Protokoll der Sitzung vom 16.03.2006

Es ist schon deshalb wichtig, dass das nordrheinwestfälische Parlament darüber diskutiert, weil wir in der Debatte der letzten Wochen den Eindruck haben mussten, dass nur der Innenminister, der der FDP angehört, und sein Staatssekretär Brendel eine vernünftige Haltung vertreten, während die CDU in Nordrhein-Westfalen abtaucht und ganz tief auf Tauchstation ist.

(Beifall von der SPD)

Weil heute Morgen auch schon diskutiert worden ist, wer eigentlich wo angekommen ist, sage ich Ihnen: In der Innenpolitik ist die Koalition nicht wirklich in der Realität und die Union nicht in der Regierung angekommen.

(Beifall von der SPD)

Das gilt in mehrfacher Hinsicht. Dass Sie nicht in der Regierung angekommen sind, zeigt sich an Folgendem: Es wäre gut für die Union und die Regierung gewesen, mit den Oppositionsfraktionen in einer Frage, bei der es überhaupt keinen Konflikt gibt, wie Sie jetzt eingestehen, einen gemeinsamen Antrag zustande zu bringen. Das wäre gute Regierungskunst gewesen.

Die Frage ist: Warum machen Sie das eigentlich nicht? Meine Antwort ist: nicht nur, weil Sie nicht gut regieren können, sondern auch, weil Sie innenpolitisch nicht in der Regierung angekommen sind und auch nicht ankommen.

(Widerspruch von der CDU)

Man kann Sie da nicht hören. In der nordrheinwestfälischen Innenpolitik hört man weder die Unionsfraktion noch den Ministerpräsidenten. Dieses Thema wird in der ganzen Bundesrepublik diskutiert, aber der Ministerpräsident des größten Landes, der sich ja auch zu anderen Dingen einlässt, schweigt dazu. Da fehlt eine klarstellende Äußerung, was eigentlich die Position von Herrn Rüttgers, des CDU-Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen und des stellvertretenden CDUVorsitzenden, ist.

Deswegen komme ich zu dem Ergebnis, liebe Kolleginnen und Kollegen: Sie machen es sich viel schwerer, als Sie bereit sind zuzugeben. Auch der Entschließungsantrag zeigt das. Wenn Sie sagen, dass wäre alles ganz leicht und schon immer Ihre Position gewesen, verstehe ich die Hektik der letzten 24 Stunden in Ihren Reihen überhaupt nicht, den Antrag untereinander abzustimmen.

(Zuruf von Winfried Schittges [CDU])

Herr Schittges, diese Hektik müssen Sie erklären. Sie reden elegant an der Sache vorbei, aber wir bemerken das schon.

Wir finden es aber gut, dass Herr Luckey und andere Redner der Koalition die Position verdeutlicht haben, weil wir wissen, dass das, was Sie hier sagen, auch in Zukunft für oder gegen Sie verwendet werden kann.

Wir würden uns freuen, wenn Sie unserem einfachen, schlichten und klaren Antrag zustimmen könnten. Dann hätten wir eine gemeinsame Position aller Fraktionen in diesem Parlament. Damit wäre allen geholfen. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Rudolph. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Deshalb kann ich den Schluss der Beratung erklären.

Die Antragstellerin hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen daher zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/1435 – Neudruck. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und der Grünen. – Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen der CDU und der FDP. – Damit ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

(Zuruf von der SPD: Mit großer Mehrheit?)

Meine Damen und Herren, wir stimmen nun über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP in Drucksache 14/1488 ab. Wer dem Entschließungsantrag zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Dann ist dieser Entschließungsantrag mit Mehrheit angenommen.

(Zuruf von der SPD: Enthaltungen!)

Entschuldigung! – Wer enthält sich? – Die SPD enthält sich. Die Grünen haben dagegen gestimmt. Somit ist der Entschließungsantrag angenommen.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu:

6 Nordrhein-Westfalen „Für ein klares und starkes Umweltrecht in Deutschland – effektiv, europatauglich, wirtschaftsfreundlich und nachhaltig“

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/1431

Ich eröffne die Beratung und gebe als erstem Redner Herrn Remmel das Wort. Bitte schön, Herr Remmel.

