Protokoll der Sitzung vom 16.02.2006

Meine Damen und Herren, wir dürfen keine unbegründeten Ängste vor der Vogelgrippe schüren. Wir müssen das Risiko analysieren und sagen: Da ist ein Problem. Wir handeln so und so. – Aber die Menschen in Panik zu versetzen, dazu besteht erstens kein Anlass und das ist zweitens unverantwortlich.

Die auch in den öffentlichen Medien besonnene Darstellung des Umweltministers finde ich vernünftig. Das hebt sich ab vom Management by Chaos, Management by Angstmachen einer anderen Amtsperson, die früher hier in NordrheinWestfalen tätig war.

Ich finde es schon schlimm, dass, wie ich der „Saarbrücker Zeitung“ entnehme, die frühere Umweltministerin lauthals sagt, jemand müsse nur in Vogelkot treten und das Virus dadurch in den Hühnerstall tragen – das ist sachlich richtig –, wir müssten uns darauf vorbereiten, Millionen Tiere zu keulen, und wir müssten sofort Angst haben. Diese Schlussfolgerung darf nicht sein. Das ist die eine Seite der Medaille.

Allerdings, Frau Höhn ist ja eine umfassend gebildete Dame: Im ddp Berlin vom heutigen Tage ist hinsichtlich der Aufstallungspflicht zu lesen – Zitat –, die sofortige Anordnung der Stallpflicht hingegen sei schon ein bisschen Aktionismus. – Dazu muss ich sagen: Frau Höhn, für einen Weg müssen Sie sich entscheiden. Entweder es ist zu viel oder es ist zu wenig.

(Beifall von FDP und CDU)

Aber die Leitlinie, die von Grün wieder nach draußen getragen wird – Kritik allerorten, egal woran, Hauptsache ich komme mit Kritik in die Medien –, halte ich vor dem Hintergrund der begrenzten realen Gefahr durch die Vogelgrippe für unverantwortlich. Hier wird mit der Angst der Menschen

Politik gemacht. Und das ist eine schlimme Sache.

In diesem Zusammenhang, Herr Minister, habe ich Ihr Verhalten als ausgesprochen sachgerecht und positiv empfunden. Ich gehe nicht nach draußen und mache immer Lobhudeleien, aber man muss das einfach einmal vergleichen. – Ich danke.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Ellerbrock. – Für die SPD spricht nun Frau Wiegand.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Dringlichkeit des heutigen Themas der Aktuellen Stunde, die Vogelgrippe, hat uns inzwischen eingeholt. Die ersten Fälle in Deutschland zeigen, dass auch wir in NRW die Augen nicht verschließen dürfen. Daher unterstützen wir die Bemühungen der NRWLandesregierung, sich an die Spitze der Bundesländer zu stellen, wenn es um die Eindämmung und Bekämpfung der Vogelgrippe geht.

Dieses Thema ist wichtig. Es geht uns alle an. Eine typische Oppositionshaltung oder die leider in dieser Legislaturperiode oftmals zutage tretende Gutsherrenart der regierungstragenden Fraktionen wären hier fehl am Platze.

(Beifall von der SPD)

Wir müssen gemeinsam handeln, wir müssen handeln, ohne irrationale Ängste zu schüren.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Wir sind froh, dass das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz dabei auf die guten Erfahrungen aus unserer Regierungszeit zurückgreifen kann: 2003 ist der Umgang mit der Geflügelpest beispielhaft gemanagt worden.

(Beifall von der SPD)

Wir haben daher auch diesmal wieder Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter im Ministerium und vor Ort. Wir haben auch Vertrauen, dass sich das Land aktiv und zielführend in den Prozess der Abstimmung auf Bundesebene einbringen wird. Dort werden maßgebliche Weichenstellungen wie die Anordnung der Stallpflicht getroffen.

Trotzdem sind noch viele Fragen offen und klärungsbedürftig.

Mit Erstaunen mussten wir beispielsweise bei einem Besuch der Biologischen Station in Wesel feststellen, dass man auf die Hilfsangebote der erfahrenen Fachleute bislang gar nicht eingegangen ist. Das bestätigen auch Nachfragen bei anderen Biologischen Stationen.

Die Biologische Station in Wesel betreut im Winter zum Beispiel fast 100.000 Wildgänse und wäre daher prädestiniert, Kotproben zu sammeln und analysieren zu lassen. Entsprechende Angebote liegen vor, auf die man bislang leider nicht eingegangen ist. Auch sind diese Fachleute nicht an runden Tischen oder Krisenstäben beteiligt.

