Protokoll der Sitzung vom 15.03.2006

Höhere Qualität heißt: weniger Abbrecher, kürzere Studienzeiten und damit verbunden stärkere Beteiligung von Kindern aus bildungsfernen Schichten. Denn die empirischen Studien belegen: Nur dann, wenn ein Studium in der Länge und vom Erfolg berechenbar wird, werden Sie erreichen, dass die schlechten Werte NordrheinWestfalens bei der Einbindung bildungsfernerer Schichten in das Hochschulsystem endlich überwunden werden. Sie haben diese negative Bilanz zu verantworten. Wir wollen es in NordrheinWestfalen endlich besser machen.

(Beifall von CDU und FDP)

Höhere Qualität erreichen wir durch zwei Hebel: bessere Lehre und einen Mentalitätswechsel in den Hochschulen. Dafür brauchen unsere Hochschulen aber auch zusätzliche Mittel und Ausgestaltungsfreiheit im Umgang mit diesen Mitteln. Beides verschaffen wir ihnen mit unserem Studienbeitragskonzept und dem Zukunftspakt, den die beiden Regierungsfraktionen heute als Entschließungsantrag vorlegen und auf den die Redner der Opposition bislang, wie ich finde, nur beiläufig eingegangen sind.

Ich möchte mich als Wissenschaftsminister des Landes Nordrhein-Westfalen bei den beiden Regierungsfraktionen, aber auch beim Landesfinanzminister persönlich bedanken, dass ein solcher Entschließungsantrag in Zeiten desaströser Finanzlage des Landes, die Sie zu verantworten haben, hier im Landtag vorgelegt werden kann. Das ist ein Meilenstein für Qualitätssicherung im Hochschulsystem Nordrhein-Westfalens.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, warum ist das Modell, das wir Ihnen hier vorlegen, das freiheitlichste Modell von allen, die gegenwärtig in Deutschland diskutiert werden oder schon verabschiedet sind? Nirgendwo anders können die Hochschulen selbst entscheiden, ob und in welcher Höhe sie Studienbeiträge erheben – bis zur Grenze von 500 €, die wir als Gesetzgeber vorgeben.

Die Hochschulen wollen diese Freiheit. Ich darf aus der Anhörung des Landtages Herrn Kempen zitieren. Er ist der gegenwärtige Präsident des Deutschen Hochschullehrerverbandes. Er spricht also nicht nur für die Hochschullehrerinnen und -lehrer in Nordrhein-Westfalen, sondern für die Hochschullehrer in Deutschland insgesamt. In der Anhörung des Landtages zu den Studienbeiträgen sagte er – ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin –:

„Autonomie muss sein. Sie wird erst die Kräfte freisetzen, die uns im internationalen Wettbewerb wettbewerbsfähig halten und im Wettbewerb verbessern.“

Frau Seidl, ich wünschte mir, dass Ihre Fraktion diese Botschaft auch so angenommen hätte, wie sie in der Anhörung klar zum Ausdruck gebracht worden ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Mit Blick auf das Gutachten, das Sie noch einmal angeführt haben, Frau Seidl, will ich aber noch einmal das sagen, was ich auch dem Ausschuss

gegenüber gesagt habe, und zwar nicht nur mit einem Satz. Ich habe ihm gegenüber dargelegt, dass dieses von den Verfassungsjuristen, die wir als Haus herangezogen haben, ebenso wie von den Verfassungsressorts der Landesregierung und auch in den verschiedenen Anhörungen mehrfach geprüft worden ist und als verfassungskonform bewertet worden ist.

Ihr Gutachter macht zwei Erwägungen geltend. Das eine ist der Wesentlichkeitsgrundsatz. Hierzu ist Folgendes festzuhalten: Zum einen geben wir mit diesem Studienbeitragsgesetz ganz klar vor, bis zu welcher Höhe, zu welchem Zweck und unter welchen Bedingungen Studienbeiträge überhaupt nur erhoben werden dürfen. Schon von daher tragen wir dem Wesentlichkeitsgrundsatz in vollem Umfange Rechnung. Eines kommt noch hinzu – das hat ja selbst Ihr Gutachter gesagt –: Studienbeiträge in der von uns hier eingebrachten Höhe stellen schon materiell keinen wesentlichen Grundrechtseingriff dar. Insofern sehen wir sowohl wegen der von uns vorgegebenen Bedingungen als auch aufgrund des Gewichts, das hier eine Rolle spielt, die Verfassungsgemäßheit an diesem Punkt voll gegeben.

