Protokoll der Sitzung vom 04.05.2006

Das ist nicht seriös. Man kann das ja bis in die Entwicklung des Landesjugendplans hinein verfolgen. Sie haben 96 Millionen € versprochen. Ob sie in den Haushalt eingesetzt worden wären, weiß heute niemand. Aber Sie haben 96 Millionen Euro versprochen.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Von diesen 96 Millionen € haben Sie einen beachtlichen Anteil für die Kooperationsprojekte Schule und Jugendhilfe bereitgestellt. Auf der anderen Seite wollten Sie 250 Sozialpädagogen in den Schulen in diesem Jahr nicht mehr weiter beschäftigen.

(Beifall von der FDP und Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir haben es anders gemacht. Wir haben die 250 Sozialpädagogen, die in den Schulen schon gearbeitet haben, dort belassen und weiter finanziert, aber eben die Mittel für die Kooperation Schule und Jugendhilfe im Landesjugendplan reduziert.

(Britta Altenkamp [SPD]: Schulsozialarbeit und Kooperation Schule/Jugendhilfe sind zwei unterschiedliche Dinge!)

Da kann man doch nicht sagen, dass wir eine Politik gegen Kinder und Jugendliche machten. Wir machen es vielleicht mit anderen Maßnahmen als Sie, aber mit Sicherheit mit besserem Erfolg.

(Beifall von FDP und CDU)

Man kann das auch an einer zweiten Stelle deutlich machen: offene Kinder- und Jugendarbeit. Plötzlich sind Sie von der rot-grünen Opposition die Lordsiegelbewahrer der offenen Kinder- und Jugendarbeit.

(Britta Altenkamp [SPD]: Totaler Quatsch!)

Dabei hat die SPD gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen anlässlich der Haushaltsberatungen 2004/2005 bereits in einem Änderungsantrag zum Doppelhaushalt angekündigt, dass die Mittel für die offene Jugendarbeit von damals 19 Millionen € bis 2007 innerhalb des Landesjugendplans auf 10 Millionen € reduziert werden und danach komplett auslaufen sollten zugunsten der Kooperationsmittel für Schule und Jugendhilfe.

(Britta Altenkamp [SPD]: Jetzt überziehen Sie!)

Liebe Britta Altenkamp, das ist parlamentarisch dokumentiert. Ich habe auch Frau Löhrmann, weil sie hier Ähnliches behauptet hatte, diesen Änderungsantrag als Gedächtnisstütze für die 14. Wahlperiode einmal zugeleitet. Das ist also parlamentarisch belegt; das kann man hier nicht abstreiten. Das war genau das, was SPD und Grüne wollten.

Wir machen es anders. Wir verstärken im Kinder- und Jugendförderplan das Geld für die offene Kinder- und Jugendarbeit, um die jugendpolitische Infrastruktur zu sichern. Daneben sorgen wir außerhalb des Kinder- und Jugendplans dafür, dass auch sozialarbeiterische Tätigkeit etwa an den Hauptschulen möglich ist.

Was ich Ihnen nicht durchgehen lasse, ist, dass Sie das Sonderprogramm „Jugend in sozialen

Brennpunkten“ so einfach als Trostpflästerchen beschreiben

(Beifall von der CDU – Hannelore Kraft [SPD]: Die Rücknahme der Kürzungen als Sonder- programm zu bezeichnen, ist unglaublich!)

Das sind 4,5 Millionen €, die für Projekte etwa von Jugendeinrichtungen zur Verfügung stehen und der Verstärkung der Kooperation mit Schulen, der Ansprache von Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte, und letztlich auch der Sicherung jugendpolitischer Infrastruktur dienen.

(Zuruf von der SPD: Die gehören in den Lan- desjugendplan!)

Ob die nun in den Landesjugendplan gehören oder nicht, das ist mir völlig gleichgültig. Den Einrichtungen vor Ort ist es auch egal, ob das Geld, das sie bekommen, aus dem Landesjugendplan kommt oder aus einem anderen Programm. Entscheidend ist, dass es den Kindern und Jugendlichen zugute kommt. Darum geht es doch.

(Beifall von FDP und CDU)

Dafür werden wir Sorge tragen. Sie sind herzlich eingeladen, Kleine Anfragen dazu zu stellen, wie denn der Kinder- und Jugendförderplan 2006 verausgabt wird. Das ist Ihr gutes Recht. Sie werden davon Gebrauch machen. Wir werden belegen: Wir werden das Geld, das eingeplant ist, besser und zielgerichteter für Kinder und Jugendliche aufwenden, als das in der Vergangenheit der Fall war.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Gödecke?

Ja, natürlich!

Herr Lindner, Sie und die anderen Redner der regierungstragenden Fraktionen haben so viel Wert auf die Verlässlichkeit und die Planbarkeit gelegt und deshalb dargestellt, dass ihre Verabredung, den Landesjugendplan in seiner gegenwärtigen Höhe von 75 Millionen € bis zum Jahr 2010 zu verstetigen, dies gewährleiste. Ich frage Sie vor dem Hintergrund der Aussage, die Sie eben gemacht haben, Ihnen sei egal, wo das Sonderprogramm lande, ob im Landesjugendplan oder außerhalb: Bedeutet das, dass Sie auch diese 4,5 Millionen € bis zum Jahr 2010 garantieren, oder ist das eine einmalige Operation? – Es ist schon ein Unterschied, ob das im oder außerhalb des Jugendplans geschieht.

