Herr Kollege Pinkwart hört nicht zu, obwohl ich mich gerade mit seinem Bereich befasse. Vielleicht sollten wir hier auch einmal Kopfnoten verteilen.
Herr Kollege Pinkwart: Was sagen Sie eigentlich dem Vorarbeiter bei Thyssen oder dem Lehrerehepaar mit drei Kindern, das jetzt mit Blick auf das Portemonnaie entscheiden muss, welches seiner drei Kinder zur Uni gehen kann?
(Rudolf Henke [CDU]: Das ist Quatsch! – Mi- nister Michael Breuer: Alle drei! – Weitere Zurufe von der CDU)
Herr Kollege Stahl, Sie haben behauptet: 20.000 € Schulden sind nicht viel; das ist ja gerade einmal ein Kleinwagen.
Für Sie ist das nicht viel! Für die jungen Menschen, die eine unsichere Zukunft erwartet, die wir mit der Generation Praktikum betiteln, für die ist jeder Euro Schulden ein Euro zu viel.
Beim Hochschulfreiheitsgesetz – ich kann es Ihnen nicht ersparen – geht es nicht um Freiheit. Das wissen wir beide sehr genau. Es geht darum, wie sich der Staat seiner Verantwortung entledigt. Sie lassen die Hochschulen mit ihren Problemen allein, Herr Pinkwart. Das ist das Problem.
(Beifall von SPD und GRÜNEN – Ute Schä- fer [SPD]: Ganz genau! – Zuruf von Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart)
Weil Sie hier dazwischenrufen – ich weiß nicht, ob er im Protokoll ist –: Ich habe Ihren Sprechzettel von der gestrigen Einjahreskonferenz gelesen und kann nur sagen: Wenn Sie nach einem Jahr immer noch nicht wissen, wo Ihre Max-PlanckInstitute ihren Sitz haben, dann empfinde ich das als peinlich. Die Eisenforschung sitzt nicht in Mülheim, sondern in Düsseldorf, und Mülheim schreibt man auch im ersten Teil nicht mit einem „h“, Herr Minister.
(Beifall und Lachen von SPD und GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: So viel zum Thema Bildung in der Landesregierung! – Gisela Walsken [SPD]: Peinlich, Peinlich! – Unruhe)
Das zeigt, wie eng die FDP im Land verwurzelt ist. Deshalb musste ich diesen Punkt setzen, auch wenn ich selber aus Mülheim komme. Es war mir klar, dass dieser Einwurf kommt.
Aber all dies zeigt deutlich – verbergen Sie es doch nicht vor den Menschen da draußen im Land! –: Sie wollen eine Ökonomisierung der Bildung. Das bedeutet aus unserer Sicht: In Zukunft haben nur die Starken eine Chance. Das ist und bleibt der falsche Weg, meine Damen und Herren.
Herr Laumann auch nicht. Dennoch kann ich es Ihnen nicht ersparen: Bis heute gibt es keinerlei Erfolge am Arbeitsmarkt. Es gibt nicht den Hauch eines Rüttgers-Effekts. Das Gerede von der psychologischen Wirkung eines CDU-Wahlsieges hat sich als leere Ankündigung erwiesen.
Man muss sich das einmal genau durchlesen, Herr Ministerpräsident. Sie haben nämlich am 5. März 2005 auf dem CDU-Parteitag wörtlich gesagt – ich zitiere mit Erlaubnis –:
„Wenn mich jemand fragt, wie man unsere Probleme löst, dann sage ich: Durch Abwahl dieser Regierung. 50 % ist Psychologie.“
Die Zahlen, die wir sehen, besagen eher, dass sich NRW vom Effekt der großen Koalition nach unten abkoppelt. Ich verstehe überhaupt nicht, dass Sie darin einen Grund für Jubelfeiern zum Jahrestag sehen. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.
Schlimmer noch: Es gibt auch keine erkennbaren Anstrengungen, die eigenen Ankündigungen umzusetzen. Auf Ihrem Parteitag am 5. März haben Sie angekündigt, die Jobmotoren in unserem Land anzuwerfen. Weil Sie mich letztes Mal als
„Bei den Flughäfen, bei den Hochschulen, im Gesundheitssektor, bei den Privathaushalten und im Minijobbereich liegt ein enormes Beschäftigungspotenzial von mehr als 1 Million Arbeitsplätzen in den nächsten zehn Jahren. Wir wollen alles dafür tun, dass so viel wie möglich davon realisiert wird. Das geht. Ich traue mir das zu.“
(Beifall von CDU und FDP – Dr. Axel Horst- mann [SPD]: Luftblasen! – Zuruf von der SPD: Gut gebrüllt, Löwe!)
Ich frage Sie heute: Wo sind die Initiativen, um diese Potenziale zu aktivieren? – Ich kann davon nichts erkennen.
In Ihrer gestrigen Bilanz finden sich zu diesem wichtigen Bereich keinerlei Daten und Fakten. Das hat seinen Grund, meine Damen und Herren.
(Beifall von SPD und GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: Wie auch? Es sind keine Erfolge zu verzeichnen!)
Sie sprechen von einem Bilderbuchstart. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. NRW hat heute 45.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte weniger als vor einem Jahr. Das sind rechnerisch 3.750 jeden Monat.
Im April 2005 waren es 1,064 Millionen Arbeitslose in NRW. Das war für Sie damals Anlass, massivste Vorwürfe gegen die seinerzeit amtierende Landesregierung zu erheben. Heute, ein Jahr später, sind es immer noch 1,047 Millionen. Der Rückgang beträgt ganze 2,7 %, und Sie verkaufen das den Zeitungen auch noch als Erfolg.
Herr Ministerpräsident, Sie haben früher immer gerne den Blick nach Bayern und BadenWürttemberg gelenkt, wenn es um Wirtschafts
kraft und Arbeitslosenzahlen ging. Also, schauen wir einmal dorthin: In Baden-Württemberg betrug der Rückgang 4,8 %; in Bayern sogar 7,8 %. Welche Anstrengungen unternehmen Sie, um an Ihre Vorbilder heranzukommen?
Meine Damen und Herren, NRW liegt nur an 14. Stelle. Nur Hessen und Hamburg sind schlechter. NRW fällt zurück. Das ist das, was wir in diesem Bereich feststellen können.