Protokoll der Sitzung vom 16.02.2006

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion hat drei Elemente zum Gegenstand.

Zum einen – damit möchte ich beginnen – geht es darum, ob die Regierung für das Jahr 2006 ff. etwas zum Hochschulbau gesagt hätte. Das wird angemahnt. – Diese Kritik, soweit es eine sein sollte, geht an der Sache vorbei. Auch künftig wird sich der Hochschulbau an Bedarf und Dringlichkeit ausrichten müssen.

Dies wird Gegenstand der jährlichen Haushaltsverhandlungen sein, die in Zukunft, wenn die neue Zuständigkeit der Länder so beschlossen wird, in der Zuständigkeit des Landes, des Landtages liegen wird. Für den aktuellen Zeitraum 2006 bis 2009 haben wir den absehbaren Bedarf in den Anmeldungen zum 35. Rahmenplan dokumentiert, den der Landtag am 1. Februar 2006 zur Kenntnis genommen hat. Das heißt, der Landtag hat hierüber bereits die Information über das, was 2006 ff. stattfinden soll.

Der zweite Gedanke, der Gegenstand des Antrages ist, beschäftigt sich mit dem Hochschulkonzept „Hochschulpakt 2020“ der Bundesebene, der mit den Ländern mit Blick auf zukünftig zu erwar

tende steigende Studierendenzahlen angedacht wird. Hier liegt natürlich noch kein Ergebnis vor. Eines ist klar: Wenn es zu einer Mehrbelastung kommt und der Bund sich mit einbringen will, dann wäre es jedenfalls aus meiner Sicht auch sinnvoll, wenn der Bund bei seiner neuen Zuständigkeit, im Rahmen seiner neuen Möglichkeiten, auch dem Hochschulbau die entsprechende Beachtung schenken würde. Denn eine Ausbildung der jungen Menschen findet in Gebäuden statt.

Darauf bezog sich wohl auch Ihr Antrag, nämlich auf eine Äußerung von mir des Inhalts, dass ich mir auch vorstellen könnte, dass die Hochschulbaumittel durch den Bund – auch Sie tragen dort im Übrigen politische Verantwortung, unter anderem der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident in der Funktion des Finanzministers –, die noch unter Ihrer Verantwortung in Berlin gekürzt worden sind, in den nächsten Jahren angehoben würden. Dann wäre das, was zur Verteilung anstünde, jedenfalls auskömmlicher, als das, was wir gegenwärtig vorfinden.

Ich komme zum dritten Punkt: Wie sieht es mit der Verteilung aus? Was können wir in den Verhandlungen diesbezüglich noch erreichen? War es nicht so, meine Damen und Herren, dass es, wenn ich mich richtig erinnere, gerade die SPD war, die im Zuge der Föderalismusreform diesen 30-%-Anteil für die sogenannte Forschungsförderung ausgehandelt hat und damit den Anteil, der für den reinen Hochschulbau verbleiben sollte, verringert hat? Gerade die SPD im Bund hat einen starken Willen gezeigt, einen hohen Anteil an Forschungsförderung auszuhandeln.

Das hätte man auch auf einem anderen Weg erreichen können: indem man nämlich nicht die Hochschulbaumittel um die Mittel für die Forschungsförderung verringert, sondern auf die ohnehin zu geringen Hochschulbaumittel im Kontext der zu erwartenden steigenden Studierendenzahlen die Forschungsförderung obendrauf gesetzt hätte. Stattdessen haben Sie den Kuchen, über dessen Verteilung wir heute reden, erst einmal so klein wie eben noch zuträglich gemacht und damit die Lage für die Hochschulen in Deutschland insgesamt nicht verbessert, um es sehr freundlich auszudrücken.

Ich bin Herrn Vesper natürlich sehr dankbar, dass er in seinem sehr sachlichen Beitrag die Fronten in Sachen Verteilung ein bisschen geklärt und versucht hat, die Vergangenheit sachbezogen zu beleuchten.

Wir als neue Landesregierung wurden in der Föderalismusreform -das wissen Sie – mit einem

Verhandlungsergebnis konfrontiert, welches aus dem Spätherbst des Jahres 2004 datiert. Eine solche Verhandlung ist immer von den Versuchen geprägt, unterschiedliche Interessen zu einem Ganzen zusammenzufügen.

