Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Es geht um Menschen. Es geht um Menschen, die lange hier leben. Es geht um integrierte Menschen. Es geht um viele Kinder, die hier aufgewachsen sind, die hier zur Schule gehen. Wir haben eine große Gruppe aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Ländern wie Kosovo und Serbien. Wir haben aber auch viele aus Afghanistan, aus dem Irak. Das sind Kriegsflüchtlinge, die nicht in ihre Heimat zurückkönnen, die lange hier leben, aber nach wie vor keinen festen Aufenthaltsstatus und deswegen keine faire Integrationsperspektive haben.

Ich will zugestehen: Mit der Altfallregelung aus dem Jahre 2007 ist einiges passiert. Die §§ 104a und 104b sind genannt worden. Damit haben viele Tausend Menschen und ihre Familie eine Perspektive bekommen; das darf man nicht kleinreden, und das tue ich auch nicht. Aber: Viele Tausend haben es auch nicht geschafft. Ich will zwei Gruppen herausnehmen, um die wir uns nach wie vor kümmern müssen.

Die einen – Kollege Link hat sie eben genannt – sind die, die mit einer Aufenthaltserlaubnis auf Pro

be ausgestattet wurden. Das heißt, sie haben eine Chance bekommen, sich wirtschaftlich unabhängig zu machen. Die Frist ist jetzt bis zum 31. Dezember 2011 verlängert worden. Aber wie heißt es so schön im Innenministerkonferenz-Beschluss bzw. im Erlass der Landesregierung? – Es muss die Annahme gerechtfertigt sein, dass bis zum 31.12.2011 die vollständige eigene Sicherung des Lebensunterhalts gelingen kann. – Das ist das Ziel.

Da fallen natürlich viele heraus, die aufgrund ihrer Qualifikation gar nicht die Chance haben, einen solchen Job zu bekommen. Denn es geht hier mitnichten um Hartz IV, es geht nicht um ein Einkommen analog Hartz IV, sondern da werden noch die Freibeträge draufgerechnet. Das heißt für eine Familie manchmal Hartz IV plus 20 % oder 30 %. Das sind hohe Hürden gerade für große Familien. Und das sind Menschen, die jahrelang vom Arbeitsmarkt faktisch ausgeschlossen waren, die das gar nicht schaffen können.

Herr Kruse, deshalb geht das Innenministerium selbst nach grober Schätzung davon aus – so heißt es in einer Information an den Innenausschuss –, dass von den insgesamt fast 12.000 Personen in NRW, die diese Probeerlaubnis haben, nur ca. 6.000, also nur die Hälfte dieser Menschen, von dem Beschluss der IMK bzw. der Anordnung des Innenministeriums profitieren können. Das heißt, hier ist es nicht gelungen, eine nachhaltige Lösung zu finden.

Die zweite Problembaustelle ist der Stichtag. Die Zeit, die sie hier verbracht haben müssen – sechs Jahre bzw. acht Jahre für Alleinstehende –, ist mit einem Stichtag verbunden, nämlich dem Jahr 2007. Wir alle wissen, dass wir nach wie vor geduldete Menschen haben, die zwar jetzt die Voraussetzungen erfüllen würden, aber 2007 noch nicht genügend Jahre vorzuweisen hatten.

Das heißt, die Stichtagsregelung grenzt diejenigen aus, die in diese Zeiten sozusagen hineinwachsen. So will ich es einmal nennen. Das heißt, wir haben zwar zu einem bestimmten Stichtag eine Problemlösung, die aber nicht für die folgenden Jahrgänge gilt. Dieser Stichtag löst das Problem also auch nicht.

Es gibt eine dritte Problemgruppe – ich will sie noch einmal nennen –, die mir besonders am Herzen liegt. Nehmen Sie sich doch einmal den Buchstaben C in Ihrem Parteinamen zu Herzen! Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben nämlich auf diese Problemgruppe hingewiesen. Das sind diejenigen, die – ohne eigenes Verschulden – ihren Lebensunterhalt nie werden sichern können, weil sie alt oder krank sind. Solange wir die wirtschaftliche Unabhängigkeit ohne humanitäre Komponente als Kriterium festschreiben, werden diese Menschen herausfallen.

