Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Aber natürlich müssen auch Bekenntnisschulen manchmal abweisen. Das hat aber nichts mit Religion, mit Diskriminierung oder mit Menschenverachtung zu tun. Denn auch in Zeiten, in denen die Kinderzahlen zurückgehen, gibt es Schulen, die mehr Anmeldungen verzeichnen, als sie Plätze haben. Warum ist das so? Das sind Schulen, die einen besonders guten Ruf haben oder ein spezielles

Angebot vorhalten. In diese Kategorie gehören die Bekenntnisschulen, und zwar häufig dort, wo es nur wenige gibt. Dort kommt es dann notwendigerweise zu Abweisungen.

Aber das gilt nicht nur für Bekenntnisschulen. Nehmen Sie das Beispiel der Montessorischulen. Sie machen ein relativ seltenes und von vielen Eltern geschätztes Angebot. Würden Sie, sehr verehrte Damen und Herren von den Grünen, behaupten, diese Schulen würden Kinder diskriminieren, wenn sie nicht alle aufnehmen können? Natürlich tun Sie das nicht. Sie machen diesen Vorwurf auch nicht den Gymnasien oder Gesamtschulen, die Kinder abweisen. Im Gegenteil: Sie fordern mehr Schulen dieser Art.

Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass Sie überall dort, wo Bekenntnisschulen Kinder abweisen müssen, ähnlich sensibel auf den Elternwillen reagieren würden. Das aber tun Sie nicht. Somit stellt sich die Frage, warum nicht.

(Beifall von der CDU)

Ich erkenne bei Ihnen einen irrationalen Rückfall in die ideologischen Anfänge, als die Grünen noch fester Bestandteil des linken Milieus waren.

(Beifall von der CDU – Ralf Witzel [FDP]: Das sind sie heute noch!)

Alles, wo auch nur anscheinend Kirche drin war, war reaktionär, schlecht und widersprach dem lichten Aufklärertum, dem sich die emanzipatorische Bewegung verschrieben hatte.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Ich bekenne mich: Ich bin aktives Mitglied der evangelischen Lan- deskirche von Westfalen!)

Diese Wahrnehmung, liebe Freunde von den Grünen, war damals schon krumm und schief. Heute ist sie nur noch ein Rückschritt in die Infantilität. Liebe Grüne, kommen Sie wieder zurück aus Ihrer ideologischen Steinzeit. Lassen Sie die Bekenntnisschulen in Ruhe! Wer wie Sie, Frau Löhrmann, aus dem hoch angesehenen Essener Gymnasium Beatae Mariae Virginis kommt, sollte sich für solche latent antikirchliche Affekte zu schade sein.

(Lachen von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Hören Sie auf, das wichtige Thema Integration zu instrumentalisieren.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das tun wir nicht!)

Nicht die Bekenntnisschulen sind das Problem, sondern die jahrelang zu geringe Förderung der Kinder und Jugendlichen mit einer Zuwanderungsgeschichte. Gerade in Nordrhein-Westfalen wurde die Kompensation herkunftsbedingter Bildungsrückstände bis 2005 sträflich vernachlässigt, von PISA belegt.

(Beifall von der CDU)

In keinem anderen Bundesland ist dieser schmähliche Zustand nach 2005 wieder zum Besseren gewendet worden wie in NRW, auch belegt durch PISA.

(Beifall von der CDU – Widerspruch von Sig- rid Beer [GRÜNE])

Denken Sie nur an die Sozialindex-Lehrerstellen.

(Beifall von Walter Kern [CDU] – Sigrid Beer [GRÜNE]: Genau!)

Hören Sie also auf, Schulen zu verunglimpfen, und kommen Sie zurück in die Wirklichkeit. Ich bleibe bei meinem schulpolitischen Credo: Lasst viele bunte Blumen blühen. Gerade die schönsten Blumen sind die 1.034 katholischen, 103 evangelischen und übrigens auch die zwei jüdischen Bekenntnisschulen. – Danke.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Solf. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Witzel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir dürfen seit Langem in diesem Hause beobachten – jetzt natürlich zugespitzt im Vorfeld der Landtagswahl in den nächsten Wochen –: Der Einheitsschulwahn der Grünen macht nun wirklich vor nichts mehr halt. Ich begrüße ausdrücklich, dass sich die SPD klar davon abgrenzt und das Hohe Haus darauf hinweist, dass sie dem nicht viel Umsetzungsperspektive zutraut.

Die FDP-Landtagsfraktion steht zu den konfessionellen Schulen ebenso, wie wir an anderer Stelle auch zu Schulen in privater Trägerschaft stehen. Wir wollen Vielfalt statt Einfalt.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das ist scheinheilig!)

Jeder muss sich frei entscheiden können.

(Lachen von Frank Sichau [SPD])

Auch wenn man selber keine Montessorischule besucht, ist es richtig, anderen, die sich für dieses pädagogische Profil entscheiden, einen solchen Schulbesuch zu ermöglichen. Das gilt für Waldorfschulen, das gilt für freie Schulen. Denn das macht Vielfalt aus. „Privat vor Staat“, Vielfalt statt Einfalt – das ist Leitmotiv unseres Handelns und nicht die vom Staat verordnete Vereinheitlichung.

Genau das zeigt sich auch, denn wenn Eltern am Markt frei entscheiden können, dann werden diese Angebote angenommen. Deshalb haben wir auch diesen Zuspruch zu entsprechenden Bekenntnisschulen, genauso wie es an anderer Stelle wachsenden Zuspruch zu Privatschulen gibt.

