Protokoll der Sitzung vom 15.02.2006

Für Schlüsselzuweisungen stehen im Steuerverbund 2006 knapp 5 Milliarden € zur Verfügung.

Das entspricht einem Anteil an der gesamten verteilbaren Steuerverbundmasse von 85,4 %. Das ist einer der höchsten Anteile im Steuerverbund in den letzten Jahren. Im Jahr 2005 waren es nur 82,7 %.

Außer den Schlüsselzuweisungen, die den kommunalen Verwaltungshaushalten als allgemeine Deckungsmittel zufließen, erhalten die Gemeinden, Kreise und Landschaftsverbände im Steuerverbund 2006 pauschale Mittel für investive Maßnahmen, die den Vermögenshaushalten zufließen. Diese Zuweisungen werden, anders als die Schlüsselzuweisungen, finanzkraftunabhängig verteilt. Sie eröffnen den Kommunen Spielräume für eigene Investitionen. Für Investitionspauschalen stehen im Steuerverbund 2006 insgesamt 321 Millionen € zur Verfügung.

Einen Schwerpunkt setzt die Landesregierung bei der Schulpauschale und der Sportpauschale. Die Schulpauschale wird ohne Abstriche erneut mit 460 Millionen € dotiert. Neu ist, dass davon 70 Millionen € konsumtiv ausgewiesen werden. Damit wird im Landeshaushalt der Tatsache Rechnung getragen, dass die Kommunen die Schulpauschale auch für konsumtive Zwecke nutzen dürfen. Für die Kommunen bleiben die Verwendungsmöglichkeiten allerdings unverändert.

Die Sportpauschale wird erstmals in der ursprünglichen Höhe von 50 Millionen € dotiert. Damit wird den Kommunen ermöglicht, selbst Investitionen in Sportstätten durchzuführen oder entsprechende Maßnahmen von Sportvereinen zu fördern.

Insgesamt ist festzuhalten, dass durch diesen Entwurf des GFG 2006 die Finanzkraft der meisten Kommunen als Summe der eigenen Steuerkraft und der Schlüsselzuweisungen im Jahr 2006 höher sein wird als in den Jahren zuvor. Lediglich 19 Gemeinden im Land weisen eine niedrigere Finanzkraft auf als im Jahr 2005, während 377 Gemeinden in Nordrhein-Westfalen eine höhere Finanzkraft als im Vorjahr haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich darf noch darauf hinweisen, dass die Gemeinden und die kommunalen Spitzenverbände über die voraussichtlichen Wirkungen dieses GFGEntwurfs 2006 im Detail informiert sind. Wie Sie wissen, hat das Innenministerium im Januar eine entsprechende Proberechnung vorgelegt. Außerdem haben die Gemeinden zum 30. Januar 2006 eine erste Abschlagszahlung erhalten.

Abschließend ist festzustellen, dass die Landesregierung mit dem Gesetzentwurf zum GFG 2006 ihrer Verantwortung gegenüber allen nordrhein

westfälischen Kommunen unter schwierigen Rahmenbedingungen gerecht geworden ist. Ich weiß, dass die von uns vorgenommenen strukturellen Veränderungen nicht bei allen Kommunen im Land Zustimmung finden.

Ich hoffe aber, dass ich die Ursachen und Wirkungen deutlich gemacht habe und dass diese sowie die Bereitschaft der Landesregierung, auch bei schwierigster Lage des Landeshaushalts eine angemessene, zukunftsfähige Mischung aus notwendiger Orientierung und Kontinuität zu finden, vor Ort sehr wohl erkannt werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Innenminister.

Ich eröffne die Beratung zum Haushaltsgesetz. - Für die SPD spricht Frau Kraft.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach langem Warten ist er jetzt da: der erste eigenständige Haushaltsentwurf der neuen Regierungskoalition.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Manfred Kuhmichel [CDU])

Warten Sie lieber ab, Herr Kuhmichel. – Er trägt Ihre Handschrift; er ist ein Ausweis Ihrer Politik.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Sehr richtig!)

Herr Minister Linssen, wie haben Sie eingangs gesagt: „Weichen stellen Richtung Zukunft“? – Herr Minister, Ihre Weichen führen NRW auf das Abstellgleis,

(Beifall von der SPD)

und das Schlimme daran ist: Die Menschen, die in dem Zug sitzen, werden wohl erst 2010 die Chance haben, wieder auszusteigen.

(Beifall von der SPD)

Die Fakten liegen klar auf dem Tisch. Der Haushaltsentwurf enthält mit 5,9 Milliarden € die höchste Neuverschuldung bei Einbringen in der Geschichte unseres Landes.

(Zuruf von Manfred Kuhmichel [CDU])

Das hören Sie nicht gern, Herr Kuhmichel. – Er überschreitet die Verfassungsgrenze um 2,6 Milliarden €. Interessant ist, Herr Minister, dass Sie uns diesmal eine lange Begründung geliefert haben. Ich denke, das spricht für das schlechte Gewissen. Oder Sie wollen schon einmal für die Verfassungsgerichtsverfahren vorbeugen.

