Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, der 148. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich 17 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit Schreiben vom 22. März 2010 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem genannten aktuellen Thema eine Aussprache beantragt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als Erstes Herrn Priggen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Tribüne! In der Urananreicherungsanlage in Gronau hat es am 21. Januar dieses Jahres gegen 14:32 Uhr einen Störfall der Klasse „Eilt“ gegeben. Dort ist Uranhexafluorid freigesetzt worden. Ein Mitarbeiter der Urenco Deutschland ist in Kontakt mit der radioaktiven und chemisch aggressiven Uranverbindung gekommen und musste daraufhin eine Odyssee durch mehrere Krankenhäuser durchlaufen. Wir können nur hoffen, dass er keine bleibenden Schäden davonträgt.
Am 27. Januar hatten wir eine Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Mittelstand und Energie und haben dort aufgrund einer von uns beantragten Aktuellen Viertelstunde Informationen zu dem Störfall erhalten. Die Atomaufsicht Nordrhein-Westfalen, vertreten durch Herrn Ministerialrat Günter Neuhof, hat informiert. Ich möchte aus diesen Informationen drei Stellen zitieren, bei denen man aus heutiger Sicht sagen muss, dass dies nicht korrekt gewesen ist. Auf Seite 7 des Protokolls steht:
Aus heutiger Sicht seien die Sicherungsvorkehrungen der Sicherheitstechnik und der Sicherungstechnik „auf Stand“.
Auf meine Frage auf Seite 8 des Protokolls „Durch welche kontrollierten Verfahren werde normalerweise gewährleistet, dass es nicht zu Zwischenfällen komme, bei denen Verunreinigungen unbekannten Inhalts in die Umwelt gelangten?“, hat Herr Neuhof geantwortet: Das mit den 1,6 kg Uranhexafluorid, um die es ginge, stamme aus den Unterlagen, die der Betreiber Urenco aus Schweden nachgefordert habe.
Auf Seite 13 des Protokolls bezieht sich Herr Neuhof auf die Behälter, die normalerweise sauber angeliefert werden müssen, und teilt mit:
Da dies im vorliegenden Fall nicht so gewesen sei, habe man bei der schwedischen Zulieferfirma die Abfertigungspapiere angefordert. Aus den Papieren unter dieser Behälternummer sei abzulesen gewesen, dass der Waschvorgang, der in Schweden vierstufig hätte ablaufen müssen, wohl nach der ersten Reinigungsstufe abgebrochen worden sei.
Diese Darstellung von Herrn Neuhof ist nach den uns heute vorliegenden Unterlagen so nicht korrekt gewesen.
Wir haben die Darstellung bekommen, die die Firma Westinghouse an die schwedische Atomaufsicht geliefert hat. Sie ist uns dankenswerterweise aus dem Schwedischen ins Deutsche übersetzt worden. Danach stellt sich der Ablauf so dar, dass im Oktober 2009, also mehrere Monate vor dem Unfall, zwölf Behälter von Schweden nach Gronau geliefert wurden und dass es in Schweden zwischen dem 30. August und 20. Oktober 2008 Probleme mit der Zylinderwaschanlage gegeben hat und diese Behälter nicht komplett gereinigt worden sind. Es sind mehrere Behälter auf die Seite gestellt worden. Bei einer späteren Umstrukturierung sind offensichtlich insgesamt drei Behälter nicht zu Ende gereinigt worden.
Einer davon ist in den Versand nach Gronau gekommen. Insofern liegt eine Ursache für die Verunreinigung in Schweden. Das ist auch nicht zu bestreiten.
Die Waschprotokolle, die den Zustand dieser Behälter – nicht gereinigt – dokumentieren, sind, bevor die Lieferung in Gronau eintraf, nach Gronau geschickt worden. Die Darstellung der Atomaufsicht dazu im Wirtschaftsausschuss ist falsch.
Der Unfall ist am 21. Januar gegen 14:30 Uhr geschehen. Schon am 21. Januar um 17:30 Uhr, also nur drei Stunden später, hat der bei der Firma Urenco mit den Transporten Beauftragte nach Schweden gemailt und gefragt, ob der Zylinder mit der Identifikationsnummer 21160-024 gewaschen
sei, weil im Waschprotokoll diese Angabe fehle. Das heißt, Urenco hat sofort bei Nachsicht der Protokolle, die die dort hatten, feststellen können, dass dieser Behälter nicht gereinigt worden ist.
Das bedeutet, dass, wenn man vernünftig damit umgegangen wäre und sowohl die vorliegenden Waschprotokolle als auch die Behälter geprüft hätte – dazu wäre genug Zeit gewesen –, dieser Unfall hätte verhindert werden und den Mitarbeiter hätte schützen können. Das ist eindeutig dokumentiert.
