Und natürlich sind wir hier nicht in Russland, lieber Kollege Sichau. Mehr Schein als Sein – nein. Ich habe jedenfalls bisher von niemandem gehört, dass es zurzeit Probleme hinsichtlich der Gewährung von PKH gäbe. Bei mir hat sich noch niemand beschwert, dass zu restriktiv verfahren würde.
Sie können sich die Verhältnisse in Russland demnächst auch persönlich einmal anschauen, Herr Sichau. Sie werden ja die Zeit haben, zu reisen. Das gönne ich Ihnen auch. Ich weiß, dass Sie gerne
reisen und gerne Eindrücke mitnehmen. Ich freue mich natürlich auch darauf, wenn wir uns nach dieser Legislaturperiode hier und da einmal sehen und Sie dann von Ihren Eindrücken aus der Welt berichten. Ich verspreche Ihnen, dass ich dann darüber nachdenke, ob wir die hier in reale Politik umsetzen können.
Damit bin ich auch schon am Ende meines Beitrags, denn ich will nicht alles wiederholen, was wir schon letztes Mal gesagt haben.
Abschließend möchte ich noch Ihnen, Herr Sichau, danken. Das sage ich jetzt nicht als FDP-Sprecher, sondern – ich wechsele einmal kurz den Hut – als Vorsitzender des Rechtsausschusses. Wir haben zehn Jahre miteinander für die Rechtspolitik gerungen. Ich muss sagen: Ich habe es immer als sehr fair empfunden. Sie haben über die gesamten Jahre, egal, ob Sie in Regierungs- oder Oppositionsverantwortung waren, immer schonungslos um die Sache gestritten. Das ist mir besonders aufgefallen, und das fand ich gut. Dafür möchte ich mich namens des Ausschusses ganz herzlich bei Ihnen bedanken.
Sie haben immer auch eine bestimmte Ebene, die vielleicht der eine oder die andere manches Mal unbedacht oder bedacht überschreitet, nie überschritten. Auch dafür möchte ich mich bei Ihnen ganz herzlich bedanken. Es war eine faire und gute Zeit. Wie gesagt: Ich wünsche mir, dass wir uns bei anderer Gelegenheit wiedersehen. Und obwohl Sie Sozialdemokrat sind, freue ich mich über Ihre Anregungen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Orth. – Als nächste Rednerin hat nun Frau Kollegin Düker für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Neuaufguss im Bundesrat mit dem Gesetzentwurf zur Veränderung der Regelungen für die Prozesskostenhilfe, Herr Giebels, kann man nur als banales Kostendämpfungsgesetz zulasten der Rechtsstaatlichkeit in unserem Lande bezeichnen.
Frau Ministerin, Sie haben das sanierte Justizministerium in Düsseldorf am Martin-Luther-Platz eingeweiht. Ich erinnere mich gut an Ihre Ansprache gestern, als Sie sagten: Die Justiz ist dafür da, Recht für jedermann zu gewähren, unabhängig vom Geld
Sie strafen Ihre Reden lügen, indem Sie so ein Gesetz unterstützen. Denn das, was hier passiert, ist, dass die Rechtsgewährung eben abhängig wird vom Geldbeutel.
Lesen Sie doch einmal durch, was in dem Gesetz steht, Herr Witzel. Wenn durch die Rechtsgewährung die Gefahr besteht, das Existenzminimum anzugreifen, bedeutet das denn nicht, dass es vom Geldbeutel abhängig ist? Oder wenn eine Inanspruchnahme von Recht, eine Durchsetzung von Rechtsansprüchen die Gefahr birgt, dass ich mich verschulde, was ist das sonst als – aus meiner Sicht – ein Verstoß gegen die Idee unseres Rechtsstaates? Oder aber, ich lasse mich – und das ist nachgewiesenermaßen der Fall –, wenn ich mich auf eine Verschuldung zubewege oder mein Existenzminimum in Gefahr ist, von der Durchsetzung meiner Rechtsansprüche abschrecken. Genau das ist für mich mit meinem Grundsatz von Rechtsstaatlichkeit nicht zu vereinbaren.
Genau deswegen, Herr Giebels, hat ja auch Ihre Partei im Bundestag – wenn ich mich richtig erinnere – in der großen Koalition in der letzten Wahlperiode mit der SPD zusammen verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bundesratsintiative geltend gemacht. Diese verfassungsrechtlichen Bedenken haben Ihre Partei und die SPD damals zu Recht formuliert.
Unserer Auffassung nach ist dies ein Konsolidierungsgesetz, ein Kostendämpfungsgesetz. Bezahlen werden es die Armen in diesem Land. Die haben aus unserer Sicht genau den gleichen Anspruch auf die Durchsetzung ihrer Rechte wie diejenigen, die etwas mehr im Geldbeutel haben. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Düker. – Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Müller-Piepenkötter das Wort. Bitte sehr, Frau Ministerin.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Zum Antrag der SPDFraktion kann ich mich bzw. den Finanzminister leider auch nur wiederholen: Falsches wird auch durch Wiederholung im Wahlkampf nicht richtiger!
