Herr Präsident! Liebe Kollegen! Kollege Brakelmann hat es deutlich gesagt: Zeitarbeit die Zehnte, wieder ein bundespolitisches Thema. Weil wir hier eben so gute Landespolitik machen, fällt Ihnen nichts Neues ein.
Sie sollten das der Bevölkerung jetzt schon einmal erklären, denn die versteht das nämlich auch nicht: Einerseits machen Sie jetzt Wahlkampf und wollen einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 €; das ist ja richtig. Gleichzeitig wollen Sie hier aber einen branchenspezifischen Mindestlohn. Das verstehen die Leute nicht. Was wollen Sie denn wirklich? Das müssen Sie den Menschen dann auch einmal erklären.
Herr Brakelmann hat schon die unterschiedlichen Tarifverträge angesprochen. Dann gibt es da auch noch den Kleinkrieg zwischen den Gewerkschaften. Man konnte es in der „WAZ“ lesen. Noch weigert sich der DGB, sauer auf die kleine, lang nervende Konkurrenzorganisation. Das zeigt ja, wie schwierig dort auch die Lage ist, wenn es um einen allgemeinverbindlichen Mindestlohn geht.
Wie bekannt sein dürfte – darüber haben wir eben gesprochen –, gilt ab dem 1. Mai 2011 die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU, nachdem Deutschland sowie Österreich von der Möglichkeit der Verlängerung von 2009 auf 2011 Gebrauch gemacht haben.
Nun gibt es Menschen, die davor intensiv warnen. Ich würde sagen, warten wir diese Entwicklung wirklich einmal ab. Ich glaube nicht, dass wir jetzt hier sofort einen Schnellschuss brauchen, den wir als Landtag so gar nicht initiieren können.
Hinzu kommt, dass es eben auch keineswegs sicher ist, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit automatisch zu einem so ruinösen Wettbewerb führen muss, wie es uns die SPD hier beschreibt, zumal Deutschland als Exportland in besonderer Weise von den internationalen Märkten auch profitiert.
Zweifelhaft ist auch, ob mit dem Eintritt der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit überhaupt mit einem Ansturm von Zeitarbeitskräften auf den deutschen Markt zu rechnen ist und ob diese dann tatsächlich zu Dumpinglöhnen bezahlt werden. Es gibt derzeit keine fundierten Hinweise auf solche Entwicklungen. Vielmehr gibt es, wenn man den Blick auf die Nachbarländer wirft, in Polen mittlerweile in bestimmten Bereichen wie im Bauwesen und im Gesundheitssystem sogar einen Mangel an Fachkräften. Die Arbeitskraftdefizite, die dort zu erwarten sind, werden voraussichtlich zu einer weiteren Steigerung von Löhnen und Arbeitskosten und demzufolge auch der Preise in Polen führen.
In Polen ist es mittlerweile so, dass im Grenzgebiet polnische Unternehmen schon konkurrenzfähig sind und auch deutsche Unternehmen in Polen Aufträge bekommen, weil sich eine Ähnlichkeit dort angeglichen hat.
Außerdem lohnt sich natürlich auch der Blick nach Großbritannien, wo von Übergangsregelungen im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit eben kein Gebrauch gemacht wurde. Dort hat der Einsatz von Arbeitskräften aus den acht ost- und mitteleuropäischen Ländern bislang nicht zu sozialen Verwerfungen geführt. Ganz im Gegenteil! Nur die polnischen Erntehelfer sind von Deutschland mittlerweile nach England weitergegangen.
Wir werden diese Entwicklung natürlich weiter aufmerksam verfolgen. Aber diesen Antrag brauchen wir nicht und lehnen ihn daher ab.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Auswüchse des Missbrauchs der Zeitarbeit sind nicht mehr länger hinnehmbar. Wie groß das Problem ist, zeigt unter anderem die Studie „Zeitarbeit in Nordrhein-Westfalen“, die von der Landesregierung selbst in Auftrag gegeben wurde.
Laut dieser, Ihrer eigenen Studie, nutzen ein Viertel der Entleihbetriebe die Zeitarbeit zum Ersatz, zur Substitution von Stammbelegschaften durch Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer.
Die Studie, Herr Minister, zeigt außerdem, dass die Entgelte der Beschäftigten in der Zeitarbeitsbranche deutlich niedriger sind als diejenigen der Beschäftigten, die ähnliche Tätigkeiten außerhalb der Zeitarbeitsbranche ausüben. Die Entgeltdifferenz bei Hilfskräften in der Zeitarbeit liegt im Vergleich zur Stammbelegschaft bei 45 % und bei qualifizierten Tätigkeiten bei rund 35 %.