Meine sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit es keine Missverständnisse, gleich zu Beginn: Wir würden es begrüßen, wenn es einen neuen Versuch geben würde, eine richtige Föderalismusreform in Deutschland zustande zu bringen.

Das anerkannte Ziel einer föderalen Reform, die Kompetenzen und Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern klarer aufzuteilen, ist für alle Politikbereiche wesentlich. Wir haben darüber zumindest im Verfahren gestern schon gestritten.

Aber es macht keinen Sinn, umweltpolitische Belange im Grundgesetz so zu regeln, wie es derzeit vorgesehen ist. Es macht nur Sinn, wenn die Grundlagen für ein nationales Umweltgesetzbuch geschaffen würden. Die bisher zersplitterten Kompetenzen zwischen Bund und Ländern müssen für dieses Ziel in weiten Teilen neu zusammengefasst und die Zuständigkeiten klarer geordnet werden. Eindeutige Zuständigkeiten helfen, die Umweltpolitik zu effektivieren, sie europatauglicher zu gestalten und die Akzeptanz zu erhöhen.

Das jetzt eingebrachte Gesetz wird diesem Anspruch in Bezug auf die Umweltpolitik nicht gerecht. Denn eine klare einheitliche Neuordnung des Umweltrechtes wird damit nicht erreicht. Es wird deutlich, dass der Umweltschutz noch lückenhafter und unsystematischer als bisher in der Verfassung verankert wird.

Sowohl in rechtstechnischer als auch in inhaltlicher Hinsicht weist der Vorschlag erhebliche Schwächen auf.

Rechtstechnisch ist eine Zersplitterung der Materie des Umweltschutzes zu beklagen. Gesetzgebungskompetenzen werden aufgeweicht und Abweichungsrechte für die Länder eingeführt. Ein Umweltrecht aus einem Guss wird damit verhindert. Die vorgeschlagene Herabzonung von Regelungskompetenzen auf die Länder begründet ausdrücklich die Gefahr eines Abbaus existierender Umweltstandards. Und wir treten in einen Wettlauf der Länder um den niedrigsten Umweltstandard ein. Hierzu einige Beispiele:

Durch die Föderalismusreform wird eine Parallelgesetzgebung beispielsweise beim Hochwasser möglich. Bislang gibt der Bund Mindeststandards vor, die jedes Land zugunsten des anderen einhalten muss. Die Föderalismusreform kehrt den Grundsatz um: In Zukunft muss praktisch niemand mehr für den Nachbarn sorgen.

Ähnlich ist es beim Planungsrecht. Hier gilt bisher: Bundesrecht bricht Landesrecht. Möchte ein Unternehmen irgendwo in Deutschland ein Werk bauen, müssen im Raumordnungsverfahren also überall gleiche Standards eingehalten werden. Zukünftig ist im Extremfall damit zu rechnen, dass wir 16 verschiedene Raumordnungsgesetze haben. Dann gilt offensichtlich der Ausnahmetatbestand: ein Zugeständnis hier, ein Bonbon da. Die Unternehmen dürfen auf großzügige Angebote im Planungsrecht hoffen.

Die Föderalismusreform hilft also weder der Wirtschaft noch der Umwelt, sie hilft allenfalls den Juristinnen und Juristen. Dank dieser Reform nämlich wird das Umweltrecht wesentlich umfangrei

cher und zersplitterter, und das, obwohl Umweltprobleme wie Feinstaub, Lärm, Wasser, Biodiversität an Ländergrenzen nicht Halt machen.

Dem Umweltrecht droht künftig sogar die absurde Pingponggesetzgebung. Das heißt, dass der Bund zwar Gesetze machen kann, aber die Länder dürfen, wenn sie wollen, mit eigenen Gesetzen davon abweichen. Wenn der Bund die Ländergesetze dann nicht akzeptiert, kann er wiederum ein Bundesgesetz erlassen und so weiter und so fort.