Wenn man aus einem solchen Verhandlungsergebnis, aus einem solchen Knäuel von Ergebnissen, auf die man sich einmal verabredet hat, im Nachhinein einzelne wieder herausziehen will, dann ist das – das wissen wir – bekanntermaßen außergewöhnlich schwierig. Das kann dazu führen, dass Sie entweder das Gesamtprojekt infrage stellen oder aber erkennen, dass Sie von früheren Festlegungen kaum mehr herunterkommen. Das ist im Prinzip die Verhandlungssituation, wie wir sie gegenwärtig vorfinden. Es ist äußerst schwierig, solche einzelnen Punkte und Festlegungen noch einmal aufzudröseln.

Nichtsdestotrotz sind wir in den Gesprächen bemüht, etwas zu erreichen, auch in der Fragestellung: Wie sollen jetzt die 30 % der Forschungsförderungsmittel verteilt werden? Was ist mit der seinerzeit – wie ich meine – viel zu hoch angesetzten sogenannten Bagatellgrenze von 5 Millionen € für Forschungsprojekte, die dazu führen würde, dass aus dem Fonds in den nächsten Jahren nichts Wesentliches abfließen würde, wenn diese Grenze nicht deutlich abgesenkt wird?

Hier sind wir in den Verhandlungen. Hier wollen wir versuchen, für die Hochschulen noch ein besseres Ergebnis zu erreichen, aber – noch einmal –: Das müssen wir in dem Kontext diskutieren, dass wir offensichtlich – ich habe jedenfalls von Ihnen keine andere Stimme gehört – alle zu einem Ergebnis dieser Föderalismusreform kommen wollen. Unter dem Gesichtspunkt müssen wir jetzt das bewerten, was auf der Ebene der Fachminister, aber auch der Ministerpräsidenten an möglichen Korrekturen erfolgt.

Dabei ist natürlich wichtig, dass wir uns fair mit dem auseinander setzen, was in den letzten Jahren – man muss sagen –, auch Jahrzehnten an Hochschulbauaktivitäten stattgefunden hat.

Nun wird nach einer besseren Referenzperiode gefragt. Da ist es hilfreich, wenn man in Richtung 1970 vordringt. Solange haben wir die Gemeinschaftsaufgabe. Wer noch weiter zurückgehen will, bewegt sich außerhalb der Gemeinschaftsaufgabe für Hochschulbau. Dann ist man zwar bei nordrhein-westfälischen Interna, aber man ist nicht mehr auf einer gemeinsamen Geschäftsgrundlage, auf der man sich mit anderen Bundesländern unterhalten könnte.

Wir können also sagen, wir gehen bis 1970 zurück. Nur, meine Damen und Herren, zwischen 1970 und heute hat sich etwas für Deutschland ereignet, was wir alle recht positiv bewerten, nämlich die deutsche Einheit.

Deswegen kann man nicht willkürlich, nur weil es einem besser gefiele, argumentieren: Wir nehmen einen Referenzzeitraum, den wir weiter zurücklegen als die deutsche Einheit. Dadurch würden wir die neuen Bundesländer wiederum in einer Verteilung von Mitteln und ihren Möglichkeiten unterminieren.

(Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Ja, das wären aber die Ergebnisse. Wir haben Ihnen die Zahlen vorgelegt.

Solcherlei Verteilungen würden, ausgehend von dem Kompromiss, zwingend dazu führen, dass sich die neuen Länder verschlechterten. Oder Sie kommen zu einer Ergänzungsformulierung, wie Sie sie vorgeschlagen haben, nur sind sie dann in einem völlig neuen Zusammenhang. Den hätte Herr Müntefering mit Herrn Stoiber verhandeln können, aber das ist damals nicht gemacht worden. Das heißt, Sie kommen mit Ihrem Vorschlag in einen Bereich hinein, wo Sie noch einmal neu verhandeln müssten, und das ist hier nicht Gegenstand.

Wenn Sie sich also in einem realistischen Kontext bewegen, dann müssten Sie vorschlagen: nicht 2000 bis 2003, sondern 1990 bis 2003. Dann bräuchten wir nur eine Zahl auszuwechseln. Meinetwegen auch 1990 bis 2005. Dann müssten wir nur den Referenzzeitraum, auf den man sich als solchen im Kontext verständigt hat, ändern.

Nur: Schauen Sie sich den doch mal an. Wir reden gegenwärtig davon, dass Nordrhein-Westfalen in Zukunft 15,4 % dieser Hochschulbaumittel bekommen soll. Das ist weniger als der Königsteiner Schlüssel von etwa 21,6 %; das ist weniger als der Anteil der in Nordrhein-Westfalen Studierenden von annähernd 27 %. Das ist alles zutreffend.

