Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

(Walter Kern [CDU]: Das ist es schon längst!)

Genau. Dann sagt der Kollege Kern, das ist schon erledigt. – Genauso gehen Sie mit solchen Dingen um. So nähern Sie sich den Problemen. Sie glauben, dass Sie es erwähnt haben, sei dann sozusagen schon hart an der Lösung.

Wenn Sie also konkrete Maßnahmen beschließen wollen, dann würde ich Ihnen vorschlagen: Schließen Sie sich unserem Entschließungsantrag an! Darin sind einige erste Schritte vorgeschlagen, um

konkret zu werden. Vielleicht können Sie dem dann auch mal zustimmen.

Frau Kollegin.

Das würde jedenfalls den fehlenden Konkretisierungen in Ihrem Bericht tatsächlich ein Stück Ausgleich verschaffen. – Danke schön.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Altenkamp. – Für die CDU-Fraktion hat sich schon der Kollege Tenhumberg auf den Weg gemacht. Er hat jetzt das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, Frau Steffens, ja, Frau Altenkamp: Seitdem die CDU mit ihren Ministern die Ministerien führt, geht es den Menschen und den Kindern und Jugendlichen in NordrheinWestfalen besser. Das ist gut für das Land.

(Beifall von der CDU – Norbert Killewald [SPD]: Habt ihr gestern Abend schon wieder getrunken?)

Kolleginnen und Kollegen, im Vorwort der Kampagne der Evangelischen Kirche von Westfalen „Lasst uns nicht hängen“ schreibt der Präses Alfred Buß zum Thema Kinderarmut:

Armut liegt nicht erst bei materieller Unterversorgung vor, sondern schon dann, wenn Menschen sich nicht mit ihren Fähigkeiten in das von allen geteilte Leben einbringen können.

Der Kern von Armut ist fehlende Teilhabe, also Ausgrenzung.

Armut behindert Menschen darin, sich mit ihren Gaben zur eigenen Selbsterhaltung und zum Wohl aller einzusetzen. Es ist ein Teufelskreis – kein Abschluss, keine Ausbildung, kein Job, kein Geld, keine Perspektive. Dieser Teufelskreis tangiert die Menschenwürde. Auch Kinder aus armen Verhältnissen müssen sich entwickeln, ihre Gaben entfalten und gleichberechtigt am wirtschaftlichen, sozialen und solidarischen Leben teilhaben können.

Meine Damen und Herren, Armut bedeutet für Kinder neben den materiellen Entbehrungen häufig eine soziale Isolation, ein hohes Krankheitsrisiko und die Gefahr der Benachteiligung im Bildungssystem.

Die Langzeitstudie des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik zur Kinderarmut bei drei- bis zehnjährigen Kindern stellt erhebliche Benachteiligungen und Defizite fest.

Diese Fakten sind nicht erst jetzt bekannt. Bereits seit 1992 erstellt die nordrhein-westfälische Landesregierung in regelmäßigen Abständen Armutsberichte.

Im Dezember 2003 hat es darüber hinaus eine Veröffentlichung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik der Arbeiterwohlfahrt Niederrhein über die Arbeit der Projektgruppe „Kinderarmut“ gegeben. Im Vorwort dieses Berichts stellt die damalige Schulministerin Schäfer von der SPD aber lediglich fest: Die Zahl der Kinder, die in Armut groß werden, steigt.

Alternativen für Gegenstrategien sind von der rotgrünen Landesregierung nicht entwickelt geschweige denn diskutiert worden. Die Erkenntnisse, meine Damen und Herren, die Berichte und Untersuchungsergebnisse wurden in den Aktenschrank gestellt. Kinder und Jugendliche wurden von RotGrün unter Verschluss genommen. Familien wurden alleine gelassen.

Mit unserer neuen Regierung ist das nun deutlich anders geworden. Wir sprechen die Probleme an und leiten in vielfältiger Weise Gegenmaßnahmen ein. Für uns ist es kein Tabu, über die soziale Lage, Herr Killewald, und die finanzielle Situation von armen Familien mit Kindern zu sprechen.