Das Zweite ist die Gleichbehandlung. Meine Damen und Herren, wenn es einen Verstoß gegen die Gleichbehandlung gäbe, dann könnte er nur darin liegen, dass wir der Hochschule das Recht geben würden, für ein und denselben Studiengang bei den Studierenden unterschiedliche Beiträge zu erheben. Das finden Sie in diesem Gesetzentwurf nicht. Wir haben hier die Freiheit der Hochschulen, über Studienbeiträge im vorgegebenen Rahmen selbst zu entscheiden. Dann werden alle, die in diesen Studiengängen studieren, mit dem gleichen Beitragssatz belegt.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Aber an unter- schiedlichen Standorten nicht! – Zuruf von Dr. Michael Vesper [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, es ist nicht nur das freiheitlichste Modell; es ist auch das sozial verträglichste Studienbeitragsmodell, das in Deutschland entweder diskutiert wird oder schon beschlossen ist.

(Beifall von CDU und FDP – Marc Jan Eu- mann [SPD]: Schwacher Beifall!)

Das Modell wird keine abschreckende Wirkung auf Kinder insbesondere aus bildungsferneren und einkommensschwächeren Haushalten haben, denn:

Erstens wird jeder Studierende – jeder! – ein zinsgünstiges Darlehen der NRW-Bank erhalten, und zwar ohne Bonitätsprüfung.

Zweitens wird das Darlehen erst nachgelagert zurückgezahlt, und zwar erst zwei Jahre nach erfolgreichem Abschluss eines Studiums, wenn auch ein gewisses Einkommen erreicht worden ist.

Drittens ist mit diesem Studienbeitragsgesetz die Regelung gegeben – und darauf sind wir stolz, meine Damen und Herren –, dass BAföG-Empfänger von ihrer Rückzahlungsverpflichtung im Nachgang völlig freigestellt sind, wenn sie während ihres Studiums einen gewissen BAföGAnspruch überschreiten. Das ist bei zwei Dritteln der BAföG-Empfänger zu erwarten. Das heißt, dass sie im Nachgang des Studiums komplett beitragsfrei gestellt sein werden. Das finden Sie in keinem anderen Bundesland der Bundesrepublik Deutschland, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Vesper?

Ich würde gerne meinen Gedanken zu Ende führen.

Dies ermöglichen wir mit dem Ausgleichsfonds. Er ist ein solidarisches Instrument des sozialen Ausgleichs in unserem Studienbeitragskonzept.

(Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])

Er macht auch deutlich – Herr Eumann, wenn Sie sich damit in der Sache beschäftigen würden, würden Sie das erkennen –, dass wir hier nicht spalten, sondern das Land mit seinen unterschiedlichen Bedingungen, die wir an den Hochschulen vorfinden, über den Ausgleichsfonds in solidarischer Verantwortung zusammenführen. Das ist die soziale Dimension dieses Studienbeitragsmodells. Es ist deutschlandweit aber auch das Modell, das am stärksten auf Partnerschaft setzt – auf Partnerschaft zwischen Studierenden und Hochschulen.