Westinghouse hat dann einen Tag später bestätigt, dass ein Behälter nicht gereinigt war, und die „WAZ“ hat uns am 20.03. einen Bericht geliefert, in dem sie mit einem Zitat des Geschäftsführers von Urenco darstellt, dass seit 25 Jahren dort keine Eingangskontrollen durchgeführt werden. Das heißt, es liegt ein ganz eindeutiges Fehlverhalten und Versagen der Eingangskontrolle bei Urenco in Ahaus vor.
Es gibt darüber hinaus andere Punkte, die bei Urenco sehr bedenklich sind. Dass Abfälle von Urenco aus Gronau in Russland unter freiem Himmel gelagert werden, entspricht auch nicht dem Standard, wie man mit Abfällen vernünftig umzugehen hat. Und dass in der letzten Woche die Polizei bei Münster einen Lkw mit Behältern, die für Ahaus bestimmt waren, stillgelegt hat, weil er derartig schrottreif war – durchgerostete tragende Teile –, spricht auch nicht für einen sorgfältigen Umgang mit Spediteuren, die dort Sachen anliefern.
Wenn ich mir dann die Berichterstattung in den „Westfälischen Nachrichten“ vom 22.03, also dem Tag, an dem wir die Aktuelle Stunde beantragt haben, angucke, dann belegt auch diese, dass dort versagt wurde. Denn nach diesem Bericht zieht die Landesregierung, die Atomaufsicht, Konsequenzen aus dem Gronauer Zwischenfall und ordnet – auf Deutsch gesagt – an, dass die Eingangspapiere in Zukunft bei Urenco auch gelesen und nicht nur abgelegt werden.
Es zeigt auch, Frau Thoben, dass es Möglichkeiten gegeben hätte, diesen Unfall zu verhindern, wenn die Atomaufsicht bereits vorher gesagt hätte, dass das auch passieren müsse.
Vor allem zeigt es, dass die Atomaufsicht auch sechs Tage nach dem Unfall keine Ahnung davon hatte, welche Eingangspapiere in Ahaus tatsächlich vorlagen. Insofern stimmt die Darstellung im Ausschuss, man habe in Schweden erst nachfragen und Papiere anfordern müssen, nachweislich nicht. Die Belege waren da. Man hat sie aber einfach nur abgeheftet und nicht durchgeschaut.
Wenn dann auch noch der Sprecher des Wirtschaftsministeriums auf die Vorhaltungen der Presse hin sagt: „Die Atomaufsicht hat unmittelbar nach dem Vorfall ihre Ermittlungen aufgenommen, und der Abschluss der Untersuchungen ist unabhängig von Wahlterminen“, dann ist das eine Verniedlichung des Versagens auch der Atomaufsicht.
Das Wichtigste im Atombereich ist – das wissen wir alle – eine hohe Zuverlässigkeit. Genau diese Mischung aus „25 Jahre ist hier nicht kontrolliert worden“ und „Es ist immer gut gegangen“ darf es im Atombereich nicht geben. Wir können also nur hoffen, dass der Mitarbeiter dort keine bleibenden Schäden davonträgt. Dieser Unfall hätte verhindert werden können, wenn die Firma und die Atomaufsicht ordentlich gearbeitet hätten. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Reiner Priggen, so langsam werde ich sauer über den Umgang der Grünen
Also, wenn ein Gaskraftwerk explodiert und mindestens fünf Menschen dabei zu Tode kommen, wie im Februar passiert, dann interessiert das die Grünen mittlerweile einen Dreck. Denn Gas ist nach deren Definition ein politisch korrekter Primärenergieträger. Wenn dagegen in einem Kernkraftwerk ein Bild von der Wand fällt oder bei einem Zulieferer ein Behälter schlampig gereinigt wird, dann ist das für die Grünen ein schwerer Störfall und ein Beleg für die Unbeherrschbarkeit der Kernenergie.
In der Natur ist die Farbe Grün ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass eine Frucht noch nicht reif ist.
Allem Anschein nach gilt dieser Farbhinweis auch für den geistigen Entwicklungsstand der Partei Die Grünen. Frei nach Schiller könnte man jetzt sagen:
Schnell fertig sind die Grünen mit dem Wort, das schwer sich handhabt wie des Messers Schneide. Aus ihrem heißen Kopfe nehmen sie keck der Dinge Maß, die nur sich selber richten. Gleich heißt ihnen alles schändlich oder würdig, bös oder gut – und was die Einbildung phantastisch schleppt in diesen dunkeln Namen, das bürden sie den Sachen auf und Wesen.
Schiller hat in aller Regel den Nagel auf den Kopf getroffen, und daher bin ich mir sicher: Wenn er die Grünen schon gekannt hätte, dann hätte er sie genau so beschrieben.