Protokoll der Sitzung vom 04.05.2006

Deshalb hat der damalige Ministerpräsident Peer Steinbrück die Energiepolitik, wo immer erforderlich, zur Chefsache gemacht. Er hat dies getan, um Investitionen anzuschieben. Er hat dies getan, um sozialverträgliche Lösungen für die Menschen im Bergbau sicherzustellen. Und er hat dies getan, um Klimaschutz und Investitionen vereinbar zu gestalten.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Und zwar sehr erfolgreich!)

Nichts davon finden wir im heute vorliegenden Haushaltsentwurf wieder. Nordrhein-Westfälische Interessen werden nicht mehr eindeutig und unmissverständlich artikuliert. In den Fällen, in denen sich der Ministerpräsident äußert, trägt er mehr zur Verunsicherung bei. Er nutzt seine Richtlinienkompetenz nicht. Es gibt keine klaren Entscheidungen. Nordrhein-Westfalen droht der Verlust der Energiekompetenz.

Die derzeitige Landesregierung schadet den Interessen Nordrhein-Westfalens, zum Beispiel durch das Lavieren bei der Atompolitik.

(Beifall von Dr. Axel Horstmann [SPD])

Hier haben die Menschen in Nordrhein-Westfalen Anspruch auf Klarheit. Diese Klarheit vermissen wir im Haushaltsentwurf. Hier möchten wir von Ihnen klipp und klar wissen, wo sich das zukünftig immer knappere Geld im Haushaltsplan wiederfindet, in Form von Forschungsmitteln für neue Atomkraftwerke oder in Form von Forschungsmitteln für umweltfreundliche Zukunftsenergien. Hier wollen wir wissen, welche Rolle die Förderung der erneuerbaren Energien langfristig für Sie spielt.

Unsere Positionen für die anstehende Debatte sind klar:

Erstens. Wir lassen nicht zu, dass Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit gegeneinander ausgespielt werden. Klimaschutz nach Kassenlage wird den Problemen nicht gerecht und wird es mit uns nicht geben. Wir erwarten eine klare Aussage, ob Nordrhein-Westfalen beim Klimaschutz führend bleiben

soll oder ob es bei der Position der Landesregierung bleibt, nichts zu tun und zunächst nur abzuwarten, was von der Bundesebene an Vorgaben kommt. Im Haushaltsentwurf finden wir keine klare Position. Sagen Sie uns, ob wir mit einer Fortschreibung des Klimaschutzberichtes durch die Landesregierung rechnen dürfen oder ob Sie das Thema Klimaschutz auch dem freien Markt opfern wollen.

Zweitens. Wir setzen auf heimische Energieträger für mehr Versorgungssicherheit. Wir wollen die Energieversorgung langfristig, soweit es geht, auf heimische Energieträger stützen. Im Gegensatz zu Öl, Gas und auch Uran müssen diese nicht importiert werden. Dies wird zukünftig immer wichtiger, da die Versorgungs- und Preisrisiken aller Importenergien in den kommenden Jahrzehnten weiter wachsen werden.

Wenn das nichts Neues ist, dann sollten Sie über Ihren ablehnenden Beschluss zum Antrag der Grünen, was das Flüssiggas anbelangt, noch einmal nachdenken.

Wir setzen auf die heimischen Energieträger wie Braun- und Steinkohle sowie auf den stetig steigenden Anteil an erneuerbaren Energien wie zum Beispiel Biomasse, Windenergie, Wasserkraft, Solarenergie und Geothermie. Auch dazu finden wir im Haushaltsentwurf keine klaren Aussagen.

Nordrhein-Westfalen muss seine Vorreiterrolle weiter ausbauen. Und was machen Sie? – In einem der zukunftsträchtigsten und wichtigsten Industrie- und Forschungsbereichen kürzen Sie fast 15 % der Mittel und nennen dies dann grundlegende Prüfung. So geht das nicht in NordrheinWestfalen.

(Beifall von der SPD)

Investitionen und Innovationen brauchen verlässliche Bedingungen und staatliche Förderungen.

