Protokoll der Sitzung vom 19.01.2006

Damit dies gelingt, hat die Landesregierung unter anderem bei der Europäischen Kommission beantragt, dass für das laufende Programm auch private Drittmittel zur Kofinanzierung zugelassen werden. Für die künftige Förderperiode wird sich die Landesregierung weiter dafür einsetzen, dass die Einbeziehung von privaten Mitteln zulässig bleibt. Hierbei wird es wesentlich auf das Europäische Parlament ankommen. Ich habe deshalb alle Europaparlamentarier aus NRW gebeten, sich dafür einzusetzen.

Auch im neuen Ziel-2-Programm ab 2007 wird das Ruhrgebiet wieder einen Schwerpunkt der Förderung bilden. Die nach wie vor bestehenden strukturellen Schwächen im Ruhrgebiet wird die Landesregierung bei ihrer Förderpolitik ab 2007 natürlich berücksichtigen. Aber auch für das Ruhrgebiet wird zukünftig gelten, dass die Erreichung der Lissabon-Ziele und die Stärkung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit in der Förderpolitik des Landes – übrigens auch der EU – höchste Priorität haben.

Die Landesregierung wird deshalb auch die Möglichkeit nutzen, das Thema Innovation über das Ruhrgebiet hinaus

(Ralf Jäger [SPD]: Aha!)

über das Ruhrgebiet hinaus! – landesweit zu einem Förderschwerpunkt zu machen. Die Mittel hierfür sollen möglichst im Wettbewerb um die besten Ideen und Projekte vergeben werden. Hiervon verspreche ich mir zukünftig eine höhere Projektqualität.

Ich habe bei diesen Wettbewerbsverfahren übrigens keine Sorge um das Ruhrgebiet. Ich gehe davon aus, dass das Ruhrgebiet auf der Basis der bisher erarbeiteten Kompetenzen und Stärken bei diesen Wettbewerben sehr gute Chancen für die Einwerbung von zusätzlichen Projektmitteln hat. Ich traue dem Ruhrgebiet etwas zu! Und ich rate jedem verantwortlich Handelnden im Ruhrgebiet, sich auch selbst etwas zuzutrauen.

(Beifall von CDU und FDP)

Die bisherige Resonanz aus dem Ruhrgebiet auf diese ersten Überlegungen der Landesregierung enthält jedenfalls viel Zustimmung. Und auch der eine oder andere aus Ihren Reihen, wenn er nicht hier spricht, sondern man sich unter vier Augen mit ihm unterhält, sagt: Das wurde aber auch Zeit! –

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Genau so ist das!)

Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Groschek.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Witzel hat wohl Witze gemacht: Herr Kollege Witzel, wer das Tunnelbauprojekt zu Schilda als politische Landmarke des Ruhrgebietes propagiert,

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

den kann man in dieser Arena doch nicht als ernsten Diskussionspartner begrüßen. Alles andere war Wahlkampfrhetorik und ansonsten ohne viel Inhalt.

Was mich allerdings viel mehr erstaunt hat als der Gruß aus Borken ans Ruhrgebiet war die Einlassung der Frau Ministerin gerade. Es ist schon erstaunlich, dass sich eine Nachfolgerin mit einer

anderen politischen Färbung so sehr mit den Schulterstücken der Vorgängerregierung rühmt, wie Sie es gerade getan haben, liebe Frau Thoben.

(Beifall von der SPD)

Wir fragen uns allerdings: Wo bleibt denn eine originär eigene Initiative, ein originär eigenes Projekt, ein originär eigener Beitrag zum Strukturwandel? Der Ministerpräsident hat ja eine Regierungserklärung abgegeben und angekündigt: Wir schaffen eine Zukunftsinitiative Ruhrgebiet. – Außer Pustekuchen bislang nichts gewesen!

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Das war eine Buchhalterrede!)

Wenn Sie das Space-Center in Bremen anführen, dann sollten Sie nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Das Space-Center in Bremen, das großkoalitionär verabschiedet wurde, ist ein aufgeblasenes Einkaufscenter mit einer Achterbahn. Das hat mit dem Projekt O.Vision überhaupt nichts zu tun, Frau Thoben, und ist fachlich überhaupt nicht damit zu vergleichen.