(Beifall von Walter Kern [CDU] – Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Denn Armut verhindert Integration. Armut fördert Konflikte. Armut isoliert. Armut verhindert Zukunft. Deshalb schweigen wir nicht, sondern ergreifen ein ganzes Bündel von finanz- und bildungspolitischen und sozialpolitischen Maßnahmen, um aktiv die steigende Kinderarmut zu bekämpfen.

Mehr als 250.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze seit 2005: Dies ist ein aktiver Beitrag zur effektiven Bekämpfung von Armut.

Dass wir es als CDU besser können als Rot oder ganz schlimm Rot-Rot-Grün zeigt der Armutsatlas des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes deutschlandweit und auch innerhalb von NordrheinWestfalen. Dort, wo die CDU seit vielen Jahren politische Regierungsverantwortung trägt, ist die Armutsquote niedriger.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Dort, wo Rot regiert, ist die Menschheit ärmer.

Der Zwischenbericht der Landesregierung zur Arbeit des runden Tisches, meine Damen und Herren, dokumentiert die zukunftsweisende Arbeit unserer Koalition der Stabilität und Zukunft. Nicht der Staatsapparat, nicht parteitreue Organisationen und Funktionäre entwickeln Strategien zur Armutsvermeidung, sondern Praktiker, Betroffene und unabhängige Sachverständige. Wir beteiligen, wir praktizieren Partizipation. Dabei lassen wir uns davon leiten, dass nicht nur die Folgen der Kinder

armut zu bekämpfen sind, sondern die Ursache der Kinderarmut selbst. Das Entstehen von Armut muss verhindert werden.

Meine Damen und Herren, ich will noch kurz auf den Entschließungsantrag eingehen, den wir heute von der SPD zugeleitet bekommen haben. Die Empfehlung, die Enquetekommissionsberichte „Chancen für Kinder“ zu übernehmen, geht fehl. Anscheinend haben Sie den 9. Kinder- und Jugendbericht nicht gelesen, der diese Empfehlung teilweise aufnimmt. Der runde Tisch, die Berichte, die uns Herr Minister vorgetragen und in schriftlicher Form zugeleitet hat, sind ein Dokument dafür.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Das Handeln der Landesregierung ist auf die Empfehlungen der Enquetekommission II ausgerichtet und teilweise in der Umsetzung bzw. in der mittelfristigen Planung.

(Norbert Killewald [SPD]: Brauchen Sie mal ein Brillenputztuch, oder was?)

Wie kommen Sie dazu, zu behaupten, dass die Schuldner- und Insolvenzberatung nicht auskömmlich sei? Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass die Roten die Stellen auf 110 begrenzt haben, obwohl 156 gefordert waren. Wer hat denn für die nicht auskömmliche Stellenausstattung gesorgt?

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Wenn Sie jetzt von „nicht auskömmlich“ sprechen, kann ich nur sagen: Ich weiß nicht, ob Sie noch wissen, was Sie gestern getan haben. Ihre Forderungen sind alle bekannt. Sie sind zum Teil umgesetzt, werden zum Teil umgesetzt, teilweise sind sie weltfremd. Man merkt, dass der Wahlkampf begonnen hat.

Ich will abschließend ein Zitat aus der Stellungnahme der Freien Wohlfahrtspflege bringen, das uns bescheinigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Dort heißt es:

Die Freie Wohlfahrtspflege in NordrheinWestfalen sieht das Bemühen der Landesregierung, Hilfen für Kinder in Not anzubieten und im Kampf gegen die Kinderarmut voranzukommen. Sie begrüßt dies sehr. Der eingeschlagene Weg, durch eine Vernetzung der unterschiedlichen Ministerien sowie die Rückkopplung mit Verbänden, Institutionen und anderen Akteuren vor Ort ein möglichst gut abgestimmtes und umfassendes Handlungskonzept zu entwickeln, ist stimmig, unterstützenswert und kann zum Erfolg führen.