Die heimische Steinkohle und verschiedene erneuerbare Energien können derzeit noch nicht mit den Preisen der Importenergie konkurrieren. Um den Interessen der Menschen gerecht zu werden, ist deshalb aktives politisches Handeln gefordert, nicht das Aussitzen. Von einer zielgerichteten staatlichen Förderung der heimischen Energieträger, fossiler und erneuerbarer Energien, profitieren Wirtschaft, Umwelt und Arbeitnehmer in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD)

Energie sparen und Energie effizient nutzen muss weiter das wichtigste Ziel bleiben. Dazu gibt es in Ihrem Haushaltsentwurf keinen ausreichenden

Ansatz. Auch hier verlassen Sie sich auf andere, in diesem Fall auf das Gebäudesanierungsprogramm der Bundesregierung.

Für einen weiteren Strukturwandel im Ruhrgebiet kommt einer starken RAG eine Schlüsselrolle zu. Deshalb darf der weiße Bereich nicht einfach zerschlagen werden. Intelligente Lösungen sind gefragt. Die Landesregierung muss die Voraussetzungen für eine langfristige tragfähige Gesamtlösung für die Bergleute und den Börsengang der RAG schaffen. Auch dazu vermissen wir etwas im Haushalt, unter besonderer Berücksichtigung der mittel- und langfristigen Folgekosten des Bergbaus und auch der Ewigkeitskosten in diesem Bereich. Hier erwarten wir klare Aussagen, wie Sie sich die Finanzierung der Kosten vorstellen und wie Sie sich die Zukunft der Bergleute und ihrer Familien im Steinkohlenbergbau und bei den Zulieferern vorstellen. Lippenbekenntnisse, dass es einen sozialverträglichen Abbau gibt, reichen da nicht aus. In dem Bereich muss etwas stehen.

Unverzichtbar ist auch unsere Position zum Atomausstieg. Die NRW-SPD steht für eine kontinuierliche und verlässliche Energiepolitik. Nordrhein-Westfalen ist aus guten Gründen bereits vor vielen Jahren aus der Atomkraft ausgestiegen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Künstliche Debatten, die den vereinbarten planmäßigen Atomausstieg infrage stellen, gefährden Investitionen in moderne Kraftwerke und schaden den nordrhein-westfälischen Interessen.

(Beifall von der SPD)

Angekündigte CO2-freie Steinkohlekraftwerke sind das Ergebnis unseres konsequenten Handels und von klaren und verlässlichen Aussagen. Wir brauchen aber Mittel, um die Forschung zu Effizienzsteigerung und Lagerung von CO2 gemeinsam mit den Energieerzeugern zu verstärken.

Der vorgelegte Haushaltsentwurf spiegelt die Bedeutung der Energiepolitik für Nordrhein-Westfalen nur unzureichend wieder. Hier erwarten wir mehr zum Wohl unseres Landes.

Die versprochene Klarheit und Verlässlichkeit auch im Bereich der Energiepolitik ist im Haushaltsentwurf nicht vorhanden. Für die SPD gilt: Der intelligente Umgang mit Energie ist die Zukunft der Energiepolitik. Verlässlichkeit muss das Markenzeichen sein. Für die Regierung gilt auch hier: Das einzig Verlässliche ist ihr Markenzeichen, und dieses lautet „versprochen – gebrochen“. – Danke.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Als nächster Redner hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Weisbrich das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist eigentlich so spannend an dem kurzen Haushaltskapitel Bergbau und Energie, das es eine eigene Rederunde rechtfertigt? – Spannend ist, meine Damen und Herren, dass der Ansatz für das Kapitel 08 050 in einem Sparhaushalt mit nahezu flächendeckenden Kürzungen um 72 Millionen € oder knapp 14 % von 530 auf 602 Millionen € ansteigt.

So viel Steigerung gab es noch nie und gibt es auch nirgendwo sonst. Hat also die Koalition neben der Bildungspolitik hier einen Investitionsschwerpunkt entdeckt? Das wäre durchaus sinnvoll, weil alle in diesem Haus immer wieder betonen, dass die Energiepolitik ein integraler Bestandteil einer zukunftsfähigen Wirtschaftspolitik ist und dass Nordrhein-Westfalen das Energieland Nummer eins in unserer Republik ist.

Aber leider, leider erkennt jeder, der genauer hinschaut, dass diese Auslegung eine krasse Fehleinschätzung wäre. Hier wird nicht Energiepolitik gestaltet, wie wir das gerne möchten, sondern hier wird nur eine Subventionspolitik fortgeschrieben, weil Verträge eben einzuhalten sind. Deshalb schütten wir – um es ganz klar zu sagen: der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe – immer noch mehr, statt endlich weniger Geld in ein Fass ohne Boden, in dem seit den 60er-Jahren schon über 120 Milliarden € verschwunden sind, Geld, das uns jetzt an allen Ecken und Ende fehlt, Geld, das keinen nennenswerten Beitrag zur Zukunftssicherung geleistet hat oder in der Gegenwart leistet.

