Ich will an dieser Stelle wenigstens zwei Namen nennen, die sich nach meinem Dafürhalten in der Landespolitik in jenen Jahren einen besonderen Verdienst um die Entwicklung des Ruhrgebietes erworben haben. Das sind Christoph Zöpel als seinerzeit zuständiger Minister, der den Mut hatte, die IBA zu schaffen, und auf dieser Grundlage schließlich Professor Dr. Karl Ganser, der die wesentlichen inhaltlichen Ideen eingebracht hat. Es sind einzigartige Veranstaltungsorte entstanden. Nach meiner Beobachtung ist auch eine neue Identität der Region im Entstehen. Die Kulturhauptstadt 2010 wird die konsequente Fortsetzung dieses Weges sein.
Das Ruhrgebiet ist eine Region mit Tradition und Moderne, mit kultureller Vielfalt und Offenheit. Das Ruhrgebiet ist, wie es jetzt oft gesagt wird, eine Metropolregion. Dieser Beschreibung stimme ich ausdrücklich zu. Es ist keine Stadt im herkömmlichen Sinne. Deshalb hielt ich immer den Begriff Ruhrstadt, über den einige Zeit philosophiert worden ist, für falsch. Es ist ein dezentraler Großraum mit vielen Zentren, vielen Peripherien und mit phantastischen Entwicklungsmöglichkeiten in allen seinen Teilen – nicht nur in einem Zentrum, etwa Essen, sondern auch darüber hinaus.
Es ist die Keimzelle der industriellen Vergangenheit, auf die wir jetzt aufbauen. Sie ist auch kultu
relles Erbe, das wir jetzt in die Zukunft führen müssen. Das Ruhrgebiet ist – der Begriff ist schon gefallen – Schmelztiegel von Zuwanderern und Kulturen gewesen, und dies ist es heute noch. Wenn ich heutzutage manche Debatte über Integration von Zuwanderern in die deutsche Gesellschaft und weit darüber hinaus, bis in die USA, höre – nicht unbedingt im Landtag, sondern an anderen Stellen in der deutschen Gesellschaft –, dann kommt es mir so vor, als habe es die Erfahrungen, die Probleme, aber auch die Erfolge im Ruhrgebiet nie gegeben.
Europa, meine Damen und Herren, und wir alle können in dieser Frage vom Ruhrgebiet sicher lernen. Das Ruhrgebiet kann Beispiel für ganz Europa sein. Deshalb ist die Entscheidung richtig, auch aus europäischer Sicht. Es gibt noch viel zu tun. Meine Redezeit ist zu Ende; ich kann auf all das nicht mehr eingehen.
Ich hoffe sehr, dass die Kulturhauptstadt 2010 Motor ist, dass sie Treibstoff ist, dass sie Katalysator ist für eine gedeihliche Entwicklung der gesamten Region, nicht nur in kulturellen Fragen.
Überlegungen, die der Ministerpräsident hier vorgetragen hat, finden meine Zustimmung. Ich bin ebenfalls der Auffassung, dass wir jetzt aufpassen müssen, den Ruhrgebietlern das Heft nicht zu sehr aus der Hand zu reißen, sondern ihnen ihre eigene Verantwortung zu lassen und sie mit dem, was wir als Land organisatorisch, finanziell zu tun haben, zu unterstützen. Wir wollen das als Kulturausschuss dieses Hauses, sicherlich in großer Übereinstimmung über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg, tun.
Meine Damen und Herren, ich will zum Schluss sagen: Auch Sozialdemokraten werden in den Städten, Kreisen und Gemeinden und im Land engagiert mitmachen, wenn es darum geht, das Revier noch weiter nach vorne zu bringen. – Herzlichen Dank.
„Wie würde sich der Klang dieser Republik ändern, wenn die Politik das ernsthafte Gespräch mit den Künsten und Wissenschaften suchte, eine Zusammenarbeit – vielleicht nur temporär – über den Zustand der Gesellschaft, ihrer ge
Wenn es um Aushandeln und Verhandeln von Werten und Identifikationen, überhaupt um gegenseitige Fragen, gehen könnte!
