Was sich zeigt, ist Folgendes: Es gibt keine abgestimmte Programmatik innerhalb der CDU zur Familienpolitik.
Sie hat die lange Zeit der Opposition offenbar nicht genutzt, um eine ausgereifte Programmatik zu entwickeln. Frau Doppmeier hat es eben noch einmal gesagt. Sie sagte, Sie brauchen Zeit, Sie müssen diskutieren, Sie müssen Konzepte gegeneinander stellen.
Herr Rüttgers scheint in Berlin ein solches Leichtgewicht zu sein, dass seine Vorschläge, die im Übrigen in Bezug auf die Familienpolitik klug sind – dazu kommen wir gleich noch einmal –, nicht wahrgenommen und schon gar nicht umgesetzt werden.
Das heißt, Herr Rüttgers, Sie und Ihre NRW-CDU stehen in Berlin nicht mit auf dem Spielfeld, wie wir feststellen müssen. Sie sitzen noch nicht einmal auf der Reservebank, weil dort schon die Hessen, die Niedersachsen und die Bayern Platz genommen haben und diese besetzen. Sie müssen aus dem Fanblock rufen und sich über die Presse Gehör verschaffen. Das entspricht nicht dem Gewicht, das Nordrhein-Westfalen in der Bundesrepublik haben sollte.
Angesichts dieses Chaos in der Familiepolitik muss ich gar nicht mehr zitieren. Wir haben die Zitate alle im Pressespiegel vor uns. Die NRWCDU widerspricht allen Vorschlägen, die von der CDU auf Bundesebene kommen, und sagt, das sei Schwachsinn, man solle die Finger davon lassen, das sei unsozial. In der heutigen Debatte allerdings verfahren Sie nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. Sie halten uns rückwärts gerichtet vor, was wir alles in der Familienpolitik nicht gemacht haben. Das ist das alte Spiel. Darum geht es heute aber nicht.
Herr Kern, auf Ihre Äußerung, wir Grünen würden Familienpolitik als Tagespolitik betreiben, entgegne ich Ihnen Folgendes: Wir haben als erste Partei schon in unser Gründungsprogramm hineingeschrieben: Wir brauchen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wir brauchen die Erwerbstätigkeit der Frauen. Deswegen brauchen wir eine
Wir haben das immer wieder konsistent in die Diskussion eingebracht. Wir freuen uns heute, dass Sie von Ihrem konservativen, veralteten Familienbegriff, nach dem die Frau nach Hause an den Herd gehöre und Kinder nur bei der Mutter gut aufgehoben seien, endlich herunterkommen.
Es gibt kein Konzept innerhalb der CDU. Deshalb wundern wir uns auch nicht, dass die Familienministerin in Berlin so leicht vom Finanzminister über den Tisch gezogen wird. Bei der Steuerentlastung hat der Finanzminister, wie wir gesehen haben, die Familienministerin gnadenlos über den Tisch gezogen, wenngleich er jetzt von seiner eigenen SPD-Fraktion zurückgepfiffen worden ist. – Das wäre auch noch einmal ein Thema, denn innerhalb der SPD gibt es ja auch nicht nur konsistente Programmatik. Aber darüber diskutieren wir heute nicht.
Jetzt ist Folgendes passiert: Das sowieso schon Besserverdienende begünstigende Modell ist durch diese merkwürdige Splittung zwischen unter Sechsjährigen und ab Sechsjährigen noch unsozialer geworden, weil dadurch die Alleinerziehenden im Regen stehen gelassen werden und für diese nichts getan wird.
Ein weiteres Beispiel betrifft die Elternbeiträge im Kindergarten. Ich finde schon interessant, dass offenbar innerhalb der CDU die rechte Hand in Berlin nicht weiß, was die linke in NordrheinWestfalen tut. Während nämlich die Bundesministerin die Abschaffung der Elternbeiträge fordert – sie muss deshalb keinen Cent mehr ausgeben, denn das ginge auf Kosten der Kommunen –, werden die Kommunen in Nordrhein-Westfalen von der Landesregierung aufgefordert, genau diese Beiträge zu erhöhen,
um die Finanzierungslücke zu schließen, die ihnen durch die Kürzungen entstehen. Sie als Landesregierung haben erklärt, Sie könnten diesen Ausgleich nicht finanzieren, und haben ca. 84 Millionen € gestrichen. Was bleibt dann den Kommunen anderes übrig, als die Elternbeiträge zu erhöhen?
