Protokoll der Sitzung vom 16.03.2006

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Eumann, die Kaltschnäuzigkeit, mit der Sie Ihre Rede begonnen haben, indem Sie bewiesen haben, wie Sie mit den Sorgen der Bergleute Ihr Spiel spielen, ist etwas, das ich nicht in Ordnung finde. Das will ich Ihnen an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, jeder Arbeitsplatzverlust in Nordrhein-Westfalen schmerzt; schmerzt nicht nur die Landesregierung, sondern auch die sie tragenden Parteien. Nichtsdestotrotz gehört zu einer Unternehmenspolitik eine vorausschauende Politik.

Diese vorausschauende Unternehmenspolitik ist bei HDH bedauerlicherweise ausgeblieben. Ausgeblieben ist in der Sparte „Spezialbetriebe“, diese Dinge zusammenzuführen und gemeinsame Ziele für die in der Sparte tätigen Unternehmen zu suchen.

Das wissen Sie, Herr Römer, und auch Sie, Herr Schartau, der es in seiner ehemaligen Funktion als Arbeits- und Wirtschaftsminister nicht geschafft hat, diese Interessen zusammenzuführen, um das zu vermeiden, was wir heute erleben: 1.600 Menschen stehen vor dem Landtag, weil sie sich Sorgen um ihre Zukunft und ihre Existenz machen.

Sie haben es während der Zeit Ihrer Verantwortung nicht geschafft, dieses Problem zu lösen, und Sie sollten es heute nicht so darstellen, als sei es ein Problem der neuen Landesregierung. Wenn überhaupt, so ist es ein gemeinsames Problem. Herr Priggen hat es aufgezeigt: Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, dieses Problem zu lösen – vor allen Dingen in Wahrhaftigkeit zu lösen. Es macht doch keinen Sinn, hier zu rufen:

Staat gib Geld, damit wir es heilen; denn damit haben wir die Situation dieser Unternehmen nicht verbessert.

Es wird eine Reduzierung geben. Der Staat kann nicht bei allen eintreten, die unternehmerisch daneben liegen. Denn wenn, dann dürften Hilfen nicht nur auf den Bergbau begrenzt sein, oder man müsste etwa den Opelanern erklären, warum wir bei ihnen nicht eingreifen. Das ist kein Gegeneinander-Ausspielen, sondern es ist das Erklären, dass man die Menschen fair und gleich behandeln muss. Anders kann man in diesem Land keine Politik machen.

Sie, Herr Römer, waren in der Wirtschaftsausschusssitzung anwesend, als Herr Tönjes dort erläutert hat, wie es dazu gekommen ist, dass sich die RAG letztendlich selbst aus dem Bereich zurückgezogen hat: Sie konnte bei dem damaligen Unternehmen keine Bereitschaft erkennen, sich auf die veränderten Rahmenbedingungen einzustellen.

Also: Der Staat, das Land Nordrhein-Westfalen, können nicht unternehmerisches Handeln immer wieder abnicken, um zwar für einen Moment den Arbeitsplatz der Beschäftigten sicherstellen, aber ohne dadurch die Strukturkrise zu beseitigen.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Lassen Sie uns doch einfach ins Ruhrgebiet gucken, Frau Kraft. Was passiert im Ruhrgebiet? Sie dominieren den RVR in einer unglückseligen Koalition aus Grünen und sogar der PDS.

(Hannelore Kraft [SPD]: Dass das unglück- selig ist, kann ich mir vorstellen!)

Diese unglückselige Koalition der Verweigerung im Ruhrgebiet sorgt dafür, dass wir keinen einzigen Schritt im Strukturwandel vorankommen.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Han- nelore Kraft [SPD])

Es hilft dem Selbstbewusstsein unserer Region Ruhrgebiet in keinster Weise, immer nur nach Hilfen zu rufen. Diese Menschen haben Engagement, diese Menschen sind stark, aber ich muss sie auch lassen. Und Sie lassen sie nicht. Das ist Ihr Problem.

(Beifall von CDU und FDP – Lachen von Hannelore Kraft [SPD])

Sie wiegen sie in einer Sicherheit, die es nicht mehr geben kann und die es nicht gibt. Deswegen müssen wir mit den Menschen, die sich Sorgen um ihre Existenz machen, auf einen Weg kommen, der neue Arbeit im Ruhrgebiet schafft.

(Beifall von der CDU – Hannelore Kraft [SPD]: 10.000 sind da draußen!)

Dann sorgen Sie bitte dafür, Frau Kraft, dass Ihre Genossinnen und Genossen in den Städten des Ruhrgebiets den Strukturwandel aus kleinkariertem lokalpolitischem Kalkül nicht behindern. Sie wissen, welche Fälle ich meine. Ich könnte reihenweise aufzählen.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Machen Sie doch mal!)