Eigentlich betrifft der Antrag ein wichtiges rechts-, haushalts- und sozialpolitisches Anliegen, das eine ernsthafte Befassung verdient hätte. Die Prozesskostenhilfe muss in der Tat verfassungskonform und sozial bleiben. Das, meine Damen und Herren, gelingt aber nur, wenn sie bezahlbar bleibt.
In ihrem fast wortgleichen Antrag vom 17. Oktober 2006 war die SPD-Fraktion noch so ehrlich, auf die enorme Belastung der Justizhaushalte der Länder durch die Ausgaben für Prozesskostenhilfe hinzuweisen. Diese Ausgaben sind in den letzten zehn Jahren drastisch um 40 % angestiegen. Sie betrugen 2008 alleine für die ordentliche Gerichtsbarkeit in Nordrhein-Westfalen 114 Millionen €.
Dieser Anstieg ist nur zu einem Teil auf Missbrauch zurückzuführen. Vor allem ist hierfür die deutlich über das verfassungsrechtlich Gebotene hinausgehende Ausgestaltung der bestehenden Regelungen ursächlich. Die verfassungsrechtliche Argumentation der SPD ist so substanzlos wie unzutreffend.
Das Bundesjustizministerium noch unter SPDFührung hat nicht an dieser verfassungsrechtlichen Argumentation festgehalten, sondern sich im Rahmen einer politischen Bund-Länder-Arbeitsgruppe zusammen auch mit Nordrhein-Westfalen konstruktiv an einem tragfähigen Kompromiss beteiligt. Der Kompromissvorschlag ist leider im Herbst 2008 am Widerstand der SPD-Bundestagsfraktion gescheitert.
Meine Damen und Herren, die Bundesratsinitiative sieht gerade vor, dass im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang Prozesskostenhilfe gewährt wird, damit jedermann gleichen Zugang zu den Gerichten hat. Der Abgeordnete Giebels hat die drei entscheidenden Punkte aufgezählt, um die es hierbei geht.
An erster Stelle steht der Einsatz des Erlangten. Ich halte es aus Gerechtigkeitserwägungen heraus geradezu für geboten, dass die nichtbedürftige Partei nicht schlechter als die bedürftige Partei behandelt wird; denn auch die nichtbedürftige Partei muss das Erlangte bei Teilobsiegen einsetzen.
Gerade aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit halte ich auch den Wegfall der Ratenobergrenze für erforderlich. Beispielsrechnungen zeigen, dass auch sogenannte Besserverdiener Anspruch auf Prozesskostenhilfe zumindest mit Ratenzahlungsverpflichtung haben können. Das gilt jedenfalls dann, wenn man – wie in der Gerichtspraxis häufig – Unterhaltsverpflichtungen, Immobilienbelastungen und Konsumschulden einkommensmindernd in Abzug bringt.
Meine Damen und Herren, warum etwa sollte es demjenigen, der seinen neuen Wagen kreditfinanziert, nicht auch zumutbar sein, Raten für seine Prozessführung zu begleichen? An keiner Stelle verlangt der Gesetzentwurf, dass die bedürftige Partei denjenigen Teil ihres ursprünglich vorhandenen Einkommens und Vermögens einsetzt, den sie zur Deckung ihres Existenzminimums benötigt. Auch das wird durch Wiederholungen nicht richtiger. Nach Abzug aller Freibeträge soll der bedürftigen Partei ein Drittel des über dem Existenzminimum liegenden Einkommens verbleiben.
Meine Damen und Herren, man kann den Rechtsstaat nicht nur kaputt sparen. Das hat die SPD bis 2005 versucht, indem sie Richter- und Staatsanwaltsstellen abzubauen plante. Das konnten wir 2005 gerade noch rechtzeitig stoppen. Man kann den Rechtsstaat auch zu Schanden reiten. Das versucht die SPD mit diesem Antrag, der deshalb abzulehnen ist.
Vielen Dank, Frau Ministerin Müller-Piepenkötter. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung angelangt sind.
Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der SPD hat direkte Abstimmung beantragt. Wer dem Inhalt des Antrags Drucksache 14/10845 zustimmen möchte, darf ich jetzt um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Sagel. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP. Enthaltungen? – Keine Enthaltungen. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Meine Damen und Herren, bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt übergehen, muss ich eine Rüge aussprechen, die die Abgeordnete Piepervon Heiden betrifft. Sie hat in der Plenarsitzung am 11. März 2010 in ihrem Redebeitrag zu Tagesordnungspunkt 11 „Staatlich verordnete Hellseherei abschaffen“ in Bezug auf die Abgeordnete Beer eine unparlamentarische Äußerung getätigt. Frau Pieper-von Heiden wird für diese unparlamentarische Äußerung gerügt.
Wenn ich mich recht entsinne, habe ich schon seinerzeit ausweislich des Protokolls gesagt, wenn sie das so gesagt hätte, dann wäre das zu rügen. Insofern erinnere auch ich mich an diesen Vorgang gut.
Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der SPD Frau Kollegin Scheler das Wort. Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht eine Wahlperiode und damit ein sehr trauriges Kapitel in der Geschichte nordrhein-westfälischer Medienpolitik zu Ende.