Herzlichen Dank, Herr Lindner, dass ich das darf. Ich möchte Sie fragen, welchen Unterschied Sie zwischen dem Nationalen Ethikrat auf der einen Seite und dem Deutschen Bundestag auf der anderen Seite sehen, der ja mit überwiegender Mehrheit den Beschluss zu dieser Stichtagsregelung getroffen hat.
Wenn ich es richtig sehe, haben wir einen neuen Deutschen Bundestag, er ist neu gewählt worden. Niemand, auch nicht die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, hat ein Verbot, sich inhaltlich weiterzuentwickeln. Debattenfortschritte sind doch nur dann denkbar, wenn es neue Diskussionsbeiträge gibt. In diesem Zusammenhang habe ich den Nationalen Ethikrat zitiert. Mir ist schon bekannt, dass das ein Gremium der Bundesregierung und nicht des Deutschen Bundestages ist.
Herr Lindner, wir haben zwar einen neuen Bundestag. Aber die jetzige Bundesforschungsministerin hat noch vor kurzem, und zwar im März, auf Nachfrage der grünen Abgeordneten Priska Hinz gesagt, dass sie diese Stichtagsregelung nicht aufweichen möchte. Was sagen Sie dazu?
Auch Frau Schavan hat alles Recht der Welt, ihre Position zu überdenken. Aber auch da ist die Voraussetzung, dass man miteinander diskutiert und nicht Diskursverbote ausspricht.
Ich will abschließend noch einmal auf den Nationalen Ethikrat eingehen. Ich finde – das werden auch Sie zugestehen, Frau Dr. Seidl –, der Nationale Ethikrat hat sich in der Sache ernst zu nehmend mit dieserlei Fragen auseinander gesetzt. Ich habe über die Blastozysten gesprochen. Der Rat stellt fest, dass er einer Öffnung für Forschung an embryonalen Stammzellen, die über die Verwendung von Blastozysten gewonnen werden, zustimmen könnte, dass er eine solche
Neuregelung empfehlen würde. Würde sich diese Haltung des zweiten Gutachtens durchsetzen, könnte das Stammzellimportgesetz aufgehoben werden. Der zukünftige Import embryonaler Stammzellen könnte dann nämlich nach den gleichen Vorschriften wie die Verwendung von in Deutschland entstandenen Stammzellen ablaufen.
Um eines abschließend zu sagen: Wir bekennen uns dazu, dass eine solche Debatte intensiv geführt werden muss. Bei kontroversen Debatten ist es normal, dass man sich von unterschiedlichen Ausgangspunkten aufeinander zu bewegt. Dazu gehört aber auch ein gewisser Respekt vor der Haltung anderer Fraktionen, anderer Persönlichkeiten, auch wenn es nicht die eigene Haltung ist. Mit moralischen Absolutheitsansprüchen kommt man genauso wenig weiter wie mit dem Vorwurf, dass andere nur ideologische Festlegungen hätten.
Deshalb – um es ganz klar zu sagen –: Es wird der Opposition nicht gelingen, in dieser wichtigen Frage einen Keil zwischen Union und FDP zu treiben. Wir stehen zu den Feststellungen, die wir hier in Nordrhein-Westfalen im Koalitionsvertrag mit der CDU getroffen haben. Das hindert uns aber nicht daran, sowohl auf der Landes- als auch auf der Bundesebene einen intensiven Austausch anzuregen und uns an dieser Debatte zu beteiligen. – Ich danke Ihnen.
Danke schön, Herr Lindner. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Dr. Pinkwart. Bitte schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion um die Chancen und Risiken der Bio- und Gentechnologie wird in Deutschland schon seit längerer Zeit und nicht selten mit Leidenschaft und Emotionalität geführt. Da es dabei um die Wahrung der Würde des Menschen geht und zudem vielschichtige juristische, medizinische und wissenschaftliche Fragestellungen eine Rolle spielen, können uns kontroverse Standpunkte und persönliche Überzeugungen nicht überraschen.
Das darf uns jedoch nicht daran hindern – ich danke dem Parlament dafür, dass es das Gott sei Dank auch nicht tut –, die Debatte stets sachlich, fair, aber immer wieder auch im Lichte neuer Entwicklungen und Forschungsergebnisse zu führen. Gerade im Bereich von Forschung und Entwick
lung, also bei der Suche nach dem Neuen, verbieten sich von vornherein für unverrückbar erklärte Rahmenbedingungen sowie abschließende oder erst recht ideologisch motivierte Fragestellungen.
