Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

CDU und CSU sind im Jahr 2005 auf Bundesebene im Rahmen des Koalitionsvertrages übereingekommen, an den Zusagen des Solidarpaktes II festzuhalten. Die Verwendung von Solidarpaktmitteln soll dem Prinzip einer gezielten Stärkung der in Ostdeutschland vorhandenen Potenziale verpflichtet sein.

Die heute von SPD und Grünen geforderten Veränderungen setzen an sachlich falscher Stelle an. Eine Durchsetzung auf Bundesebene ist erkennbar chancenlos. Sie sollten nicht immer wieder der Versuchung unterliegen, so zu tun, als müsste man einfach nur sagen: Wir ändern den geschlossenen und bis 2019 gültigen Vertrag. – So einfach ist das nicht.

(Ralf Jäger [SPD]: Er enthält eine Revisions- klausel für die Kommunen in diesem Jahr!)

Sie können ihn nur einstimmig verändern. Das wissen Sie auch.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Versuchen Sie es doch wenigstens einmal!)

Die Länder im Osten haben null Interesse daran,

(Ralf Jäger [SPD]: Sie auch!)

an diesen Verabredungen etwas zu ändern. Deswegen meine ich, Sie sollten vor der Landtagswahl im Mai wenigstens versuchen, die Finanzsituation der Kommunen mit neuen, kreativen und realistischen Elementen zu verbessern. Mit Ihren alten Hüten erreichen Sie gar nichts. Sie halten die Leute für blöder als sie sind. Die werden Ihnen die Quittung dafür schon geben. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lux. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Engel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Jäger, Herr Lux, Herr Moron und alle anderen Kollegen, die sich mit der Kommunalpolitik befassen, wissen doch genau, auf welche Punkte es bei den Kommunalfinanzen ankommt. Das sind im Wesentlichen drei Punkte:

Das Gemeindefinanzierungsgesetz gleicht über 90 % der fiktiven Bedarfe aus. Das ist bundesweit der höchste Wert. Wir wissen aber auch genau, dass der fiktive Bedarf vor Ort anders gesehen wird. Da gibt es ein Delta. So.

Der zweite Bereich ist die Gewerbesteuer. Wir wissen: Wer auf die Gewerbesteuer baut, baut auf Sand. Sie ist konjunkturabhängig. Man kann sich auf die Gewerbesteuer nicht verlassen. Deshalb gehört sie ersetzt. Deshalb ist Berlin gefordert, diese Gewerbesteuer im Rahmen einer Finanzreform durch eine Steuer zu ersetzen, auf die man bauen kann und die für verlässliche Einnahmen der Kommunen sorgt.

Der dritte Teil ist der hausgemachte Teil. Dafür mache ich mich stark. Warum? Wir sind es, die Politik – fassen wir uns ehrlich an die eigene Nase –, Räte und Kreistage, wir sind es in der Regel, die in der Vergangenheit über 30, 40 oder 50 Jahre bei einer Vorlage der Stadt- oder Kreisverwaltung gesagt haben – ich nehme als ein Beispiel, das ich immer wiederhole, den vorgeschlagenen Bau einer Zweifachturnhalle –: Papperlapapp, was soll eine Zweifachturnhalle? Wir bauen eine Dreifachturnhalle. – Die Mittel waren nicht vorhanden.

Die Politik setzte sich über die Empfehlungen der Stadt- oder Kreisverwaltungen mit dem Argument hinweg: Okay, wenn das Geld nicht da ist, gehen wir zu den Banken und leihen uns die Differenz.

Der fatale Satz in der Kommunalpolitik war – Sie sind doch Zeitzeugen; Sie sind doch noch vor Ort verwurzelt; das bin ich auch –: Die Mittel werden bereitgestellt. – Man kann natürlich sehr schön mit dem Geld Dritter – vielfach waren es Kredite – arbeiten.

Das hat dazu geführt, dass wir uns heute in der beschriebenen Situation befinden. Herr Becker, Sie schütteln mit dem Kopf. Sie leugnen die Lebenswirklichkeit ja sowieso; das werden wir möglicherweise gleich auch hören.

Es gibt im Land 427 Gebietskörperschaften. Von den 427 Gebietskörperschaften sind neun schuldenfrei. Darunter ist auch die Großstadt Düsseldorf, unsere Landeshauptstadt. Sie können uns doch nicht weismachen, dass Düsseldorf das Ei des Kolumbus gefunden hat, um tatsächlich schuldenfrei zu sein.

(Horst Becker [GRÜNE]: Nein, nicht das Ei des Kolumbus!)

Herr Becker, es wird immer gesagt, die Düsseldorfer haben ihre Stadtwerke verkauft und sind damit schuldenfrei. – Nein, sie haben immer noch eine Mehrheit und können durch den Stadtrat entscheiden, was mit ihrer Versorgung – Strom, Wasser, Gas, etc. – passiert. Es ist eine Mähr, das alles weg sei und Düsseldorf nichts mehr habe, wie Sie es immer behaupten. Umgekehrt wird ein Schuh draus.

