Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Unsere jetzige Finanzierung ist auf verlässliche Füße gestellt. Dass es immer Verbesserungsbedarf gibt, bezweifeln wir doch gar nicht. Insbesondere das Vorliegen von Spitzen bei der Belegung von Frauenhäusern in Ballungsgebieten ist unbestritten. Wie Sie im Frauenausschuss zur Kenntnis nehmen konnten, hat die Landesregierung bereits eine Platzbedarfsanalyse durchgeführt und arbeitet an

der Lösung dieses Problems innerhalb des bestehenden Systems. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Laschet das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unter der Überschrift „Die Zeit der Sonntagsreden ist vorbei“ fordern die Grünen die Landesregierung auf, sie müsse endlich ihrem staatlichen Auftrag nachkommen, Frauen und Kinder vor häuslicher Gewalt zu schützen.

Das soll ein Anstoß sein. Nützlich ist er aber nicht; denn es ist nicht so, dass in den letzten Jahren und Jahrzehnten nichts geschehen ist.

Ich weiß nicht, ob es die letzte Rede von Frau Gießelmann war. Jedenfalls hat sie in ihrer Rede Bilanz ihrer Arbeit in den letzten 20 Jahren gezogen. Deshalb möchte ich sagen: Es ist in der Tat eines der Verdienste auch sozialdemokratisch geführter Regierungen, dass wir in Nordrhein-Westfalen diese vorbildliche Struktur haben. Deshalb sollten wir diese auch nicht so schlechtreden, Frau Steffens.

(Beifall von der CDU)

Die Struktur in Nordrhein-Westfalen ist vorbildlich. Zu Beginn der Legislaturperiode haben wir etwas über die vierte Stelle verändert, über die wir schon viel gestritten haben. An der von Frau Gießelmann beschriebenen Infrastruktur hat sich jedoch nichts geändert. Frauenberatungsstellen, Frauennotrufe und Frauenhäuser gibt es in gleicher Zahl, wie es sie zu Beginn dieser Legislaturperiode gab. Selbst bei allem parteipolitischen Streit sollten wir das, was wir an wertvollen Dingen im Lande haben, auch bundesweit selbstbewusster vertreten. Wenn ich im letzten Jahr bei der Frauenministerkonferenz mit den Kolleginnen diskutiert habe, hat man meistens gesagt: Was ihr Nordhrein-Westfalen habt, ist etwas, was wir uns bei uns wünschen würden.

Sie haben eine Tabelle gezeigt. Mit Tabellen kann man alles machen. Schon Adenauer hat gesagt: Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selber gefälscht habe. – In dieser Statistik übersehen Sie, dass wir zusätzlich zu den 62 Frauenhäusern 55 allgemeine Frauenberatungsstellen, 47 Fraueninitiativen gegen sexualisierte Gewalt und acht Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel haben.

(Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Im Rahmen der vom Innenminister zu verantwortenden Gesetzgebung finden zunehmend Wohnungsverweisungen statt. Die Frauen brauchen aber ambulante Betreuung. Insofern ist diese Infra

struktur der Sachlage viel angemessener als die Tabellen, die Sie eben vorgetragen haben.

Bedarfsgerecht, flächendeckend, nachhaltig und ganzheitlich sind die wohlklingenden Attribute, mit denen die Grünen ihre Forderungen flankieren. Politik ist und bleibt aber die Kunst des Machbaren. Natürlich sind solche Forderungen plakativ. Sie zeigen zwar in die richtige Richtung, doch sie werden der differenzierten Wirklichkeit, die wir im Lande haben, nicht gerecht. Sie sagten, es gibt ab und an einmal einen freien Platz in einem Frauenhaus. Sie wissen, die Auslastung liegt bei 78 %.

(Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Ja, jetzt. Logischerweise jetzt. Wie es in drei Jahren aussieht, weiß ich nicht.

