Protokoll der Sitzung vom 04.05.2006

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich will auf einige Punkte im Einzelnen eingehen.

Zunächst zur LEG: Sie wissen, dass Sie es, wenn Sie die LEG oder den Wohnungsbestand der LEG verkaufen, mit sozialen Verwerfungen zu tun haben werden. Sie wissen, dass die LEG in problematischen Wohnquartieren in den letzten Jahren hervorragende Arbeit geleistet hat: mit Mieterbetreuung, Kinderbetreuung, teilweise sogar Hausaufgabenbetreuung, jedenfalls mit sehr guter Betreuung der dortigen Klientel. Sie wissen, dass es in diesen Wohnquartieren eine sehr niedrige Fluktuation beim Personal und auch bei den Mieterinnen und Mietern gegeben hat. Das alles wissen Sie.

Sie wissen auch, wenn Sie das alles privatisieren und das an private Wohnungsbaugesellschaften geht, so wie das im Moment gang und gäbe ist, dass deren Betriebe selbstverständlich das Ziel

haben, Gewinne zu maximieren, und selbstverständlich das Ziel haben, nach einer Übergangszeit diesen Wohnungsbestand wieder zu verkaufen – mit entsprechenden Folgen für die Mieten bei den dortigen Mieterinnen und Mietern. Das wissen Sie, und das gehen Sie bewusst ein. Ich muss Ihnen sagen: Das ist weder sozial noch ist es verantwortlich.

Im Übrigen ist das auch für den Bereich der Stadtentwicklung der LEG schlecht, weil sich selbstverständlich das, was dort zur Restrukturierung in problematischen Bereichen gemacht worden ist, aus den Mieten ein Stück weit refinanziert hat.

Das heißt, Sie werden das in Zukunft aus dem Landeshaushalt finanzieren müssen; Sie werden das in Zukunft den Kommunen überantworten – mit all den Folgen, die das hat.

Meine Damen und Herren, zur Kündigungssperrfristverordnung: Sie ziehen sich jeweils dahinter zurück, dass Sie sich auf den Mindeststandard zurückgehen lassen, den der Bundesgesetzgeber vorgibt. Sie gehen geflissentlich darüber hinweg, dass Hessen, dass Baden-Württemberg, dass Hamburg, dass Bayern Kündigungssperrfristverordnungen bis hoch zu zehn Jahren haben. Das wollen Sie nicht wissen. Vielmehr wollen Sie in Nordrhein-Westfalen bei einem teilweise nach wie vor angespannten Mietermarkt, bei einem teilweise nach wie vor angespannten Wohnungsmarkt, insbesondere in der südlichen Rheinschiene, die Kündigungssperrfristverordnung auflösen – mit den Folgen, die ich eben beschrieben habe. Das ist weder sozial noch ist es verantwortlich noch ist es für die Menschen in Nordrhein-Westfalen gut.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Aber wann kommt das?)

Meine Damen und Herren, zur Ausgleichsabgabe: Sie haben eben die Verschlechterung für das Wohnungsbauvermögen angesprochen. Es ist ja nicht nur die Ausgleichsabgabe, die über 30 Millionen € beträgt und die Sie abschaffen, sondern es ist in der Tat auch die zusätzliche Zinslast, die Sie der Wfa aufbürden. Sehen Sie das einmal perspektivisch: Sie werden in den nächsten Jahren eine Mindesteinnahme beziehungsweise Mehrausgabe, also in der Summe eine Verschlechterung von über 60 Millionen € zulasten der Wfa, zulasten des Wohnungsbauvermögens haben. Sie können selbstverständlich davon ausgehen, dass das mittelfristig und langfristig nicht ohne Folgen bleibt; sondern mittelfristig und langfristig zehren Sie das Wohnungsbauvermögen damit strategisch aus. Ich bin der Auffassung,

dass Sie damit letztlich auch Vermögen verzehren. Es geht also nicht nur um Abbau von Wohnungsbauvermögen zulasten von Mieterinnen und Mietern und zulasten der Landeskasse, sondern Sie verzehren Vermögen im eigentlichen Sinne.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hilser?

Gerne.

