Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

gung im Jahre 1995 noch durchschnittlich 8,4 Monate, so lag sie im Jahre 2003 bei 5,4 Monaten. Die Verfahrensdauer von Zulassungsverfahren stellt bereits heute kein Problem mehr dar. Die vorgeschlagenen Änderungen können somit nicht für positive Effekte in Anspruch genommen werden.

Durch die Verlagerung der Verfahren in der Spalte 2 der 4. BImSchV auf die kommunale Ebene wird die Durchführung des Erörterungstermins in das Ermessen des Antragstellers gelegt. Damit werden weder die Rechtssicherheit des anschließenden Bescheides noch der spätere Vollzug erleichtert. Vielmehr wird durch ein solches Vorgehen befördert, dass zahlreiche zusätzliche Klageverfahren entstehen könnten, denn das alles wird weiter dazu beitragen, dass verzögert wird und dass gegebenenfalls auch ein Bescheid rückgängig gemacht werden kann – mit allen finanziellen Folgen einschließlich zusätzlicher Bürokratie. Also, Sie erzielen mit einem Vorgehen, das dazu dienen soll, Bürokratie abzubauen und Verfahren zu erleichtern, eher das Gegenteil.

Die Reduzierung von Beteiligungsrechten führt erfahrungsgemäß nicht dazu, dass Verfahren tatsächlich beschleunigt werden, sondern sie führt dazu, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, dass es zusätzliches Misstrauen gegenüber Behördenhandeln und entsprechenden Anträgen gibt und dass es auch zu entsprechenden Nachfragen kommt.

Also kurzer Schluss: Wenn die Öffentlichkeit, wenn Beteiligte auf gleicher Augenhöhe mitreden und mitdiskutieren können, ihre Bedenken und Befürchtungen einbringen können, wird das Konfliktpotenzial minimiert; das führt zu einer verbesserten und beschleunigten Abwicklung der entsprechenden Verfahren.

Die bisherige Einstufung der Anlagen in der 4. BImSchV geschah aus gutem Grund. Nun sollen sie der Genehmigungs- und Aufsichtspflicht durch die übergeordneten Behörden entzogen und auf die untergeordnete Behörde verlagert werden. Gerade in diesen Behörden ist aber nicht die notwendige Fachkompetenz vorhanden. Insofern ist das Anliegen, immissionsschutzrechtliche Anlagen in der Gemeinde zu behandeln, dort nicht am richtigen Platz, weil dort gar nicht der notwendige Sachverstand sein kann.

Dies ist insgesamt ein Versuch, Standards im Umweltbereich abzubauen und berechtigte Interessen, die auf Einwände hin orientiert sein könnten, von diesen Verfahren auszuschließen.

Deshalb fordern wir hier und heute mit unserem Antrag die Landesregierung auf, den Initiativan

trag im Bundesrat zurückzuziehen, weiterhin Beteiligungsrechte als bewährtes, präventives Element der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung zu fördern und zu unterstützen sowie unter dem Strich auch für die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards zukünftig ausreichend und verstärkt Sorge zu tragen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Remmel. – Für die CDU spricht nun Herr Kress.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! UVP-Richtlinie, EVURichtlinie, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Bundes-Immissionsschutzverordnungen, Durchführungsverordnungen – das sind Regelungen, die laufend geändert werden müssen. Das ist auch richtig so; denn der Stand der Technik ändert sich.

Aber nicht nur der Stand der Technik, sondern auch die Kenntnisse zu Produktionsabläufen ändern sich laufend. Es hat doch keinen Sinn, wenn man bei weiteren Entwicklungsschritten nicht auch die begleitenden Bewertungen wie zum Beispiel den Anlagenkatalog der 4. Bundes-Immissionsschutzverordnung laufend überprüft und gegebenenfalls modifiziert. Dieser Katalog muss jeweils den neuesten Erkenntnissen angepasst werden. Darum ist es absolut richtig, dass Anlagen aus der immissionsrechtlichen Genehmigungspflicht entlassen werden, wenn sie in ihrer Umweltrelevanz mit baurechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen vergleichbar sind.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Das gilt auch für die Klassifizierung von Anlagentypen je nach Größe, Zahl, Menge oder auch Produktgefährdung. Ich habe zum Beispiel nie verstanden, warum Windfarmen bei der heutigen Klassifizierung mit sechs oder mehr Windkraftanlagen mit Nabenhöhen von zum Beispiel 60 m der Spalte 1 und Windfarmen mit drei bis fünf, aber großen Windkraftanlagen mit Nabenhöhen von über 150 m nur der Spalte 2 zugeordnet werden. Das gilt für viele andere Beispiele, die ich hier heute nicht anführen will.

Wir begrüßen ausdrücklich und unterstützen ohne Wenn und Aber die Initiative des Umweltministers zur Reduzierung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Der Umweltminister und die Landesregierung handeln hier nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und haben absolut Recht, wenn sie auch hier EU-Recht 1:1

umsetzen und nach europäischen Standards fast jede fünfte Anlage nach baurechtlichen und nicht mehr nach immissionsschutzrechtlichen Kriterien durch die örtlichen Genehmigungsbehörden prüfen lassen.

