Protokoll der Sitzung vom 06.07.2005

Ich nehme an, die Frage war nicht ernst gemeint, Herr Priggen.

(Zustimmung von Christian Weisbrich [CDU] - Lachen von SPD und GRÜNEN)

Aber ich stelle meine Fremdsprachenkenntnisse gerne bei anderer Gelegenheit unter Beweis; vielleicht auch bei einem Bier.

Ich sprach gerade von pragmatischen Erwägungen. Die pragmatischen Erwägungen sind ja auch in die Beratungen der Kultusministerkonferenz eingeflossen - da hätte ich mir gewünscht, dass Sie, Frau Höhn, fachlich etwas mehr à jour sind -, die in einer Staatssekretärsarbeitsgruppe gemeinsam berät, wie die ZVS zu einer Servicestelle weiterentwickelt werden kann.

Das war auch bereits die Beschlusslage der alten Landesregierung. Wir wollen da couragierter sein als Sie. Wir machen die Veränderungen, die wir hier vornehmen, aber mit Verstand. Das könnten Sie auch nachvollziehen, wenn Sie nicht nur reflexhaft einzelne Vokabeln bemühten, sondern versuchten, Zusammenhänge herzustellen, wenn Sie - mit anderen Worten - nicht versuchten, böswillig Stimmung zu machen, sondern bereit wären, ernsthaft auch unsere Versuche, hier im Land zu Veränderungen und zu Verbesserungen zu kommen, in Rechnung zu stellen. - Vielen Dank.

Meine Damen und Herren, nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Dr. Pinkwart.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Höhn, ich hatte nicht den Eindruck, dass bei der Demonstration, die hier vor dem Landtag stattgefunden hat, die Studenten nach Düsseldorf gekommen wären, um für die Beibehaltung der ZVS zu demonstrieren. Aber vielleicht ist mir da etwas entgangen.

(Beifall von CDU und FDP - Christian Lind- ner [FDP]: Richtig!)

Ich habe auch nicht den Eindruck, Herr Schultheis, dass die Äußerung, die Sie hier mit Blick auf mein Interview in der „Rheinischen Post“ zum Stichwort „Planungssicherheit“ benannt haben, nur negativ zu beurteilen ist; denn ich habe mich für die neue Landesregierung dafür ausgesprochen, dass es endlich mehr Planungssicherheit und Studienerfolg für die Studierenden gibt und nicht mehr Planungssicherheit für verkrustete Institutionen. Ich glaube, diese neue Wertsetzung sollte auch Ihre Unterstützung finden können.

(Beifall von CDU und FDP)

Zu den Einlassungen, Frau Höhn, die Sie zur ZVS und zum Auswahlverfahren gemacht haben, möchte ich darauf verweisen, dass die Mehrheit des Hauses in der vergangenen Legislaturperiode auf Vorlage der damaligen Landesregierung hier auch ein Auswahlverfahrensgesetz verabschiedet hat.

Nach dem Auswahlverfahrensgesetz hat die alte Landesregierung, der alte Landtag, vorgesehen, dass 60 % der Studienanfänger in den bundesweit geregelten Verfahren durch die Hochschulen auszuwählen sind und das nach dem Grad der Qualifikation ebenso wie nach den gewichteten Einzelnoten der Qualifikation, nach dem Ergebnis eines fachspezifischen Studierfähigkeitstests, nach Art einer Berufsausbildung, Berufstätigkeit oder ehrenamtlichen Tätigkeit, nach dem Ergebnis eines von der Hochschule durchzuführenden Gesprächs mit den Bewerberinnen und Bewerbern, das Aufschluss über die Motivation der Bewerberin oder des Bewerbers und über die Identifikation mit dem gewählten Studium und dem angestrebten Beruf geben soll.

Ich zitiere hier aus den Regelungen, die Sie selbst getroffen haben, und das zeigt deutlich, dass auch die Vorgängerregierung, die Mehrheit des Hauses in der vergangenen Legislaturperiode, einen deutlichen Schritt in die Richtung gegangen ist, die die neue Regierung noch etwas mutiger beschreiten will.

Mit dieser Veränderung aber, die schon in der vergangenen Periode eingeleitet worden ist und die auch von anderen Ländern nachvollzogen wird, geht eine umfangreiche Ausweitung des Auswahlrechts der Hochschulen in qualitativer und quantitativer Hinsicht einher.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Eumann?

Gerne.

Bitte schön, Herr Eumann.

Herr Minister, wissen Sie, wie viele Hochschulen in NordrheinWestfalen die bereits bestehenden Möglichkeiten ausnutzen? Und sehen Sie die Quoten, die es bislang gibt, ausgeschöpft?

Ich gehe davon aus, dass eine Landesregierung, wenn sie dem Landtag eine solche Vorlage zur Entscheidung unterbreitet, alle Anstrengungen unternimmt, dass dann auch diese Bandbreite an Möglichkeiten für die Studierenden und Hochschulen nutzbar gemacht wird. Das ist der Vorgängerregierung offensichtlich nicht gelungen. Das wollen wir ändern.