Wer Strukturwandel will, muss ihn begleiten, muss den Menschen Mut für einen Strukturwandel und nicht Angst machen.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD] – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Sie haben ein Zerrbild!)

Sie machen den Menschen Angst, Frau Kraft.

(Beifall von CDU und FDP)

Frau Kraft, Sie haben eine Koalition des Machterhalts im Ruhrgebiet geschlossen, indem Sie sogar die PDS mit ins Boot nehmen, damit letztendlich alles so bleiben kann, wie Sie es gerne hätten. Das ist keine Zukunftsperspektive für die Menschen im Ruhrgebiet.

Ich kann Sie nur auffordern: Helfen Sie mit, den Menschen Mut zu machen. Lassen Sie die Menschen handeln und regulieren Sie sie nicht ständig in ihrem Handeln. Kommen Sie bitte mit ins Boot derer, die den Menschen im Ruhrgebiet helfen wollen, so, wie es Frau Thoben formuliert hat. Wir, die Landesregierung und die sie tragenden Parteien, wollen helfen im Ruhrgebiet. Sie sind herzlich eingeladen. Aber dazu gehört Wahrhaftigkeit. Kehren Sie zur Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit gegenüber den Menschen zurück!

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Das sind doch nur Sprüche!)

Dann haben Sie eine Chance, in der Politik im Ruhrgebiet wieder ernst genommen zu werden. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD])

Vielen Dank, Herr Kollege Hovenjürgen. – Ich habe für die Landesregierung noch eine Wortmeldung von Frau Ministerin Thoben, der ich hiermit das Wort erteile.

Frau Präsidentin! Meine

sehr geehrten Damen und Herren! Herr Eumann, wenn Sie den Verstand gegen das heiße Herz stellen wollen, dann haben Sie nichts begriffen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich glaube, dass es die Aufgabe von Politik ist, den kühlen Kopf in den Dienst eines heißen Herzens zu stellen.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Dann machen Sie mal!)

Was Sie darunter verstehen, mag sich ja von dem unterscheiden, was ich darunter verstehe.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Nö!)

Ich habe von Ihnen heute überhaupt keinen Satz gehört, was Sie vorschlagen. Null!

(Beifall von CDU und FDP)

Geschrei, obwohl die Situation, die jetzt eingetreten ist, ihre Ursache in einer Reihe von hinter uns liegenden Jahren hat.

(Hannelore Kraft [SPD]: Das wissen wir! Das haben wir auch nie bestritten, Frau Thoben!)

Aber was hat dann Herr Römer hier vorgetragen? Wieso kann sich Herr Eumann hinstellen und die Frage des Bergfreien auf die Mitarbeiter von Schachtbaufirmen übertragen? Warum klagen die sich in die DSK ein? – Nur weil sie den Schutz nicht haben, den die DSK ihren Mitarbeitern einräumt.

(Beifall von der CDU – Hannelore Kraft [SPD]: Was haben Sie denen denn verspro- chen? – Zuruf von Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD])

Entschuldigung. Ich sage nur, Herr Eumann, dass Sie keine Ahnung haben. – Dann erklären Sie doch hier, dass Sie – das ist eine Position, die der Geschäftsführer von Deilmann-Haniel vertritt – zum Beispiel Deilmann-Haniel den Zugang zu den Steinkohlesubventionen nach den Zuwendungsbescheiden eröffnen wollen. Dann haben wir eine andere Debatte.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Aber Sie haben doch auch nichts Konkretes gesagt!)

Entschuldigung! Ich habe Ihnen beschrieben, dass die Truppen, die da miteinander zu reden haben, im Moment in einem großen Umfang verzankt sind. Ich würde sie gerne sofort an einen Tisch holen. Ich muss im Moment – das wissen auch alle Beteiligten – die Gespräche noch getrennt führen, damit ich einen Boden dafür bereite, dass sich alle wieder zusammensetzen.

Lassen Sie es sich, wenn Sie es nicht wissen, Herr Eumann, von Herrn Römer erklären; der weiß es.

Es ist deshalb für die IG BCE eine etwas kompliziertere Situation, als Sie sie gerne darstellen wollen, denn die Begeisterung für die Positionierung der IGBCE in diesem Wettstreit oder in dieser verqueren Situation zwischen DSK und den Schachtbaubetrieben ist keineswegs so glänzend, wie Sie sie gerne darstellen wollen.

Wir nehmen die Fragen ernst und wir arbeiten daran. Ich werde schnellstmöglich zu einem gemeinsamen Gespräch einladen, aber das will vorbereitet sein.

(Beifall von CDU und FDP – Hannelore Kraft [SPD]: Wenn die Insolvenz hatten!)