Meine Damen und Herren, wir sind zu Beginn der Legislaturperiode mit dem klar formulierten Ziel angetreten, Verwaltungsabläufe zu vereinfachen und in allen Bereichen, in denen die vorherige Landesregierung auf das EU-Recht aufgesattelt hat, diese Überregulierungen auf die europäischen Vorgaben zurückzufahren. Nur dann bleiben wir in Europa wettbewerbsfähig und sichern Arbeitsplätze in der Industrie, aber auch, meine Damen und Herren, in der Landwirtschaft.

Wir sind absolut davon überzeugt, dass die lokalen Genehmigungsbehörden aufgrund ihrer Orts- und Sachkenntnisse die richtigen Ansprechpartner für ein zügiges Verfahren sind und in der Umsetzung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit handeln. Auch hier sollten Theorie und Praxis nicht so weit auseinander liegen. So ist es zum Beispiel absolut sinnvoll, wenn wir bei biologischen Prozessen den Ausstoß des Klima beeinflussenden Kyoto-Gases Methan reduzieren. Trotzdem würde keiner auf die Idee kommen, frei grasende und ständig Methan produzierende Kühe mit einem Katalysator auszustatten.

Genau das, meine Damen und Herren, meine ich. Wir müssen weg von der grünen Schreibtischpolitik. Wir müssen Bewertungen praxisnah durchführen. Ich bin absolut davon überzeugt, dass wir uns im Ausschuss anhand weiterer Beispiele austauschen und dann auch gemeinsam per Beschluss den guten Antrag unserer Landesregierung stützen werden. Meine Damen und Herren, wir stimmen der Überweisung zu.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kress. – Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Wiegand das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Generell haben wir nichts dagegen und befürworten sogar, wenn Gesetze hin und wieder beziehungsweise regelmäßig auf den Prüfstand kommen und angepasst werden. So hat zum Beispiel die alte rot-grüne Bundesregierung unter Beteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen erst im Jahre 2004 eine Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes eingebracht und umgesetzt.

Hier kann der Eindruck entstehen, dass der Bauernbefreier NRW seine Klientel bedienen will

(Beifall von der SPD)

und daher kleine und mittlere Tierhaltungsanlagen aus dem Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz herausnehmen möchte. Als Landwirt muss er wissen und als Verbraucherschutzminister berücksichtigen, dass zum Beispiel 1.250 Hühner oder Puten ziemlich stinken können, wenn sie in der direkten Nachbarschaft angesiedelt sind. Ich könnte hier auch beispielsweise 312 Mast- beziehungsweise 150 Zuchtschweine nennen, deren Ställe nach den Änderungsplänen nicht mehr genehmigungsbedürftig sind.

Verwundert sind wir auch darüber, dass Lärm produzierende Anlagen aus dem Verfahren herausgenommen werden sollen, wo doch der Koalitionsvertrag der Bundesregierung ausdrücklich darauf hinweist, dass die Lärmbekämpfung in der konkurrierenden Gesetzgebung verbleiben soll. Würden Sie diese Lockerung auch einbringen oder das bestehende Gesetz eher noch verschärfen, wenn Sie mit dem Bundes-Immissionsschutzgesetz den Ruf des Muezzin gegenüber dem Glockengeläut ein für alle Mal regeln könnten?

(Beifall von der SPD)

Der Koalitionsvertrag der Landesregierung verspricht vollmundig den Bürokratieabbau. Auch Sie sprechen bei Ihrer Bundesratsinitiative von – so wörtlich – „Signalwirkung für weitere Entbürokratisierungsmaßnahmen im Umweltrecht“. Ist aber Ihr Mittel zur Zielerreichung nicht kurzfristig der Abbau von Bürgerrechten und mittelfristig der Einstieg in das Ökodumping? Glauben Sie wirklich, dass Sie auch nur eine einzige bürokratische Hürde meistern, wenn Sie die Aufgaben von den für Immissionsschutzaspekte kompetenten, erfahrenen und fachlich ausgebildeten Staatlichen Umweltämtern auf die Baugenehmigungsbehörden in Kommunen und Kreise verlagern?

Bislang bieten feste und bewährte immissionsschutzrechtliche Grenzwerte und Verfahren den Behörden und Antragstellern Sicherheit. Anträge können dadurch in der Regel schnell und effektiv geprüft werden. Mit der Umsetzung der Bundesratsinitiative wird an diese Stelle eine hinsichtlich Inhalt, Verfahren und Ausgang nicht mehr so einfach vorhersehbare Einzelfallprüfung treten, die von messbaren Grenzwerten und Maßstäben abgelöst sein wird.

Wird es nicht auch so sein, dass die Kommunen und Kreise von den zuständigen Behörden Stel

lungnahmen in Bezug auf den Immissionsschutz einfordern werden? Nach meiner Rechnung führt das dann eher zu mehr als zu weniger Aufwand. Schließlich haben Immissionsschutzgenehmigungen Konzentrationswirkungen. Fallen diese weg, hat man es zukünftig mit mehr Behörden zu tun.