Nur: Wie hoch war denn der Anteil NordrheinWestfalens in dem aus meiner Sicht überhaupt nur diskussionsfähigen Referenzzeitraum von 1990 bis 2004? Das kann ich Ihnen sagen: Der betrug noch nicht einmal diese 15,4 %, der betrug 12,69 %.

Ich muss eine kleine Einschränkung – Herr Präsident, Sie sehen es mir nach –, mit Blick auf den Debattenredner Vesper machen, der zwar nicht ganz fachzuständig war, aber immerhin zehn Jahre Mitverantwortung in der Regierung getragen hat.

Wenn Sie vortragen, dass in diesem Zeitraum von 1990 bis 2004, in dem Nordrhein-Westfalen nur einen Länderanteil von 12,7 %, Bayern jedoch einen Anteil von 19,2 % hatte – ich habe bisher nicht gelernt, dass Bayern annähernd doppelt so groß wäre wie Nordrhein-Westfalen –, verglichen mit dem Königsteiner Schlüssel, der über diesen Zeitraum 21,7 % betrug, Nordrhein-Westfalen 2,87 Milliarden € aus den Hochschulbaumitteln weniger erhalten hat, als Nordrhein-Westfalen eigentlich hätte erhalten müssen, wenn Nordrhein-Westfalen über diesen ganzen Referenzzeitraum mindestens entsprechend dem Königsteiner Schlüssel an der Mittelverteilung teilgenommen hätte, könnten Sie sagen: Na ja, da war der Sanierungsbedarf noch nicht so groß, denn Anfang bis Mitte der 90er-Jahre, Anfang dieses Jahrzehnts, waren die Bauten der 60er- und 70er-Jahre noch alle voll funktionstüchtig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann aus meiner eigenen Studienzeit Anfang der 80er-Jahre berichten, dass dort die sogenannten Traditionshochschulen, in die in den 60er- und 70er-Jahren nicht investiert worden war, schon damals Sanierungsbedarfe in dreistelliger Millionenhöhe vor sich hergeschoben haben. In Bonn tropfte es von der Decke, in Münster hatten wir erhebliche Sanierungsbedarfe, von Köln und anderen ganz zu schweigen. Das hat sich aufgeschaukelt.

Ich habe Ihnen hier vor einigen Monaten vorgetragen, dass wir den Sanierungsbedarf für die Hochschulen zwischen 1,5 und 3 Milliarden € und für die Klinika auf 2 Milliarden €, sprich: in der Summe zwischen 3,5 und 5 Milliarden €, einschätzen. Wenn man dabei berücksichtigt, dass Sie es während Ihrer Verantwortung über 15 Jahre versäumt haben, 2,9 Milliarden € abzurufen, die dem Land eigentlich aufgrund seiner Größe und erst recht aufgrund der Anzahl der Studierenden zugestanden hätten, lagen die Versäumnisse in der Vergangenheit.

Auch mit einem solchen Antrag kann man sich nicht herausreden. Sie haben in der Vergangenheit zu wenig getan. Sie haben die Hochschulpolitik, was die Hochschulbauten anbetrifft, unter fiskalischen Gesichtspunkten geführt und nicht unter hochschulpolitischen Notwendigkeiten. Sie haben in der Föderalismusreform durch Ihren Chefverhandler Herrn Müntefering nicht für die Hochschulen gedacht, sondern für Zuständigkeiten des Bundes, auch in der Forschungspolitik, und andere Schwerpunkte in den Vordergrund gerückt.

Damit ist jetzt ein Zustand erreicht, der uns vor ein doppeltes Dilemma stellt – das will ich gerne einräumen –: einmal das Dilemma, dass wir in den

Schlussverhandlungen der Föderalismusreform nur noch marginale Spielräume haben. Ich kann Ihnen versichern, wir werden sie nutzen.

Und zum Zweiten stehen wir vor einem riesigen Sanierungsstau, den Sie uns hinterlassen haben. Für die optimale Auflösung dieses Staus müssen wir darauf bauen, dass der Landtag den Hochschulen in den nächsten Jahren die dafür notwendigen Mittel gibt, soweit das finanzpolitisch möglich ist. Und wir wollen darüber hinaus den Hochschulen die Instrumente geben, in Zukunft mit diesen letztlich nur begrenzten Mitteln effektiver umgehen zu können.

