslamm geben. Sie wissen genau: Es waren die CDU-geführten Bundesländer – allen voran Hessen mit Roland Koch –, die

dafür gesorgt haben, dass das Kindergeld auf die Hartz-IV-Bezüge angerechnet wird. Das waren die CDU-geführten Länder. Wenn Sie das heute nicht mehr wahrnehmen wollen, ist das Geschichtsklitterung.

(Minister Armin Laschet: Wer war denn Hartz? Wer war denn Clement? Wer war denn Schröder?)