Was könnte das für einen Wert haben, in einer Zeit, in der die Angst vor der Zukunft messbar und proportional zum Wachstum der Arbeitslosenzahlen steigt und Hartz IV zu einem Synonym dafür geworden ist!“
Das war ein Zitat von Adrienne Göhler, die mit ihrem soeben erschienenen Buch „Verflüssigungen“ für die dringend notwendige Durchlässigkeit von Denkgrenzen plädiert. Sie war eine der Jurorinnen der NRW-Jury, die sich für Essen und das Ruhrgebiet als Kulturhauptstadt Europas 2010 ausgesprochen hat. Köln hat es geschmerzt und Münster auch. Aber nun werden wir alle gemeinsam in NRW auf das Jahr 2010 hinarbeiten – und vor allem darüber hinaus.
Über die Bedeutung von Kultur für die Gesellschaft wird immer und gerne viel gesprochen. Der Dialog zwischen den Künsten und der Politik ist allerdings anstrengend, oft leider auch nur auf die finanziellen Aspekte konzentriert, denn Kunst und Kultur sind auf die öffentliche Förderung ebenso angewiesen wie auf die möglichst direkte Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, in der sie wirken. Umso wichtiger ist es, die Entscheidung für Essen und das Ruhrgebiet als Kulturhauptstadt Europas als eine weitere Chance zu begreifen.
Während der RuhrTriennale-Gründungsintendant Gerard Mortier beseelt von der „Wiedererrichtung des Himmels“ träumte und diejenigen, die dort die Kathedralen der Industriekultur nun als Kulturkathedralen erlebten, in seinen metaphorischen Bann zog und damit sicherlich den Boden für die höchst erfreuliche Entscheidung von Brüssel mit bereitete, muss nun – das ist meine feste Überzeugung – der Boden für eine breite, umfassende Beteiligung aller Kreativen im Ruhrgebiet und in Essen bereitet werden.
Wenn es gelingt, die vielen Künstlerinnen und Künstler vor Ort auf diese Forschungs- und Entdeckungsreise mitzunehmen, dann könnte in der Ruhrmetropole das entstehen, was klanglich schon so nahe liegt: die Kulturmetropole. Wenn es gelingt, Kultur nicht als Dienstleistung zu begreifen, sondern als Lebenselixier, als das Element, welches unsere Gesellschaften friedlich und
Wenn es gelingt, den Begriff Multikultur als „vielfältig bereichernd“ und nicht als „gleichmacherisch“ zu besetzen, dann haben wir in unserer Kulturhauptstadt beste Voraussetzungen, ein wirklich internationales, weltoffenes, mehrjähriges Kulturfest zu begehen und seinen Höhepunkt 2010 gemeinsam zu feiern.
Und vor allem: Auch danach sind wir alle auf die kreativen Ideen der Künste und der Wissenschaften angewiesen. Wenn es also gelingt, Kunst und Kultur in unserem Land und darüber hinaus dauerhaft als gesellschaftliche Lebensvoraussetzung begreifbar zu machen und immer mehr Menschen dabei mitzunehmen, dann haben wir gemeinsam sehr viel vor, und wir wissen dabei immer auch, dass wir scheitern können.
Adolf Muschg, der sich als Juror ebenfalls für Essen ausgesprochen hatte, brachte es vor gut einem Jahr, am 17. März 2005, in der „Zeit“ auf den Punkt:
Nun werden wir es versuchen; der Auftrag ist von Europa offiziell erteilt worden. Wir sind ein im vielfachen Sinne reiches und freies Land, und je mehr Menschen das so sehen können und wollen, umso reicher und vor allem freier sind wir. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Keymis. – Abschließend hat für die FDP-Fraktion Frau Freimuth das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident! Herr Oberbürgermeister Reiniger! Meine Damen und Herren! Wir alle haben uns über die Entscheidung der Jury für die Kulturregion Ruhrgebiet als Kulturhauptstadt 2010 sehr gefreut und entsprechend gratuliert. Es ist vieles von den Kolleginnen und Kollegen bereits gesagt worden, was ich nur nachträglich unterstreichen kann, welche Bedeutung es für die Region, für den Strukturwandel im Ruhrgebiet hat. Damit wird auch Anerkennung für die Leistungen dokumentiert, die bereits im Ruhrgebiet erbracht worden sind, insbesondere im Bereich der Integration.