(Beifall von der SPD)

Wie schon beim zweiten Nachtrag 2005 begründen Sie das wieder mit objektiver Unmöglichkeit. – Herr Linssen, das geht für die Menschen im Land nicht zusammen. Sie berufen sich auf objektive Unmöglichkeit, haben aber frisches Geld: für die Landwirtschaftskammern 16,3 Millionen €, für den Flughafen Münster/Osnabrück 11 Millionen € aus dem Umweltetat oder für die Reiterstaffel. Und in vielen Ressorts, insbesondere in der Staatskanzlei, erhöhen Sie die Ansätze für Öffentlichkeitsarbeit, Beratung und externen Sachverstand.

(Zurufe von der SPD)

Diese Aufgaben, Herr Minister, ergeben sich meines Wissens nicht aus der Landesverfassung. Wenn dann solche innovativen Sanierungspläne dabei herauskommen wie der, den Sie uns heute vorgestellt haben, dann rate ich Ihnen, dafür wirklich nicht mehr Geld auszugeben.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, die Verfassung zu ignorieren ist an sich schon schlimm genug.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Schlimmer ist jedoch das, was jetzt hinter den Zahlen klar erkennbar ist, nämlich die dort angelegte Veränderung unserer Gesellschaft, unseres Landes. Sie nennen das Erneuerung. Ich stelle fest: Sie erneuern das Land nicht. Denn Erneuerung würde bedeuten, das Land voranzubringen. Sie verändern es zwar, aber zum Schlechteren. Sie sind auf einem Irrweg, Herr Minister.

(Beifall von der SPD)

Ihr Weg ist geprägt von zwei Prinzipien, die wir hier immer wieder in den Reden zu hören bekommen, nämlich „Freiheit vor Gleichheit“ und „Privat vor Staat“.

Der Staat soll ausschließlich das tun, was die Bürger nicht selbst tun können. Bei allem, was auch Private erledigen können, soll sich der Staat heraushalten. Das ist Ihr Credo, Herr Papke.

(Beifall von der FDP)

Stück für Stück ziehen Sie das Land aus seiner Verantwortung zurück. Sie geben damit den Menschen nicht mehr Freiheit. Nein, Sie lassen sie alleine. Bei Ihnen werden Waggons des Zuges NRW abgehängt. Viele müssen deshalb am Bahnsteig stehen bleiben. Das ist die Realität.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir sind an diesem Punkt in einer sehr grundsätzlichen und, ich glaube, sehr wichtigen Debatte. Denn unser Weg ist ein anderer. Für uns Sozialdemokraten steht fest: Ein starker, handlungsfähiger Staat ist unverzichtbar. Zusammen mit einer starken Wirtschaft und einer menschlichen Gesellschaft ist er für uns Garant für eine gute Zukunft.

Herr Minister, Sie haben viel, fast ausschließlich, über Zahlen geredet. Das ist der Unterschied zwischen uns. Wir reden über die Menschen in diesem Land.

(Beifall von der SPD)

Die Aufgabe eines Staates, wie wir ihn verstehen, ist es, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Die Menschen müssen gleiche Chancen auf Teilhabe, auf Bildung, auf Gesundheit, auf Wohlstand haben. Diese Chancen muss und kann ihnen nur der Staat eröffnen. Diese Aufgabe kann und darf nicht wegfallen. Denn die Privaten, der Markt, werden diese Aufgaben nicht übernehmen.

(Beifall von der SPD)

Manche von Ihnen glauben – Herr Papke an vorderster Front –: Wenn man nur mehr Markt oder mehr Wettbewerb schafft, dann werden sich quasi automatisch Chancen für alle ergeben. – Herr Papke, das ist ein Irrtum.

(Beifall von der SPD)

Markt oder Wettbewerb sind nur Instrumente. Man darf sie nicht ideologisch zu einem Prinzip überhöhen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, der Weg, auf den die FDP Sie da führt, der ist gefährlich. Ich höre ja, Sie fliegen jetzt in die USA. Ich empfehle Ihnen einen Besuch bei der John F. Kennedy School of Government. Reden Sie mit den Wissenschaftlern, mit den Fachleuten! Denen ist längst klar, dass gänzlich ungeregelter Markt den sozialen Zusammenhalt und damit die Voraussetzung seiner eigenen Wirksamkeit zerstören würde. Der Markt kann weder ausreichend für öffentliche Güter sorgen noch den sozialen Zusammenhalt stützen. Er würde sich quasi selbst den Ast absägen, auf dem er sitzt.

Deshalb sind Staat und staatliches Handeln, Herr Papke, auch nicht mit Unfreiheit gleichzusetzen. Ein handlungsfähiger Staat beeinträchtigt nicht die Freiheit des Menschen. Im Gegenteil, er garantiert Freiheit. Er garantiert die Möglichkeit, selbstbestimmt zu leben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)