Sie haben sich schon bei der Einbringung sehr bemüht, die von mir so benannte Geld-zurückGarantie zur Diskussion zu stellen. Die Aufnahme in den Hochschulen ist ganz anders, weil die Studierenden erstmalig durch den Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet bekommen, durch die Studienbeiträge institutionalisiert Einfluss auf die Mittelverwendung nehmen zu können. Wir schaffen

die Voraussetzungen für die Einrichtung einer mit Vertretern der Hochschulleitung und der Studierenden paritätisch besetzten Schiedskommission,

(Marc Jan Eumann [SPD]: Wo ist die Garan- tie?)

in der die Studierenden Gelegenheit erhalten, ihre Monita vorzutragen, damit sich etwas verändert und die Hochschulen die Verantwortung für Mängel nicht an die Politik weitergeben können, sondern sich vor Ort selbst der Verantwortung stellen und mit den Studierenden überlegen müssen, wie sie optimale Studienbedingungen schaffen.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Was hat das mit der Geld-zurück-Garantie zu tun?)

Meine Damen und Herren, Sie kritisieren, dass wir nicht schon weitere Schritte gegangen sind. – Schauen Sie sich einmal die Gesetze der Vergangenheit an. Sie haben noch nicht einmal Ansätze partnerschaftlicher Zusammenarbeit an den Hochschulen entwickelt. Lassen Sie unsere Vorschläge Wirklichkeit werden, und Sie werden staunen, was sich verändern wird.

(Beifall von CDU und FDP)

Warum ist die reibungslose und effektive Umsetzung gesichert? – Meine Damen und Herren, das ist auch für die nächsten Wochen und Monate sehr wichtig: Wir wollen, dass die Hochschulen und die Studierenden vernünftig damit arbeiten können. Das ist allein schon von den Gesetzgebungsverfahren her dadurch gesichert, dass das Modell unbürokratisch ist. Das sehen auch die Betroffenen in den Hochschulen so.

Ich zitiere aus der Anhörung des Landtags den Kanzlersprecher der Universitäten, Gerhard Möller:

„Das ist kein hoher Verwaltungskostenaufwand. Das muss man deutlich sagen.“

Herr Stender, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Kanzler der Fachhochschulen, sagt:

„Der Aufwand, den wir haben im Vergleich zu dem Ertrag, den die Hochschulen aus dem Beitragsgesetz zu erwarten haben, ist gering.“

Meine Damen und Herren, das macht ganz deutlich: Wir schaffen mit unseren Gesetzen keine Bürokratiemonster, sondern wir schaffen Voraussetzungen dafür, dass man an den Hochschulen vernünftig arbeiten kann.

(Beifall von CDU und FDP)

Hinzu kommt – das ist vorhin bereits gesagt worden und deswegen bin ich auch so dankbar für

den Entschließungsantrag zum Zukunftspakt –: Das Geld, das die Hochschulen aus den Studienbeiträgen in den nächsten Jahren erhalten, verbleibt zu 100 % an den Hochschulen und dient der sozialen Absicherung im Ausgleichsfonds.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir und mit Mehrheit die Landtagsfraktionen des Hauses garantieren, dass darüber hinaus die staatliche Finanzierung bis 2010 trotz der schwierigen Finanzlage gesichert bleibt. Das Geld fließt also zusätzlich an die Hochschulen.

Ich möchte die heutigen Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen einmal danach befragen, in welcher Form sie denn Studienbeiträge in Nordrhein-Westfalen erstmalig eingeführt haben. Im Jahre 2004 haben Sie erstmalig Studienbeiträge für Langzeitstudierende und für Zweitstudierende beschlossen und eingeführt. Das darf man bitte nicht ausblenden.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Die Einnahmen sind damals komplett an den Finanzminister gegangen. Davon haben die Hochschulen überhaupt nichts gesehen. Sie haben lediglich die Bürokratielasten dieses Gesetzes zusätzlich tragen dürfen. Das ist der qualitative Unterschied.

(Beifall von CDU und FDP)

Weil mit dem Studienbeitragsgesetz gleichzeitig das Langzeitstudienkontengesetz abgeschafft wird, möchte ich abschließend feststellen: Mit diesem Vorhaben geht ein bürokratisches und ineffektives Instrument, dessen Einnahmen zweckentfremdet worden sind. Es kommt ein freiheitliches, soziales und wirksames Instrument, das es erlaubt, dass die nordrhein-westfälischen Hochschulen endlich zur Spitze der deutschen Hochschullandschaft aufschließen können. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)