Man muss es sich einmal vorstellen: Es sind ältere Menschen, Rentner, die keinen eigenen Unterhalt haben und von ihren Familien mitversorgt werden. Dann ginge es ja eigentlich noch. Man könnte sagen: Sie werden von ihren Familien mitversorgt, dann können sie davon profitieren. – Nein, sie müssen eine eigene Krankenversicherung nachweisen. Jetzt fragen Sie sich einmal, welcher 65Jährige noch in eine private Krankenversicherung kommt und in der Lage ist, das zu bezahlen.

Das sind Hürden, die für diese Zielgruppe nicht zu meistern sind. Aus meiner Sicht brauchen wir also auch eine humanitäre Komponente. Ich appelliere noch einmal an Sie, an das C in Ihrem Parteinamen, und erinnere an die Resolution beider großer Kirchen. Diese Komponente fehlt.

Die fehlt mir im Übrigen auch im SPD-Antrag. Deswegen haben wir einen eigenen Entschließungsantrag dazu formuliert.

Was die Bleiberechtsregelung betrifft, die wir haben, kann man sagen: Das Glas ist halb voll, aber es ist eben auch halb leer. – Wir müssen jetzt handeln, bevor wieder eine Frist verstreicht, bevor wieder Menschen von Abschiebung bedroht sind und bevor sich die Problemfälle wieder akkumulieren. Wir müssen auch jetzt im Bundesrat tätig werden und die Zeit für eine Lösung dieser Problemfälle nutzen. Ich bitte herzlich um Zustimmung. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Düker. – Für die Landesregierung spricht jetzt der Innenminister, Herr Dr. Wolf.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Beginn der Legislaturperiode hat es drei Bleiberechtsregelungen gegeben: 2006, 2007 und auch 2009. Die Zahl der in Nordrhein-Westfalen geduldeten Ausländer hat sich von etwa 57.000 im Jahr 2006 auf 27.000 im Jahr 2009 reduziert. Aufgrund der Bleiberechtsregelungen 2006 und 2007 sind allein in Nordrhein-Westfalen rund 23.500 Aufenthaltserlaubnisse erteilt worden. Durch die IMK-Regelung aus dem Jahr 2009 wird der Aufenthaltsstatus zahlreicher Ausländer gesichert.

Die Lebensunterhaltssicherung der Betroffenen war und ist Kern jeder Bleiberechtsregelung und muss es auch künftig grundsätzlich bleiben. Die in dem vorliegenden Antrag aufgestellten Forderungen würden den gesellschaftspolitischen Konsens über ein Bleiberecht für integrationswillige langjährige Geduldete infrage stellen und sind daher abzulehnen. Dies gilt insbesondere für die Forderung nach Beendigung der Kettenduldung.

Das Aufenthaltsgesetz folgt bereits dem Grundsatz, dass derjenige, der schutzbedürftig ist oder unverschuldet nicht in sein Heimatland zurückkehren kann, regelmäßig ein Aufenthaltsrecht erhält. Kettenduldungen für anerkannt schutzbedürftige Personen gibt es grundsätzlich nicht.

Kein Aufenthaltsrecht hat der Gesetzgeber allerdings für diejenigen vorgesehen, denen die Erfüllung ihrer Ausreisepflicht grundsätzlich möglich ist, die sich aber nicht rechtstreu verhalten haben. Das sollte Frau Düker ab und an zur Kenntnis nehmen. Da geht es um rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte, wonach die Ausreise zu erfolgen hat.

Die gesetzliche Verpflichtung der Ausländerbehörden, die Ausreisepflicht durchzusetzen, muss in der Praxis oft ausgesetzt werden. Wenn und solange der Heimatstaat die Betroffenen nicht zurückzunehmen bereit ist oder die Beschaffung von Einreisedokumenten aufgrund fortgesetzter Identitätstäuschung unmöglich ist, erhalten die Betroffenen eine Duldung. Wer diese aber als Kettenduldungen bezeichnet, die abzustellen seien, verkennt, dass die gesetzliche Ausreiseverpflichtung in diesen Fällen bestehen bleibt.