Bitte schön.

Herr Abgeordneter Becker, halten Sie es für richtig, dass im Rahmen der Haushaltsberatungen zu diesem wichtigen zentralen Punkt der Mieterschutzrechte der zuständige Fachminister hinten im Plenarsaal sitzt und telefoniert?

Das halte ich nicht für richtig, aber es verwundert mich auch nicht, Herr Kollege.

Um das noch einmal auf den Punkt zu bringen: Wenn Sie das Wfa-Vermögen auf diese Art und Weise perspektivisch aufzehren, wenn Sie die LEG-Wohnungen veräußern, wenn Sie die Kündigungssperrfristverordnung aus ideologischen Gründen wegsprengen, dann ist das eine durchgängige Verschlechterung im Bereich Wohnen.

Meine Damen und Herren, aber es ist nicht allein mit den Änderungen, die wir in den letzten Monaten schon diskutiert haben, getan. Ich will noch auf ein anderes Ärgernis hinweisen. Wir haben im Zusammenhang mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz die von mir persönlich an für sich für richtig gehaltene Verlagerung der Zweckzuweisungen in die Fachetats diskutiert. Wir haben damals gehört, dass es keine Kürzung – nicht einmal um einen Euro – in den Fachetats geben soll. Diese Ankündigung des Finanzministers und auch des Fachministers hat noch nicht einmal die Fachberatung des Ausschusses überstanden.

Zwischen der Einbringung des Haushaltes und der ersten Veränderungsliste hat es nur wenige Wochen gedauert, bis sich Folgendes ereignete:

Erster Schritt: Im Haushaltsansatz des Fachministers war der Grundstückfonds mit 8 Millionen € gekürzt worden. Das Ganze sollte offensichtlich ein Stück weit dadurch aufgefangen werden, dass eine gegenseitige Deckungsfähigkeit mit den Städtebauförderungsmitteln hergestellt wurde.

Zweiter Schritt: Nachdem das aufgefallen und skandalisiert worden war, wurde eine Erhöhung

um 30 Millionen € im Grundstücksfonds und eine Kürzung um 15 Millionen € bei den Städtebauförderungsmitteln vorgenommen. Minister Wittke hat sich in den Debatten im Fachausschuss dahinter versteckt, dass es beim Grundstücksfonds 30 Millionen € mehr gebe und bei der Städtebauförderung „nur“ 15 Millionen € weniger. Richtig ist aber, dass es sich um völlig unterschiedliche Töpfe handelt.

Jeder, der sich mit der Städtebauförderung in Nordrhein-Westfalen auch nur ansatzweise beschäftigt hat, weiß, dass die Städtebauförderung in der Regel das ist, was auch die Kommunen außerhalb des Ruhrgebietes beanspruchen können, während der Grundstücksfonds fast ausschließlich im Ruhrgebiet beansprucht wird. Wenn man dann noch zur Kenntnis nimmt, dass das, was in der Städtebauförderung übrig geblieben ist, fast ausschließlich durch VE, also durch Verpflichtungsermächtigungen, innerhalb der Städtebauförderung aufgebraucht wird, dann weiß man, dass Sie in der Städtebauförderung in den nächsten Jahren nicht eine neue Maßnahme mehr sinnvoll werden anfinanzieren können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das alles widerspricht Ihren eigenen Ankündigungen, ist nicht sozial, hat überhaupt nichts damit zu tun, wie die Notwendigkeiten in den Städten in Nordrhein-Westfalen sind, und ist letztlich – davon bin ich fest überzeugt – auch gegen die Interessen Ihres Hauses ausgerichtet. Ich glaube, das hat damit zu tun, dass Sie seit dem letzten Sommer durch die Lande gelaufen sind, sehr viele Ankündigungen gemacht, wenige davon umgesetzt haben, dass Sie gleichzeitig da, wo es Sie nicht direkt etwas kostet, mit der Axt an soziale Errungenschaften gegangen sind und dass Sie insgesamt als Ankündigungsminister gegenüber dem Finanzminister kein Standing haben, nichts durchsetzen können und insofern dem Städtebau in Nordrhein-Westfalen einen Bärendienst erwiesen haben. – Schönen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Becker. – Für die Fraktion der FDP spricht jetzt Herr Rasche.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Becker, Sie reden alles schlecht, was die neue Regierung macht. Sie reden alles gut, was Sie vorher gemacht haben. Demnach müsste es dem Land Nordrhein-Westfalen blendend gehen: Wir dürften keine Schulden haben, wir dürften keine städte

