Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Die im Antrag angesprochenen Themen werden selbstverständlich schon seit Langem von unserer Landesregierung bearbeitet

(Zuruf von der SPD: Ach endlich!)

und sind Gegenstand der Beratungen des Nationalen Forums – soweit Ihnen das bekannt ist, Herr Killewald.

Deshalb ist der Alleingang der SPD-Fraktion nicht sachgerecht und nicht zielführend. Unser Entschließungsantrag hingegen weist in die Zukunft.

(Britta Altenkamp [SPD]: Ach ja!)

Zum Abschluss bedauere ich noch einmal, dass sich die SPD-Fraktion aus populistischen Gründen aus der gemeinsamen, fraktionsübergreifenden Initiative und Verantwortung stiehlt.

(Beifall von CDU und FDP – Britta Altenkamp [SPD]: Sie haben nicht einen inhaltlichen Satz zu unserem Antrag gesagt!)

Das Thema ist zu wichtig, als dass es parteipolitisch instrumentalisiert werden dürfte. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Tenhumberg. – Für die FDP-Fraktion erhält der Abgeordnete Witzel das Wort.

(Norbert Killewald [SPD]: Jetzt wird es noch besser!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich freut es mich, dass die SPD das Ehrenamt hier so positiv darstellt; denn damit zeigen Sie, dass Sie sich unserer Philosophie anschließen, wonach in unserer Gesellschaft das Prinzip „Privat vor Staat“ ganz wichtig ist. Vieles kann nämlich gar nicht von der öffentlichen Hand erledigt werden, sondern wird nur durch private Strukturen aufrechterhalten.

Ausdrücklich schließe ich mich aber in dem folgenden Punkt meinem Vorredner an: Ich bedauere es sehr, dass Sie nicht wollten, dass wir bei diesem für alle Fraktionen wichtigen Thema zu einer abgestimmten Initiative kommen. Ihre Vertreter haben die laufenden Gespräche verlassen, und Sie sind eigeninitiativ tätig geworden. Das ist selbstverständlich Ihr gutes Recht, aber es ist auch unser Recht, mit unserer Erwiderung darauf zu reagieren. Das haben wir mit unserem Antragsvorhaben innerhalb der Koalition der Erneuerung auch getan.

Uns liegt sehr viel daran, das Ehrenamt zukünftig zu stärken, weil es ein integraler Bestandteil einer freien und fairen Bürgergesellschaft ist. Jeder, der sich für andere engagieren kann, sollte dies auch tun; denn der Staat wäre völlig damit überfordert, alle die Leistungen kommerziell erledigen zu lassen, die durch viele Millionen Hände in diesem Land ehrenamtlich erbracht werden.

Insofern wäre es schön, wenn wir dieses Thema seitens des Landes Nordrhein-Westfalen auch zukünftig in diesem Geiste verfolgten.

Ehrenamtspolitik ist eine Querschnittsaufgabe. Ganz viele Bereiche profitieren von ehrenamtlicher Tätigkeit, beispielsweise demokratische Strukturen, soziale Einrichtungen, wirtschaftliche Aktivitäten und kulturelle Lebensweisen. Sie alle sind auf ehrenamtliches Engagement in unserem Land angewiesen.

Wir brauchen engagierte Bürger, denen es wichtig ist und auch persönlich etwas bedeutet, sich für andere und für ideelle Ziele einzusetzen. Davon profitieren Sozialbereich, Gesundheitsbereich,

Selbsthilfe, Bildungseinrichtungen, kulturelle Einrichtungen, Wissenschaft, Freizeit, Sport, Erholung, Politik und Religion – kurzum: alle wesentlichen Gesellschafts- und Lebensbereiche in unserem Land Nordrhein-Westfalen.

Deshalb danken wir all denen, die sich hier einbringen. Wir brauchen eine Anerkennungskultur für diejenigen, die eben nicht nur ans Geldverdienen denken, sondern – nachdem sie das vielleicht getan haben – sehr wohl auch bereit sind, dienend für andere ehrenamtlich tätig zu sein, selber viel Mühe auf sich zu nehmen, sich auch in Kosten zu stürzen und einen wesentlichen Teil ihrer Freizeit zu opfern, um anderen zu helfen oder um ideelle Ziele für die Bürgergesellschaft insgesamt nach vorne zu bringen. Das ist außerordentlich zu begrüßen. Diesen Menschen ist zu danken.

Deshalb haben wir in dieser Legislaturperiode schon im Jahr 2008 sowohl den NRWEngagementnachweis „Füreinander.Miteinander – Engagiert im sozialen Ehrenamt“, mit dem dieses bürgerliche Engagement in unserer Gesellschaft ausdrücklich gewürdigt wird, als auch die Ehrenamtskarte unter dem Motto „Ehrenamt ist Ehrensache“ eingeführt.

Mit der Ehrenamtskarte sprechen wir vonseiten des Landes gezielt Städte, Gemeinden und Kreise an, damit dort überdurchschnittlich engagierten Menschen auch eine Anerkennung für ihren Einsatz zuteil wird. Inhaber der Ehrenamtskarte können beispielsweise bei öffentlichen und privaten Einrichtungen und Unternehmen in allen am Projekt teilnehmenden Orten Vergünstigungen in Anspruch nehmen. Erfreulicherweise beteiligen sich viele Kommunen von A bis X; von Ahaus bis Xanten sind sehr viele mit dabei.