Allerdings finden sich in dieser Gruppe auch Ausländer, deren längerer – auch geduldeter – Aufenthalt zu einer faktischen Integration in die hiesigen Verhältnisse geführt hat. Die Kinder besuchen Kindergarten oder Schule; die Erwachsenen üben eine erlaubte Erwerbstätigkeit aus. Mit dieser zunehmenden Verwurzelung geht oft eine Entfremdung vom Heimatstaat einher.

Hier kann es keine bloße NRW-Lösung geben. Die Landesregierung unterstützt die Bemühungen des Bundes, diesen Ausländern eine verlässliche Aufenthaltsperspektive zu vermitteln. Die politische Grundentscheidung in dieser komplexen Materie muss aufgrund ihrer Reichweite aber der Bundesgesetzgeber treffen. Die Bundesregierung will die Problematik noch in dieser Legislaturperiode angehen.

Die von den Antragstellern weiter geforderte Einbeziehung von Probetitelinhabern ist überflüssig; denn der jüngste IMK-Beschluss enthält bereits eine sachgerechte Anschlussregelung. Denjenigen, die die gesetzlichen Verlängerungskriterien zum Jahresende 2009 nicht erfüllt haben, bietet er für zwei weitere Jahre eine Aufenthaltsperspektive.

Schon mit Blick auf die Akzeptanz von Bleiberechtsregelungen in der Öffentlichkeit ist auch die geforderte Absenkung der Anforderungen an die Lebensunterhaltssicherung nicht akzeptabel. Zudem würde dies zu einer nicht zu rechtfertigenden Privilegierung gegenüber allen anderen Ausländern führen.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Entsprechend gesetzlicher Vorgaben sollten durch die IMK-Regelung von 2006 und die gesetzliche Altfallregelung des Bundes nur diejenigen begünstigt werden, die auf Dauer eine vollständige und nachhaltige wirtschaftliche Integration erwarten lassen. Den aufgrund der aktuellen Wirtschaftskrise erschwerten Bedingungen für die Aufnahme und Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit trägt der jüngste IMK-Beschluss Rechnung.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Zur Forderung nach einem Aufenthaltsrecht für Personen mit Schulabschluss seien die Antragsteller darauf hingewiesen, dass die nordrheinwestfälische Bleiberechtsanordnung aus dem Jahr 2009 für gut integrierte junge Ausländer mit Schulabschluss unter bestimmten Voraussetzungen bereits ein Aufenthaltsrecht vorsieht. Zudem ist bundesgesetzlich geregelt, wie beruflich qualifizierte Geduldete einen rechtmäßigen Aufenthalt zur Ausübung einer der Qualifikation entsprechenden Beschäftigung erlangen können.

Auch das von den Antragstellern geforderte erleichterte Aufenthaltsrecht nach zehnjährigem Aufenthalt ist abzulehnen. Ziel der Bleiberechtsregelung war es, den seit Jahren hier gut integrierten ausreisepflichtigen Ausländern eine dauerhafte Perspektive zu geben. Deshalb sind an das Aufenthaltsrecht zu Recht Bedingungen, wie etwa das Beherrschen der deutschen Sprache, regelmäßiger Schulbesuch der Kinder oder das Fehlen erheblicher Straftaten, geknüpft. Hieran ist festzuhalten. Der Antrag der SPD geht weit darüber hinaus und ist deswegen abzulehnen. Dies gilt in gleicher Weise für den Entschließungsantrag der Grünen. Auch hierzu habe ich schon alles erklärt.

Allerdings weise ich die Unterstellung, die Information über die Fristen nach der Anordnung der Innenministerkonferenz von Dezember 2009 sei den Flüchtlingsberatungsstellen überlassen worden, entschieden zurück. Die Betroffenen hatten einen auf den 31. Dezember 2009 befristeten Titel und waren deshalb gehalten, sich von sich aus bei den Ausländerbehörden zu melden. Angesichts der breiten öffentlichen Diskussion über die Verlängerung der gesetzlichen Altfallregelung kann sich niemand glaubhaft darauf berufen, unwissend gewesen zu sein.

