Herr Laschet, dass Sie nicht der Experte dafür sind, dass die Tassen im Schrank bleiben, dürfte Ihnen nach Ihrem Auftritt jetzt wohl klar geworden sein.
Kollege Kern, zu dem von Ihnen angesprochenen Thema Tafeln möchte ich noch Folgendes feststellen: Nach unserem Verständnis – vielleicht unterscheidet uns das grundsätzlich – geht es nicht nur darum, die Tafeln für ihre Arbeit zu loben. Vielmehr geht es bei dem Thema Kinder in Not auch darum, uns hier im Haus zu fragen – das ist unsere verdammte Pflicht –: Wie kommt es überhaupt, dass es Tafeln gibt und in der Zwischenzeit sogar Tafeln gibt, die Schulmaterial zur Verfügung stellen? Wie kommt das zustande?
Herr Kern, die Arbeit zu loben, ist das eine. Das andere ist aber, sich strukturell mit den Problemen auseinanderzusetzen, dass wir in der Zwischenzeit in Deutschland wieder Suppenküchen haben, dass wir Tafeln haben und dass wir mittlerweile auch Stellen haben, bei denen Kinder umsonst Schulmaterial bekommen. Das ist doch die Realität. Diese Realität blenden Sie in Ihrem Bericht einfach aus.
Ich will vier Anmerkungen zu Ihrem Bericht machen; denn es geht wohl wirklich nur darum, dass die Landesregierung uns alle darüber unterrichten will, dass sie irgendwie redet und sich mit diesem Irgendwie-Reden auch dem Thema zu stellen glaubt. Denn noch gibt es einige ungelöste Probleme. Diese haben Ihnen insbesondere die Wohlfahrtsverbände bei den regionalen Veranstaltungen auch mehrfach ins Stammbuch geschrieben.
Erstens: Ihre Bundesratsinitiative. Sie weisen darauf hin, dass Sie sich schon 2008 für die Anhebung der Regelsätze bzw. für die eigenständige Ermittlung der Bedarfe von Kindern eingesetzt haben. Das sei Ihnen auch unbenommen. Sie haben das in der Tat in den Bundesrat getragen. Zur Wahrheit gehört an dieser Stelle aber auch: Sie sind grandios gescheitert. Sie haben für diese Initiative keine Mehrheit gefunden.
Das bedaure ich zutiefst. Das muss man in einem solchen Bericht ehrlicherweise aber auch schreiben. Man darf sich nicht aufblasen als Karl-Josef der Gerechte, obwohl es an keiner Stelle wirklich weitergeht.
(Minister Karl-Josef Laumann: Fein! Das ge- fällt mir! – Gegenruf von Norbert Killewald [SPD]: Aufblasen ist das richtige Wort!)
Dann fühlt sich die Landesregierung durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Gut, dass wir das jetzt auch wissen. Die Frage ist aber: Was passiert denn jetzt?
Die Bundesvorsitzende Ihrer Partei und Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland hat in den letzten Tagen dazu wissen lassen, sie sei der Auffassung, dass die Regelsätze für Kinder nicht angehoben werden müssten; man solle aber einmal überlegen, ob man nicht den Sachkostenbeitrag an die Kinder weitergibt. Wie stehen Sie denn dazu? Kein Wort dazu!
Wenn es eine eigenständige Ermittlung von Bedarfen von Kindern gibt, geht es vor allen Dingen darum – darüber sind wir uns hoffentlich einig –, dass in unserem Land die Ermittlung von Bildungskosten vorgenommen wird und dass diese Kosten bei den Kindern tatsächlich eingerechnet werden.
Ich würde gerne wissen, wie die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen dann, wenn wir uns hierüber einig sind, zu der Vorstellung steht, dass die Regelsätze für Kinder demnächst zu einem nicht unerheblichen Teil in Form von Sachleistungen an die Kinder in Bedarfsgemeinschaften ausgezahlt werden sollen. Wie stehen Sie dazu? In meinen Augen handelt es sich dabei nämlich um eine doppelte Diskriminierung dieser Kinder.
Zweitens: Kindergelderhöhung. Dazu gibt es in dem Bericht keinerlei Stellungnahme. Sie sagen – Herr Romberg hat das auch noch wiederholt –, die Kindergelderhöhung und die Anhebung des Steuerfreibetrags hätten die Situation der Kinder auch in Nordrhein-Westfalen erheblich verbessert.