572 von 602 Millionen € – 78 Millionen € mehr als im Vorjahr – gehen für Steinkohlesubventionen drauf. Nur 22 Millionen € verbleiben für das so genannte REN-Programm, das Landesprogramm „Rationelle Energieverwendung und Nutzung unerschöpflicher Energiequellen“. 3 % für Zukunftsprojekte und, vertragsgebunden, 97 % für die Bewahrung des Gestern: Das ist die sozialdemokratische Erblast, die wir mit uns herumschleppen müssen. So darf die Energiepolitik auf Dauer nicht aussehen. Sonst bleiben wir weder das Energieland Nummer eins, noch wird unsere Wirtschaft die Wachstumsraten der modern aufgestellten Bundesländer überflügeln.

Wenn die Energiepolitik für Nordrhein-Westfalen wieder Standortpolitik sein soll, weil sie Auswirkungen auf die Beschäftigung, die wirtschaftliche

Entwicklung, die Wettbewerbsfähigkeit und damit auf den Wohlstand unseres Landes hat, müssen wir das Steuerruder energisch umlegen. Dann muss die Energieforschung, das strategische Steuerungselement der Energiepolitik, künftig das Haushaltskapitel dominieren. Dann müssen sich Stichworte wie Effizienzsteigerung bei konventionellen Kraftwerken, Clean-Coal-Technologie, optimierter Einsatz regenerativer Energiequellen, Solar-, Brennstoffzellen- und Wasserstofftechnik, inhärent sichere Kernkrafttechnik, Transmutations- oder auch Fusionsforschung im Haushalt wiederfinden. Dann darf keine technische Option, die zur Optimierung von Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit oder Umwelt- und Klimaverträglichkeit dienen kann, aus einem Programm ausgeklammert werden, das staatliche Grundlagenforschung mit unternehmerischer Praxisentwicklung eng verzahnt.

Für eine solche Vision braucht man natürlich Geld, das uns aufgrund der sozialdemokratischen Erblast leider fehlt. Deshalb bin ich Wirtschaftsministerin Christa Thoben für ihren energischen und konsequenten Einsatz bei der Gestaltung eines sozialverträglichen Ausstiegs aus dem subventionierten Steinkohlebergbau außerordentlich dankbar. In diesen Dank beziehe ich ihren Einsatz für eine optimale Absicherung des Landes gegen Altlast- und Ewigkeitskosten des Bergbaus ausdrücklich ein.

Nur auf diesem Wege können wir uns das Geld für die energiepolitische Zukunftssicherung beschaffen. Wenn wir an dieser Stelle nicht aufpassen, haben wir plötzlich prächtige Gewinne bei den derzeitigen Eigentümern der RAG, ein Denkmal für den schlitzohrigen Herrn Müller und ein dauerhaftes Loch in der Landeskasse, mit dem es uns kaum noch gelingen wird, das Verhältnis von 3 % Zukunft und 97 % Vergangenheitsbewältigung im Energiehaushalt entscheidend zu verändern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kommt doch nicht darauf an, dass Herr Müller die RAG oder den wie auch immer benannten weißen Teil davon noch vor seiner Pensionierung Ende 2007 an die Börse bringt. Es kommt darauf an, das unter Einsatz von mehr als 120 Subventionsmilliarden geschaffene Vermögen der RAG optimal einzusetzen, um die Langzeitkosten des Bergbaus für das Land und damit für den Steuerzahler so gering wie möglich zu halten. Ob das mit dem Börsengang eines Konglomeratunternehmens besser gelingt oder ob es sinnvoller ist, die Erlöse für Teilunternehmen in eine Stiftung einzubringen, die dann die Altlasten und möglichst darüber hinaus

auch Entwicklungsprojekte im Ruhrgebiet finanziert, kann nur ein seriöses Gutachten klären, wie es die Landesregierung immer gefordert hat und wie es der Bund zurzeit europaweit ausschreibt.