Mit dem Internetportal www.engagiert-in-nrw.de existiert ein Serviceangebot mit einer Vielzahl von weiteren Informationen über Projekte, Vereine, Verbände, Initiativen und Unternehmen, die sich hier beteiligen. Es gibt für alle engagierten Bürger also auch weitergehende Arbeitshilfen, die in Anspruch genommen werden sollten.

Ehrenamtliches Engagement ist keine unwichtige Nebensache, sondern für unsere Gesellschaft unersetzlich – gerade bei den vor uns stehenden Herausforderungen. Angesichts des demografischen Wandels, veränderter Familienstrukturen und des Zusammenlebens unterschiedlicher Kulturen kommen beispielsweise viele Aufgaben zur Verbesserung der Bildungs- und Betreuungsqualität auf uns zu.

Kommerziell und zu Marktpreisen ist all das nicht zu erbringen, was ehrenamtlich – insbesondere im sozialen Ehrenamt – in diesem Land geschieht und geleistet wird. Deshalb freut es uns ganz ausdrücklich, dass man – bei allen Dunkelziffern, die es geben mag – nach seriösen überschlägigen

Schätzungen davon ausgehen muss, dass ein Drittel der Bevölkerung in der einen oder anderen Weise auch irgendwann einmal Funktionen und Verantwortung im ehrenamtlichen Bereich übernimmt. Damit setzt sich ein Drittel der Gesellschaft auch in irgendeiner Weise nachhaltig für andere ein.

Dies wird in vielerlei Hinsicht praktiziert: Einsatz für ältere, kranke und pflegebedürftige Menschen, Einsatz für Behinderte, Hausaufgabenhilfe für Kinder mit besonderem Unterstützungs- und Förderbedarf sowie ehrenamtliches Engagement bei Sport- und Spielangeboten.

Ein Drittel ist zweifellos eine Menge. Damit ist der Gesamtbedarf an Wünschenswertem in unserer Gesellschaft aber natürlich noch längst nicht gedeckt. Längst nicht all das, was noch möglich werden könnte, wird gegenwärtig gemacht. Deshalb muss uns in der Politik des Landes die Frage bewegen und beschäftigen, wie man die Quote noch weiter steigern kann und wie wir noch mehr Menschen dafür gewinnen können, Verantwortung in unserer Gesellschaft zu übernehmen.

Zum Ersten ist es uns als FDP-Landtagsfraktion wichtig, dass wir bürokratische Hemmnisse überall dort abbauen, wo Menschen in diesem Zusammenhang mit viel Bürokratie konfrontiert sind. Um sie dazu zu bewegen, Verantwortung zu übernehmen, muss diese Bürokratie abgebaut werden. Wir dürfen keine unnötigen Hemmnisse für die Mobilisierung weiterer Aktivitäten aufbauen. Zum Beispiel geht es hier um viele versicherungsrechtliche Fragen, die immer wieder anstehen und Menschen auch vor der weiteren Übernahme von Verantwortung zurückschrecken lassen.

Zum Zweiten müssen wir uns mit folgenden Fragen beschäftigen: Wie können wir zwischen den einzelnen Gebietskörperschaftsebenen noch intensiver synergetisch zusammenarbeiten? Wo gibt es sinnvolle Kooperationsebenen und Schnittstellen zwischen Land und Kommunen? Welche vorhandenen Angebote können wir weiter ausbauen und noch enger aufeinander abstimmen? – Diese Debatte müssen wir auch führen.

Zum Dritten wollen wir nicht nur die Bereitschaft von Privatpersonen mobilisieren, sich im Ehrenamt zu engagieren, sondern uns auch ausdrücklich darum bemühen, für ehrenamtliche Arbeiten mehr unterstützende Leistungen von Unternehmen und Organisationen zu gewinnen, die zumindest sächliche Mittel und logistische Dienstleistungen bereitstellen können, um das Zustandekommen von ehrenamtlichem Engagement in dieser Gesellschaft zu unterstützen.

Zum Vierten müssen wir schauen, wie wir junge Menschen noch früher dazu bekommen können, nicht nur Dienstleistungen anderer in Anspruch zu nehmen, sondern auch für sich selber die Prüffra

ge positiv zu beantworten und im Ehrenamt Verantwortung für andere zu übernehmen. Die Erfahrung zeigt: Je früher es gelingt, Kinder und Jugendliche in verantwortlicher Position für das Ehrenamt zu gewinnen, umso größer ist die Bindungswahrscheinlichkeit. Aufgrund der Identifikation mit diesen Tätigkeiten wird man sie, wenn man einmal in diesen Bereich eingestiegen ist, wahrscheinlich weiter praktizieren.

Gerade angesichts des demografischen Wandels ist es für unsere Gesellschaft notwendig, alle Potenziale zu mobilisieren, die potenziell zur Verfügung gestellt werden können.

