Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

(Zuruf von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

Wir haben sicherlich länger über große Ausgabenpositionen und kürzer über kleine Ausgabenpositionen zu sprechen. In diesem Nachtragshalt sind 3 % von der neuen Regierung und 97 % von der alten Regierung zu verantworten.

(Zuruf von der CDU: So ist das!)

Vertreter beider Oppositionsparteien – das hat sich heute wieder bewiesen – waren weder bereit noch in der Lage, dies anzuerkennen. Für die Schulden-Milliarden sind Sie verantwortlich. Jeder in diesem Hause weiß das.

(Beifall von der CDU – Gisela Walsken [SPD]: Ei! – Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Oh!)

Fünftens. Die Entschlossenheit der Beteiligten entscheidet am meisten. Entschlossenheit heißt, die als notwendig erkannten Entscheidungen auch gegen Widerstände durchzusetzen. Ein Aussitzen zulasten Dritter, beispielsweise zulasten späterer Generationen, findet dann nicht statt.

Sie haben diesen Konsolidierungskurs im Haushalt auch als notwendig erkannt. Sie haben diesen Kurs aber nicht verfolgt. Sie haben versucht, sich mit Tricks durchzumogeln, bis hoffentlich bessere Zeiten kommen.

Entschlossenheit herrschte bei Ihnen immer nur dann, wenn es um die Unterlassung des Notwendigen ging. Im Ergebnis hat jeder Bürger im Land Nordrhein-Westfalen rund 6.300 € originäre Landesschulden.

(Zuruf von Carina Gödecke [SPD])

Das ist mehr als in jedem anderen westdeutschen Flächenland.

Es ist Entschlossenheit, dass der neue Finanzminister unmittelbar nach der Regierungsübernahme eine Haushaltssperre verhängt hat.

(Gisela Walsken [SPD]: Oh ja! Wo sind denn die Einnahmen aus der Haushaltssperre?)

Damit wird nach innen und außen deutlich dokumentiert, dass radikal gespart werden muss.

Ich frage den immer noch nicht anwesenden ehemaligen Finanzminister Dieckmann: Warum

haben Sie im Frühjahr dieses Jahres keine Haushaltssperre verhängt?

(Finanzminister Dr. Helmut Linssen: Da war die Wahl! – Gisela Walsken [SPD]: Da kommt er gerade!)

Wankelmut statt Entschlossenheit war Ihr Kennzeichen.

(Beifall von CDU und FDP – Gisela Walsken [SPD]: Wo sind denn die Einnahmen? – Wei- tere Zurufe)

Meine Damen und Herren, welches Gesamtergebnis erhalten wir für die rot-grüne Haushaltspolitik der Herren Steinbrück, Dieckmann und der sie tragenden Fraktionen? Nach rot-grüner Lesart konnten schlechte Zensuren in Kernfächern immer mit guten Noten in anderen Fächern ausgeglichen werden.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Jawohl, Herr O- berlehrer!)

In der Finanzpolitik haben Sie, Herr Sagel, und Rot-Grün sich so immer wieder mit guten Noten in Schaumschlägerei und Augenwischerei herauszuretten versucht.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Jawohl, Herr O- berlehrer!)

Damit ist jetzt aber Schluss: Unter dem neuen Finanzminister und unter der neuen Landesregierung wird dies nicht mehr möglich sein.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Jawohl, Herr O- berlehrer!)

Und so erhalten der ehemalige Ministerpräsident und der Finanzminister die angemessene Quittung. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass die Expertenanhörung – das ist nicht allen im Hause bekannt – hierzu Einiges beitragen konnte.

(Gisela Walsken [SPD]: Das ist eine Erfolgs- story! Das ist richtig!)

Die SPD hat auf die Expertenanhörung ausdrücklich verzichten wollen, weil sie wusste, dass diese Expertenanhörung für sie mit einer Blamage enden würde.

(Beifall von der CDU – Rüdiger Sagel [GRÜ- NE]: Da lachen ja die Hühner! – Weitere Zu- rufe)

Die neue Regierung ist ausdrücklich von den Experten gelobt worden. Es hieß: Endlich Transparenz, endlich Ehrlichkeit, endlich Entschlossenheit. Insofern setzt der zweite Nachtragshaushalt

erste Duftmarken für einen neuen finanzpolitischen Stil dieser Koalition der Erneuerung.

