Protokoll der Sitzung vom 05.04.2006

(Zurufe von der CDU)

Herr Garbrecht, bitte. Vielleicht geht es ja kurz.

Frau Präsidentin! Herr Minister, es wird Sie nicht wundern, dass ich Ihnen bei einem Großteil der Ausführungen durchaus inhaltlich zustimme. Ich habe nun auch mitbekommen, dass Sie auf der Bundesebene –

Richtung Berlin – für die CDU und für die Bundeskanzlerin in dieser Arbeitsgruppe wirken.

(Parl. Staatssekretär Manfred Palmen: Zwi- schenfrage!)

Herr Kollege, könnten Sie das als Frage formulieren?

Die Frage ist: Ihre Ausführungen stehen in einem gewissen Gegensatz zu den Vorstellungen, die jedenfalls Herr Pofalla zu den Auswirkungen gemacht hat.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Herr Kollege, bitte stellen Sie eine Frage.

Können Sie das bestätigen, oder hat Herr Pofalla seine Auffassung schon geändert?

Ich gehe davon aus, dass Herr Pofalla die Rede, die ich heute hier gehalten habe, selbstverständlich unterschreiben würde. – Schönen Dank.

(Beifall und Heiterkeit von CDU und FDP)

Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Kollege Kuschke das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Punkt eins: Ich möchte noch einmal auf den Hinweis von Herrn Romberg eingehen. Unabhängig davon, ob wir amüsiert, frustriert oder was auch immer sind – bei Ihnen hoffe ich, dass Sie heute besonders gut gelaunt sind –, ist die Forderung nun schon klar. Sie geht aus dem Antrag der SPD-Fraktion deutlich hervor. Herr Kollege Schmeltzer hat sie auch genannt. Es geht darum, eine Mindestlohnvereinbarung gesetzlich zu verankern. Im Antrag heißt es:

„Gesetzliche Mindestlöhne müssen ein existenzsicherndes Einkommen gewährleisten, das eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht und zugleich zur Erwerbstätigkeit aktiviert.“

So weit zum Kontext dieser Forderung.

Wenn man sich jetzt die einzelnen Reaktionen anguckt, so stellt man fest, dass wir von Ihnen, der FDP-Fraktion, die eindeutige Aussage be

kommen haben: Mit uns nicht. Ich habe das als eine generelle Absage verstanden.

Wir sind nachhaltig irritiert durch die Äußerung von Herrn Brakelmann, weil das eigentlich auch eine Absage war – ohne Konditionierung und ohne Hinweise, unter welchen Bedingungen man sich denn dieser Vorstellung eines Mindestlohns nähern könnte.

Das, was in differenzierter Art und Weise vorgetragen worden ist …

(Minister Karl-Josef Laumann nimmt neben Ministerin Christa Thoben auf der Regie- rungsbank Platz.)

Ich dachte schon, ich müsste noch das zweite Stück Apfelkuchen von Ihnen bekommen.

(Minister Karl-Josef Laumann: Wirtschaft und Arbeit!)

Ja, ich werde Sie auch kombiniert ansprechen.

(Beifall von Frank Sichau [SPD])

Was Herr Minister Laumann angesprochen hat, gibt ja Anhaltspunkte, diesbezüglich wirklich einmal ins Gespräch einzutreten – heute und auch nach der Überweisung in den Ausschuss.

Wenn wir Sie richtig verstanden haben, können wir nämlich erstens über den Zeitpunkt reden – darauf komme ich nachher noch einmal zurück –, also über die Abfolge, dass zunächst strukturelle Reformen erfolgen usw.

Wir können zweitens über Branchenorientierungen reden – Herr Kollege Schmeltzer hat das auch offen gelassen, wie Sie richtig festgestellt haben –, nämlich darüber, ob wir eine regionale Orientierung mit einbringen und über welchen Personenkreis wir möglicherweise reden.

Wir sind auch damit einverstanden – das ist der dritte Punkt –, wenn wir eine Kombination zum Kombilohn und möglicherweise auch noch zu anderen Maßnahmen herstellen. Da sind wir offen.

An dieser Stelle sage ich auch ganz deutlich – das ist keine Drohung, sondern nur ein Hinweis –: Das greifen wir auch in den Ausschussberatungen auf. Dann würden wir das auch gerne mit Ihnen beiden möglicherweise klären.