Jetzt liegt sie bei 78 %. In den Großstädten liegt sie manchmal darüber. Das gestehe ich zu. Es ist aber nicht so, dass jemand abgewiesen würde, weil kein Platz vorhanden ist. Das wiederholen Sie immer wieder im Ausschuss. Bei der derzeitigen Auslastung in den Häusern kann man von Bedarfsdeckung sprechen.

Sie machen sich mit Ihrem Antrag die Forderungen der LAG Autonomer Frauenhäuser zu Eigen, die diese mit ihrer Kampagne „Schwere Wege leicht gemacht“ offensiv vertritt. Sie erweitern sie dann auf Frauenberatungseinrichtungen. Das macht die Realisierbarkeit nicht einfacher, Frau Steffens. Sie werden ja nicht in die Verlegenheit kommen, dass Sie das mal in einer Regierung umsetzen müssen.

(Widerspruch von den GRÜNEN)

Aber wenn Sie mal in diese Verlegenheit kämen, würden Sie sehen, wie schwierig in Zeiten der Haushaltskonsolidierung solche unrealistischen Forderungen sind.

(Zuruf von Bernhard Tenhumberg [CDU] – Barbara Steffens [GRÜNE]: Das ist eine Frage der Prioritätensetzung!)

Der Gedanke eines individuellen Rechtsanspruchs für jede von Gewalt betroffene Frau und ihre Kinder auf Schutz, Zuflucht und Betreuung unabhängig vom Einkommen, Aufenthaltsstatus und Wohnort ist verlockend. Das sind verlockende Forderungen. Keine bürokratischen Abrechnungen im Frauenhaus, keine Fragen nach Einkommen und Vermögen bei der betroffenen Frau, keine schwierige Rückabwicklung – alles verlockende Dinge.

Doch leider haben Sie es bisher versäumt, realistische Wege für die Umsetzung einer solchen Maximalforderung aufzuzeigen. Es gibt nach Ihrer Auffassung auch kein einziges Land, das eine wirklich befriedigende Regelung für die Finanzierung der Frauenhäuser gefunden hätte. Und wenn das nur daran läge, dass da keine Grünen sind: Sie haben ja auch mal in ein paar Bundesländern mitregiert. Und die Sozialdemokraten haben in manchen Bun

desländern sogar absolute Mehrheiten gehabt, zum Beispiel in Rheinland-Pfalz, führen rot-rote Regierungen. Die stehen unter dem gleichen Konsolidierungszwang wie die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Es gibt in Amerika Plantagen, wo Geldbäume wachsen! Die muss man nur abgreifen!)

Natürlich stehen die Frauenhäuser auch vor Problemen. Ich will das gar nicht schönreden, Frau Steffens. Diese Probleme sind zum einen in den wegbrechenden kommunalen Finanzen begründet. Sie haben das beschrieben. Das ist ein ganz wichtiges Problem: dass kommunale Finanzen wegbrechen. Aber auch da ist es doch klug – auch für eine Opposition –, nicht immer zu sagen: Landesregierung – die ja selbst unter dem Zwang zur Konsolidierung des Landeshaushalts steht –, löse all diese Probleme!

Wir sind froh, dass in diesen Tagen zum ersten Mal mit einer Bundesregierung strukturiert Gespräche über die Finanzsituation der Kommunen begonnen haben. Das hat es seit Adenauers Zeiten nicht gegeben. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben, dass sie sich der Kommunen annimmt. Ich denke, dass diese Frage jedenfalls nicht alleine von einem Bundesland beantwortet werden kann.

(Beifall von der CDU)

Herr Minister, Sie kommen jetzt bitte auch zum Schluss.

Natürlich wird sich die Landesregierung auch weiter um die Frage der Erstattungsschwierigkeiten zwischen den Kommunen kümmern, um die bestehenden bürokratischen Hindernisse abzubauen.

Wir werden – Frau Gießelmann, das können wir Ihnen versprechen – das, was Sie uns als Auftrag für die nächste Wahlperiode mitgegeben haben, sicher erfüllen. Über alle Parteigrenzen hinweg, glaube ich, wird das Klima im Frauenausschuss eines sein, das diese ernsthafte Frage – nämlich der Gewalt gegen Frauen zu begegnen, die immer noch zu häufig vorkommt -beantworten hilft.