Wie sich das in Düsseldorf auswirkt, mache ich einem praktischen Beispiel deutlich: Wenn auf einem der vielen Spielplätze hier in der Stadt ein Spielgerät kaputt ist, ist dieses Spielgerät innerhalb von 48 Stunden repariert oder ersetzt. Warum kann Düsseldorf das? – Weil die Stadt keinen einzigen Eurocent an Zins und Tilgung zu den Banken tragen muss.

Das wollen wir erreichen: Keine Zins- und Tilgungsleistungen mehr!

Deshalb kommt es auf den dritten Teil an. Das ist – ich sagte es bereits – der Bereich, den man selbst im Griff hat. Glauben Sie von der Politik doch endlich einmal den Zahlen Ihrer Verwaltung. Ich führe Ihnen an einem Beispiel vor Augen, wie schlimm es ist.

Ich komme aus dem Rhein-Erft-Kreis. Edgar Moron wird gleich auch noch sprechen. Er wird die Zahlen in etwa bestätigen. Die Gewerbesteuereinnahmen von Wesseling sind in der Wirtschaftskrise von jetzt auf gleich von 60 Millionen € auf nur noch 9 Millionen € gesunken. Von jetzt auf gleich ist nichts mehr mit allen freiwilligen Leistungen zum Nulltarif.

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Nein, die hängen im Haushaltssicherungskonzept, weil sie auch auf Gewerbesteuereinnahmen gebaut haben. Deshalb muss diese Steuer weg.

Jetzt, in der Krise, sind sie gezwungen zuzuhören, um zu dem Schluss zu kommen: Ja, verdammt noch mal, wir müssen den dritten Bereich, den wir selbst verantworten, im Rahmen eines Gesamtkonzepts angehen.

Es geht darum – ich betone das, weil wir wieder viele Zuhörer und Zuschauer auf der Tribüne haben –, nicht herauszustellen: „Die Mittel werden bereitgestellt“, sondern herauszustellen: „Sparen ist eine Tugend.“ – Das haben wir doch alle gelernt. Als Kinder haben wir ein Sparbuch und ein Sparschwein bekommen. Sparen ist eine Tugend.

Ich sage Ihnen, Herr Jäger – ich ahne, was kommt; Sie holen ja schon wieder tief Luft –: Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sind bereit, auch ihren eigenen Beitrag zu leisten,

(Beifall von der FDP)

damit die Kommunen wieder auf die Beine kommen.

Das, was Sie machen, indem Sie sich einzelne Punkte aus dem freiwilligen oder dem sogenannten – also teilweise – freiwilligen Bereich herausgreifen – da muss ein Theater geschlossen werden, da kann man das Schwimmbad nicht mehr benutzen, da ist dieses oder jenes nicht mehr möglich –, das ist populistisch. Das verfängt auch. Das wird auch gelesen. Dazu sagen die Menschen vor Ort natürlich: So ein Mist! Dieses Theater darf nicht geschlossen werden! – Recht haben sie.

Alle – alle! – Ansätze müssen auf den Prüfstand, auch der pflichtige Bereich. In Düsseldorf, in dieser Großstadt, wird der pflichtige Bereich mit deutlich weniger Personal realisiert als in vergleichbaren Städten. Das ist die Krux.

Wir haben hier in diesem schönen Saal am 8. Februar eine große Veranstaltung mit Experten gehabt – und zwar aus verschieden großen Kommunen: einer ganz kleinen kreisangehörigen Stadt, einer mittleren kreisangehörigen Stadt, einer Großstadt und eines Landkreises –, die uns alle unisono auf folgenden Sachverhalt hingewiesen haben: Wenn Sie auf der Personalseite nur eine einzige Stelle zusätzlich einrichten, dann haben Sie eine Entscheidung über roundabout 50.000 € pro Jahr getroffen. Leute – so die Experten –, wenn ihr auf der Einnahmenseite nicht 50.000 € zusätzlich zu erwarten habt, dann gerät der Haushalt aus der Balance! – Wenn man das über Jahre macht – das ist leider von vielen über Jahre gemacht worden –, dann haben wir eine Schieflage wie zurzeit.

Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen, den auch Herr Kollege Lux schon erwähnt hat. – Erstmals in der Bundesrepublik Deutschland mit seinem zweistufigen Staatsaufbau erleben wir, dass sich die Bundesregierung zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden die Mühe macht, hinzugucken – wir nennen es Konnexitätsprinzip –: Was ist denn mit den KdU, den Soziallasten? – Es stimmt doch: Der Bund hat den Kommunen über die Länder immer mehr aufgebürdet. Wo sollen die das denn hernehmen? Und das ist über viele Jahre so gelaufen. Wir brauchen auch auf Bundesebene die Wahrnehmung und die Einhaltung des Konnexitätsprinzips.