Das gilt offensichtlich auch für die Grünen. Denn mit Blick auf die Einlassungen von Frau Löhrmann und Frau Steffens im Rahmen der Landtagsdebatte zur embryonalen Stammzellforschung aus dem Jahre 2001 beschreibt der heute vorliegende Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen ganz offensichtlich eine andere Haltung zur embryonalen Stammzellforschung und speziell zu dem damals in Rede stehenden und zwischenzeitlich praktizierten Import von Stammzelllinien. Mit diesem Antrag binden sich die Grünen heute allerdings an eine Regelung, die sie noch vor fünf Jahren im Kern unter ethischen Gesichtspunkten in diesem Hause als unverantwortbar dargestellt haben. Neue Forschungsmethoden werden dabei – möglicherweise bewusst – ausgeblendet, weshalb dieser Antrag an der aktuellen und in der Wissenschaft stattfindenden Debatte vorbeigeht.
Es ist nach meiner Auffassung das gute Recht eines jeden, eine unter Hinweis auf ethische Bedenken gegenüber der embryonalen Stammzellforschung ablehnende Haltung einzunehmen. Aber ebenso ist unter ethischen Gesichtspunkten die Frage berechtigt, die etwa Herr Moron während der damaligen Debatte im Landtag gestellt hat. Ich darf ihn mit Genehmigung der Präsidentin zitieren:
„Ist es ethisch zu verantworten, bei uns einen Forschungsweg zu verschließen, der die Chance enthält – nicht die Gewissheit –, Therapien entwickeln zu können, die schwere Krankheiten und Leiden heilen?“
Es ist mit Hinweis – das haben Herr Brinkmeier und Herr Lindner hier eben klar gemacht – auf den Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP kein Geheimnis, dass auch innerhalb der Landesregierung und, wie Herr Brinkmeier dargelegt hat, auch innerhalb seiner Fraktion unterschiedliche Auffassungen zur Forschung an humanen embryonalen Stammzellen vorzufinden sind.
Unstreitig ist der Schutz des ungeborenen Lebens, geregelt durch das Embryonenschutzgesetz vom 13. Dezember 1990. Dieser wird von der Landesregierung nicht infrage gestellt. Im Koalitionsvertrag steht jedoch an keiner Stelle ein Denkverbot oder gar eine Aufforderung zur Missachtung von Hinweisen aus dem Kreis international anerkannter Wissenschaftler auf dem Gebiet der embryonalen Stammzellforschung.
Bei allen Unterschieden verbindet uns zudem das gemeinsame Anliegen, die Chancen der Bio- und Gentechnologie auf der Grundlage des geltenden Rechts konsequent zu nutzen und darüber hinaus neuen Entwicklungen aufgeschlossen und ohne Scheuklappen gegenüberzustehen. Hierzu zählt auch, neue Forschungsmethoden in den Blick zu nehmen, die ethischen Ansprüchen hinreichend Rechnung tragen und gleichzeitig eine verantwortbare Forschung an humanen embryonalen Stammzellen in Aussicht stellen.
Es geht darum, diese neuen Entwicklungen im Dialog mit Biomedizinern, Ethikern, Rechtswissenschaftlern, Sozialwissenschaftlern und der Bevölkerung zu diskutieren. Dazu leistet das Kompetenznetzwerk Stammzellforschung NordrheinWestfalen, in dem sich Experten der genannten Disziplinen engagieren, wertvolle Arbeit. Darauf hat auch der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung ausdrücklich hingewiesen.
Kaum einem anderen Forschungsgebiet wird ein so großes Entwicklungspotenzial zugeschrieben wie der Stammzellforschung. Eindeutige Hinweise oder gar gesicherte Erkenntnisse, dass sich neuere Therapiemethoden nur mithilfe der adulten Stammzellen entwickeln lassen, wie der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu vermitteln versucht, gibt es derzeit nicht. Vielmehr haben weltweit anerkannte Stammzellforscher auf dem Gebiet der adulten Stammzellforschung ihre Forschung um die Nutzung von embryonalen Stammzellen erweitert, um die Therapieentwicklung voranzutreiben.
Die Auffassung der Antragsteller, die Forderung der Forscherinnen und Forscher nach einer Überarbeitung der rechtlichen Beschränkungen für die Arbeit an humanen embryonalen Stammzellen verfolge ausschließlich das Ziel einer uneingeschränkten oder gar beliebigen Forschungsfreiheit, ist nicht nur eine unfaire Unterstellung, ihr kann hier zudem aus guten Gründen widersprochen werden.