Dem ist nichts hinzuzufügen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Tenhumberg. – Für die FDP-Fraktion erhält der Abgeordnete Witzel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kinderarmut ist ein übergreifendes Problem. Genau deshalb brauchen wir einen ganzheitlichen Lösungsansatz. Durch den runden Tisch ist ein Beitrag vonseiten des Landes geleistet worden. Die Themenfelder, die sich das Land hier vorgenommen hat, sind wichtig und richtig, nämlich sich mit den Fragen zu beschäftigen:

Wie bekommen wir zukünftig noch einen Schub nach vorne zur besseren Vermittlung von Bildung? Wie stärken wir die Erziehungskompetenzen der Eltern? Was machen wir im Bereich gesundheitlicher Prävention? Wie helfen wir Kindern gegen Missbrauch, Gewalt und Vernachlässigung? Wie sorgen wir für eine Entschärfung sozialer Brennpunkte, der Agglomeration? Wie verbessern wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Wie verbessern wir die Kontextfelder sozialer Schwäche und Arbeitslosigkeit, um Familien zu stabilisieren?

All die Fragestellungen zeigen, dass wir uns das Problem der Armutsbekämpfung im Interesse von Kindern und sozialraumspezifisch ansehen müssen. Deshalb gibt es eine Reihe von Maßnahmen seitens der Koalition der Erneuerung, die auf konkrete Hilfen der Landespolitik setzen.

Erstens haben wir im Bereich der frühkindlichen Bildung Maßstäbe gesetzt und sind auch bundesweit vorangeschritten, zum Beispiel im Rahmen des Bildungsauftrags, des Kinderbildungsgesetzes, der vorschulischen Sprachförderung. Wir sagen: Alle Kinder im Land, auch diejenigen, die nichts dazu können, dass Elternhäuser Defizite bei der Vermittlung aufweisen, sollen vom ersten Schultag an faire Chancen haben, um auf Augenhöhe am Unterrichtsgeschehen teilnehmen zu können. Denn das ist die Voraussetzung dafür, dass sie ihre Zukunft später einmal selber in die Hand nehmen können, weil sie über eine hinreichende Bildung verfügen. Insofern ist die vorschulische Sprachförderung nicht nur eine bildungspolitische Maßnahme, sondern einer der wichtigsten Beiträge zur Sozialförderung für Kinder mit Benachteiligungen.

Im Bereich des Aufwuchses der Betreuungskapazitäten haben wir ganz konsequent gehandelt, insbesondere betreffend die unter Dreijährigen. Peinliche 2,8 % hat Rot-Grün bei der Abwahl 2005 hinterlassen. Wir haben die Plätze bis Ende dieses Jahres auf über 100.000 – ausgehend von Ihren 11.800 – fast verzehnfacht.

(Beifall von Abgeordneten der CDU)

Bei dem, was wir hinbekommen haben und Sie nicht, sollte auch die Opposition applaudieren.

(Britta Altenkamp [SPD]: Was denken Sie, warum keiner klatscht, Herr Witzel?)

Wir wissen vor allem, dass es für viele Kinder wichtig ist, die Angebote zu nutzen. In der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen war die Teilnahmequote von Kindern in Einrichtungen noch nie so hoch wie jetzt unter Schwarz-Gelb. 91,4 % der Kinder nutzen die Angebote des Kinderbildungsgesetzes in den Kindertagesstätten. Bei Ihrer Abwahl waren es nur etwas über 80 %. So unattraktiv, wie Sie als Opposition es darstellen, können all die aktuellen Angebote in unseren Einrichtungen gar nicht sein.

(Beifall von FDP und CDU)

Deshalb freut es uns, dass in Zeiten, in denen es nicht mehr so viele Kinder gibt, trotzdem die Zahl derer, die Kindertagesstätten besuchen, steigt. Gerade diejenigen, die nicht traditionell von ihrem Elternhaus Stabilität verliehen bekommen, sind darauf angewiesen, hier zusätzlich Bildung, Erziehung und Betreuung zu erfahren.