Wir brauchen eine verstärkte Forschung zu den Ursachen der Vogelgrippe, der Verbreitung und der Inkubationszeit. Das kostet jedoch Geld. Geld und verstärkte Forschungsaktivitäten in diese Richtung sind jedoch gut angelegt und kommen uns am Ende kostengünstiger als die Vorbereitung oder gar die Bekämpfung einer Grippewelle oder gar Pandemie.

Wir brauchen neue Erkenntnisse, die wir nur an lebenden Vögeln gewinnen können, zum Beispiel durch Blutentnahmen. Bislang konnte der Erreger allein an verendeten oder fast verendeten Tieren nachgewiesen werden. Wir müssen aber wissen, ob, inwieweit und in welcher Form Wildvögel diesen Erreger bereits in sich tragen, ohne dass die Krankheit zum Ausbruch kommt, wie weit sie infiziert noch fliegen können und vor allem wohin sie fliegen.

Vor allen Dingen müssen wir wissen, warum in Europa überwiegend Höckerschwäne der Vogelgrippe zum Opfer fallen, die überhaupt keine klassischen Zugvögel sind. Deshalb muss Geld für die Untersuchung und Beringung der Wildvögel zur Verfügung gestellt werden. Auch hier stehen die Biologischen Stationen in den Startlöchern.

Wir bieten unsere konstruktive Mithilfe im Hinblick auf das Zurverfügungstellen von Haushaltsmitteln für die notwendigen Maßnahmen an.

Generell müssen wir das Wildvögelmonitoring ausdehnen, um gezielte Maßnahmen angehen zu können. Wir können und dürfen uns hier nicht auf die Mitarbeit der freiwilligen Helfer verlassen. Schließlich ist bislang noch immer ungeklärt, wie und wo sich die verendeten Vögel mit dem Virus infiziert haben.

Wichtig und klärungsbedürftig ist auch die Frage, die in Gesprächen mit Tierärzten immer wieder aufgeworfen wird: Können Haustiere, zum Beispiel Katzen, die auf infizierte Vögel zugreifen, als Wirtstiere für den Erreger auftreten? Welche Fol

gen hätte das für uns, welche für die Landwirte mit aufgestalltem Geflügel und welche für die Tiere selber? Dies alles zeigt, wie wichtig die weitere Erforschung ist. Wir appellieren daher auch, die bereits bestehende Expertenkommission um Fachleute aus der Wildtierforschung und -beobachtung zu erweitern.

Bei allen Maßnahmen dürfen wir aber nicht außer Acht lassen, dass wir mit den anderen Bundesländern und den Anrainerstaaten zusammenarbeiten müssen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Putenmast. Brütereien findet man in BadenWürttemberg, Mastbetriebe in NRW und Schlachtereien zum Beispiel in Sachsen. Wir haben es also mit einem Geflügeltransport quer durch die Republik zu tun und sind dabei oft sogar nur das Transitland.

Ein anderer Punkt ist die Aufstallpflicht. Die Aufstallpflicht ist sicher wichtig und richtig. Aber warum wird – wie wir hören – der Geflügelmist weiterhin auf nordrhein-westfälischen Feldern ausgebracht? Das Friedrich-Loeffler-Institut beschreibt die potenzielle Gefahr durch Geflügelkot. Gleichwohl gibt es einen Misttourismus von und nach NRW, auch in die Ortschaften – zum Beispiel am Niederrhein –, die von Zugvögeln frequentiert werden. Je nach Erregerart kann der Erreger bei den derzeitigen Witterungsbedingungen mehrere Tage oder gar Wochen aktiv bleiben. Dabei kommt der hier ausgebrachte Mist nicht nur aus NRW, sondern auch aus anderen Bundesländern und den Niederlanden. Wir wünschen uns hier eine schnelle und einheitliche Regelung, um die Schutzmaßnahmen zu einem Gesamtkonzept werden zu lassen.

Aber wenn es doch zu einem Ausbruch der Vogelgrippe in NRW kommen sollte – was hoffentlich nicht passieren wird –, stellt sich für uns eine Reihe von weiteren Fragen:

Wie werden die Menschen geschützt, und wie werden die hiesigen Landwirte unterstützt? Wie wir alle wissen, sind unsere Landwirte von einem reibungslosen zeitlichen Ablauf in der Geflügelmast abhängig. Ein Transportverbot oder ein einbrechender Absatz von Geflügel und Geflügelprodukten wäre für die Landwirte in unserer Region fatal und könnte kleinere Landwirte in den Ruin treiben. Die Brütereien haben schon jetzt Probleme, ihre Tiere an den Hof zu bringen. Wir fordern die Landesregierung auf, ein Konzept vorzulegen, wie betroffenen Landwirten im Ernstfall geholfen werden kann.