(Beifall von der FDP)

Dazu müssen die Hochschulen natürlich auch entsprechend auf diese neue Aufgabe vorbereitet sein. Deswegen sagen wir, dass sich bei der Forderung, die wir noch weitgehender umsetzen wollen, natürlich auch die Notwendigkeit ergibt, das Hochschulzulassungsverfahren Schritt für Schritt auf eine liberalere Grundlage zu stellen.

Am Ende dieses Prozesses wird die ZVS - das ist ganz evident - keine hoheitlichen Funktionen mehr ausüben. Oberstes Ziel sind transparente und rechtssichere Zulassungsverfahren sowie eine einfache ressourcenschonende und bewerberfreundliche Durchführung der Zulassungsverfahren. Die neuen Aufgaben der Hochschulen müssen durch geeignete Verfahrensorganisationen möglichst effizient gestaltet werden.

Es ist selbstverständlich, dass ein dezentrales Studienplatzvergabesystem funktionsfähig sein muss. Der administrative Aufwand sowohl für die Hochschulen als auch für die Bewerberinnen und Bewerber muss auf das Notwendige beschränkt werden. Die Hochschulen werden daher zentrale Dienstleistungen benötigen, die sie in die Lage versetzen, ihr Selbstauswahlrecht effektiv auszuüben. Damit einher geht der Bedarf von zentralen Serviceleistungen für die Studienbewerber. So könnte etwa ein Internetportal über alle von den Hochschulen vorgehaltenen Studienangebote und über die aktuell noch verfügbaren Studienplätze

informieren und so für die Studienbewerber Markttransparenz herstellen.

Zur künftigen Organisation des Hochschulzulassungsverfahrens hat das Plenum der Kultusministerkonferenz Ende vorigen Jahres eine Arbeitsgruppe auf Staatssekretärsebene eingesetzt. Sie wird unter dem Vorsitz von Nordrhein-Westfalen am 13. Juli ihre zweite Sitzung abhalten.

In dieser Arbeitsgruppe wird zu klären sein, inwieweit die künftig erforderlichen Serviceleistungen sinnvollerweise von einer Nachfolgeeinrichtung der ZVS wahrgenommen werden können. Über deren Rechtsform und Finanzierung sowie über deren Bezeichnung wird noch zu entscheiden und hier zu beraten sein.

Bei dem Auswahlverfahren wird es vor allen Dingen darauf ankommen, dass die Hochschulen in Zukunft von dem ihnen eingeräumten Auswahlrecht voll und ganz Gebrauch machen, so etwa von der Möglichkeit, Auswahlgespräche oder Tests durchzuführen. Dass bei der Auswahlentscheidung der Hochschulen dem Grad der Qualifikation, also in der Regel der Abiturnote, auch ein entsprechender Einfluss beikommt, bestimmt schon das Hochschulrahmengesetz. Zudem können auch andere Kriterien - ich habe sie eben schon benannt - berücksichtigt werden.

Herr Minister, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich bin beim letzten Satz, Herr Präsident. - Da die Hochschulen den Umstellungsprozess - das ist ganz klar - nicht von heute auf morgen werden bewältigen können, wird er natürlich nur Schritt für Schritt umgesetzt werden. Wir, die neue Landesregierung, werden diesen Prozess nicht nur eng begleiten, sondern die Hochschulen auch in den Stand versetzen, dass sie diese neuen Möglichkeiten umfangreich nutzen können. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe deshalb die Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung dieses Antrages Drucksache 14/14 - Neudruck - an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Darf ich fragen,

wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmt? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist das einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

10 Energie in Nordrhein-Westfalen: Investitionen und Arbeitsplätze sichern, Ausstoß von Treibhausgasen senken

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/17

Ich eröffne die Beratung und gebe als erstem Redner Herrn Abgeordneten Dr. Axel Horstmann das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie wir alle beobachten konnten, hat in den Koalitionsverhandlungen, die die beiden Regierungsparteien miteinander geführt haben, die Energiepolitik keine unbedeutende Rolle gespielt. Die künftige Steinkohlefinanzierung war eines der wesentlichen Themen, ausgestattet mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit. Das andere Thema war die Windenergie, die zukünftige Nutzung der Windkraft. Liest man den Koalitionsvertrag, stellt man fest, dass sich die Ergiebigkeit der Beratungen in diesen beiden Themen erschöpft.

(Beifall von den GRÜNEN)

Außer zum Thema „Steinkohlefinanzierung“ und zum Thema „zukünftige Windkraftförderung“ finden sich in der Koalitionsvereinbarung keine energiepolitischen Aussagen. Ich halte dieses für einigermaßen überraschend.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Das behaupten Sie seit Jahren! Das ist immer die alte Leier!)

