Protokoll der Sitzung vom 17.05.2006

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich bleibe dabei: Dieser Haushalt ist unseriös, ungerecht und zukunftsfeindlich. Wenn dieser Haushalt ein Leitmotiv hat, dann dieses: Versprochen – gebrochen! Statt den Haushalt zu konsolidieren, stürzen Sie das Land in eine neue Rekordverschuldung. Sie zerstören das Fundament der nordrhein-westfälischen Zivilgesellschaft, indem Sie genau da kürzen, wo sich Menschen für Menschen engagieren. Durch planlose und kurzsichtige Kürzung bei präventiver Arbeit verursachen Sie eine Kostenlawine, die in kürzester Zeit deutliche Mehrbelastungen nach sich ziehen wird. Von Nachhaltigkeit keine Spur!

Als Entschuldigung, meine Damen und Herren – auch Herr Stahl hat es wieder gemacht –, für Ihre unsoziale wortbrecherische Kürzungspolitik greifen Sie immer wieder zum gleichen Strohhalm: Sie hätten das wahre Ausmaß der Verschuldung nicht gekannt, sagen Sie.

Ihre Wahlplakate und die Reden von Herrn Diegel beweisen das Gegenteil. Selbst wenn ich Sie und Ihr Argument ernst nehme, Sie hätten es nicht gewusst, kommen Sie auch laut Guido Westerwelle nicht so gut weg. Er sagte so schön beim politischen Aschermittwoch der FDP in Passau – ich zitiere –:

„Wenn man nicht wusste, wie die Finanzlage in Deutschland war, ist man entweder blind oder blöd.“

(Heiterkeit von GRÜNEN und SPD)

Das gilt auch für Nordrhein-Westfalen. Ich bin gespannt, ob Herr Papke uns gleich aufklärt, ob er blind oder blöd ist.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Gisela Walsken [SPD] und Marc Jan Eumann [SPD]: Beides! – Zuruf von Helmut Stahl [CDU] – Weitere Zurufe)

Meine Damen und Herren, Schwarz-Gelb setzt in diesem Haushalt die falschen Prioritäten. Bei Kindern und Jugend, unserer Zukunft rasieren Sie weg ohne Rücksicht auf Gesetze, Versprechungen und Volksinitiativen.

(Zurufe von GRÜNEN und SPD)

Die Studierenden, die Zukunft dieses Landes, Garanten für die Wirtschaftsstärke von NRW, werden durch Gebühren von den Unis ferngehalten.

(Zurufe von CDU und FDP: Quatsch!)

Zusätzlich wird noch bei den Studentenwerken kräftig gekürzt,

(Christian Lindner [FDP]: Das ist Quatsch!)

die gerade für einkommensschwache Studierende wichtig sind.

(Christian Lindner [FDP]: Das sind nur 1,66 € im Monat pro Studierendem! – Weitere Zurufe)

Bei der Landwirtschaftskammer allerdings, Ihrer Bauernlobby, legen Sie ordentlich drauf. Beim öffentlichen Nahverkehr, dem besten Anti-StauProgramm, das es gibt, wird gekürzt. Aber für Flughafensubventionen gibt es ein paar Millionen zusätzlich.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Beim Straßenneubau legen Sie drauf, anstatt die längst gebauten Landstraßen in Schuss zu halten. Dabei rumpelt und rappelt es auf den Straßen in NRW, dass die Radkappen fliegen.

(Zurufe von CDU und FDP)

Bei den Steinkohlesubventionen: gute Absichten – okay. Aber konkret werfen Sie der RAG ohne Not über 200 Millionen € hinterher. Krankenhäuser, eine wesentliche Grundlage für die breite Gesundheitsversorgung, kürzen Sie in die Insolvenz.

Auch bei Frauenhäusern, also bei Schutz und Beratung für Opfer von Gewalt, wird gekürzt. Dabei sind die Häuser ausgelastet. Die Frauen in Not sind da. Aber laut Minister Laschet wird keine Frau weniger aufgenommen.

(Minister Armin Laschet: Ja, so ist das!)

Ich rate den Frauen, die nachts Hilfe suchen und keine Bereitschaft mehr vorfinden: Gehen Sie direkt ins Ministerium, Herr Laschet ist für Sie da.

Stattdessen machen Sie lieber für die Reiterstaffel – für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger nun wirklich völlig überflüssig – zusätzlich Geld locker.

(Dietmar Brockes [FDP]: Quatsch!)

Das Land: ein verlässlicher Partner der Kommunen? Von wegen! Zum einen schieben Sie unseren Städten und Gemeinden den schwarzen Peter zu, weil sie sehen müssen, wie sie mit den Kürzungen der Fachressorts zurechtkommen. Das fängt beim Kindergarten an und hört bei der Weiterbildung nicht auf.

Zum Zweiten müssen die Kommunen auf einen Schlag Kreditierungen aus früheren Jahren zurückzahlen. Und zum Dritten lassen Sie die Kommunen nicht von den Steuermehreinnahmen profitieren.