Zusammenfassend kann ich noch einmal Folgendes festhalten: Niemand darf sich der Illusion hingeben, dass man alle Aufgaben, die auf uns zukommen – das werden gerade im Rahmen des demografischen Wandels auch viele neue Aufgabenstellungen sein, insbesondere was die Betreuung älterer, behinderter oder kranker Menschen angeht –, über den Markt erfüllen kann. In der Tat wird man das nicht alles durch kommerzielle Dienstleister erledigen lassen können.

Wenn die humanitäre Seite dieser Gesellschaft nicht leiden soll, brauchen wir noch mehr Ehrenamt als heute.

Herr Kollege.

Wir sollten gemeinsam alle Potenziale unserer Gesellschaft aktivieren, um dies zu ermöglichen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält Frau Kollegin Asch das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist nicht das erste Mal, dass wir in dieser Legislatur über das Ehrenamt sprechen. Ich erinnere daran: Wir haben als grüne Fraktion immer wieder betont, es geht nicht nur darum, Ehrenamt wertzuschätzen, sondern wir müssen es auch finanziell ausstatten. Besonders bedauerlich finden wir es, dass das Ehrenamt im Bereich der Eine-Welt-Arbeit sehr stark gekürzt wurde.

(Minister Armin Laschet: Wo denn?)

Die 900.000 € dafür sind von der CDU/FDPKoalition weggestrichen worden. Ich erinnere daran, dass wir mal diesen bedeutsamen Antrag der CDU/FDP-Fraktion zur Förderung des Schützenbrauchtums in diesem Landtag beraten haben.

(Minister Armin Laschet: Wichtiger Antrag!)

Im letzten September hatten wir hier einen sehr viel substanzielleren Antrag von der SPD-Fraktion zur Förderung des Ehrenamts beraten.

Wir haben alle immer wieder, auch gerade eben, gemeinsam festgestellt – das ist Konsens –, wie wichtig es ist, dass sich in unserem Land ungefähr 6 Millionen Menschen – das kann man nur schätzen, vielleicht sind es noch ein paar mehr – in ihrer Freizeit ehrenamtlich betätigen, sehr viel Zeit aufwenden, zum Teil aber auch materielle Aufwendungen haben, um sich einzubringen, diese Gesellschaft mitzugestalten, um zu zeigen, es kommt nicht immer nur darauf an, Geld für etwas zu bekommen, sondern darauf, sich gemeinsam einzusetzen, um soziale Probleme, um Integrationsprobleme und Probleme in der Bildung gemeinsam zu lösen.

Das können wir uns jetzt alle permanent wieder bestätigen. Das bringt uns aber alle nicht viel weiter. Weiterbringen würden uns Lösungen wie die, dass es Entschädigungen für ehrenamtliche Arbeit gibt. Das war ja der Vorschlag der SPD-Fraktion. Für den von uns als grüne Fraktion in den Bundestag eingebrachten Vorschlag, Steuererleichterungen zu gewähren, indem man Sachleistungen steuerlich absetzen kann, haben wir keine Mehrheit gefunden.

Wir brauchen einen wirklich tragfähigen Konsens und ebensolche Beschlüsse. Deswegen gab es aus der Ehrenamtsbewegung heraus von bürgerschaftlich engagierten Menschen den Versuch, die im Haus vertretenen Fraktionen zusammen an einen Tisch zu bringen, eine Arbeitsgruppe zu bilden und gemeinsam zu Beschlüssen zu kommen. Aber was passiert denn, liebe SPD-Fraktion, mit diesem Antrag, der jetzt auf dem Tisch liegt? Der wird abgelehnt, was sehr bedauerlich ist. CDU und FDP legen einen daneben, der inhaltlich-substanziell nicht viel hergibt. Es hätte aber etwas gebracht, wenn sich die vier Fraktionen in einem längeren Prozess auf gemeinsame, mit Substanz versehene, tragfähige Verabredungen verständigt hätten. Diese Chance haben Sie leider verspielt.

Als Ihr Antrag kam, habe ich das an die drei Instanzen rückgemeldet – zwei davon sind bei mir in Köln –: die Kölner Freiwilligenagentur, das Zentrum für Bürgerschaftliches Engagement, das Institut für Bürgergesellschaft. Ich habe die gefragt: Ist das mit euch abgesprochen? Ist das in eurem Sinne, dass dieser Antrag im Plenum beraten, abgelehnt und ad acta gelegt wird? Die haben sich alle drei ziemlich entsetzt gezeigt. Die haben gesagt, das war nicht verabredet, sondern wir hatten diesen gemeinsamen Prozess miteinander besprochen, auch wenn er vielleicht ein bisschen länger dauert. Es gab zwei oder drei Termine – drei Termine –, an denen meine Kollegin Düker teilgenommen hat. Herr Tenhumberg hat das koordiniert. Man hätte man sich in einem längeren Prozess verständigen können.

(Bernhard Tenhumberg [CDU] nickt.)

Es wäre vielleicht endlich gelungen, die über die gesamte Wahlperiode reichende Dynamik – alles, was von der Opposition kommt, wird niedergestimmt –

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])