Ist das nicht in Wirklichkeit schon der erste Schritt hin zur Verwaltungsstrukturreform in den Umweltbehörden? Aber können die Kommunen die Beratungskompetenz der Staatlichen Umweltämter auch wirklich ersetzen, oder wollen Sie die Beratung langfristig sogar noch privatisieren?

Die Kommunen werden sich bei Ihnen bedanken, Herr Minister Uhlenberg, dass sie mit dem gleichen Personal mehr Arbeit stemmen dürfen.

Ich nehme Ihnen auch nicht ab, dass Bürokratie und Wartezeiten abgebaut werden, wenn die Öffentlichkeit, die nun nicht mehr im bisherigen Umfang an den Verfahren beteiligt werden soll, vor die Gerichte zieht.

Die uns jetzt vorliegende Gesetzesinitiative erinnert an die Zeit vor 1972 beziehungsweise 1974, als das moderne Immissionsschutzrecht neben dem Baurecht eingeführt wurde. Sollen wir nun den Griff zurück in die Mottenkiste auf der Grundlage einer preußischen Gewerbeordnung aus Kaisers Zeiten als frischen Wind der Modernisierung verkauft bekommen?

Gespannt sind wir auch auf die Erklärung der Landesregierung, wie in Zukunft die europarechtlichen Anforderungen hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung erfüllt werden sollen. Dies gilt gerade auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wie sie im Urteil der Kommission gegen Irland vom September 1999 zum Ausdruck kommt.

(Beifall von der SPD)

Dem Ganzen fehlt insgesamt das Grundkonzept. – Aus diesen und weiteren Gründen muss genau unter die Lupe genommen werden, was uns die NRW-Landesregierung da unter den Weihnachtsbaum gelegt hat.

Für uns als SPD-Landtagsfraktion besteht noch erheblicher Klärungsbedarf in den zuständigen Ausschüssen. Wir können gespannt sein, ob Sie es schaffen, Herr Uhlenberg, dass auch wir am Ende frei nach Konrad Adenauer sagen werden: Es kann mich niemand daran hindern, über Nacht klüger geworden zu sein.

Wir plädieren daher für eine entsprechende Überweisung. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Wiegand. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Ellerbrock.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Wiegand, ich finde es gut, dass Sie für die SPD-Fraktion Ja zur Überprüfung von Gesetzen gesagt haben und sich auch grundsätzlich zur Verfahrensbeschleunigung und dazu bekannt haben, dass man auch im Instrumentenkasten aufräumen muss. Diese Aussage finde ich ausgesprochen gut. Den danach vorgetragenen Teil möchte ich eigentlich nicht bewerten, weil er nach meiner Meinung kontraproduktiv war. Diese Grundsatzaussage fand ich aber schon einmal gut.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Herr Remmel, ich teile Ihre Ansicht: Es wäre besser gewesen, wenn die Landesregierung früher, nämlich vor der Bundesratsinitiative informiert hätte. Ich hätte es allerdings auch besser gefunden, wenn Sie in der letzten Legislaturperiode bei Frau Ministerin Höhn dieses ebenso eingefordert hätten. Das hätte die Glaubwürdigkeit Ihrer Aussage wesentlich erhöht.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Meine Damen und Herren, die Landesregierung wird mit dem Antrag aufgefordert, die Bundesratsinitiative zurückzuziehen und gleichzeitig die Beteiligungsrechte weiter zu fördern. Nein, das wollen wir nicht. Das haben wir in der Koalitionsvereinbarung so dargestellt. Wir wollen zu einem Bürokratieabbau kommen – allerdings ohne die Umweltstandards herunterzufahren. Dieser Entwurf der Landesregierung zeigt auch, dass das möglich ist.

Man könnte bösartig sagen: „Herzlichen Glückwunsch zum Antrag der Grünen“; denn dieser Antrag zeigt, dass die Grünen nicht verstanden haben, was moderne Umweltpolitik eigentlich bedeutet – nämlich, sich auf Wesentliches zu beschränken und dieses dann auch vernünftig durchzusetzen.

Meine Damen und Herren, das Bundes-Immissionsschutzgesetz sieht zurzeit für jedes immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung die Durchführung eines Erörterungstermins vor. Jetzt soll die Genehmigungsbehörde im Einzelfall entscheiden, ob ein Erörterungstermin durchzuführen ist oder nicht. Das ist doch vernünftig. Wie viele Verfahren be

dürfen eigentlich einer Durchführung eines solchen Erörterungstermins gar nicht? Wir sollten doch auch ein bisschen Vertrauen in die Behörden haben, die dieses mit aussuchen. Tatsächlich wird so etwas vor Ort ja auch akzeptiert.

Der Anlagenkatalog der 4. BImSchV soll gestrafft werden. Jawohl, das ist richtig. Nur für Anlagen mit besonderer Umweltrelevanz soll jetzt noch ein erhöhter Verfahrensaufwand mit Öffentlichkeitsbeteiligung und Erörterungstermin durchgeführt werden. Ich finde das völlig in Ordnung. Ich habe gar nichts dagegen. Das ist das, was wir eigentlich wollten.