Das gilt aber doch nicht für die Kinder in Not und auch nicht für die Kinder in Armutsfamilien; denn Ihre Definition am Anfang Ihres Berichts und Ihres Beitrags war doch, dass es vor allen Dingen um die Kinder geht, die von Arbeitslosigkeit der Eltern betroffen sind.
Für die Kinder in Not ist der Beitrag, den Sie in Ihrem Bericht nennen, also völlig ungeeignet. Dabei handelt es sich um eine Mittelstandsförderung – als solche sollten Sie sie auch benennen – und nicht um eine Förderung von Kindern in Armutsfamilien.
Sie blenden völlig aus, dass es in der Zwischenzeit den Familienzentren und den Kitas nicht mehr möglich ist, die von ihnen verlangten und für ihre Zertifizierung zwingend erforderlichen Kontrakte mit Familienbildungseinrichtungen überhaupt noch abzuschließen, und zwar aus zwei Gründen:
Erstens. Sie haben die Mittel für die Familienbildung zu Beginn Ihrer Regierungszeit reduziert. Zweitens sind die Zentren wegen Überlastung in der Zwischenzeit nicht mehr in der Lage, den tatsächlich entstandenen Bedarf überhaupt noch zu bewältigen.
Will sagen: Das ist inzwischen ein Mittel ohne irgendwelche Wirksamkeit. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Familienzentren einfach finanziell zu schwach ausgestattet sind.
Das blenden Sie einfach aus, und zwar seit 2007. Seit 2007 schreiben Sie immer wieder: Die Familienzentren sind mehr geworden, und die Situation der Familien ist dadurch verbessert worden.
Es wird seither immer problematischer, weil sie entstandene Bedarfe tatsächlich nicht beantworten können.
Dann will ich zu Ihren Strukturprinzipien noch etwas sagen. – Da kann man natürlich erkennen, mit welcher großen Liebe und Sorgfalt dieser Bericht gemacht worden ist. Da wird von vier Strukturprinzipien geredet, aber es sind eigentlich fünf.
So viel dann übrigens auch zu Adam Riese und Eva Zwerg. Herr Laschet, das muss man einmal sagen. Durch wie viele Hände mag dieser Bericht gegan
gen sein? Die Rede ist von vier Strukturprinzipien, und es fällt niemandem auf, dass Sie fünf genannt haben. Das könnte vielleicht an der Tatsache liegen, dass das fünfte Strukturprinzip das Ehrenamt ist. Wahrscheinlich wird irgendeiner in Ihrem Haus oder im Haus von Herrn Laumann gesagt haben: Um Himmels willen, wir müssen einmal schnell etwas zum Ehrenamt sagen! – An der Stelle kommen dann statt vier Strukturprinzipien fünf dabei heraus. Na gut.
In eben diesem besagten fünften Punkt werden ehrenamtliche Dienste, insbesondere Kinderbesuchsdienste, von Ihnen ganz besonders gelobt. Da der Bericht ja kurzfristig geschrieben worden ist, muss ich Sie fragen: Sind Ihnen eigentlich die Problematiken, die es insbesondere in Köln, in meiner Heimatstadt und in anderen Städten in der Zwischenzeit gibt, völlig verborgen geblieben? Ist Ihnen völlig verborgen geblieben, dass wegen Datenschutzproblemen jedenfalls die ehrenamtlich gestützten Kinderbesuchsdienste überhaupt nicht mehr fortgeführt werden können und eingestellt worden sind?
Warum steht das dann nicht in Ihrem Bericht, dass Sie wenigstens an der Stelle versuchen wollen, außer sie zu loben, einmal in irgendeiner Form auch ihre Fortsetzung zu ermöglichen? Dazu gibt es von Ihnen keine Initiative.
Zur Zusammenfassung: Es gibt in Ihren Schlussfolgerungen keinerlei konkrete Vorschläge, keine konkreten Maßnahmen und eben auch keinerlei wirklich erkennbare Dinge, die Sie weiterführen wollen, außer der Tatsache, dass der runde Tisch für Kinder in Not verstetigt werden soll. Ja, das ist schön.
Die Frage ist nur: Wer, glauben Sie, wird mit Ihnen in den nächsten paar Monaten überhaupt noch reden wollen, wenn das immer von folgenloser Richtigkeit bleibt?
Der zweite Punkt ist: Es soll ein Querschnittsthema werden. Kinder in Not, Kinder- und Jugendarmut sollen Querschnittsthema werden. Da steht, das soll jetzt ein solches werden.