baupolitischen Probleme haben, wir dürften auch keine Probleme in der Verkehrspolitik haben. In Wahrheit, lieber Herr Becker, sieht die Welt in Nordrhein-Westfalen aber völlig anders aus. Nordrhein-Westfalen hat große Probleme. Deswegen ist es übrigens am 22. Mai 2005 in NordrheinWestfalen zum Regierungswechsel gekommen.

Blicken wir einmal auf die Fakten! Die neue Koalition von FDP und CDU hat sich auch auf einen Neuanfang in der Städte- und Wohnungspolitik für lebenswerte Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen verständigt. Erste Schritte sind bereits umgesetzt – darauf komme ich gleich zu sprechen –, weitere Schritte sind, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, im Verfahren oder werden im Rahmen des diesjährigen Landeshaushaltes umgesetzt oder stehen in den nächsten Monaten auf der Tagesordnung. Ich möchte Ihnen heute einige Beispiele für die neue Städtebau- und Wohnungspolitik in Nordrhein-Westfalen darlegen.

Bereits unmittelbar zu Beginn der 14. Legislaturperiode haben wir die Beschränkung der Eigentumsförderung auf Grundstücke unter 400 m2 abgeschafft, im August 2005 – nur wenig später – die Änderung der Wohnungsbauförderungsbestimmungen auf den Weg gebracht. Meine Damen und Herren, aufgrund der desolaten Finanzlage, die uns Rot-Grün hinterlassen hat, kommen wir auch im Städtebau- und Wohnungsbaubereich nicht um Einsparungen herum. Trotzdem ist es uns gelungen, die Städtebaumittel fast auf dem Niveau des Vorjahres zu halten. Ein deutliches, ein positives Zeichen für die Bedeutung der Städtebaupolitik der Koalition.

Die rot-grüne Vorgängerregierung ist überaus umfangreiche Verpflichtungen eingegangen, die für aktuelle Projekte kaum noch Spielräume lassen. Sie erinnern sich sicherlich noch, dass Bauminister Oliver Wittke in der Einbringungsrede zum Haushalt 2006 im Fachausschuss berichtete, die finanzielle Ausstattung des Grundstücksfonds könne dem Sparhammer zum Opfer fallen. Es würden aber noch Verhandlungen über haushaltsneutrale Lösungen stattfinden.

Erfreulicherweise haben die Verhandlungen zu einem fruchtbaren Ergebnis geführt; denn der Grundstücksfonds ist um 30 Millionen € aufgestockt worden. Dadurch sind die laufenden Projekte nicht mehr gefährdet, drohende Mittelrückzahlungen an die EU sind damit abgewendet. Um diesen Kraftakt zu bewältigen, mussten die Mittel für Stadterneuerung, die zuvor im Gemeindefinanzierungsgesetz veranschlagt waren, um 15 Millionen € – nicht um 30 Millionen € – gekürzt werden. Sicherlich ist das – das gebe ich gerne zu – ein schmerz

hafter Einschnitt, aber unter dem Strich ist es die beste Lösung.

Meine Damen und Herren, eines unserer Ziele ist die Aufhebung von überflüssigen Befrachtungen im Wohnungsbau und die Beachtung von wesentlichen Veränderungen auf den Wohnungsmarkt. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Abschaffung der Ausgleichsabgabe.

(Beifall von FDP und CDU)

Die Landesregierung hat uns in ihrem Gesetzentwurf eine stufenweise Abschaffung der Ausgleichsabgabe bis zum Jahre 2010 vorgeschlagen. Nach Auswertung der Anhörung im Fachausschuss haben wir uns entschieden, die Ausgleichsabgabe rückwirkend zum 1. Januar 2006 abzuschaffen. Damit vermeiden wir enormen bürokratischen Verwaltungsaufwand und stärken sozial schwierige Wohnquartiere. Wir schwächen diese Wohnquartiere also nicht, sondern wir stärken den sozialen Bereich. Das ist ein klares Ergebnis der Enquetekommission, die in der letzten Legislaturperiode zum Thema „Zukunft der Städte“ gearbeitet hat.