Vierte Anmerkung: Wir wollen es nicht auf die Spitze treiben. Wir treten ja gar nicht mit der Aussage an, 51 % aller Expertinnen und Experten sagten doch, dass der Mindestlohn ein überzeugendes Instrument ist. Wir haben aber doch Recht, wenn wir darauf verweisen, dass es mindestens eine Auseinandersetzung bei den Exper

ten gibt und dass ein großer Teil der Experten sagt, dass Mindestlohn ein Instrument sein kann. Da stimmen wir ihnen sicherlich zu: Es ist keine Wunderwaffe – so haben sie es formuliert, glaube ich –, sondern ein Instrument in der Kombination mit anderen Möglichkeiten.

Nächste Anmerkung – da beziehe ich die Wirtschaftsministerin ein –: Bei dieser Auseinandersetzung zwischen den Expertinnen und Experten haben wir unterschiedliche Sichtweisen. Wir haben natürlich die mikroökonomische Sichtweise, wo sehr stark von Interventionismus gesprochen wird, der dort stattfindet. Es ist die Rede von negativen Auswirkungen, wie sie hier teilweise dargestellt oder beschworen worden sind, was die Veränderungen im Lohngefälle anbelangt – mit dem Ergebnis von nicht mehr Arbeitsplätzen, sondern weniger Arbeitsplätzen.

Herr Kollege Laumann verweist auf die Struktureffekte, die es eigentlich erst geben müsste. Wenn man sich das Ganze makroökonomisch anguckt, gibt es natürlich auch einen Struktureffekt bei der Einführung von Mindestlöhnen, nämlich im Bereich der Nachfrage, der zumindest bei den Experten als einer genannt wird, den man auch in die Abwägung einfließen lassen muss und mit dem man sich zumindest ernsthaft auseinander setzen muss.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Herr Laumann nickt zustimmend, Frau Thoben ablehnend!)

Ja, das ist aber doch spannend. Wo ich die beiden so vertraut nebeneinander sitzen sehe: Ich halte es auch für völlig in Ordnung, dass wir in diesen Fragen um den richtigen Weg ringen

(Ministerin Christa Thoben: Wir sind uns ei- nig!)

und dass es natürlich auch eine unterschiedliche Sichtweise einer Wirtschaftsministerin und eines Arbeitsministers geben kann. Aber das werden wir bei den Ausschussberatungen klären.

Ich will noch eines zu Herrn Kollegen Brakelmann sagen. Für den öffentlichen Dienst oder vergleichbare Bereiche ist der Mindestlohn kein Punkt, der ernsthaft diskutiert werden muss. Dann habe ich an den Betriebsratsvorsitzenden der Stadtwerke Wuppertal aber natürlich auch folgende dringliche Bitte und Aufforderung

(Peter Brakelmann [CDU]: Ich bin nicht Vor- sitzender!)

oder das Mitglied; Entschuldigung; das kann ja noch werden –: sehr viel vorsichtiger bei einer Aussage zu sein, die darauf hinausläuft, dass bei

der Einführung eines Mindestlohns automatisch negative Tendenzen der Löhne nach unten stattfinden.

(Zurufe von der CDU: Automatisch?)

Moment, meine Herren! Der Punkt ist doch folgender: Wenn ich das als Leitlinie im Kopf habe, dann kann ich all denjenigen, die mit Lohn- und Gehaltspolitik beschäftigt sind, eigentlich nur sagen: Ihr müsst dafür sorgen, dass die Löhne und Gehälter nach unten gehen. – Das ist eigentlich die Konsequenz, die sich aus einer solchen Leitlinie ergibt.

(Vizepräsidentin Angela Freimuth räuspert sich.)

Ich dachte, ich stehe auch noch in der Gunst der Präsidentin, …

Das sowieso. Das hat aber nichts mit der Redezeit zu tun, die Sie schon längst überschritten haben, Herr Kollege Kuschke.

… die vorhin meinen Kollegen Laumann auch hat reden lassen. – Ich komme auch zum Ende.

Ich nehme das, was insbesondere Herr Minister Laumann ausgeführt hat, durchaus als Hinweis Ihrerseits dafür, dass wir uns in den Ausschussberatungen über den Zeitpunkt, über eine Kombination mit anderen Instrumenten und auch über die Frage unterhalten können, ob wir nicht parallel zu der Lösung von Strukturproblemen auch in eine Diskussion über Mindestlohn und Kombilohn als vernünftigem Instrument in einer Gesamtstrategie einsteigen müssen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)