deswegen nicht so leicht begeisterungsfähig – begeistert, unter anderem das Engagement, mit dem die Bewerbung aus der Bevölkerung heraus getragen wurde. Uns wurde im Kulturausschuss berichtet, dass es gelungen ist, auch die Bewohner aus den unterschiedlichsten Nationen und mit den unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen zu gewinnen, so etwas wie aktive Botschafter, aktive Begleiter der Gäste der Kulturhauptstadt zu werden. Ich finde es toll,
mit wie viel Engagement nicht nur – Sie mögen es mir bitte nachsehen – des Oberbürgermeisters, des Kulturdezernenten, der Mitglieder des Rates oder einiger Unternehmen, deren Beitrag wir an dieser Stelle nicht gering schätzen wollen, sondern auch von Menschen der Region die Kulturhauptstadt getragen wird. Das ist ein Punkt, der mich überzeugt und begeistert hat und offensichtlich auch bei der Jury Anerkennung gefunden hat.
Nun stellen sich jedoch einige Fragen. Wir, insbesondere die Essener und die Menschen im Ruhrgebiet, können das als Zwischensieg verbuchen. Aber mit diesem Nährboden, mit diesem Zwischenziel haben wir natürlich jetzt eine große Herausforderung gemeinsam zu bewältigen. Es ist eine Riesenchance für das Ruhrgebiet und das gesamte Land Nordrhein-Westfalen, die wir nutzen müssen für den Imagegewinn als Kulturland Nordrhein-Westfalen und für die touristischen Angebote, die wir miteinander noch stärker entwickeln müssen und in die wir auch – das ist meine Vorstellung und Bitte – die anderen Landesteile einbeziehen sollten.
Herr Kollege Behrens hat gerade freimütig gesagt, er gucke ein bisschen neidisch auf Essen und das Ruhrgebiet. Das ist, so wie ich ihn kenne, nicht im Sinne von missgünstig, sondern einzig und allein im Sinne von „Das hätte ich gerne auch“ gemeint. So ergeht es, glaube ich, auch vielen anderen Regionen in Nordrhein-Westfalen, zum Beispiel Ostwestfalen, Südwestfalen und dem Münsterland; für die Rheinschiene, die ja im Allgemeinen etwas besser bedient ist, gilt das vielleicht nicht so stark. Wir dürfen nicht verkennen, dass andere Regionen in Nordrhein-Westfalen ebenfalls attraktive Kulturlandschaften sind. Das meine ich nicht nur im Sinne von Landschaft, sondern es sind Landschaften, in denen Kultur gelebt und engagiert betrieben wird.
Wir müssen nun eine Konzeption entwickeln. Hier trägt in besonderer Weise das Land eine gewisse Mitverantwortung, denn es wäre in der Tat zu viel verlangt, das den Kolleginnen und Kollegen in Es
sen und den Menschen im Ruhrgebiet abzuverlangen. Wir als Land müssen aus diesem Nährboden, auf diesem Fundament – Essen Kulturhauptstadt, das Ruhrgebiet Kulturregion Europas 2010 – eine Strahlkraft für ganz Nordrhein-Westfalen entwickeln. Es ist in der Tat völlig zu Recht darauf hingewiesen worden, dass es kein Strohfeuer sein darf, sondern dass wir nachhaltig in die Strukturen investieren müssen, dass wir nachhaltig dafür Sorge tragen müssen, dass es eben nicht nur bei dem Einmaleffekt für 2010 bleibt, sondern dass Menschen das Land NordrheinWestfalen nach wie vor als Kulturland erleben und erfahren.
Ich freue mich auf die gemeinsame Diskussion, über den gemeinsamen Erfolg und insbesondere für die Bürgerinnen und Bürger im Ruhrgebiet, dass sie mit so viel Engagement herangegangen sind und das Ruhrgebiet auch belohnt worden ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich wünsche Herrn Oberbürgermeister Reiniger und Herrn Dezernenten Scheytt alles Gute. Der Landtag ist in großer Übereinstimmung mit Ihnen der Meinung: Das ist ein Riesenprojekt. Wir freuen uns darüber. Wir wollen es gemeinsam zum Erfolg führen. Glück auf! Alles Gute für Sie! Der Landtag wird Ihnen dabei helfen.
2 Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2006 und Gesetz zur Änderung haushaltswirksamer Landesgesetze (Haushaltsstrukturgesetz 2006)
Beschlussempfehlungen und Berichte des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksachen 14/1700 – 14/1706, 14/1708, 14/1710 – 14/1715, 14/1720