Anlass zu dieser Forderung sind nämlich die mangelnde Rechtssicherheit bei der Beteiligung an internationalen Kooperationsprojekten und die ungleichen Forschungsbedingungen im internationalen Vergleich. So fehlt im gültigen Stammzellgesetz die Festlegung der Bedingungen, unter denen sich ein deutscher Forscher an internationalen Kooperationsprojekten beteiligen kann. Darunter fallen auch Forschungsvorhaben, die von der Europäischen Union mit erheblichen Ressourcen gefördert werden.
Deutschlandweit sprechen sich Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen gegenwärtig für eine Überarbeitung des Stammzellgesetzes aus. Insofern handelt es sich mit Blick auf meine Ausführungen auf dem dritten internationalen Meeting des Kompetenznetzwerks Stammzellforschung NRW entgegen der Darstellung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht etwa um eine Wiedereröffnung einer Debatte, sondern, wie eingangs gesagt, um einen Beitrag zu einer ohnehin in Politik und Wissenschaft seit längerem stattfindenden Debatte.
Auch im Deutschen Bundestag – darauf hat Kollege Lindner eben hingewiesen – wird diese Debatte angesichts zeitnah zu erwartender Parlamentsinitiativen neu aufgenommen beziehungsweise im Lichte aktueller Forschungsergebnisse fortgesetzt.
Die Landesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, Nordrhein-Westfalen zum Spitzenstandort für die Forschung in Deutschland zu machen. Wir nehmen Hinweise deutscher Forscher, die angesichts einer im europäischen Vergleich restriktiven Gesetzeslage auf einen Standort- und damit Wettbewerbsnachteil für Deutschland und damit auch für Nordrhein-Westfalen verweisen, sehr ernst und greifen sie auf.
Genau das habe ich unter ausdrücklichem Hinweis auf die Gültigkeit der Koalitionsvereinbarung hier in Nordrhein-Westfalen auf dem dritten internationalen Meeting des Kompetenznetzwerks Stammzellforschung Nordrhein-Westfalen nicht nur im Rahmen meines Vortrages, sondern auch eines sehr ausführlichen Pressegesprächs gemeinsam mit den Wissenschaftlern zum Ausdruck gebracht. Ich danke Ihnen sehr, Herr Brinkmeier, dass Sie das in Ihren Ausführungen so deutlich dargestellt haben.
Anlass dazu ist die vielfältige Etablierung der erwähnten neuen Methoden zur Gewinnung von embryonalen Stammzellen in den letzten Monaten, die Beleg dafür sind, wie sehr sich Wissenschaftler aus der ganzen Welt um einen Ausweg aus dem ethischen Dilemma bemühen. Auf dem dritten internationalen Meeting des Kompetenznetzwerks Stammzellforschung NRW in Münster wurden Methoden des alternativen Kerntransfers, also Forschungsansätze, die die Nutzung von Embryonen zu Forschungszwecken vermeiden, vorgestellt. Herr Prof. Jaenisch vom Whitehead Institute am MIT etwa hat eine Methode etabliert, durch die sich befruchtete Eizellen zur Gewinnung von Stammzellen eignen, sich aufgrund ihres veränderten Erbguts aber nie zu einem Embryo entwickeln können.
Besonders interessant finde ich zudem den Forschungsansatz von Prof. Schöler, Direktor am Max-Planck-Institut in Münster, der gegenwärtig sogenannte Vorkernstadien, die direkt nach der Befruchtung entstehen, in denen sich die Kerne der Ei- und Samenzelle aber noch nicht verbunden haben, zur Gewinnung von Stammzellen bei Mäusen nutzt. Diese Vorkernstadien gelten nicht als Embryo und fallen damit aus juristischer Sicht nicht unter das Embryonenschutzgesetz. Quelle für Experimente mit menschlichen Zellen könnte dafür die große Anzahl an kühlkonservierten Vorkernstadien aus erfüllten Kinderwunschbehandlungen sein.
Natürlich sind noch nicht alle Vorgänge bei diesen Verfahren bis ins Detail verstanden. Größtenteils erfolgen die Versuche noch im Tiermodell, sodass weitere Grundlagenforschung notwendig ist. Ich meine jedoch: Wenn neue Forschungsansätze in so kurzer Zeit möglich sind, darf sich die Politik nicht auf immerwährende Rahmenbedingungen festlegen. Vielmehr erscheinen eine stetige Begleitung und Neubewertung der wissenschaftlichen Forschung und deren ethischen und rechtlichen Implikationen erforderlich.