Ein Hinweis, Herr Lindner, weil Sie uns vorwerfen, wir hätten nichts getan, und weil Sie sich hier mit fremden Federn schmücken: Die Budgetvereinbarung, dass wir 20 % der unter Dreijährigen betreuen wollen, wurde unter Rot-Grün beschlossen. Sie haben das übernommen, sind jetzt an der Regierung und dürfen das umsetzen. Wir wünschen Ihnen dabei alles Gute. Denn das Hauptanliegen, um das es dabei geht, lautet, die Infrastruktur für die Familien zu verbessern. Es geht nicht darum, ob die Familien einen Euro mehr oder weniger im Portemonnaie haben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss mich schon über meine Vorrednerin und Ihre Ausführungen wundern. Sie stehen hier und verkünden lang zurückliegende Parteitagsbeschlüsse der Grünen. Gerade zu Ihrem letzten Aspekt, der Unter-Dreijährigen-Betreuung, frage ich Sie: In welcher Situation und in welchem Ausbaustadium haben Sie bei dieser Aufgabenstellung dieses Land nach den Jahren Ihrer Verantwortung hinterlassen?
Gerade Sie von den Grünen haben wenig Veranlassung, sich hierhin zu stellen und einerseits CDU und FDP vorzuwerfen, sie hätten mit ihrer nordrhein-westfälischen Politik zu wenig Gewicht im Bund, wo doch andererseits die Grünen in ganz Deutschland politisch für nichts mehr benötigt werden, in keinem der 16 Bundesländer und nicht im Bund.
Das entlässt Sie aber nicht aus der Verantwortlichkeit für das, was Sie in den letzten zehn Jahren in Nordrhein-Westfalen mitgetragen haben.
Wer ernsthaft bestreitet, dass die schwarz-gelbe Regierung in Nordrhein-Westfalen familienpolitische Anstrengungen unternimmt und dass es Bereiche gibt, in denen deutliche Qualitätsverbesserungen sichtbar sind, der handelt entweder böswillig oder ist total uninformiert.
Bei Ersterem weiß man, wie man das politisch einzuordnen hat. Trifft das zweite zu, kann man nachhelfen. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie zur Kenntnis nehmen, welche Maßnahmen die Koalition, die Parlamentsmehrheit in Nordrhein-Westfalen, auf den Weg bringt.
Sie wissen, welches ehrgeizige Projekt wir uns mit den Familienzentren vorgenommen haben, um zu einer neuen Netzwerkbildung und zu einer Beratungsinfrastruktur zu kommen. Ich glaube, wir können zu Recht sagen: Mit diesem Vorhaben stehen wir an der Spitze aller 16 Bundesländer.
Ich erwarte von Ihnen die Bereitschaft zu einer ganzheitlichen Sicht der Dinge. Familienpolitik ist eben nicht nur eine Detailfrage des Steuerrechts in irgendeinem Paragraphen, sondern Familienpolitik betrifft selbstverständlich auch Prozesse von Bildung und Betreuung. Genau diesem Feld gewährt unser Landeshaushalt Vorrang. Das werden Sie in den nächsten Wochen studieren können.
Wir sorgen für Qualitätssteigerung im Bereich der offenen Ganztagsschule. Die offene Ganztagsschule wird dann auch wieder Schule, weil wir nicht Ihr Programm Schule ohne Lehrer fortsetzen, sondern weil wir Schule mit Lehrern machen, weil wir wissen, dass Bildung und Betreuung zusammengehören.
Wir sind zudem das einzige Bundesland, das in dieser Größenordnung – das nicht nur absolut wegen der Einwohnerstärke, sondern auch prozentual – in den noch verbleibenden viereinhalb Jahren 6.400 zusätzliche Stellen allein in dieser Legislaturperiode schafft. 2.400 Stellen werden geschaffen für die Aufwendungen des Ganztags, 4.000 für eine bessere Grundversorgung an Schulen. Kein anderes Bundesland in Deutschland handelt auf diesem Gebiet so vorbildlich wie wir.
Deshalb an die SPD gerichtet – nachdem vieles von dem gerade Gesagten auch bei den Grünen und ihrer Beantragung und ihren Ausführungen für die Aktuelle Stunde greift –, zu Ihrer Glaubwürdigkeit als SPD: Sie haben vor über 30 Jahren das erste Mal in Ihrem Parteiprogramm den beitragsfreien Kindergarten beschlossen und das in steter Regelmäßigkeit – nicht weil Sie eine neue programmatische Erkenntnis gehabt hätten, sondern weil Sie das als Marketingthema in der Zielgruppenansprache genutzt haben – während der letzten Jahre immer wieder neu aufgelegt.
In der letzten Legislaturperiode wollte die FDPLandtagsfraktion wissen, wie ernst und ehrlich Ihre Programmatik gemeint war, und haben Ihren Bochumer Parteitagsbeschluss wortwörtlich im Landtag zur Abstimmung gestellt. Die, die ihm die Zustimmung versagt haben, waren alles Abgeordnete der SPD. – Das gehört im Hinblick auf die Zeit, in der Sie hier noch die politische Mehrheit hatten, auch zur Ehrlichkeit.