Protokoll der Sitzung vom 16.03.2006

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema, über das wir heute diskutieren, hat sicherlich auch eine emotionale Seite. Es wird der Versuch gemacht, den Tierschutz, dessen gesetzliche Berücksichtigung immer weiter verstärkt worden ist, mit einer neuen Dimension zu versehen. Suggeriert wird, dass eine Verbandsklage einen größeren Schutz für Tiere bietet.

Wir sollten die Angelegenheit sachlich diskutieren und von Ideologien und Emotionen freihalten, um zu erkennen, was notwendig und in der Vergangenheit bereits geleistet worden ist. Was ist in Zukunft noch zu tun, um den Tierschutz zu verbessern? – Tierschutzvereine haben in der Bundesrepublik Deutschland mehr Mitglieder als der Kinderschutzbund. Das verdeutlicht, dass Tiere in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert haben und sich sehr viele Menschen für den Tierschutz engagieren. Von daher kann man davon ausgehen, dass die Rechte der Tiere zur Geltung gebracht werden.

Deutlich geworden ist das auch dadurch, dass der Tierschutz im Grundgesetz verankert worden ist. Außerdem ist der Tierschutz auf Betreiben der CDU, wie Sie dankenswerterweise ausgeführt haben, Herr Remmel, insbesondere auch auf Betreiben des jetzigen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers, nach vorne getrieben und von uns allen gemeinsam beschlossen worden. Ein gewisser Grundkonsens ist somit vorhanden. Das gilt auch für die Bundesebene.

Deswegen ist es für mich im Moment unverständlich, dass Sie eine Diskussion wie diese hier führen und sich auf Entwicklungen berufen, die schon uralt sind. Ich meine die bereits im Jahre 1994 beschlossene Gießener Erklärung der Tierschutzverbände, die darin seinerzeit gefordert haben, dass das Verbandsklagerecht auch für Tierschutzverbände eingefordert wird. Sie greifen das jetzt auf, wissen aber ganz genau, dass es bisher kein einziges Bundesland in der Deutschland gibt, das die entsprechenden Gesetze bereits verabschiedet hat, auch keine rot-grüne Regierung. Von 1995 bis 2005 haben Sie hier auch Regierungsverantwortung getragen, aber Ihre Fraktion hat in der zur Diskussion stehenden Frage keinen Einfluss ausgeübt.

Ein ähnlicher Antrag, zum Teil gleich lautend, wurde bereits in Schleswig-Holstein, in BadenWürttemberg, im Saarland und in Bremen gestellt,

dort vom Wortlaut her etwas schärfer. Insofern ist das keine nordrhein-westfälische Idee, sondern Sie greifen die Idee von Grünen in anderen Bundesländern auf, wohl wissend, dass die entsprechenden Anträge überall abgelehnt worden sind. Das Land Schleswig-Holstein, damals noch rotgrün regiert, hat eine Bundesratsinitiative ergriffen; diese ist schon in den Ausschüssen abgelehnt worden. Das macht deutlich, dass das Anliegen keine Akzeptanz findet.

Seinerzeit hat sich das Land Nordrhein-Westfalen – Ihre dafür zuständige Umweltministerin – der Stimme enthalten. Sie stehen damit auch im Widerspruch zu dem, was politisches Handeln Ihrer Partei zu Zeiten ihrer Regierungsverantwortung war.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Wir wissen auch, dass die Tierschutzverbände 2002 den Wunsch an die rot-grüne Koalition in Berlin gerichtet haben, in der Koalitionsvereinbarung das Verbandsklagerecht aufzunehmen. Es ist nicht aufgenommen worden, wahrscheinlich an der SPD gescheitert. Der heutige Vizekanzler hat damals in seiner Funktion als Fraktionsvorsitzender gesagt: Das gesetzliche Instrumentarium, vor allem ein durch das Staatsziel Tierschutz besser untermauertes Tierschutzgesetz kann, konsequent angewendet, ausreichend Tierschutzverstöße wirksam bekämpfen. Herr Müntefering hatte Recht. Das hat sich in der Vergangenheit auch so bewährt.