Ich bekomme manchmal Briefe, in denen gefragt wird: Brauchen wir noch ein Frauenministerium? – Denen erkläre ich: Die Frage von Gewalt an Frauen ist noch nicht gelöst. Sie ist leider Realität. Deshalb werden wir auch im nächsten Landtag weiter an einer Verbesserung arbeiten.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laschet. – Für die grüne Fraktion hat sich Frau Düker zu Wort gemeldet.

(Zurufe von der CDU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade, dass unsere Justizministerin das Parlament gerade verlassen hat; denn auch in ihre Richtung geht mein Appell. Ich kann – auch als Rechtspolitikerin – nur feststellen, dass wir in diesem Land ein eklatantes Missverhältnis zwischen Strafverfolgung und Opferschutz haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben ein gutes Gewaltschutzgesetz auf den Weg gebracht. Wir haben in der letzten Legislaturperiode ein Polizeigesetz mit einem Wegweisungsrecht geschaffen. Alles wunderbar! Und was haben wir damit erreicht? Auch etwas Wunderbares: dass wir nämlich das Thema „häusliche Gewalt“ aus einem bisher nie dagewesenen Dunkelfeld ins Hellfeld geholt haben. In Großstädten wie Dortmund und Essen sind auf einmal an die 1.000 Fälle pro Jahr sichtbar geworden. Alles wunderbar, Herr Laschet!

Aber was ist mit den Opfern? Wir haben einen Strafverfolgungszwang. Wir haben einen verfassungsgemäßen Rechtsgewährungsanspruch. Alles klasse geregelt! Aber was passiert mit den Opfern? Die bleiben in dieser Angelegenheit aus meiner Sicht leider auf der Strecke. Mit der Aufhellung des Dunkelfeldes haben wir die Opfer nicht ausreichend abholen können.

Wir haben eine defizitäre Infrastruktur. Da reicht es nicht, Herr Laschet – und das mache ich Ihnen zum Vorwurf –, gemeinsam mit dem Innenminister festzustellen, was für tolle Gesetze wir haben, dann eine Kampagne aufzulegen, ein paar Postkarten gegen Gewalt und gegen Zwangsehe zu verteilen, aber die Opfer bei der konkreten Hilfe im Regen stehen zu lassen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Opferschutz gehört auch zur Rechtspolitik. Deswegen ist es auch eine Aufgabe der Justizministerin. Ich weiß noch, dass sie bei der letzten Veranstaltung des Weißen Ringes, der Operschutzorganisation, hier in Düsseldorf den Opferschutz als ein großes Anliegen bezeichnet hat – und in den Haushaltsplänen dann keinerlei Aufstockung für den gestiegenen Bedarf stattfand. Dieses Missverhältnis, das ist Kennzeichen Ihrer Regierung. Und das werden wir ändern!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr.

Wir kommen zur Abstimmung. Erstens stimmen wir über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Frauenpolitik Drucksache 14/10704 ab, den Antrag der Fraktion der Grünen Drucksache 14/10146 abzulehnen. Wer stimmt dieser Ablehnungsempfehlung zu? – CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – Grüne und SPD. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Empfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen zugestimmt und der Antrag abgelehnt.

Zweitens stimmen wir über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/10802 ab. Wer stimmt diesem Antrag zu? – SPD und Grüne. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dieser Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Wir sind am Ende unserer heutigen Sitzung, meine Damen und Herren.

Die nächste Sitzung findet am Mittwoch, dem 24. März 2010, 10 Uhr, statt – vorausgesetzt der Ältestenrat entscheidet nicht noch, dass wir schon am Dienstag, dem 23. März 2010, nachmittags eine Plenarsitzung haben.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend und eine gute Heimfahrt.

Die Sitzung ist geschlossen.