Ich rate Ihnen, einmal in die Landesverfassung hineinzuschauen. Da steht nämlich etwas von gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Das gilt nicht nur im Hinblick auf Mann und Frau, sondern gleiche Arbeit muss auch unabhängig davon gleich entlohnt werden, ob sie in einem normalen Unternehmen oder in einer Leiharbeitsfirma verrichtet wird. Insofern wird, jedenfalls aus unserer Sicht, permanent gegen die Vorgaben der Landesverfassung verstoßen,
Insgesamt hat die Liberalisierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zu einem starken Zuwachs der Zeitarbeit und damit auch zu einem Abbau von Stammbelegschaften geführt, die durch Zeitarbeitskräfte ersetzt wurden. Im Sommer 2008 hat die Zahl der Zeitarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer sogar fast die Millionengrenze erreicht. Sie war laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und laut dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung die Beschäftigungsform mit dem höchsten Wachstum – ein höchst zweifelhafter Ruhm. Denn die Zeitarbeit wird genutzt, um Lohnstandards zu unterlaufen und Stammbelegschaften massiv abzubauen.
Deswegen sowie aufgrund der Vorgaben der EURichtlinie über die Leiharbeit sehen wir Grüne einen akuten Regelungsbedarf in der Zeitarbeitsbranche, um die Erosion regulärer Beschäftigungsverhältnisse durch die Zeitarbeit und das Lohndumping zu stoppen.
Für uns, Herr Minister, ist es deshalb unverständlich, warum Nordrhein-Westfalen eine konsequente Bundesratsinitiative der Länder Rheinland-Pfalz, Bremen, Berlin und Brandenburg zu diesem Thema nicht unterstützt,
sondern mit einem eigenen, nichtssagenden Antrag diese Länderinitiative unterlaufen hat. Ich vermute, Herr Minister – aber das werden Sie gleich klarstellen –, dass das auch nicht in Ihrem Sinne war, sondern dass es der Mehrheit innerhalb der Landesregierung und insbesondere der FDP geschuldet war, dass Sie dieser Bundesratsinitiative nicht haben zustimmen können.
Wir fordern, dass diese Landesregierung sich einer gemeinsamen Bundesratsinitiative der Bundesländer anschließt, um dieses Anliegen zu unterstützen.
Ein Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche, der auch für verleihfreie Zeiten gelten soll, ist unbedingt notwendig. Er definiert die absolute Lohnuntergrenze in der Branche. Dafür muss die Zeitarbeitsbranche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen werden, und der Tarifvertrag zwischen dem Deutschen Gewerkschaftsbund und dem Bundesverband für Zeitarbeit bzw. dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen muss für allgemeinverbindlich erklärt werden.
Die Grünen werden deshalb dem SPD-Antrag zustimmen. Darüber hinaus ist auch eine Bundesratsinitiative zur Novellierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes notwendig, um Fälle wie den aktuell bei Schlecker aufgedeckten, aber auch von anderen Unternehmen praktizierten Missbrauch grundsätzlich zu unterbinden. Dies haben wir bereits in unserem Antrag gegen Missbrauch der Leiharbeit vom 12. Januar 2010 gefordert. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Jetzt hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion greift mit ihrem Antrag ihre bereits im Dezember 2008 und im Januar 2010 erhobene Forderung nach Aufnahme der Leih- und Zeitarbeitsbranche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf.
Dabei zeigen die schwammigen Formulierungen der Forderungen, dass sich selbst die SPD im Klaren darüber ist, dass die Landesregierung gar nicht die rechtlichen Möglichkeiten dazu hat, auf Bundesebene dafür zu sorgen, dass die Leih- und Zeitarbeitsbranche aufgenommen und das ArbeitnehmerEntsendegesetz entsprechend geändert wird.
Als Aufhänger für den jetzigen Antrag dienen die Abschlüsse von zwei Tarifverträgen für die Leih- und Zeitarbeitsbranche. Sie meinen, dass man damit endlich auf dem Weg hin zur Allgemeinverbindlichkeit starten sollte.
In einem Punkt haben Sie recht: Die Vorgänger dieser Tarifverträge sind bereits am 31. Dezember 2008 ausgelaufen. Das heißt, sie wirkt zwar nach, aber hätten so nicht für allgemeinverbindlich erklärt werden können.