Offenbar – das ist die Feststellung unterm Strich – ist der Umweltbereich dem taktischen Kalkül einer gelingenden Föderalismusreform geopfert worden. Kompetenzverluste der Länder sollen offensichtlich an anderer Stelle kompensiert werden.

Häufige Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland im Umweltrecht machen schon heute deutlich, dass das Umweltrecht in Deutschland wenig europatauglich ist. Wenn man es dann noch zersplittert und entsprechende Kompetenzen abgibt, wird die Europatauglichkeit gerade im Umweltrecht noch weiter eingeschränkt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist nicht im Sinne der Wirtschaft, das ist nicht im Sinne Europas, und das ist schon gar nicht im Sinne der Umwelt. Das gilt gerade dann, wenn man europäische Regelungen minimalistisch 1:1 umsetzen will, woran man ab und zu Zweifel haben kann.

Das Bemerkenswerte an dieser Debatte ist allerdings, dass alle – ausnahmslos alle! – Expertinnen und Experten, Politikerinnen und Politiker, Verbandsvertreterinnen und Verbandsvertreter, die etwas von der Materie – nicht nur im Umwelt-, sondere insbesondere im Wirtschaftsbereich – verstehen, diesen Vorschlag, zukünftig so mit dem Umweltrecht umzugehen, nicht akzeptieren können.

Ich verweise auf den gemeinsamen Brief von Umweltminister Gabriel und Wirtschaftsminister Glos in dieser Angelegenheit.

Ich verweise auf die dezidierte Stellungnahme des Sachverständigenrates für Umweltfragen, der die Bundesregierung berät und eindringlich davon abrät, im Umweltbereich den vorgeschlagenen Weg zu gehen.

Ich verweise auch auf Herrn Troge, Parteikollege der CDU, der als Präsident des Umweltbundesamts ausdrücklich davor warnt, einen solchen Weg zu beschreiten.

In Nordrhein-Westfalen tut das – meines Erachtens sehr bemerkenswert – Herr Prof. Dr. Ameling für die Wirtschaftsvereinigung Stahl.

Es ist also nicht der „übliche“ – so mag man das manchmal kennzeichnen – Protest aus der Grünen-Ecke. Vielmehr wird der Protest breit getragen von allen, die etwas von Umweltpolitik und Wirtschaftspolitik verstehen. Das bestärkt den Vorwurf, dass offensichtlich ein bestimmter Politikbereich zugunsten des Gelingens eines Gesamtwerkes geopfert worden ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das kann doch nicht im Interesse der Umweltpolitik sein und bedarf der Diskussion im Landtag, und es bedarf auch der Anstrengungen der Landesregierung, dieses zu verhindern.

Meine Damen und Herren, was muss das Ziel sein? Die Neuordnung muss so sein, dass die Umweltpolitik effektiver wird, dass sie gestärkt wird, dass sie europatauglicher wird und dass ihre Akzeptanz erhöht wird. Das geht nur mit einem einheitlichen eigenen Kompetenztitel Umwelt und dem Verzicht auf die Abweichungsmöglichkeiten der Länder.

Im Übrigen – in Richtung FDP angemerkt –: Herr Westerwelle ist offensichtlich zu der gleichen Erkenntnis gekommen. Jedenfalls haben ihn gestern und vorgestern mehrere Zeitungen zitiert, dass auch die FDP sieht, dass man im Bildungs- und im Umweltbereich den von der Föderalismusreform vorgeschlagenen Weg nicht gehen kann. Herr Lindner war in der gestrigen Debatte insoweit offensichtlich noch nicht informiert.

(Beifall von den GRÜNEN)

Also: Wir müssen dahin kommen, dass eine Neuordnung klare Vorteile für die Wirtschaft, aber auch für die Umwelt schafft. Das geht nur in einer einheitlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes, damit wir endlich zu dem kommen, was wir in der Bundesrepublik schon lange brauchen, nämlich zu einem Umweltgesetzbuch. Das ist mit dieser Föderalismusreform nicht möglich. Deshalb müssen wir hier diskutieren. Da muss der Landtag seine Stimme einbringen und die Landesregierung auffordern, auf Bundesebene entsprechend tätig zu werden. – Vielen Dank.