Das Tierschutzgesetz ist ein Bundesgesetz. Der Bundesgesetzgeber hat bewusst eine Entscheidung gegen das Verbandsklagerecht beim Tierschutz getroffen. Das heißt, er hat absichtlich eine Bundesregelung unterlassen und damit eine Sperrwirkung erzeugt, die dazu führt, dass Länder kein entsprechendes Gesetz erlassen dürfen. Und weil Tierschutz Bundesrecht ist, können wir – über diese Position kann man streiten – diesen Gesetzentwurf wahrscheinlich überhaupt nicht verabschieden.

Ich frage Sie: Wie sieht es in Deutschland hinsichtlich des Tierschutzes auch im internationalen Vergleich aus? Wer hat den Tierschutz in der Bundesrepublik Deutschland so weit gebracht, wie er derzeit ist? Das sind CDU-, CSU- und FDPgeführte Regierungen gewesen. Da hat es grundsätzliche und wegweisende Entscheidungen gegeben. 1986 ist in der grundlegenden Novelle des Tierschutzrechtes verankert worden, dass Tiere Mitgeschöpfe des Menschen sind. Diese Mitgeschöpflichkeit überträgt den Menschen in unserer

Gesellschaft eine besondere Verantwortung für die Tiere.

1990 hat die damalige CDU/CSU/FDP-geführte Bundesregierung durch Ergänzungen des Bürgerlichen Gesetzbuches auf der zivilrechtlichen Ebene verdeutlicht, dass Tiere keine Sache sind. Auch das sind Entscheidungen, die die Wertschätzung des Tierschutzes in Deutschland widerspiegeln.

1998 hat man im Rahmen der Fortschreibung des Tierschutzgesetzes zum Beispiel eine Erhöhung des Strafrahmens bei Vergehen gegen das Tierschutzrecht von zwei auf drei Jahre, die Ausweitung des Erfordernisses von Sachkundenachweisen und vieles andere beschlossen.

Das zeigt: Wir sind auf diesem Gebiet sehr weit, nicht zuletzt durch die Tierschutzpolitik von CDU, CSU und FDP in den vergangenen Jahren. Vergleichbares hat es mit Ausnahme der Grundgesetzänderung und der Anpassung des Tierschutzgesetzes in den neun Jahren der rot-grünen Regierung nicht gegeben.

Wir können heute erfreut feststellen, dass wir durch diese Politik eine erhebliche Abnahme der Zahl der Tierversuche erreicht haben. Wir haben uns darüber am Rande der Grünen Woche in Berlin berichten lassen. Wir unterstützen die Position, dass weiterhin geforscht wird, Tierversuche dabei aber auf das wirklich Notwendigste beschränkt werden. Auch das ist Ergebnis der Politik. Das geht hin bis zu Veränderungen von Haltebedingungen und weiteren Verordnungen, die die Rechte der Tiere immer weiter nach vorne gebracht und damit in der Öffentlichkeit eine stärkere Sensibilität für das Thema erzeugt haben.

Ich erinnere auch daran, was die Bundesregierung unter Helmut Kohl auf der europäischen Ebene gemacht hat. Kohl war es, der 1997 den Tierschutz in das Protokoll des EG-Vertrages hat aufnehmen lassen. Damit hat das deutsche Tierschutzrecht, das international führend ist, Eingang in europäisches Recht gefunden.

Sicherlich muss in Zukunft noch einiges weiterentwickeln werden. Es geht darum, das, was wir tierschutzrechtlich begonnen haben, fortzuentwickeln. Dabei hilft aber ein Klagerecht der Tierschutzverbände in keiner Weise. Hier geht es nicht um Waffengleichheit zwischen Nützern und Schützern, sondern es geht darum, dass die Tiernützer, die gesetzliche Verantwortung tragen, die Pflichten, die sie gegenüber den Tieren haben, erfüllen und der Tierschutz in Deutschland mit diesem hohen Anspruch weiter realisiert wird.

Jeder Beamte, der davon Kenntnis erhält, dass gegen geltendes Recht verstoßen wird, ist verpflichtet, zu handeln und die vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten zu nutzen. Und diese gesetzlichen Möglichkeiten sind umfänglich und ausreichend.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Picks schöne Welt!)