Auch ist die Antragsfrist 10. Februar 2010 in der Anordnung bereits großzügig bemessen. Die Anordnung vom 17. Dezember 2009 sieht zudem vor, dass jeder Antrag auf Verlängerung zugleich im Sinne der neuen Anordnung verstanden werden sollte. Eine Fristverlängerung ist daher nicht angezeigt. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Wolf.

Meine Damen und Herren, wir kommen erstens zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/10636. Die antragstellende Fraktion hat um direkte Abstimmung gebeten. Somit stimmen wir jetzt ab. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Grüne und SPD. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/10784. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD und Grüne. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf:

10 Einstimmigen Landtagsbeschluss zum Nachtflugverbot für Passagierflüge am Flughafen Köln/Bonn endlich umsetzen!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/10743

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/10812

Ich eröffne die Debatte und erteile Herrn Becker von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im August 2007 hat der Landtag auf einen Antrag hin, den wir im Dezember 2006 gestellt hatten, letztlich durch einen Entschließungsantrag einen einstimmigen Beschluss gefasst, in dem die Landesregierung aufgefordert worden ist, das nächtliche Passagierflugverbot am Flughafen Köln/Bonn umzusetzen.

Seinerzeit haben Vertreter von CDU und FDP ausweislich des Protokolls erklärt, sie gingen davon aus, dass das in absehbarer Zeit umgesetzt werden solle, und sich auch dafür ausgesprochen – namentlich Frau Brüning und Herr Rasche.

Herr Papke hat kurz darauf in einem Interview im „General-Anzeiger“ gesagt – ich zitiere wörtlich –, frühestmöglich wollten er und die FDP-Landtagsfraktion eine Kernruhezeit für Passagierflieger am Flughafen Köln/Bonn erreichen. Das bedeute, dass nicht erst 2015, sondern schon ab 2010 oder früher in den Nachtstunden zwischen 0 und 5 Uhr auf den Passagierverkehr verzichtet werden solle.

Meine Damen und Herren, die Wirklichkeit ist eine andere – auch deswegen, weil der damalige Verkehrsminister Wittke, CDU, seinerzeit dem Flugha

fen ausweislich der Flughafenprotokolle zugesagt hat, er denke überhaupt nicht daran, eine solche Regelung umzusetzen.

Es ist auch deswegen eine andere Situation, weil die Möglichkeit, die auch Herr Papke in dem eben zitierten Interview eingeführt hat – dass man nämlich auch über die Anteile des Landes mittels der Beteiligungsgesellschaft tätig werden könne –, nicht genutzt worden ist, obwohl wir das im September 2007 wiederum in einem Antrag gefordert haben.

In der entsprechenden Landtagssitzung sind die Landesregierung und übrigens auch die Vertreter der Koalitionsfraktionen schon weitestgehend von dem nur einen Monat vorher gefassten Beschluss abgerückt. Ich zitiere beispielhaft Herrn Wittke, der dort ausgeführt hat:

… die Einführung einer Kernruhezeit im Passagierflugbetrieb am Flughafen Köln/Bonn ist im Hinblick auf die gegebene Genehmigungslage derzeit nicht umsetzbar. Der Flughafen verfügt über eine bestandskräftige Genehmigung des Flugbetriebes.

Meine Damen und Herren, diese Feststellung war falsch und ist falsch. Sie ist übrigens auch deswegen falsch, weil diese Frage in der Nachtflugregelung explizit vom Bestandsschutz ausgenommen worden ist – auch in der gültigen Nachtflugregelung, die Sie noch einmal verlängert haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was heißt das? Das heißt, dass wir jetzt als Landtag gefordert sind, vorzugeben, bis wann diese Regelung durchgesetzt werden soll. Wenn Herr Papke früher sagte, bis spätestens 2010, und nichts passiert ist, sollte man jetzt pragmatisch sagen, bis spätestens Sommer 2011, und nicht das tun, was Sie heute begehren, nämlich noch einmal den gleichen Beschluss wie 2007 fassen – einen Beschluss, von dem Sie sich alle einen Monat später schon distanziert haben und den Sie bis heute nicht umgesetzt haben.