- Überraschend aus folgendem Grund: Sie alle wissen, dass Sie bei der Steinkohlefinanzierung eine Rechnung mit zwei Unbekannten gemacht haben. Mit der RAG und der Bundesregierung wollen Sie erst im nächsten Jahr verhandeln - also liegt die Entscheidung noch weit in der Zukunft. Und bei der Windkraft, Herr Kollege Papke, sage ich Ihnen voraus: Nachdem das EEG - übrigens mit Zustimmung der Mehrheit der B-Länder - erst im vergangenen Jahr novelliert worden ist, wird es auch lange dauern, bis ein Bundestag und ein Bundesrat dieses umfassende Gesetz erneut novellieren werden.

(Zuruf von Dr. Gerhard Papke [FDP])

Indes gibt es eine energiepolitische Entscheidung, die vordringlich ist. In der Union, der der Ministerpräsident dieses Landes angehört, vollzieht sich eine Entscheidungsfindung zum Thema „Künftige Nutzung der Atomenergie in Deutschland“. Es ist unübersehbar und unüberhörbar, dass Frau Merkel plant, die Restlaufzeiten der Atomkraftwerke in Deutschland zu verlängern, und zwar um etwa acht bis zehn Jahre.

Da diese Entscheidung unmittelbar bevorsteht und darüber offensichtlich auch bei der Bundestagswahl - mutmaßlich am 18. September - eine Vorentscheidung durch die Wählerinnen und Wähler getroffen wird, überrascht es doch, dass das aus nordrhein-westfälischer Sicht in der Koalitionsvereinbarung der Regierungspartner keinerlei Würdigung, nicht einmal Erwähnung findet. Ich finde dieses aus Sicht eines Energielandes einigermaßen überraschend. Ja, ich will weitergehen: Ich finde es fahrlässig, denn das ist eine Entscheidung, die für Nordrhein-Westfalen ganz erhebliche Konsequenzen haben wird.

Ich möchte nicht die Grundsatzdiskussion über die Atomenergie aufmachen. Bekanntlich - auch nach Feststellung von Herrn Rüttgers - plant niemand ein neues Atomkraftwerk zu bauen. Aber die Restlaufzeiten um acht bis zehn Jahre zu verlängern bewirkt, dass Unklarheit an einer Stelle geschaffen wird, wo wir uns alle Klarheit gewünscht haben - im Interesse der Planungssicherheit für Investoren, denen wir abverlangen, milliardenschwere Investitionen auch in Nordrhein-Westfalen zu tätigen.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Das ist doch völ- liger Mumpitz! Das ist einfach falsch!)

Der Energiemix der Zukunft, Herr Kollege Papke, wird dadurch ein Stück weit wieder verunklart - gerade nachdem wir uns bemüht haben, mit einem neuen EEG, mit der Steinkohlefinanzierung, mit der Ausgestaltung des Zertifikatehandels unter dem neuen EU-Klimaschutzregime, mit dem neuen Energiewirtschaftsgesetz die Rahmenbedingungen insgesamt zu klären. Für energiewirtschaftliche Investoren wird wieder Unklarheit geschaffen, denn niemand weiß, wie es danach weitergehen soll. Auch Frau Merkel erklärt sich dazu bekanntlich nicht.

Schlimmer noch: Diese Absicht nützt in keinem Falle Nordrhein-Westfalen. Nordrhein-Westfalen ist ein in der Energieerzeugung starkes, aber kernkraftfreies Land. Von einem Weiterbetrieb von Atomkraftwerken, die in den nächsten Jahren auslaufen würden, hat Nordrhein-Westfalen keinen Nutzen.

Indes konzentriert sich hier aber womöglich der Schaden einer solchen Entscheidung. Wir kämpfen in Nordrhein-Westfalen seit vielen Jahren dafür, dass die Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke möglichst modernisiert werden und auch neue Gaskraftwerke in Nordrhein-Westfalen entstehen können, die umweltfreundlich produzieren. Einer der größten Hemmschuhe dabei war die nach der Liberalisierung der Energiewirtschaft im Markt verbliebene Überkapazität bei der Stromerzeugung. Wenn jetzt gegenüber den bisherigen Szenarien mehr Atomkraftkapazität im Markt bleibt, kann sich jeder ausrechnen, dass der Erneuerungsdruck zu Investitionen in neue Kraftwerke im Bereich der fossilen Energieerzeugung nachlässt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das können Sie in jeder Zeitung nachlesen.

Ich finde, es stände der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen nicht nur gut an, es wäre geradezu ihre Pflicht, darauf aufmerksam zu machen, dass eine solche Entscheidung in Nordrhein-Westfalen Schaden auslösen kann. Ich frage mich: Wo ist die Stimme des Ministerpräsidenten in dieser Diskussion, die die CDU gegenwärtig führt?