Das ist eine fachliche Frage, die ich auch fachlich beantworten kann. Die Fraktionen haben eine politische Garantie für 75 Millionen € bis zum Jahr 2010 im Landesjugendplan gegeben. Die 4,5 Millionen € für das Sonderprogramm stehen zunächst im Haushalt 2006 zur Verfügung, allerdings mit dem klaren Ziel der Fachpolitiker, diesen Ansatz für die nächsten Jahre zu verstetigen, wenn er sich in diesem Jahr bewährt haben wird.

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Abgeordneten Kraft?

Ja, denn ich habe eben zwei abgelehnt. Deshalb lasse ich jetzt zwei zu. Bitte.

Herr Kollege Lindner, mich würde interessieren, ob Sie allen Ernstes der Auffassung sind, bei den Trägern und bei den Kundigen in diesem Land – von den Bürgerinnen und Bürgern möchte ich gar nicht sprechen – damit durchzukommen, dass Sie die rudimentäre Rücknahme einer Kürzung als Sonderprogramm verkaufen wollen, wie Sie das hier wieder tun. Ich glaube, Sie unterschätzen damit die Auffassungsgabe der Fachkundigen und auch der Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Liebe Frau Kollegin Kraft. Sie sprachen von den Kundigen. Zu denen gehören Sie offensichtlich nicht.

(Beifall von FDP und CDU)

Sie wüssten nämlich dann, dass wir innerhalb des Landesjugendplans, der 75 Millionen € vorsieht, den Ansatz für die offene Jugendarbeit, der direkt in die kommunalen Jugendhilfeetats fließt, auf 25 Millionen € verstärkt haben – unbürokratisches Geld, das pauschal zur Verfügung steht. Dieses Programm, das außerhalb des Landesjugendplans etatisiert ist, aber mit den gleichen Förderrichtlinien verausgabt wird, wird genauso unbürokratisch vor Ort zur Verfügung stehen. Das steht in dem im Haushalts- und Finanzausschusses vorgelegten Änderungsantrag.

(Hannelore Kraft [SPD]: Ich spreche von den 4,5 Millionen €!)

Ich habe ihn selbst mit verfasst, deshalb werde ich das besser wissen als Britta Altenkamp. Der Punkt ist, meine ich, jetzt abgehandelt.

Ich spreche nun über die Kindertageseinrichtungen, weil es amüsant ist, wie sich die SPD zu diesem Punkt einlässt: Das erste Mal, als in Nordrhein-Westfalen über den beitragsfreien Kindergarten gesprochen worden war, war in einer Rede von Heinz Kühn anlässlich des Nordrhein-Westfalen-Programms 1975. Es war in Aussicht gestellt worden, den beitragsfreien Kindergarten bis zum Jahr 1980 zu realisieren – übrigens mit einer Gruppengröße von 15 Kindern. Beides ist nicht erfolgt.

Jetzt, wo die SPD nach 31 Jahren Oppositionspartei ist, kommt sie mit dieser Idee auf das politische Parkett und versucht, neue Wohltaten zu verteilen,

(Beifall von FDP und CDU)

obwohl die Mittel des Landeshaushalts erschöpft ist. Damit dementieren Sie sich selbst; denn auch in der Vergangenheit haben Sie solche Forderungen als unseriös betrachtet.

(Beifall von FDP und CDU – Zuruf von Hel- mut Stahl [CDU]: Gut formuliert!)

Herr Kollege Lindner, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage der Kollegin Kraft, die dann bitte das auch in Form einer Frage macht.

Ich bringe noch einen Satz zu Ende, dann kann sie gerne ihre Frage stellen.

Als Freie Demokraten sind auch wir für den beitragsfreien Kindergarten. Wir halten es für wichtig, Kinder und Familien während der Gründungsphase zu entlasten. Wir wissen aber auch, dass die Länder das alleine nicht werden finanzieren können. Wie beim „Föderalen Konsolidierungsprogramm“ 1995, als der Bund sich bei der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz über eine Veränderung der Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern beteiligt hat, bräuchten wir für den beitragsfreien Kindergarten auch einen gesamtstaatlichen Konsens, der den Bund, der viel mehr haushaltspolitische Flexibilität als die Länder besitzt, mit einschließt. Unter dieser Bedingung würden wir einen beitragsfreien Kindergarten begrüßen. Er wäre übrigens auch nur dann seriös zu finanzieren.

Jetzt hat die Abgeordnete Kraft die Gelegenheit, zu fragen.

Bevor ich der Kollegin Kraft das Wort erteile, habe ich direkt noch eine Zwischenfrage der Kollegin Löhrmann.

Die nehme ich dazu.

Jetzt hat aber zunächst die Kollegin Kraft das Wort.

Herr Lindner, zum einen haben wir in unseren Haushaltsansätzen gezeigt, dass man das seriös gegenfinanzieren kann – das nur vorweg.

(Helmut Stahl [CDU]: Um Himmels willen!)

Zum anderen möchte ich Sie gerne fragen, ob Sie aus unseren Veröffentlichungen und auch aus den Presseäußerungen realisiert haben, dass es anders als Heinz Kühn uns um eine andere Zielsetzung dabei geht. Das meinte auch die Kollegin Altenkamp mit dem Wort „dazulernen“. Wir nehmen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur Kenntnis, die uns sagen, man muss mit der Bildung früher anfangen. Uns geht es nicht um das Beitragsfreistellen des Beitrages wegen, sondern es geht darum, den Bildungsauftrag zu stärken. Dafür müssen alle Kinder da sein. Damit alle Kinder da sind, muss ich es verpflichtend machen. Wenn ich das will, dann muss ich deshalb das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei gestalten. Das ist eine völlig andere Intention als die damalige von Heinz Kühn.

Darauf möchte ich doch direkt antworten, Frau Präsidentin.