(Zuruf von den GRÜNEN: So ist das! – Diet- mar Brockes [FDP]: Sie hätten die Rede vor- her lesen sollen!)

Kommunalfreundliche Politik sieht anders aus, meine Damen und Herren.

Zu guter Letzt: die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung. Statt gute Politik zu machen, brauchen Sie mehr Geld für Werbung und Kampagnen. Das ist offensichtlich der verzweifelte Versuch, den Mist, den Sie anrichten, wenigstens schön zu verpacken.

(Beifall und Zurufe von GRÜNEN und SPD – Widerspruch von CDU und FDP)

Eine tolle Bilanz, ein Jahr nach der Wahl! Das soziale NRW machen Sie platt. Die Arbeitslosigkeit sinkt nicht. Der Schuldenstand erreicht einen neuen Rekord. – Scheitern auf der ganzen Linie!

Herr Ministerpräsident, im März 2005 haben Sie auf Ihrem Landesparteitag in Bochum gesagt – ich zitiere –:

„Die Fortsetzung der hemmungslosen Schuldenmacherei ist das Letzte, was NRW braucht.“

Doch ein Jahr nach der Wahl lautet das Fazit für Schwarz-Gelb: die höchste Verschuldung aller Zeiten. Sie werden keines der versprochenen Konsolidierungsziele auch nur annähernd erreichen.

Mich wundert allerdings, wie Sie die Ergebnisse der von unserer Fraktion eingesetzten Haushaltskommission loben; Herr Stahl hat das gerade auch wieder getan. Immerhin kommt diese Kommission zu dem Schluss, dass Ihre Politik den Landeshaushalt zum Sanierungsfall macht. Denn

Sie schaffen neue Stellen, die die Haushalte über Jahrzehnte zusätzlich und unnötig belasten.

Auch die anderen Ideen dieses Berichts berücksichtigen Sie bisher nicht. Der Bericht macht mehr als klar: Wer versucht, den Haushalt über das Kürzen der zum Teil schon bescheidenen Förderprogramme zu sanieren, macht sehr viel kaputt; aber Konsolidierung ist das nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Bisher bildet der Landeshaushalt nur die Geldseite der Zukunftsvorsorge ab. Dem Geld stehen aber materielle und immaterielle Güter gegenüber. Warum führen Sie nicht das WNA-Budget ein, also einen konkreten Nachhaltigkeitsfaktor? Dann liegt das Augenmerk auf der Art der Ausgaben, statt einfach pauschal alle Kürzungen als „Konsolidierung“ zu bezeichnen.

Warum stellen Sie nicht, wie vorgeschlagen, die Pensionslasten in den Haushalt ein?

(Christian Möbius [CDU]: Haben Sie das denn eigentlich gemacht? – Zuruf von Sören Link [SPD])

Dann stellt sich die Frage nach Angestellten oder Beamten völlig neu. Dann wird klar, warum wir eine Reform des öffentlichen Dienstes nach dem Vorschlag der Bull-Kommission dringend brauchen.

Es kommt doch darauf an, dass die vergangenheitsorientierten Ausgaben wie Zinsen, Pensionen und Erhaltungssubventionen sinken. Dagegen sollten die zukunftsbezogenen Ausgaben wie für Bildung, Forschung, Entwicklung und Umweltschutz ansteigen. Das ist ein WNA-Budget, das ist wirtschafts- und nachhaltigkeitswirksame Haushaltspolitik. Meine Damen und Herren, das ist zukunftsweisend. Dann bekommen Sie einen Haushalt mit Wahrheit und Klarheit. Lassen Sie uns den Bericht dieser Kommission gemeinsam und ergebnisoffen diskutieren. Er soll nicht wie der Bericht Ihrer Hartmann-Kommission im Papierkorb landen.

Meine Damen und Herren, statt ernsthafte Konsolidierung zu versuchen, feiern Sie sich auch noch für Ihre sozialen Untaten. Besonders erschüttert bin ich über Ihr Auftreten bei der Abstimmung über die Einzelpläne während der zweiten Lesung. Das hat mich an die Methoden besonders schlechter Comedy-Sendungen erinnert. Da gibt es immer viele Einpeitscher im Publikum, die besonders oft applaudieren.

Sie haben nach jeder Abstimmung über die Einzelpläne mit tosendem Applaus reagiert. Das habe ich hier in diesem Hause noch nicht erlebt.

(Christian Lindner [FDP]: Die SPD war nicht einmal da! Das war auch kein parlamentari- sches Verhalten!)

Bei den Abstimmungen über die Einzelpläne, lieber Herr Kollege Lindner, waren wir alle hier. Am Ende der Plenartage der zweiten Lesung – da haben Sie Recht – war unsere Fraktion die zweitstärkste Fraktion in diesem Hause. Das zu Ihrer Erinnerung. Sie als FDP waren aber noch weniger.

(Christian Lindner [FDP]: Wir waren weni- ger? Sie waren weniger! – Zuruf von Volk- mar Klein [CDU])

Sie waren deutlich weniger, ja.