Welcher Weg auch immer gewählt wird: Der Kern der Degussa in Marl bleibt bestehen. Die Kraftwerke der Steag wird niemand wegtragen. Das Gleiche gilt meines Erachtens für den Wohnungsbestand der RAG. Herr Müller hat uns schließlich vorgemacht, wie es geht: Mit der Preisgabe der profitablen Überseekohlegruben hat er die Steag und mit dem Verkauf der Perle Feinchemie die Übernahme der restlichen Degussa finanziert.

In seiner Dialektik bedeutet das weder die Aufgabe von Versorgungssicherheit noch eine Zerschlagung. Für ihn fallen solche Operationen unter den Begriff „Unternehmensoptimierung“. Negative Vokabeln wie „Zerschlagung“ sind denen vorbehalten, die partout nicht an den Ruhm von Werner Müller oder an die Organisationsinteressen der IG BCE denken wollen, sondern die nur die Interessen der Steuerzahler im Sinn haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss noch eine Bemerkung zur Absatzförderung für deutsche Steinkohle und zu den Grünen. Für die Grünen ist diese Haushaltsstelle der Jäger 90, mit dem sie die ungedeckten Schecks für ihre Ausgabenorgie finanzieren wollen. Mehr als 220 Millionen € wollen die Grünen hier einnehmen, weil sie angesichts gestiegener Weltmarktpreise für Steinkohle Subventionserstattungen in entsprechender Höhe veranschlagen. Herr Priggen, haushaltspolitisch ist das unseriös. Unseriöser geht es überhaupt nicht mehr.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das wird er Ih- nen gleich erklären!)

Sie wissen doch ganz genau, dass die zeitnahe Preisabrechnung, die Sie in das Subventionsprogramm für den Zeitraum von 2006 bis 2008 hineingebracht haben – mit hohem persönlichem Einsatz; das erkenne ich an –, erst ab 2007 zum Tragen kommt. Außerdem kennen Sie doch den Bericht des Bundesrechnungshofs zur Überprüfung der Kohlesubventionen vom 12. Juli 2005, in dem es wörtlich heißt. – Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis darf ich zitieren –:

„Die in den vergangenen Jahren tendenziell gestiegenen Drittlandskohlepreise führten nicht zu einer Verringerung der Beihilfen, da die Produktionskosten ebenfalls anstiegen. Zudem beeinflussten andere zuschussrelevante Parameter, wie die Höhe der Stilllegungsaufwendungen und die Erlöse der Bergbauunternehmen aus dem Absatz der Steinkohle, die Zuschussfest

setzung. Das Abrechnungsverfahren war dabei so aufwendig, dass das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle die für die Festsetzung der Beihilfen vorgesehene Frist bis zum 31.07. des auf das Plafondjahr folgenden Jahres stets um mehr als ein Jahr überschritt.“

Wenn die etwas zurückzahlen sollen, wird das mit Sicherheit noch viel schlimmer werden. Und wenn wir über die Sprechklausel reden, wird das auch noch viel schlimmer werden.

Aus beiden Gründen, meine lieben Kollegen von den Grünen, ist es völlig unseriös und nach dem Jährlichkeitsprinzip der Haushaltsrechnung sogar unzulässig, die von Ihnen vorgeschlagene Luftnummer von 226 Millionen zu verbuchen. Sie können doch Ihre Kommission für eine nachhaltige Finanzpolitik in Nordrhein-Westfalen keine weit über allen anderen Bundesländern liegende Schuldenstandsquote beklagen, dauerhaft notwendige Haushaltsverbesserungen in Höhe von wenigstens 2,77 Milliarden € analysieren und äußerst harte Anpassungen beim Primärausgabenniveau sowie schmerzhafte politische Entscheidungen zur Schließung der Lücke fordern lassen, wenn Sie gleichzeitig Gelder, die vielleicht gar nicht, frühestens aber 2007 kommen, bereits 2006 für weitere Leistungsversprechen verbraten.

So geht das sicherlich nicht. Da müssen Sie sich schon für eine Richtung entscheiden, Frau Löhrmann: konsolidieren oder konsumieren. Wenn Sie das verstanden hätten – der Kollege Sagel ist leider nicht im Raum –, dann hätten wir uns die Diskussion über all die verlockenden Haushaltsanträge der Grünen sparen können, weil das Geld zur Erfüllung Ihrer Zielvorstellungen nicht anwesend, sondern abwesend ist. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Priggen, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön.