Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

Sie lebt davon, dass man Rahmenbedingungen hat, an die sich die Leute halten müssen, die am Markt teilnehmen. Dazu braucht man ein paar Kontrollinstrumente – nicht mehr und nicht weniger –, und die schöpfen wir aus.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich glaube, jetzt sind wir am Schluss der Beratung. – Dann, meine Damen und Herren, schließe ich diese, und wir kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 14/867 an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie – federführend – sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Wirtschaftsausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe? – Gibt es Enthaltungen? – Das haben wir einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu:

5 EU-Agrarpolitik durch Abschaffung der obligatorischen Flächenstilllegung entbürokratisieren

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/877

Ich weise darauf hin, dass es hierzu einen Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/916 gibt.

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Kemper das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach so einer hitzigen Debatte sollte man versuchen, zur Sachlichkeit zurückzukommen. Und um es für Sie nicht so langweilig zu machen, frage ich Sie nach einem Bibelzitat: Matthäus 12, Vers 36. Damit Sie während meiner Rede bleiben, löse ich es am Ende auf.

Es freut mich, meine Damen und Herren, als Landwirt im Landtag NRW den gemeinsamen Antrag der Fraktionen der CDU und FDP einbringen zu können, die obligatorische Flächenstilllegung abzuschaffen. Damit würde ein Anfang gemacht,

die Agrarpolitik von einer teilweise überbordenden Bürokratie zu entrümpeln.

Der Landwirt kann sich dann seiner echten Aufgabe, nämlich zu produzieren, widmen. Er muss dann nicht länger Papierwirt sein. Allein die Erstellung der Statistik, um die numerischen Größen der obligatorischen Flächenstilllegung – im vorigen Jahr betrug sie 8,05 und in diesem Jahr 7,78 – zu ermitteln, ist ein erheblicher Aufwand. Wir können das wirklich wegfallen lassen.

Lassen Sie uns zunächst einmal zurückschauen: Was wollte man mit der obligatorischen Stilllegung erreichen? Anfang der 90er-Jahre war die Situation von steigenden Weltgetreidevorräten und von einem Selbstversorgungsgrad der damaligen EU von mehr als 115 % gekennzeichnet. Der Grundgedanke, nicht mehr als den Verbrauch zu produzieren, war sicherlich auch ökonomisch sinnvoll. Denn es war teurer, das produzierte Getreide einzulagern, um es anschließend mit einer Exportsubvention auf dem Weltgetreidemarkt zu verkaufen. Diese Kosten waren teilweise höher als der Wert des Getreides auf dem Weltmarkt.

Daraus resultierte schließlich die Einführung der obligatorischen Flächenstilllegung von 15 % der EU-Agrarfläche. Schließlich wurde den Landwirten erlaubt, auf diesen Flächen bestimmte nachwachsende Rohstoffe mit Vertrag anzubauen. Das hatte folgende Gründe: Der Weltgetreidemarkt sollte einerseits nicht belastet werden; andererseits sollte dem Argument entgegengewirkt werden, der Bauer bekomme Geld fürs Nichtstun. Darüber hinaus zeigte der Markt für nachwachsende Rohstoffe einen Rohstoffbedarf.

Das war die Situation Anfang der 90er-Jahre. Das hat sich jedoch heute grundlegend geändert. Seit dem Jahr 2000 sinken die Getreidevorräte – das wissen die meisten nicht. Das Jahr 2004 bildete eine Ausnahme. Der Anbau nachwachsender Rohstoffe boomt. Das heißt, regelmäßig wird weltweit weniger Getreide produziert als verbraucht wird, zum Beispiel für Ernährung, für Energieerzeugung und für die stoffliche Verwertung. Die mittelfristigen Prognosen bestätigen das.

Die Weltgetreidevorräte sind im Augenblick auf weit unter 20 % einer Weltgetreideernte geschrumpft. Das ist eine für die Ernährungswirtschaft nicht ganz unkritische Situation auf dem Weltmarkt. Die Marktsituation kann keine Begründung mehr für eine Beibehaltung der obligatorischen Flächenstilllegung liefern.

Zurück zur aktuellen Situation: Bei der augenblicklichen grundlegenden Änderung der EU-Agrar

politik hat man aus mir unerfindlichen Gründen die obligatorische Stilllegung erhalten. Die notwendigen Hilfen wurden von den konkreten Flächen- und Produktionshilfen mit dem Ziel von Betriebsprämien entkoppelt. Ich glaube, man hat die obligatorische Stilllegung vergessen. Sie wurde sogar zu einem Zwangspunkt gemacht, der vorrangig von den Antragsstellern erfüllt werden muss.

Noch unverständlicher und damit unbegründet ist die obligatorische Flächenstilllegung, weil man in jedem Betrieb auch freiwillig stilllegen kann. Ich setze noch eins drauf: Der Vertragsanbau nachwachsender Rohstoffe auf Flächen der obligatorischen Stilllegung – er beträgt im Augenblick mehr als 20 % und hat eine stark steigende Tendenz für Biogas und Biodiesel in diesem Jahr – ist mit einem weiteren starken bürokratischen Aufwand belegt, der zu einem ökonomischen Mehraufwand von 40 bis 80 € je Hektar führt – von der investierten Zeit zum Ausfüllen der Anträge ganz zu schweigen. Im Übrigen bedient sich beispielsweise der Markt für Biodieselherstellung mittlerweile zu fast 80 % aus dem normalen Nahrungsmittelbereich.

Aus dem Dargestellten kann ich nur folgenden Schluss ziehen: Weg mit der obligatorischen Stilllegung, weg mit dem bürokratischen Sonderaufwand ohne Sinn und Verstand – hin zu mehr Markt und mehr Wertschöpfung für Landwirte, Händler und Ölmüller.

(Beifall von der CDU)

Wenn dieser Antrag umgesetzt wird, ist das Bürokratieabbau in der Praxis. Ich kann mir kaum jemanden vorstellen, der mich in diesem Anliegen nicht unterstützt, es sei denn, er ist Kontrolleur und verliert dadurch seine Lebensaufgabe.

(Beifall von der CDU)

Wir machen ernst mit unseren Ankündigungen. Liebe Opposition, dabei können Sie einmal mit uns Ernst machen.

Im Übrigen, zurück zum Bibelzitat – Matthäus 12, Vers 36 –:

Und so denn kommt der Tag des Jüngsten Gerichts, so wirst du gestraft werden für jedes unnütz gesprochene Wort.

Ich hoffe, das war bei mir nicht der Fall.

(Heiterkeit und Beifall von CDU und SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kemper. – Für die zweite antrag

stellende Fraktion der FDP spricht jetzt Herr Ellerbrock.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem beigefügten Antrag zielen wir darauf ab, uns auf Bundes- und Europaebene dafür einzusetzen, die obligatorische Flächenstilllegung abzuschaffen.

Kollege Kemper hat hinsichtlich der Welternährungsproblematik einige Ausführungen gemacht. Ich möchte an den Beitrag von Herrn Kemper anknüpfen. Sein Beitrag ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Regierungskoalition den Bürokratieabbau und die Verwaltungsvereinfachung ernst nimmt.

Die vergangenen Jahre waren für die Landwirtschaft nicht einfach. Sie waren von vielen Diskussionen und von der Umstrukturierung der Landwirtschaft geprägt. Wir wissen, dass sich die Produktionssubventionierung und Mengensteuerung nicht bewährt haben, insbesondere nicht für die Landwirte.

Wir steuern um in Richtung einer Kulturlandschaftsprämie. Damit soll der Wert der Kulturlandschaft erhalten bleiben. Auch vor diesem Hintergrund ist die obligatorische Flächenstilllegung, die 1992 im Zusammenhang mit der Mengensteuerung eingeführt wurde, als Instrumentarium der EG-Agrarpolitik wirklich überflüssig.