Wie bereits erwähnt leistet das Kompetenznetzwerk Stammzellforschung Nordrhein-Westfalen mit seinen beiden Arbeitsgemeinschaften der Biomedizin und der Ethik- und Rechtswissenschaft dabei einen wertvollen Beitrag.
Die Landesregierung wird diesen Prozess, meine Damen und Herren, wie in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten angekündigt, weiter aufmerksam verfolgen und unsere Wissenschaftler bei ihrer Arbeit unterstützen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Herr Minister Pinkwart. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Löhrmann das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe gar nicht, wenn die Dinge bei CDU und FDP so einfach liegen und das alles so klar ist, warum Sie, Herr Brinkmeier, die Haltung, die Sie vorgetragen haben und in der es viel Übereinstimmung gibt, nicht einfach durch ein entsprechendes Abstimmungsverhalten dokumentieren.
lich geregelt haben, bei der Frage der Sonntagsöffnung von Videotheken – eine wirklich sehr entscheidende Frage! –, haben Sie hier auch unterschiedlich votiert. Als Grüne halten wir die Stammzellforschung, bei der es um Fundierung und ethische Grundlagen geht, für ein Thema, bei dem sich das eher begründet. Das haben wir damals auch deutlich gemacht.
Im Vorfeld der Diskussion ist uns nicht entgangen – das zeigen die Mühen, die Sie haben, sich im Verfahren gegen diesen Antrag auszusprechen –, dass es innerhalb der Koalition offensichtlich nicht gelungen ist, sich auf einen gemeinsamen Entschließungsantrag zu verständigen. Den Versuch dazu hat es ja wohl gegeben.
Herr Brinkmeier, etwas wundert mich schon: Sie haben einen Vergleich mit der Diskussion aus dem Jahr 2001 gezogen. Damals hat es eine Diskussion zur Stammzellforschung gegeben, ohne dass ein Antrag vorgesehen war. Herr Möllemann hat dann kurz vor Ende der Diskussion einen EinSatz-Antrag aus dem Hut gezaubert und hier im Parlament zur Abstimmung gebracht.
Meine Fraktion, die nicht nur hier in NordrheinWestfalen, sondern auch im Bundestag und im Verbund mit der europäischen Politik über Jahre sehr intensiv an diesem Thema arbeitet, hat jetzt aufgrund von Presseveröffentlichungen form- und fristgerecht einen Antrag eingereicht, zu dem sich alle eine Meinung bilden konnten. Sie hätten auch auf uns zukommen und sagen können: Wir haben noch Gesprächsbedarf. Wir möchten damit anders umgehen, das nicht direkt abstimmen usw. – Das kommt erst jetzt, wo Sie sich nicht haben verständigen können. Das mit dem Vorgehen von Herrn Möllemann zu vergleichen, sagt mehr über Sie und Ihre Probleme aus, als dass es da irgendetwas Vergleichbares gäbe. Das möchte ich hier ausdrücklich feststellen.
Ich stelle fest, wenn ich Sie heute so höre, Herr Pinkwart: Es gibt schon einen Unterschied in Ihren Aussagen. Ich möchte auf die Zitate zurückkommen, die Herr Kuschke genannt hat. In dem Text, der auf der Homepage Ihres Ministeriums steht, Herr Minister für Forschung und Innovation, finden sich die Passagen, die Herr Kuschke schon zitiert hat. Die möchte ich aus Zeitgründen nicht wiederholen. Da steht die Relativierung, die Sie heute im Parlament vorgenommen haben, nicht, sondern da steht, dass Sie die kritischen Hinweise aus der Wissenschaft ernst nehmen und dass Sie das diskutieren wollen. Dass es vorangehen müs
se, was Sie hier nur mit Einschränkungen angedeutet haben, steht auf der Internetseite des Ministeriums so aber nicht. Deswegen finde ich – das ist das Hauptanliegen unseres Antrags –: Wehret den Anfängen!
Als wir das erste Mal von der FDP von den Schulbezirken gehört haben, haben wir auch nicht gedacht, dass sich das einmal in Gesetzen wiederfinden würde. Vielmehr haben wir gesagt: Okay. Hier müssen wir offensichtlich ein bisschen genauer aufpassen.