(Beifall von der SPD)

Eine weitere spannende Frage ist, wie unsere Tierärzte, Kreisveterinäre und die mit Geflügel umgehenden Menschen, auch zum Beispiel in der Jägerschaft, informiert und vor potenzieller Ansteckung geschützt werden können und sollen.

Eine letzte Frage – ohne hier den Super-GAU an die Wand malen und die Bevölkerung aufschrecken zu wollen –: Gibt es überhaupt Untersuchungen zu den Gesundheitsgefahren von Roheiern und ihren Produkten? Wie soll die Bevölkerung überhaupt informiert werden?

Zusammenfassend lässt sich sagen: Es gibt noch viel zu tun und zu klären. Packen wir es gemeinsam an! – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Frau Wiegand. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Remmel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Sachanalyse, in der Bewertung und auch in dem Vertrauen, dass die Regierung das Notwendige tun wird, sind wir uns erst einmal einig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Allerdings frage ich mich, warum wir heute Morgen eine Aktuelle Stunde zu diesem veranstalten und diese Aktuelle Stunde so aufziehen, wie sie aufgezogen wird. Ich habe schon gestern im Vorgespräch gefragt, ob es an dieser Stelle nicht sinnvoller wäre, dass zuerst der Minister berichtet, denn in Krisenzeiten ist es die Aufgabe der handelnden Regierung, über ihr Handeln zu berichten.

(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN)

Warum sollen wir über ein solches Thema, bei dem wir alle zusammenstehen müssen, gezwungenermaßen eine kontroverse Debatte führen? Das ist nun einmal der Charakter von Aktuellen Stunden: dass wir uns über aktuelle Themen auch streiten. Ich will mich an dieser Stelle aber nicht streiten.

Auch über die Gründe, warum wir doch eine Aktuelle Stunde abhalten müssen, kann ich nur spekulieren. Ich nehme mal an, dass die Regierungsfraktionen ein Wahrnehmungsproblem hatten und deshalb gesagt haben: Okay, dann müssen wir auch zu diesem Thema mal eine Aktuelle Stunde beantragen. – Die Berliner Regierung ist an dem Punkt im Übrigen souveräner. Minister Seehofer

gibt dazu heute eine Regierungserklärung ab. Das wäre der richtige Umgang mit diesem Thema.

Wir müssen uns eventuell auch überlegen, ob diese Aktuelle Stunde ausreicht. Was ist unsere Aufgabe als Parlament? Wir sind die Vertreter der Bürgerinnen und Bürger. Ich glaube, unsere Aufgabe ist es, hier die Fragen zu platzieren – Frau Wiegand hat das gemacht –, nicht aber, die Deklaration der Regierung zu übernehmen. Das wird sie schon selber tun.

Und da gibt es ein paar Fragen. Eine lautet, warum die Schwäne auf Rügen – das ist der aktuelle Fall – so lange herumgelegen haben. Offensichtlich haben sie ja mehrere Tage herumgelegen. Daraus ergibt sich die Frage: Würde so etwas in Nordrhein-Westfalen auch passieren, oder sind die Behörden hier angewiesen worden einzugreifen? Das ist eine Frage, die alle interessiert.

Eine zweite Frage: Was passiert, wenn ein konkreter Fall des Übergreifens auf Nutztiere vorliegt? Reicht die Einsatztruppe aus? Was ist, wenn das an mehreren Stellen passiert? Gibt es einen Vorsorgeplan, der vorsieht einzugreifen? Ist ausreichend Personal vorhanden? Auch das fragen die Menschen.

Die dritte Frage ist eben schon angesprochen worden: Ist es nicht jetzt sinnvoll, die Monitoringmaßnahmen auszuweiten, um präventiv und möglicherweise frühzeitig eingreifen zu können?

Die vierte Frage, die sich mir stellt: Sind die Geflügelhalter in Nordrhein-Westfalen ausreichend informiert? Werden sie persönlich informiert? Wie werden sie informiert? Schriftlich? Werden ihnen Verhaltenshinweise gegeben? Gibt es dazu entsprechende Vordrucke und Flugblätter?

In diesem Zusammenhang ist mir eine Information des bayerischen Umweltministeriums zugekommen. Ich fand es sehr gut, wie systematisch sie es dort aufbereitet haben. In Nordrhein-Westfalen habe ich das bisher noch nicht gesehen. Vielleicht habe ich es aber auch noch gar nicht bekommen. Es wäre schön, wenn auch die Parlamentarier, wenn die Kolleginnen und Kollegen mit solchen Materialien versorgt würden, um das bei Nachfragen weiterzugeben.