Sie haben eben einige denkbare Verbandsklagen aufgezeigt. Es ist davon auszugehen, dass es zu vielen Verbandsklagen kommen wird, über die demnächst gestritten wird. Das ist nicht vergleichbar mit anderen Verbandsklagerechten, bei denen es um räumliche Aspekte und ganz andere Dimensionen geht. Außerdem sind Forderungen zu erwarten, das Verbandsklagerecht auf viele weitere Bereiche ausdehnen. Das wollen wir nicht, und das ist auch nicht beabsichtigt.

Deswegen sagen wir: Hier wird eine Forderung erhoben, die, wenn sie zur Geltung käme, dazu führen würde, dass unsere Gerichte noch stärker belastet und die Bürokratie aufgebläht würde. Das wollen wir alle nicht, und das widerspräche auch den Koalitionsvereinbarungen.

(Beifall von der CDU)

Außerdem müssen wir auch die unterschiedlichen Facetten des Tierschutzes berücksichtigen. Wir haben die Tierschützer, die sich wie wir alle intensiv für den Tierschutz einsetzen, wir haben aber auch militante Gruppierungen, die Tierschutz in einer Weise betreiben, die bis hin zum Aufruf zu Straftaten geht.

Wenn wir denen die Möglichkeit der Verbandsklage einräumen, weiß niemand, wohin das führt. Dann mag es dazu kommen, dass sogar Mückenspray oder Rattengift verboten werden sollen. Ich glaube, das will hier niemand, aber die Möglichkeit, solche Forderungen zu stellen, wird gegeben.

Wenn wir solche Überlegungen auf den Bereich Tierversuche ausdehnen, muss man zu dem Schluss kommen, dass der Forschungsstandort Nordrhein-Westfalen und der Forschungsstandort Deutschland durch Verzögerungen von Genehmigungsverfahren im Wettbewerb verlieren würde. Das können und wollen wir nicht akzeptieren.

Deswegen geht es darum, die Möglichkeiten, die heute tierschutzrechtlich geboten werden, optimal zu nutzen. Es geht darum, dass die Menschen in diesem Land ihre soziale Verantwortung wahrnehmen und, wenn der Tierschutz nicht beachtet wird, handeln.

Was den Tierschutz angeht, so gibt es im Übrigen sehr viele Grauzonen. Es ist zum Beispiel auch nicht tierschutzgerecht, wenn der Hund oder die Katze mit Schokolade gefüttert werden. Das müsste eigentlich auch gesetzlich verboten werden. Aber wir alle machen das, weil es ja so liebe Tierchen sind. Die Tiere aber quälen wir damit.

Ich will damit zum Ausdruck bringen: Nur eine sachliche Diskussion bringt uns weiter. Der Schutz der Tiere muss für uns nach wie vor ein politisches Ziel sein, und dieses politische Ziel muss weiterverfolgt werden.

Wir sind der Auffassung, dass Nordrhein-Westfalen nicht das erste Land sein sollte, das ein Verbandsklagerecht in Bezug auf den Tierschutz einführt. Wir werden das in den Ausschüssen noch einmal diskutieren. Aber, Herr Remmel, machen Sie sich keine Hoffnungen: Wir werden Ihren Gesetzentwurf dort ablehnen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Pick. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Wiegand.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Positive gleich zu Beginn: In Anbetracht der großen Besatzdichte hier im Plenum werde ich die 14 Minuten Redezeit, die mir zur Verfügung stehen, nicht ausschöpfen.

Die Qualitätsansprüche für den Tierschutz können für uns von der SPD gar nicht hoch genug sein. Wir bekennen uns zu einer zukunftsorientierten Weiterentwicklung des Tierschutzes. Die Wege dorthin, die Umsetzungen und Instrumente müssen jedoch gut bedacht und abgestimmt sein. Genau dieser handwerkliche Feinschliff ist in diesem Gesetzentwurf in unseren Augen noch verbesserungswürdig.

Wir von der SPD haben dabei eine abgestimmte Position in Bund und Land. Für uns gelten die fünf Kernforderungen, die wir auch in den Koalitionsverhandlungen in Berlin erfolgreich durchgesetzt haben:

Erstens. Das Staatsziel Tierschutz ist Verpflichtung und Leitfaden für eine aktive Tierschutzpolitik.