Auch die Experten sind sich darüber einig, dass das innerhalb der Bürokratie zu einem Auswuchs geführt hat. Ich darf Herrn Dr. Kirschke und Herrn Dr. Gerd Weber, Landwirtschaftliche Fakultät der Humboldt-Universität Berlin zitieren – klarer kann man es meiner Meinung nach nicht sagen –:

Nicht nachvollziehbar ist bei den Luxemburger Beschlüssen, dass die obligatorische Flächenstilllegung aufrechterhalten bleiben soll. Eine solche Stilllegungsverpflichtung widerspricht dem Grundprinzip der Entkoppelung und schränkt dadurch die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Landwirtschaft als Folge des Entkoppelungsprozesses ein.

Anzumerken ist, dass wegen der Fortführung der Stilllegungsverpflichtung künftig mit neuem und erheblichem Verwaltungsaufwand zu rechnen ist, weil sich ein Handel mit Stilllegungsprämien entwickeln wird und der auch verwaltet werden muss.

Meine Damen und Herren, wer den Begriff Bürokratie einfach einmal visuell vor Augen haben will, dem empfehle ich, auf die Hompage der zuständigen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Er

nährung zu gehen. Diese Bundesanstalt ist für die Überwachung der Flächenstilllegungsprämie zuständig.

Die Auflistung der Verordnungen, Anträge und Merkblätter zum Anbau nachwachsender Rohstoffe auf stillgelegten Flächen umfasst sechs Seiten. Das entsprechende Merkblatt „Verwendungskontrolle nachwachsender Rohstoffe von stillgelegten Flächen“ umfasst 47 Seiten, die Anlagen 1 bis 4 zum Merkblatt weitere 15 Seiten und die entsprechenden Formulare 35 Seiten. Weiterhin ist zu beachten das Merkblatt „Verwendungskontrolle nachwachsender Rohstoffe in nicht hofeigenen Biogasanlagen“ mit insgesamt 30 Seiten. Dazu kommt eine Anleitung, wie ich diese Anträge auszufüllen habe, von rund 20 Seiten.

Meine Damen und Herren, ich kann das noch fortführen, glaube aber, das ist wirklich überflüssig. Wer sich je mit europäischer Agrarbürokratie beschäftigt hat, weiß, dass das Ausfüllen solcher Formulare nicht vergnügungssteuerpflichtig ist; der Spaßfaktor ist ausgesprochen eingeschränkt.

Also können wir nur sagen: Wir sagen Ja zu weniger Bürokratie und Ja zur Verwaltungsvereinfachung. Hinsichtlich der inhaltlichen Begründung nehme ich Bezug auf das, was der Kollege Kemper gesagt hat. Wir sagen: Weg mit der obligatorischen Flächenstilllegung!

Dem könnte man natürlich entgegenhalten: Nun, da werden ja Flächen dem Naturschutz und dem Umweltschutz entzogen. Meine Damen und Herren, schauen wir uns ehrlich in die Augen! Auf deutscher, europäischer und auch nordrheinwestfälischer Ebene haben wir den Umweltschutz auch im Bereich der Agrarpolitik in so breiter Basis verankert, dass es hier wirklich überflüssig ist, diese Flächenstilllegungsprämie hierfür noch aufrechtzuerhalten.

Wir sagen Ja zum Bürokratieabbau, und das ist ein gutes Beispiel dafür. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Ellerbrock. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Watermann-Krass. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Anliegen des Antrags von CDU und FDP „EUAgrarpolitik durch Abschaffung der obligatori

schen Flächenstilllegung entbürokratisieren“ ist vom Ansatz her richtig.

(Beifall von CDU und FDP und von Marc Jan Eumann [SPD])

Aber Sie sehen, wir haben einen Entschließungsantrag gestellt.