(Beifall von der SPD)

Zu den EU-Mitteln – darauf komme ich gleich ausführlich zurück, aber ein Hinweis schon jetzt –: Es ist in Wirklichkeit skandalös, dass Sie jetzt händeringend nach Möglichkeiten suchen müssen, um nicht Millionen an Brüsseler Investitionshilfe auf Halde legen zu müssen, weil Sie kein Alternativprojekt haben. Denn im genehmigungsfähigen Haushalt gibt es kein Alternativprojekt, bei dem dieses Geld investiert werden könnte. Deshalb droht in NRW zum ersten Mal, dass wir Strukturhilfemittel zurückgeben müssen. Ein Stück aus dem Tollhaus!

(Beifall von der SPD)

Jetzt zum Anspruch und zur Wirklichkeit der schwarz-gelben Landesregierung und ihrer Strukturpolitik: Im eigenen Koalitionsvertrag formulieren Sie: Wir setzen Schwerpunkte im Ruhrgebiet in der Gesundheitswirtschaft. – Welches Projekt wenn nicht O.Vision wäre ein solches Innovationsprojekt?

Die IHK, der Deutsche Gewerkschaftsbund, Professor Lehner, Gutachter, das Wirtschaftsministerium des Landes und potenzielle Investoren – ein Drittel der Fläche war optioniert – sagen Ja zu O.Vision. Frau Thoben, Sie haben selbst als Ministerin Ja zu O.Vision gesagt. Bis zum Schluss haben Sie dem Oberbürgermeister gegenüber gesagt: Ja, das ist ein Zukunftsprojekt, das nur noch von der Finanzierung abhängt, Herr Ober

bürgermeister. Heute tun Sie so, als ob die Finanzierung eine Marginalie sei.

Sie haben doch dazu beigetragen, dass das Projekt finanziell abgespeckt und auf einen Eigenanteil von 10 Millionen € reduziert wurde.

(Zuruf von der FDP)

Was der Stadt jetzt an Rückzahlungen droht, ist ein Vielfaches dieser Summe. Also macht es finanzpolitisch überhaupt keinen Sinn, was Sie hier erzählt haben.

(Beifall von der SPD)

Machtpolitisch allerdings macht es Sinn. Ideologisch macht es Sinn, weil die rote Hochburg die Region war, in der sich der Abschreckungseffekt der neuen Regierung besonders ausgeprägt hat. Das Ergebnis der Bundestagswahl vier Monate nach der Landtagswahl war eindeutig: 26,5 % im Ruhrgebiet für Sie, 50 % für uns. – Das ist das wahre Motiv hinter Ihrer Perspektive, …

(Beifall von der SPD)

… dieses Projekt und andere abzuwürgen.

Apropos Ruhrgebietspartei: Wir wundern uns, wo der sehr sympathische Herr Lammert bleibt. Als Mensch ist er sympathisch. Als Regionalpolitiker im RVR ist er nichts als ein schweigender Sitzriese, meine Damen und Herren. Wo ist der Chef der Ruhr-CDU?

(Beifall von der SPD)

Frau Thoben, hoch wohldotierte Übergangspräsidentin KVR, RVR, …

(Ministerin Christa Thoben: Was haben Sie gesagt?)

Hoch wohldotierte Übergangspräsidentin.

(Ministerin Christa Thoben: Eine Frechheit!)

Warum? Das ist doch völlig in Ordnung!

(Ministerin Christa Thoben: Eine Frechheit! Eine Unverschämtheit!)

Nein, das ist völlig in Ordnung, völlig in Ordnung!

(Zuruf von Ministerin Christa Thoben)

Nein, nur dass Sie beim Neujahrsempfang der Kreishandwerkerschaft in Bochum gesagt haben, die sollten sehen, wie sie damit fertig werden, jetzt hätten sie ihre Projekte und sollten als RVR gucken, wie sie damit klarkämen, ist eben kein Ausdruck von Loyalität und Solidarität mit dem Ver

band, die eigentlich notwendig gewesen wäre, Frau Thoben.

(Beifall von der SPD)

Oliver Wittke, auch ein Ruhrgebietspolitiker mit CDU-Färbung, beklagt in der „WAZ“ am 13. diesen Monats lauthals das Sanierungsproblem, den Sanierungsfall Ruhrgebiet. Was ist denn sein Beitrag zur Problemlösung? – Sein Beitrag zur Problemlösung besteht in der Schirmherrschaft über die größte öffentliche Bauruine im Ruhrgebiet, das Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen. Das ist ein Millionensteuergroschengrab: 20 Millionen € ansteigend ohne Ende!

(Beifall von der SPD)

Sie wollen nicht nur nichts fürs Ruhrgebiet tun, Sie können es auch nicht. Schlafmützigkeit ist auch ein politisches Vergehen. Bei Ihnen geht der Winterschlaf in die Frühjahrsmüdigkeit über.

(Beifall von der SPD)