Zweitens. Wir werden uns für einen hohen Tierschutzstandard auf EU-Ebene einsetzen.

Drittens. Alternativen zu Tierversuchen sollen auf nationaler wie auf europäischer Ebene zügig weiterentwickelt werden.

Viertens. Mit einem praxisgerechten Prüf- und Zulassungsverfahren für serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen werden Haltungsbedingungen für Nutztiere grundlegend verbessert.

Fünftens. Am Verbot der Käfighaltung für Legehennen halten wir fest. Auch die Schweinehaltungsverordnung – von der CDU auch „Kuschelerlass“ genannt – ist bundesweit noch nicht vom Tisch.

Vergleichen wir nun unsere Ansprüche einmal mit den drei Kernforderungen des uns hier vorliegenden Gesetzentwurfs.

Die erste Forderung lautet: Bei tierschutzrelevanten Rechtsetzungsverordnungen des Bundes ist ein anerkannter rechtsfähiger Tierschutzverein bei der Stellungnahme des Landes zu beteiligen.

Was wollen Sie denn nun, meine Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen? – Wenn Sie ein klares und starkes Tierschutzrecht wollen, das effektiv, europatauglich, wirtschaftsfreundlich und nachhaltig ist, müssen wir uns gemeinsam dafür einsetzen, die Voraussetzungen zu schaffen, die den Tierschutz wirkungsvoll voranbringen. Das wäre die Weiterentwicklung des Tierschutzes auf Bundesebene sowie bei der Europäischen Union. Genau das hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nämlich beim vorangegangenen Tagesordnungspunkt für das Umweltrecht gefordert, wie hier auch schon mehrfach bemerkt wurde.

Die zweite Forderung heißt: Bei der Vorbereitung von Verordnungen und anderen im Rang unter einem Gesetz stehenden Rechtsvorschriften der für den Tierschutz zuständigen Behörden der Länder ist einem anerkannten rechtsfähigen Tierschutzverein Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben.

Diesen Weg gehen wir mit Ihnen. Mitglieder des Tierschutzvereins Nordrhein-Westfalen haben uns gestern noch versichert, dass auch sie diesen Weg mitgehen wollen und werden.

Die dritte Forderung des Gesetzentwurfes lautet: Bei bau- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen, die die Belange des Tierschutzes berühren, ist einem anerkannten rechtsfähigen Tierschutzverein Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben.

Hier haben wir ernsthafte Bedenken, wohin das führt. Wir setzen auf bundesweit mehr Tierschutz und nicht auf eine landesweite Ausweitung von

Bürokratie. Was wir wollen und brauchen, ist eine Mitarbeit der Tierschutzverbände an Gesetzen und Verordnungen, die den Tierschutz betreffen. Was wir nicht brauchen und nicht wollen, ist eine Klageflut für Einzelmaßnahmen.

Ich will das einmal am aktuellen Beispiel der Legehennenbatterien verdeutlichen. Wir begrüßen, wenn die Tierschutzverbände an einer Verordnung zur Größe der Legehennenkäfige oder Kleinvolieren mitarbeiten und ihr Wissen einbringen können. Wenn diese Verordnung aber in einen Kompromiss von allen Seiten mündet, dann darf es anschließend nicht darum gehen, dass jeder Landwirt, der einen Hühnerstall mit den in der Verordnung angegebenen Größen bauen will, anschließend darauf verklagt wird. Hier kann der Eindruck entstehen, als wäre das sogar beabsichtigt.

Ein anderes Thema ist das Anerkennungsverfahren von Tierschutzvereinen. Wir sind für ein bundeseinheitliches Verfahren, aber gegen ein landesspezifisches durch das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen.

Auch reichen die im Gesetzentwurf angegebenen Kriterien zur Anerkennung nicht aus, um zum einen in der Bevölkerung anerkannte Tierschutzverbände entsprechend zu berücksichtigen, autonome Randgruppen aber außen vor zu lassen. Verbände und Vereine, die eine Anerkennung anstreben, müssen für jeden zugänglich sein und in ihren Bereichen das Gleiche leisten wie die sogenannten anerkannten Naturschutzverbände nach den §§ 58 und 59 Bundesnaturschutzgesetz.