Wir gehen fest davon aus, dass, wenn die Ergebnisse vorliegen, die Länder für ihre Kommunen, was KdU angeht, mehr Geld zur Verfügung haben, das sie dann auch weitergeben können. Daraus wird ein Schuh! Dagegen sollte man nicht populistisch einzelne Punkte herausgreifen, die Landschaft strubbelig reden und den Leuten Angst machen. Die Menschen in den Gemeinden sind bereit, etwas dazuzutun. Es gibt keine Alternative. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Als Nächster spricht der fraktionslose Abgeordnete Sagel.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Sehr geehrte Gäste! Ihre Worte hörte ich wohl, doch an Ihren Taten müssen Sie sich messen lassen. – Wenn ich mir die Situation angucke und einbeziehe, was Sie von CDU und FDP gesagt haben, dann ist zunächst einmal festzustellen, dass es den Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen, aber auch in Deutschland insgesamt noch nie so schlecht ging wie jetzt unter der schwarz-gelben Regierung.

Das ist die reale Situation, in der sich auch die Kommunen hier in Nordrhein-Westfalen ganz konkret befinden. Wir erleben jetzt, dass sie aufgrund der völlig verfehlten Steuer- und Finanzpolitik, die Sie hier in Deutschland machen, zu massivsten Sparhaushalten gezwungen sind.

(Rainer Lux [CDU]: Völliger Unsinn!)

Die Umverteilung von unten nach oben muss endlich gestoppt werden. Wir brauchen soziale, ökologische und gerechte Politik. Das machen Sie nicht. Sie lassen die Kommunen – das haben wir auch in mehreren Anhörungen hier im Landtag erlebt – im Regen stehen.

Diese sind in einer absolut katastrophalen Situation. Die bereits heute hohe kommunale Verschuldung steigt mit der Wirtschaftskrise in zuvor ungekannte Ausmaße. Nicht zuletzt Sie haben mit dem sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das ein Schuldenbeschleunigungsgesetz und ein Sozialabbaugesetz ist, dazu beigetragen. Durch dieses Gesetz sollen der Bund mit 4,63 Milliarden €, die Länder mit 2,2 Milliarden € und die Kommunen mit 1,57 Milliarden € belastet werden. Das ist die reale Auswirkung, die wir hier wahrnehmen.

Wir erleben, dass in den Kommunen soziale Einrichtungen geschlossen werden müssen, dass kulturelle Einrichtungen geschlossen werden, dass Schwimmbäder mehr geöffnet werden können. All das sind Auswirkungen Ihrer völlig verfehlten Steuer- und Finanzpolitik. Die FDP schreit im Bund sogar noch nach weiteren Steuersenkungen, die sich weiter katastrophal auf die Kommunen auswirken würden.

Insbesondere die Gewerbesteuereinbußen in Höhe von 1,8 Milliarden € infolge der konjunkturellen Lage sind ein Riesenproblem. CDU und FDP haben durch ihre Politik diese Lage allerdings noch maßgeblich verschärft. Bei Antritt Ihrer Koalition in NRW hatten die Kommunen zum Beispiel noch 10,2 Milliarden € Kassenkredite; mittlerweile sind es rund 18 Milliarden €. Das ist ein unglaublicher An

stieg. Das macht, glaube ich, deutlich, wie massiv Sie die kommunale Finanzsituation in NordrheinWestfalen verschlechtert haben.

Sie haben den Kommunen auch vieles aufgehalst: bei Krankenhausinvestitionen, bei Schülerbeförderungsmitteln, bei der Weiterbildung usw. Sie haben ihnen das KiBiz übergestülpt, was zu massiven Problemen in den Kommunen hier in NordrheinWestfalen führt.

All das sind katastrophale Auswirkungen Ihrer Politik. Wie gesagt: Eine weitere Steuersenkungspolitik ginge völlig an der Realität vorbei.

Ich habe einen sehr ausführlichen Antrag vorgelegt, insgesamt sechs Seiten, mit einem Maßnahmenprogramm, das dringend notwendig wäre und das in den Bundesrat eingebracht werden müsste, um entsprechende Änderungen zu erreichen.

Sie werden am 9. Mai hoffentlich die Quittung für Ihre völlig verfehlte Steuer- und Finanzpolitik in Nordrhein-Westfalen bekommen. Die Linke hat hier klare Alternativen aufgezeigt, hat sich sehr deutlich dafür eingesetzt, dass eine andere Steuerpolitik gemacht wird, dass in Deutschland endlich wieder Steuergerechtigkeit einzieht, dass zum Beispiel die Reichen ihre Gelder in Zukunft nicht mehr auf Schweizer Konten bringen können, dass in Nordrhein-Westfalen wieder mehr Steuerprüfer und Steuerprüferinnen eingestellt werden, die endlich auch die Unternehmen steuerlich gerecht beurteilen, damit sie nicht mehr nur alle fünf bis zwanzig Jahre überprüft werden.

Herr Sagel, Sie kommen bitte zum Schluss.