Deswegen, Herr Sichau, stellen wir uns sehr gerne jeder Schulstrukturdebatte. Sie haben in den letz

ten Wochen bei Ihrer Wahlkampfstrategie versucht, gerade die Erfolge dieser Koalition der Erneuerung bei Sachthemen in der Debatte zu vermeiden, indem Sie hier Diskussionen über ganz andere Fragen geführt haben. Wir wünschen uns den programmatischen Diskurs ja ausdrücklich, denn da sind wir gut aufgestellt.

(Beifall von der FDP)

Zu den Grünen: Ich erkläre es Ihnen heute noch einmal, auch wenn ich bei Ihnen wenig Hoffnung habe, dass das auf fruchtbaren Boden fällt. Ich gebe mir aber Mühe und versuche es. Es betrifft immer wieder die Diskussion um das Elternrecht. Für uns als Koalition ist klar, dass es qualitative Eingangsvoraussetzungen für Bildungsgänge geben muss. Das mögen Sie anders sehen. Sie mögen sagen: Jeder soll alles machen können, jeder soll studieren – auch ohne Hochschulzugangsberechtigung. Jeder soll Auto fahren können – auch ohne Führerschein. Das mag ja Ihrer Haltung entsprechen, wir aber sehen es nicht so. Wir meinen: Es muss qualitative Eingangsvoraussetzungen für Bildungsgänge geben. Deshalb gibt es beim Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule selbstverständlich eine Eignungsfeststellung.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Deshalb gibt es einen Probeunterricht, der dies noch einmal evaluiert und der mit vielen Chancen verbunden ist. Deshalb ist im Schulgesetz – das gab es bei Ihnen unter Rot-Grün nicht – eine jährliche Aufstiegsfeststellung für andere Schulformen festgelegt.

(Beifall von der FDP)

Genau das zeigt den Erfolg der Politik der Koalition der Erneuerung. Bei Ihnen kamen auf einen Schulformaufstieg 15 Abstiege. Bei uns ist die Relation 1:7,

(Beifall von FDP und CDU)

weniger als die Hälfte, weil wir uns genau das zum Ziel gesetzt haben, aber basierend auf der sachgerechten Kenntnis und Leistungsfähigkeit, die Schüler mit sich bringen.

Wenn aber diese Eignungsfrage einmal entschieden ist, dann gibt es eine freie Schulwahl, frei von Grundschulbezirken. Da wird niemand in seinem sozialen Umfeld eingesperrt.

(Lachen von Sigrid Beer [GRÜNE])

Da wird niemand davor geschützt, dass Schüler anderer Stadtteile seine Schule vor Ort besuchen. Wir wollen eine freie Schulwahl, die freie Entscheidung für eine öffentliche oder private Trägerschaft, die freie Entscheidung für eine konfessionell geprägte Schule oder für eine Gemeinschaftsgrundschule. Darüber reden wir heute.

Jetzt versuchen die Grünen wieder einmal mit dem Hinweis, was in der Zeitung stehe, stimme alles gar nicht, Unfallflucht zu begehen. Ich fordere Sie auf, Frau Löhrmann und Frau Beer, erklären Sie vor diesem Hohen Hause: Stimmt das, was in der „Rheinischen Post“ steht, oder stimmt es nicht? Hier steht, Frau Löhrmann: Die Grünen kritisieren die soziale Spaltung in den Stadtteilen durch konfessionelle Grundschulen. Zitat: Das wollen wir ändern. – Wenn dies ein wörtliches Zitat von Ihnen ist, dann sagen Sie es hier, und wenn das nicht von Ihnen ist, dementieren Sie es, aber werfen Sie keine Nebelkerzen!

(Beifall von FDP und CDU – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Frau Beer sagt – Zitat „Rheinische Post“ –: Die Bekenntnisschulen riskieren zukünftig ihren Status. – Stimmt das Zitat wörtlich, oder stimmt es nicht? – Und Sie verweisen darauf, Frau Beer, dass es in anderen Bundesländern überhaupt keine Bekenntnisschulen gibt und dass das im Schulsystem gar nicht zwingend notwendig ist. War das so gemeint? Ist dieses wörtliche Zitat eine Ankündigung, oder ist es das nicht? – Es wäre für dieses Hohe Haus sehr aufschlussreich, das zu erfahren.

(Beifall von FDP und CDU – Sigrid Beer [GRÜNE]: Stimmt so!)

Ein letzter Hinweis zur amtlichen Schulstatistik.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Frau Beer, da können Sie hier in den Raum rufen, was Sie wollen – aber so können Sie doch einmal die Fakten zur Kenntnis nehmen, auch wenn Sie immer sehr beratungsresistent sind.

Zur Verteilung der Konfessionen an Bekenntnisschulen. Wir haben in der Summe aller Schulen – inklusive der Gemeinschaftsgrundschulen – einen Anteil an Kindern mit islamischem Glauben von 14 % und an evangelischen, konfessionell geprägten Schulen einen Anteil von 11 %. Wollen Sie mir sagen, dass die 14 % Durchschnitt gut sind, aber die 11 % an evangelischen Bekenntnisschulen die soziale Ausgrenzung sind? – Wenn Sie das glauben, dann ist das wirklich gaga.

(Beifall von FDP und CDU)