Auch wenn Ihnen von der Opposition das kaum vorstellbar erscheint: Wir halten das, was wir versprechen, Frau Walsken.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU] – Zu- rufe von der SPD)

Und daher werden wir noch viele Jahre lang erfolgreich Haushalte einbringen und Sie noch viele Jahre lang als Opposition daran herumkritteln. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Dr. Petersen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Becker das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben heute ungefähr sechs Monate, nachdem diese Regierung die Regierungsverantwortung übernommen hat, zum wiederholten Male folgendes Schauspiel: Sie halten Oppositionsreden. Sie verwechseln Opposition mit Regieren. Sie übernehmen keine Verantwortung für Ihr eigenes Handeln. Sie fallen deutlich hinter das zurück, was Sie vor der Wahl versprochen haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich will Ihnen das an wenigen Punkten deutlich machen.

Worüber reden wir hier? – Wir reden über einen Nachtragshaushalt, mit dem – das unterstelle ich Ihnen in der Tat – Sie einen künstlichen Gipfel schaffen wollen, von dem Sie sich dann in den nächsten Jahren stückweise wieder entfernen wollen, um erklären zu können, Sie hätten die Neuverschuldung des Jahres 2005 gesenkt.

Warum werfe ich Ihnen das vor? – Drei Viertel dessen, was wir heute an zusätzlichen Schulden beschließen und hier in diesem Nachtragshaushalt verankert sehen, geht zurück auf Mehrausgaben. Nur ein Viertel geht zurück auf Mindereinnahmen. Die Mindereinnahmen – Sie haben es angesprochen – gehen zurück auf Steuermindereinnahmen gegenüber den Erwartungen.

Damit wir das ein Stück weit relativieren, was Sie dort tun: In allen Bundesländern – und Sie regieren in der Mehrzahl der Bundesländer – sind die Steuereinnahmen hinter dem zurückgeblieben, was jeweils auch Ihre Finanzminister etatisiert ha

ben. Das ist die Wahrheit. Nichts anderes ist das auch hier gewesen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Worüber reden wir bei den Mehrausgaben? – Wir reden bei drei Vierteln dessen, was Sie heute an Schulden aufnehmen, über Mehrausgaben, bei denen Sie sich regelmäßig dahinter verstecken, dass sie allein darauf zurückzuführen seien, dass es Schattenhaushalte gebe. Da ist zum einen der BLB. Da sind zum anderen die anderen Betriebe. Über 600 Millionen € dessen, was Sie heute im Nachtragshaushalt verankern, setzen Sie in den BLB.

Nun will ich Ihnen nicht verheimlichen, dass auch ich der Auffassung bin, dass der BLB in den nächsten Jahren zusätzliches Geld braucht. Das liegt an dem Konstrukt insgesamt. Das wird in den nächsten Jahren stückweise mehr. Das liegt auch daran, dass er aus Brandschutzgründen Renovierungen vornehmen muss, und zwar zum Beispiel bei den Universitäten. Der gesamte Investitionsstau, der sich in den nächsten Jahren dort anhäuft und den übrigens jede Regierung als Problem gehabt hätte und der nicht von der letzten und auch nicht dieser Regierung verursacht wurde, sondern der einfach vor uns liegt, wird sich an dieser Stelle ein Stück weit manifestieren.

Deswegen brauchen Sie aber nicht über 600 Millionen € an diesem Punkt in diesem Nachtragshaushalt zu etatisieren. Sie könnten das in der Tat genauso gut in den nächsten Jahren jeweils dann, wenn die Erfordernisse da sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das heißt konkret, Sie schaffen hier einen künstlichen Berg, damit Sie sich in den nächsten Jahren gut darstellen können.

Haushaltspolitisch kann ich das nachvollziehen. Eine Opposition, die eine Regierung übernimmt, macht das gerne. Dass Sie dann aber von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit reden und sich dann hier als die Guten verkaufen, das ist auch an dieser Stelle völlig daneben und hat keinen anderen Sinn, als – jetzt komme ich in der Tat in diesem Zusammenhang zu 2006 – sich eine gute Ausgangsbasis für 2006 zu schaffen.

Gucken wir uns die Zahlen 2006 an. Wenn wir den BLB, wenn wir die Sondereinflüsse, wenn wir die Steuermindereinnahmen herausnehmen, dann sehen wir, dass Sie mit dem Haushalt, den Sie sich so an die Fahne heften, dessen Sie sich so rühmen, bis auf ungefähr 200 Millionen € genau bei dem wären, was Rot-Grün auch angesetzt hätte, wenn Sie nicht diese künstlichen Aktionen

veranstalteten, von denen ich gerade gesprochen habe.