Meine Damen und Herren, die Wohnungsbauförderung ist ein unverzichtbares Gestaltungsinstrument in der Wohnungspolitik. Sie wird in diesem Jahr im Vergleich zu anderen Bundesländern auf hohem Niveau fortgeführt, auch wenn wir die Vorjahreshöhe von 985 Millionen € nicht mehr erreichen können.

Abschließend möchte ich noch auf die Privatisierung der LEG eingehen. Wir haben bezüglich der LEG im Gegensatz zu rot-grünen Regierungszeiten einen vorsichtigen Ansatz gewählt und die Privatisierung nicht im diesjährigen Haushalt verankert. Mit einem Gutachten lässt die Landesregierung zurzeit feststellen, auf welche Art und Weise eine Privatisierung der LEG sinnvoll ist – übrigens auch ganz deutlich mit Blick auf die Interessen der Mieter.

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch einmal hervorheben, dass der Verkauf der LEG kein völlig neues Vorhaben der jetzigen Landesregierung ist. Auch Rot-Grün hatte einen Verkauf der LEG geplant und im letzten Doppelhaushalt sogar einen Veräußerungserlös von 108 Millionen € veranschlagt.

(Beifall von der FDP – Bernhard Schemmer [CDU]: Hört, hört!)

Wo ist denn diese vielgepriesene soziale Verantwortung? Wenn Sie die Wohnungen verkaufen, ist das sozial in Ordnung, wenn wir das tun, ist das

sozial angreifbar? Ihre Argumentation ist völliger Unsinn.

(Beifall von FDP und CDU – Dr. Gerhard Papke [FDP]: Die haben das Geld sogar schon verbraten!)

Das ist noch schlimmer! Ausgegeben haben sie es auch schon. Stimmt! Sehr gut, Herr Papke!

Die aufgrund der angespannten Finanzlage notwendigen Sparanstrengungen gehen natürlich nicht spurlos am Städtebau- und Wohnungsbaubereich vorbei. In vielen Bereichen ist es uns allerdings gelungen, das Niveau des vergangenen Jahres zu halten. Zudem haben wir überflüssige Befrachtungen im Wohnungsbau reduziert beziehungsweise abgeschafft und werden das auch in Zukunft tun. Ein klares Zeichen, meine Damen und Herren, für die neue Städtebau- und Wohnungspolitik in Nordrhein-Westfalen! – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rasche. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Wittke das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lassen Sie mich mit zwei Vorbemerkungen beginnen.

Erstens. Ja, es ist wahr, auch das Bau- und das Verkehrsministerium leistet einen ganz maßgeblichen Beitrag zum Konsolidierungskurs dieser Landesregierung. Es ist auch gut und richtig so, dass das Bau- und Verkehrsministerium das tut, denn damit wird das eingelöst, was ich bei sehr vielen Veranstaltungen in den vergangenen Monaten immer wieder gesagt habe: Sparen ist nicht nur eine Angelegenheit des Finanzministers, sondern Sparen ist eine Angelegenheit des gesamten Landeskabinetts. Darum gibt es selbstverständlich auch aus meinem Haus einen Beitrag zum Sparen. – Wir haben unseren Einsparbeitrag zu 100 % erbracht, so, wie er vom Finanzminister gefordert worden ist.

Ich will eine zweite Vorbemerkung machen: Ja, es ist wahr, wir haben umgesteuert. Wir haben in vielen Bereichen umgesteuert, sowohl in der Wohnungsbaupolitik wie auch in der Städtebaupolitik. Über Verkehrspolitik werden wir ja gleich noch reden. Wir haben das deshalb getan, weil ein Grund für den Regierungswechsel darin bestand, dass die Menschen in Nordrhein-Westfalen ein Umsteuern wollten und weil sie eine Beendigung der