Vorhin haben wir über das Hochschulfreiheitsgesetz gesprochen, das hierzu neue Wege eröffnen könnte. Da haben Sie sich noch verweigert. Vielleicht werden Sie Ihre Haltung vor dem Hintergrund dieser Sachdarlegung noch einmal überdenken. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank. – Inhaltlich kann ich in dieser Rolle nicht dazu Stellung nehmen, sondern nur das Wort an Herrn Abgeordneten Schultheis, SPD-Fraktion, weiterreichen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Minister Pinkwart, eingangs Ihrer Rede war ich davon ausgegangen, dass wir nicht bei Schuldzuweisungen stehen bleiben. Das Ende in Ihrer Rede war jedoch wieder von Schuldzuweisungen geprägt.

Wir hätten diesen Antrag überhaupt nicht ins Parlament eingebracht, wenn wir auf dem am 8. Dezember im Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie eingeschlagenen Weg weitergegangen wären. Es gab das klare Signal unsererseits, gemeinschaftlich – einmal mit den Möglichkeiten der Opposition und zum anderen Ihrerseits mit den Möglichkeiten der nordrheinwestfälischen Landesregierung – daran zu arbeiten, eine für dieses Land gute Lösung zu finden.

(Beifall von der SPD)

Das war die Absicht. Aber wenn ich die Wortmeldungen und die Einlassungen der Redner der Koalitionsfraktionen höre, ist die Botschaft scheinbar nicht angekommen oder soll als solche nicht wahrgenommen werden.

Es geht einfach darum, dass wir in eine Situation eintreten, die uns über einige Jahre begleiten wird. Nachdem wir – die SPD-Fraktion und keine andere – am 8. Dezember beantragt haben, dass

zunächst einmal die Landesregierung berichtet, welche Auswirkungen die Föderalismusreform für Nordrhein-Westfalen bringt, müssen wir nun gemeinschaftlich überlegen: Wie können wir den Hochschulbau für Nordrhein-Westfalen sinnvoller und besser gestalten?

Um das zu beantworten, brauche ich keine Vergangenheitsbewältigung zu betreiben; denn es geht darum, Zukunft zu gestalten.

(Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: Das können Sie in Berlin machen!)

Das haben wir auch angeboten. Dort ist die Konstellation eine andere; auch Ihr Partner gehört dazu. So schwach sehe ich uns da eigentlich nicht, und deshalb hatten wir von Ihnen als Landesregierung auch Konzepte erwartet.

Wir haben Vorschläge gemacht, über die man diskutieren sollte. Dass das Zahlenwerk vorliegt, mit dem man sich auseinander setzt, haben wir beantragt, um das Ganze ein Stück weit zu objektivieren und unsere Argumentationsfähigkeit zu stärken.

Wenn ein konkreter Vorschlag präsentiert wird, kann ich darüber diskutieren: Nehme ich die Referenzperiode oder eine andere oder gehe ich nicht doch auf den Königsteiner Schlüssel, weil es sinnvoller wäre, oder nehme ich die Studierendenzahlen? Das können wir gerne machen, aber man muss es tun. Wir erkennen keinerlei Signal, dass sich die Landesregierung in irgendeiner Weise in diese Richtung bewegt hätte.

(Beifall von der SPD)

Deshalb haben wir den Antrag gestellt. Das ist legitim und das einzige uns zur Verfügung stehende Mittel. Ich sage es noch einmal: Es muss doch im Interesse aller hier im Plenum sein, dass wir unsere politischen Möglichkeiten nutzen, für Nordrhein-Westfalen das Beste herauszuholen.

Herr Kollege Vesper hat deutlich gemacht, wie sich in der Vergangenheit die Zuweisungen an das Land Nordrhein-Westfalen entwickelt haben. – Wir haben die Mittel nicht immer entsprechend unserem prozentualen Anteil erhalten. Sie wissen, dass die Rahmenplanung so nicht funktioniert. Dann hätte es in der Tat schon von vornherein eine Pauschalierung der Mittel gegeben – oft von Bundesländern, auch von Nordrhein-Westfalen, beantragt und diskutiert: Lasst uns die Mittel entsprechend dem Königsteiner Schlüssel aufteilen, pauschalieren. Dann bekommt jedes Land seinen Anteil.

Das ist nicht durchgesetzt worden. Insofern kam ein anderes Verfahren, begleitet vom Wissen

schaftsrat, der auch hier seine prioritären Entscheidungen vorangebracht hat, zum Zug. Die Rahmenpläne sind ein Spiegelbild dessen. Wir wissen, dass solche Gremien nicht unpolitisch sind. Das hat dazu geführt, dass die süddeutschen Länder besser bedient worden sind als Nordrhein-Westfalen. Das ist gar keine Frage und lässt sich auch nachweisen.